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Appel, Carl. Das Leben und die Lieder des trobadors Peire Rogier. Berlin: Druck und Verlag von G. Reimer, 1882.

356,002- Peire Rogier

 

9.

 

Den Gedichten Peire Rogier’s reihe ich noch eins an, welches nur in c (f. 84) überliefert und dort unserem Dichter zugeschrieben wird. Es steht zwischen Al chan d’auzel (s. No. III) und Ges non puesc en bon uers fallir (s. No. 6), welche die Handschrift ebenfalls beide, das zweite mit Recht, das erste mit Unrecht, Peire zuschreibt. Styl, Inhalt und Form des hier folgenden Liedes sprechen nicht für Peire’s Autorschaft, und wenn wir berücksichtigen, wie unzuverlässig c in Angabe der Verfasser ist, werden wir uns schwer entschliessen unseren Trobador als den Dichter anzuerkennen.

Die Form des Liedes ist sehr bemerkenswerth. Es folgt auf fünf siebensylbige Verse auf einen Reim (a) ein ebenfalls siebensylbiger mit abweichendem Reim (b); während a von Strophe zu Strophe wechselt, bleibt b bestehen, also a a a a a b; c c c c c b; etc. Das Auffallende ist nun, dass während a in Strophe 1, 2, 4 und 5 männlich ist, es in 3 und 6 weiblich wird. Mit dieser Eigenthümlichkeit steht das Gedicht allein in der provenzalischen Literatur. Die Fälle von Geschlechtswechsel der Reime in den Strophen sind überhaupt selten und auch die wenigen vorkommenden sind anderer Art. Guilhem’s de St. Lidier fünftes Lied bildet seine Versausgänge aus in je zwei Strophen sich gegeneinanderbewegenden grammatischen Reimen, wobei denn an die Stelle eines weiblichen Reimes in der ersten Strophe jedes Paares ein männlicher in der zweiten tritt. Das Schema ist also

1:
a_
b_
c_
d_
e_
i_
k
l
2:
λ
χ
ι
ε
δ
γ
β
α
 

Aehnlich bei Raimon de Miraual No. 3, doch insofern verschieden, als die grammatischen Reime nicht in der nächsten Strophe, sondern schon in der nächsten Zeile folgen, und dass von Strophe 3 an (1) zwei Reime durch je zwei Strophen festgehalten werden. Aber auch hier steht in jeder zweiten Strophe ein männlicher Reim an Stelle eines weiblichen in der vorhergehenden und umgekehrt:

Str. 3:

c1γ1_

c2γ2

c3γ3

c4γ4

c5γ5

c6γ6_

4:

γ7_c7

γ8_c8

γ9_c9

γ10_c10

γ11_c11

γ12_c12

 

Das Lied Gr. 461, 143 spielt mit grammatischen Terminis: nominativa, genetiva, indichativa etc. In der ersten und dritten Strophe werden diese nur mit weiblichem Ausgang verwandt, in der zweiten aber auch mit männlichem: conjuntiu, optatiu.

Str. 1 und 3:
a_
b
a_
b
a_
b
a_
b
2:
c
a’
a’
c
a_
b
a_
b (2)
 

Noch weniger gewollt als in diesem scheint der Geschlechtswechsel in den Liedern Daude de Pradas 9 und Rostaing Berenguier 4. Bei jenem ist das Schema a b b a c c d d e; während in Str. 3 bis 6 d männlich ist, ist es in 1 und 2 weiblich. Beim anderen haben wir a_b_b_a_c c d_e e d_und zwar in der ersten Strophe männliches, in der zweiten weibliches e.

In diesen beiden Fällen ist wohl das andere Geschlecht dem Dichter gegen seinen Willen eingeschlüpft. Dass dies bei unserem Lied nicht der Fall ist, zeigt die regelmässige Vertheilung der Strophen.

Die Reimordnung des Gedichts: auf eine Mehrzahl gleich ausgehender Verse einen abschliessenden mit anderem Reim folgen zu lassen, ist bei den höfischen Trobadors nicht eben beliebt. Ihre Kunstdichtung ist nicht so sparsam mit Reimen und so einfach im Bau, während eine geringe Zahl Reime, einer bis drei für die Strophe, der volksthümlichen Dichtung und daher der sich an sie lehnenden frühesten Kunstpoesie eigenthümlich ist. Von Guilhem’s von Poitiers 12 Liedern haben drei nur 1 Reim, acht 2, nur eins 3 Reime. Von den acht zweireimigen lassen sechs den ersten wechseln, während der zweite durchgeht; unter 39 Gedichten Marcabrun’s ist eins einreimig, elf mit 2, zwölf mit 3, aber auch schon elf mit 4 Reimen, nur drei mit 5 und eins mit 6. Schon bei Bernart von Ventadorn haben die vierreimigen Strophen das grosse Uebergewicht. Unter 43 Gedichten sind: ein einreimiges, sieben mit 2, fünf mit 3, zweiundzwanzig mit 4, vier mit 5, drei mit 6, und eins mit 8 Reimen, und die vierreimige Strophe bleibt für die Folge die weitaus häufigste.

Den Typus unserer Form, d. h. einen abweichenden Reim nach mehreren gleichen haben in der provenzalischen erhaltenen Literatur etwa 12 Lieder, darunter eins von Guilhem von Poitiers (No. 10) und drei Balladen (Gr. 461, 12, 69, 73).

 

Fußnoten:

1) Str. 1 und 2 sind im Reimbau ganz abweichend. ()

2) für a’ s. oben p. 31. ()

 

 

 

 

 

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