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Appel, Carl. Das Leben und die Lieder des trobadors Peire Rogier. Berlin: Druck und Verlag von G. Reimer, 1882.

070,011- Bernart de Ventadorn

 

Peire Rogier mit Unrecht zugeschriebene Lieder.

 III.

 

Von ihnen enthalten aber nur C¹E die unten mitgetheilten Strophen alle und in dieser Reihenfolge. Die anderen überliefern nur Str. 2 bis 6 und zwar in folgender Anordnung:

C²R:
2 5 6 3 4
PSc:
2 3 5 6 4
 

Die sich hieraus ergebende Eintheilung in drei Gruppen wird durch die Varianten bestätigt; in der letzten sind PS einander näher verwandt. Einen engeren Zusammenhang der Gruppen C²R und PSc, den man auf Grund ihrer unvollständigen Ueberlieferung vermuthen dürfte, würde man aus den Lesarten schwer erschliessen können (1). Die sehr weitgehenden Abweichungen der Gruppen setzen eine sehr mangelhafte gemeinschaftliche Vorlage voraus. Die Wahl zwischen den Lesarten ist oft schwierig. Während ich für die Anordnung der Strophen C¹E zu Grunde lege, scheint mir in der Ueberlieferung des Textes mehrfach C²R das Bessere zu haben.

Das Gedicht ist schon oft abgedruckt: Rayn III, 60, darnach W I, 18; Lesebuch nach C¹E, Ged. 340 nach R, Arch. 33, 310 nach P; und ebenso hat es häufigere Besprechung gefunden: bei Fauriel II, 33, Diez L. u. W. p. 25, Bischoff Biogr. des Trob. Bernart v. Ventadorn p. 52, Suchier im Aufsatz über Marcabru Jahrbuch XIV, 126, zuletzt von Carducci Nuova antologia 2ª seria XXVI, p. 9.

Von diesen fünf nehmen Fauriel, Diez und Suchier an, dass das Lied von Bernart von Ventadorn verfasst sei, Bischoff zweifelt, neigt sich aber wohl derselben Ansicht zu, Carducci endlich spricht sich wieder entschieden und unter Angabe von Gründen für Bernart aus.

Prüfen wir seine Gründe. Er sagt:

1. Tre codici assegnano a Bernardo la canzone Bels Monruels, e i quattro che a lui non la danno, discordano tutti nell’ attribuzione che ne fan diversa a quattro trovatori inferiori. Dagegen ist zu sagen: C¹E schreiben die Canzone Bernart zu, C²R Perdigo, P Raimon de la Sala, c Peire Rogier; in S steht das Lied ohne Namensüberschrift unter Guilhem Ademar’s Lanquan vey florir l’espija. Das Verhältniss ist also wesentlich anders als Carducci sagt. Nur zwei Handschriften fallen auf Bernart, zwei allerdings zersplittern sich auf je einen Trobador, eine ist ohne Namensangabe; diese drei Manuscripte entstammen einer Quelle, ihr Auseinandergehen macht also ihre Angaben werthlos, dagegen stehen den zwei Stimmen für Bernart die zwei für Perdigo gleichberechtigt gegenüber.

2. nella canzone c’è il nome di Alice. Dieser Grund ist schon von Suchier Bischoff gegenüber zurückgewiesen (2); Nur afrz. ist Aelis die Form für das provenzalische Azalais, wie die Gemahlin Eble’s von Ventadorn hiess. Hier ist zu trennen na Helis.

3. la canzone ha tutto lo stile, il colorito, la verseggiatura delle più belle di Bernardo. Dass die Canzone ihrem Styl und Colorit nach wohl von Bernart herrühren könnte, will ich nicht bestreiten, doch nicht allein von ihm, er ist nicht der einzige Trobador, der aus der Wärme der Empfindung heraus sang. In Hinsicht auf die Form dagegen hat die Canzone keine Aehnlichkeit mit irgend einer Bernart’s. Schon oben (p. 21) habe ich erwähnt, dass bei ihm der männliche Zehnsylbner nicht strophenbildend auftritt, sondern immer nur in Verbindung mit anderen Versarten. Ebensowenig kehrt diese oder auch nur eine ähnliche Reimstellung bei Bernart wieder. In der Form hat Perdigo sogar ein weniges vor ihm voraus, indem er Strophen aus männlichen Zehnsylbnern bildet (No. 3 und 8).

4. Risponde benissimo alle vicende de’ suoi amori. Dieser Grund steht und fällt mit dem zweiten. Von dem Ereigniss, auf das v. 38 angespielt wird, erfahren wir aus Bernart’s Biographie und Liedern nichts. Abgesehen übrigens von der Verschiedenheit von na Helis und n’Azalais ist ja auch na Helis schwerlich mit der unten mon Joi genannten Dame des Dichters identisch. Das Bemühen den im Gedicht erwähnten Namen Beziehung zu Bernart’s Lebensschicksalen zu geben, ist bisher resultatlos geblieben; weder Monruelh, noch Elis, noch Mon Joy kommen bei ihm vor. Freilich findet sich etwas dem letzteren ähnliches wieder, nämlich im 19. Gedicht: Estat ai cum hom esperdutz der Versteckname Fis Joys. Bischoff p. 53 bezieht dieses Lied auf die Katastrophe in Ventadorn, nach seiner Rechnung etwa 1152. Er weist dabei auf die Aehnlichkeit der Namen Dolz Esgar und Bel Vezer (dieses der Versteckname der Vizgräfin) hin. Ist aber Dolz Esgar wirklich die Vizgräfin, dann kann Fis Joys sicher nicht dieselbe sein; in Belh Monruelh dagegen müsste Mon Joy nach Bischoff’s und Carducci’s Ansicht die Vizgräfin bedeuten.

Um die Verwirrung zu vervollständigen kommt der Versteckname Fis Joys auch bei Perdigo mehrfach vor, in: Ben ajo·l mal e l’afan e·l cossir, in: Entr’amor e pessamen, und ausserdem in einem Lied, welches in CR Peirol zugeschrieben wird, in V aber zwischen Gedichten Perdigo’s steht und deshalb leicht letzterem zuzuschreiben sein wird: Car m’era de joi lunhatz. (In der Anfangszeile dieses Liedes scheint übrigens Joy allein schon den Verstecknamen zu vertreten: Car m’era de joi lunhatz, Ai estat lonja sazo De joi e de far chanso). Um Perdigo’s Ansprüche zu stützen, könnte man auch zur Vergleichung sein Gedicht Cil cui plazon tuit bon saber (es ist leider nur nach dem nicht überall verständlichen V veröffentlicht) heranziehen, welches allerdings bemerkenswerthe Uebereinstimmungen mit unserem Liede zeigt. Aber das Erwähnte ist natürlich nicht hinreichend, Perdigo’s Autorschaft zu begründen; ich verzichte darauf, die Frage nach dem Dichter des Liedes hier zu beantworten.

Beachtenswerth sind in dem Gedicht auch die Reime auf -is. Den Reim amis z. 3 allerdings gestatten sich viele Trobadors: Bertran de Born 8, Peire d’Alvernhe 23, Guiraut de Bornelh 13, Raimbaut de Vaqueiras 11, Guillem de Cabestanh 7, Arnaut de Maroill 7 etc. etc. und es ist vielleicht Zufall, wenn er bei Bernart von Ventadorn und Perdigo nicht zu belegen ist, denn von Bernart, unter dem doch wohl nur der von Ventadorn zu verstehen ist, sagt eine Handschrift der Razos de trobar, dass er den Reim gebraucht habe (Stengel p. 87, 14). Man könnte also diesen Punkt noch für Bernart’s Autorschaft geltend machen. Der Reim amayris v. 15 und aucis v. 18 dagegen ist strenggenommen nicht gestattet. Die Trobadors pflegen -itz und -is genau zu scheiden.

Beide Reime kommen bei Bernart von Ventadorn vor, is in 1, 20, 37, itz in 33, 40; jeder ist ohne Mischung mit dem anderen durchgeführt (3). Perdigo’s Hinterlassenschaft ist viel kleiner als Bernart’s, nur ein Gedicht: Tot l’an mi ten amors zeigt den Reim -is, und dort ist er gleichfalls rein. Uebertretungen sind bei guten Trobadors selten, ein Fall ist Folquet de Marselha No. 23 razis für razitz. (Ueber ähnliche Reime s. Stimming Bertran de Born zu 6 z. 9).

Metrisch ist auffallend die sehr grosse Anzahl lyrischer Cäsuren: vv. 2, 3, 15, 18 (?), 25—28, 32 (?), 40. In v. 13 wäre Cäsur nach der dritten Sylbe, es ist also besser gar keine anzunehmen.

Wir kennen mehrere Lieder, die gleiche Form mit unserem haben: Bertran de Born 15; Guilhem Rainol d’At 4, wo hinzukommt, dass der Reim a nach je zwei Strophen wechselt; Pons de la Garda 3, wo der Reim b einer Strophe immer a der nächsten wird, während für b eine neue Endung eintritt. Zusammengehörig ist Peire Vidal’s: Drogoman seigner, s’agues bon destrier und das dagegen in gleichen Reimen gedichtete Sirventes Sordel’s: Quan qu’ieu chantes d’amor ni d’alegrier. Alle diese sind unserem Lied nur in Reimstellung und Versmass gleich. Auch gleiche Reime mit ihm hat aber Peire Milo’s: Aissi m’ave cum cel qu’a senhors dos. Und zwar findet sich der Reim is wie in unserem Gedicht behandelt, sowohl amis z. 6, enis 21, enemis 36, wie andrerseits voutis z. 40 reimen auf afortis, aclis, vis etc. Wir werden deshalb und weil im allgemeinen die Trobadors in ihrer Liebesdichtung Verwendung fremder Melodien scheuten, Peire Milo noch keinen Anspruch auf unser Gedicht einräumen dürfen, wenngleich er desselben nicht unwerth erschiene; seine Lieder zeichnen sich durch Energie und lebendige Vorstellung aus, seine Bilder sind dem Leben entnommen, neu und besser als die Mehrzahl der Trobadors sie bringt. Mit dem Eigenthumsrecht der Melodien hat es übrigens Peire Milo nicht eben genau genommen. Mass und Reime seines 7. Liebesgedichts finden sich bei Peire Raimon de Toloza 16 wieder, das 9. Gedicht stimmt in Form und Reim mit B. Gr. 461, 77.

 

Fußnoten:

1) Im Gegentheil zeigt c sogar an verschiedenen Stellen Berührungspunkte mit C¹E. ()

2) Jahrb. XIV, p. 126. ()

3) Doch habe ich das unedirte 40 nicht vergleichen können. ()

 

 

 

 

 

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