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Eichelkraut, Franz. Der Troubadour Folquet de Lunel. Berlin: W. Weber, 1872

154,006- Folquet de Lunel

 

Dieses Gedicht befindet sich nur in A.

In dieser Canzone haben wir ein Beispiel der sogenannten Ablösung der Reime, die die Troubadours mit grosser Vorliebe und vieler Kunst angewandt haben.
Man kann in Bezug auf den Strophen-Bau all die verschiedenen Arten der Ablösung füglich in zwei Klassen theilen; entweder nämlich wird der Bau der Strophen dabei geändert oder nicht. In unserm Gedicht findet der erste Fall Statt. Die zweite Strophe ist die Umkehr der ersten, die dritte der zweiten, wird mithin der ersten gleich u. s. w., so dass die erste, dritte und fünfte Strophe für sich und die zweite und die vierte Strophe für sich gleichen Bau haben.
Die Reimordnung lässt sich so darstellen:
I. αββαα~γγδδ
II. δδγγα~αββα
III. αββαα~γγδδ u. s. w.
Sollte der Bau der Strophe nicht geändert werden, so hätten die Reime auf folgende Weise rückwärts gelesen werden müssen:
I. αββαα~γγδδ
II. δγγδα~ααββ,
wobei eine völlige Gleichheit erst mit der fünften Strophe eingetreten wäre. Die leys d’amors nennen (I. 176) diese Art Strophen coblas retrogradans per acordansa, die Reime derselben rims retrogradatz per acordansa (I. 256).
Die tornadas in diesen Liedern können die Schlussreime der letzten Strophe entweder, wie gewöhnlich, in derselben oder in umgekehrter Ordnung bringen (I. 340). Unser Gedicht zeigt eine Abweichung von der Regel; die erste tornada nämlich entspricht dem Schluss der vorletzten und die zweite tornada dem der letzten Strophe; sie repräsentiren, wenn man es so auffassen kann, den Schluss der beiden Strophen, die, nach dem in dem Gedicht befolgten System der Ablösung, auf die fünfte gefolgt wären; ihre metrische Formel würde sein:
I. torn.: α~αββα
II. torn.: α~γγδδ.
Noch eine andre Eigenthümlichkeit ist in unserm Gedicht zu bemerken. Der Reim auf elha, der sich in allen Strophen an derselben Stelle findet, wird, streng betrachtet, in seiner eignen nicht gebunden, ist also ein Beispiel der von den Provenzalen oft angewandten Körner; (1) zu gleicher Zeit bildet er aber in jeder Strophe mit einem andern Reim, der für sich in seiner Strophe gebunden ist, einen grammatischen Reim, zu welchen wir wohl auch den in der fünften Strophe (castelh: Castelha) rechnen dürfen.
Etwas ähnliches findet sich bei Peire Vidal (No. 16), wo die Körner an die Reimwörter der Strophe anklingen, und dadurch auch einmal ein grammatischer Reim hervorgeht (malanans : malanansa); was also dort durch Zufall entstanden, sehen wir hier mit Absicht durchgeführt.
Die männlichen Reime sind rims sonans leyals oder consonans leyals wie Vers 12 : 24 oder rims simples leonismes wie Vers 21 : 34 : 35. Der grammatische Reim ist auf verschiedene Weise gebildet, so durch das Maskulinum und Femininum eines Adjectivs in Vers 22 : 23, 32 : 33, 46 : 47; diese Art bezeichnen die leys (I. 180), wie man nur aus dem Beispiel schliessen kann, da die Erklärung eine unglückliche ist, mit rims retrogradatz per bordos. Ferner ist er entstanden durch ein Substantiv und ein Verb : Vers 14 : 15, durch ein Adjectiv und ein Verb: Vers 4 : 5, durch ein Substantiv und ein nomen proprium: Vers 40 : 41, eins, selbstverständlich, stets aus dem andern abgeleitet. Für diese letzten Fälle bieten die leys den umfassenden Namen rims derivatius (I. 186), die dann wieder, nach nicht immer recht sichtbaren Unterschieden, näher bezeichnet werden.
Dieselben Reimwörter finden sich Vers 26 : 44, 18 : 47 (tornada), 36 : 50 (torn.), stets mit derselben Bedeutung.
Für den Vers 13 wäre noch an den im provenzalischen oft, hier natürlich unabsichtlich, angewandten Inreim (Mittelreim) zu erinnern; die leys nennen solche Reime rims multiplicatius oder enpeudatz (I. 172) und die entsprechenden Verse bordos enpeudatz (I. 124).

 

1) Bartsch hat diesen Ausdruck ans der deutschen Lyrik in die provenzalische eingeführt. Die leys geben für die einzeln angewandten Körner keine Bezeichnung, nur für solche, die eine ganze Strophe bilden (rimas dissolutas I. 164); die rims espars (I. 176) decken sich nicht mit dem Begriff „Körner“, da bei denselben keine Rücksicht darauf genommen wird, dass der in der eignen Strophe ungebundne Reim in einer andern seinen Gefährten findet. Dante nennt einen in der eignen Strophe nicht gebundenen Vers clavis.()

 

 

 

 

 

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