I. SIRVENTES. (B. Gr. 249,3.)
Das Gedicht ist überliefert in den Mss.:
Da fol. 177cd,
I fol. 195a,
K fol. 180d,
abgedruckt nur bei Rochegude p. 372.
Text und Orthographie nach I.
Das Sirventes besteht aus fünf coblas unisonans.
Schema: 6a 6a 6a 6a 6b’ 6b’ 6a 6a 6b’.
Die Reime sind: ors, enda.
Maus (1) p. 97 Nr. 30 kennt kein anderes Gedicht von gleichem Strophenbau.
Handschriftenschema:
Begründung:
x:
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v. 7:
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I, K:
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si, eine Silbe zuviel;
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v. 10:
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I, K:
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mos, sinnlos.
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Da Sonderstellung in
v. 8: lo, grammatisch falsch;
v. 39: e, eine Silbe fehlt;
v. 42: voillatz, sinnlos.
Das Gedicht trägt in den Handschriften I und K ausdrücklich die Ueberschrift „sirventes“. Daß diese Bezeichnung richtig ist, wird die Betrachtung des Inhalts zeigen:
1. Der Dichter wünscht sich hervorragend gute Exemplare von verschiedenen Vögeln, die zur Beize abgerichtet sind, dazu bedeutendes Vermögen, um davon in ehrenvoller Weise Geschenke verteilen zu können.
2. Auch treffliche Jagdhunde möchte der Dichter haben und Jagdgehilfen, dazu Sänger und Fiedler, auf daß die Freude neu belebt werde.
3. Eine Anzahl Pferde wünscht er sich, die verschiedenen Zwecken dienen sollen, auch bunte Fahnen und Zelte, und er möchte, daß man ihm aus allen Gegenden her so viel verkaufte, daß er für alle, für hoch und niedrig, den Lebensunterhalt bestreiten könnte.
4. So reich möchte er sein, daß Kaiser und Könige, daß die Mitglieder des hohen wie des niederen Adels ihre Aufmerksamkeit auf ihn lenkten. Dazu wünscht er sich tapfere Begleiter, so daß weder Burg noch Stadt ihm Widerstand leisten könnte.
5. Endlich rühmt sich der Dichter, gelehrt zu sein, die Bücher der Autoren und der Vorfahren zu kennen. Nichts fehlt ihm, als daß die schönste Frau sich ihm ergäbe, wenn sie auch die Blume ihres Geschlechts ist.
Das Gedicht ist durchaus unpolitischen Inhalts und gehört zu den Liedern, „worin der Verfasser mit Ruhe und Maß von sich selbst redet, sein Gemüt ausspricht, oder seine Ansichten über einzelne Gegenstände darlegt“(2). Wir werden das Gedicht demnach mit Fr. Diez als „persönliches Sirventes“bezeichnen müssen.
Das Lied ist ausgezeichnet durch seine Form (Unicum, vgl. oben Metrisches) wie durch seinen Inhalt, der kultur-historisch interessant ist (3). Der Wunsch des Dichters nach Vögeln für die Beize und Hunden für die Jagd, nach Rossen und Kriegsgeräten für das Waffenhandwerk, und endlich die Sehnsucht nach der Geliebten bieten ein anschauliches Beispiel für die Ideale des Ritterlebens: Jagd, Krieg, Minnedienst.
Ein frischer, selbstbewußter, hochstrebender, echt ritterlicher Geist spricht aus dem Liede. Der Ausdruck ist prägnant und lebendig; der bis zuletzt aufgesparte höchste Wunsch bildet einen vortrefflichen Abschluß.
Fr. Diez schreibt: „Diese Bekenntnisse (in den persönlichen Sirventesen) sind mitunter von ziemlich poetischem Gehalte“(4). Man wird nicht anstehen, den poetischen Wert unseres Liedes recht hoch einzuschätzen.
Fußnote:
1) Fr. W. Maus: Peire Cardenals Strophenbau. Auf eine Anführung der hier angegebenen Parallelformen habe ich verzichtet. Diese würde zum Zweck haben, in Bezug auf die Form die Abhängigkeit eines Trobadors von einem andern zu beweisen. Bei der Unmöglichkeit, G. d. S.’s Gedichte genauer zu datieren, muß diese Frage aber offen gelassen werden, und damit erübrigt sich eine Anführung der bei Maus verzeichneten Parallelformen. Soweit es nötig ist, wird auf das Schema bei der Behandlung der Attributionsfrage Rücksicht genommen.(↑)
2) Fr. Diez: Die Poesie der Troub. p. 162 f.(↑)
3) W. Hensel: Die Vögel in der aprov. Lyrik (Roman. Forsch. 26. p. 632) verweist mehrfach auf unser Lied.(↑)
4) Fr. Diez a. a. O. p. 163.(↑)