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Strempel, Alexander. Giraut de Salignac, ein provenzalischer Trobador. India: Pravana Books, 1916

[CdT en procés d'incorporació]

235,002- Guillem de Salaignac

 

III. DESCORT. (B. Gr. 249,4)

Dieses Descort findet sich in den Mss.:

         C fol. 357ab, G. d. S.;

         E pag. 147b, Guillem d’Anduza;

         R fol. 96d, (nach P. Meyer fol. 97d), G. d. S.;

         e pag. 136, 138 u. 140, G. d. S.,

es ist vermerkt in der Arbeit

Vom Descort“ von C. Appel und abgedruckt bei

Raynouard III. 396 nach C,

Bartsch: Lesebuch XVI. pag. 111 nach R,

— : Chrestomathie prov. (éd. Koschwitz) 1904(6) nach C und R.

 

Text und Orthographie nach C.

 

Die Handschriften überliefern das Descort ohne Strophenabteilung. Die einzelnen Verse sind nur zuweilen durch einen Punkt getrennt, doch zeigen die Handschriften auch darin oft merkwürdige Unterschiede; so teilt E z. B. vv. 38, 41, 42, 44 in je zwei Verse; R trennt vv. 31, 34, 37, 40, vermutlich wegen ihrer Kürze, nicht ab. Um die getroffene Abteilung in Strophen und Verse zu rechtfertigen, führe ich folgende Stellen aus Appels Arbeit „Vom Descort“(1) an. „Unsere Stropheneinteilung des Descort (ist) notwendig mancher Willkür ausgesetzt, da das Wesentliche der Strophe, die Wiederkehr derselben metrischen Form, beim Descort wegfällt. — Die Strophen sind singulars, sie haben jede ihren Reim für sich, (das Eintreten neuer Reime ist gerade in erster Linie, was uns den Beginn einer neuen Strophe annehmen läßt,) und zwar ist die Anzahl der Reime in jeder Strophe sehr beschränkt, fast stets nur zwei, höchst selten drei, häufig ist die Strophe einreimig. Die Strophe pflegt in Abschnitte zu zerfallen, die nach Reimordnung, Reimendung und Silbenzahl congruent sind. Solch congruenter Abschnitte sind meist zwei oder vier, bisweilen drei oder sechs. ... Das gewöhnliche ist durchaus, daß die Strophenglieder vier Reime nicht überschreiten. ... Die Silbenzahl der Verse (wenn man jedes durch den Reim herausgeschnittene Stück des Strophengliedes so nennen will) ist sehr verschieden. Als Regel aber kann gelten, daß die Silbenzahl acht oder selbst sieben nicht überschreiten wird. Sehr häufig sind ganz kurze Verse von ein, zwei, drei, vier Silben, wobei man sich dann freilich immer wird fragen müssen, inwieweit diese kurzen Abschnitte nicht zu einem längeren Verse zusammengefaßt werden müßten.“— Danach darf folgendes Schema für unser Descort aufgestellt werden:

Strophe I (vv. 1-12) besteht aus vier congruenten Strophengliedern, jedes Strophenglied aus drei Versen von sieben, drei und fünf Silben. Die Anzahl der Reime beträgt zwei: ort, ansa.

Strophe II (vv. 13-20) besteht aus vier congruenten Strophengliedern, jedes Strophenglied aus zwei Versen von sieben und acht Silben. Die Anzahl der Reime beträgt zwei: au, or.

Strophe III (vv. 21-28) besteht aus vier congruenten Strophengliedern, jedes Strophenglied aus zwei Versen von je sieben Silben. Die Anzahl der Reime beträgt zwei: ia, atz. Strophe II u. III unterscheiden sich nur durch Reim und Silbenzahl.

Strophe IV (vv. 29-40) besteht aus vier congruenten Strophengliedern, jedes Strophenglied aus drei Versen von fünf und zwei Silben. Die Anzahl der Reime beträgt zwei: ire (2), es. Auch Strophe I. und IV. sind nur durch Reim und Silbenzahl unterschieden.

Strophe V (vv. 41-50) besteht aus fünf congruenten Strophengliedern, jedes Strophenglied aus zwei Versen von je acht Silben, die auf e reimen.

Strophe VI (vv. 51-52) = Tornada: zwei Achtsilbler, die auf e reimen. Raynouard und Bartsch (vgl. oben) trennen die Tornada nicht ab. Die beiden Verse heben sich aber dem Sinne nach deutlich als Tornada ab. Auch die Form ist die der Tornada, da in beiden Versen Reimwiederholung stattfindet. Daher glaube ich, die Einteilung in fünf Strophen und eine Tornada vorziehen zu müssen. — Demnach wäre das Schema:

I.

7a 3a 5b’

/

7a 3a 5b’

/

7a 3a 5b’

/

7a 3a 5b’

 

 

II.

7c 8d

/

7c 8d

/

7c 8d

/

7c 8d

 

 

III.

7e’ 7f

/

7e’ 7f

/

7e’ 7f

/

7e’ 7f

 

 

IV.

5g’ 5g’ 2h

/

5g’ 5g’ 2h

/

5g’ 5g’ 2h

/

5g’ 5g’ 2h

 

 

V.

8i 8i

/

8i 8i

/

8i 8i

/

8i 8i

/

8i 8i

VI.

8i 8i.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Handschriftenschema:

 

 

Begründung:

x1:

v. 40

C E e R que, eine Silbe zuviel;

x2:

v. 14

C E e aillors, Reim störend, in C durch falsches amors v. 16 ausgeglichen;

 

v. 22

C E ee “ eine Silbe zuviel;

 

v. 29

C E e res, grammatisch unmöglich;

 

 

R: Sonderstellung in:

 

v. 7

ca= c’a, sinnlos;

 

v. 17

soy, sinnlos;

 

v. 19

mentava, eine Silbe zuviel, Reim störend;

 

v. 27

en, sinnlos;

 

v. 35

sinnlos;

 

v. 50

efehlt, eine Silbe zu wenig;

x3:

v. 39

C E au, sinnlos;

 

 

e: Sonderstellung in:

 

v. 18

e, eine Silbe fehlt;

 

v. 35

·m, nötiges Reflexivpronomen fehlt;

 

v. 48

anc, sinnlos;

 

 

ferner:

 

v. 41

l“fehlt, können R und E selbständig geändert haben;

 

v. 13

laus“in R und e können unabhängige Fehler sein, bewirkt durch das unmittelbar voraufgehende „lausengiers“.

 

C. Appel in seiner schon angeführten Arbeit über das Descort schreibt: „Vielleicht ist die Discordanz der Strophenform nicht allein Anlaß gewesen, der Liedart den Namen zu geben. Auch der Inhalt des Gedichtes stimmt zu ihm,“und er zitiert dazu v. 4-7 unseres Descort (3). Der Inhalt unseres Gedichtes ist der gleiche, den nach Appel alle provenzalischen Descorts haben „... die Klage über die Liebesnot des Dichters (v. 8-12, 32-40); er versichert, daß er dem Tode nahe sei, daß er sterben werde, wenn die Dame ihm nicht helfe (fehlt hier); so fleht er sie um Erbarmen, um Erhörung seiner Bitten (v. 29-31), er beteuert seine Treue (v. 41-46), er preist andererseits die Schönheit und Trefflichkeit der Dame, die Macht der Minne, welche seinen eigenen Wert erhöhe usw. (v. 19-28, 47-52). Eingestreut sind etwa Warnungen vor den falschen Liebhabern und vor Verleumdern, welche echte Liebe stören (v. 13-18).“Die hier nicht angeführten Anfangsverse enthalten ebenfalls nichts, was unser Lied von den übrigen Descorts unterschiede. Die gleichen Worte finden sich auch im Eingange des Liedes 404,7 von Raimon Jordan. Appel schreibt ferner: „Die dritte Besonderheit des Descort (die Melodie) war vielleicht die charakteristischste, ist uns aber noch die mindest greifbare.“Wie erwähnt, ist uns von G. d. S. überhaupt keine Melodie erhalten. Die elegante Form und der einem Descort entsprechende Inhalt unseres Liedes berechtigt uns, es mit Appels Worten als „Dichtwerk höchsten Stiles“zu bezeichnen.

Unser Descort ist überliefert in den Handschriften C, E, R, e. G. d. S. wird in C, R, e, Guillem d’Anduza in E als Verfasser genannt (4). Eine besondere Schwierigkeit für die Entscheidung der Attributionsfrage erwächst aus dem Umstande, daß von Guillem d’Anduza nur eine Canzone überliefert ist (5).

Für die Lösung der Attributionsfrage kommen die folgenden drei Erwägungen in Betracht.

1. Die Betrachtung der Liedschemata kann keinerlei Anhaltspunkt bieten, da weder von G. d. S. noch von Guillem d’Anduza ein weiteres Descort überliefert ist, und das Descort gegenüber den andern Liedformen fundamentale Unterschiede zeigt.

2. Ebensowenig läßt sich aus dem Inhalt unseres Liedes ein zwingendes Argument ermitteln. Wir haben gesehen, daß unser Gedicht sich nicht von dem Typus der provenzalischen Descorts unterscheidet. Ein Teil der darin vorkommenden Gedanken, wie die Liebesklage, das Flehen um Mitleid, das Lob der Herrin, ist der provenzalischen Lyrik überhaupt eigen und findet sich auch in dem einzigen Liede Guillem d’Anduzas. Hier sind diese Gedanken aber mit einigen wohl anmutenden Bildern verwoben. So enthält die erste Strophe den lebendig geschilderten Widerstreit zwischen „sens“und „foldatz“. Die zweite Strophe beginnt mit folgendem Bilde:

Qu’ieu sec mon cor co·l vela·l ven que cor.“

„Denn ich folge meinem Herzen wie das Segel dem Winde, der weht.“

In der dritten Strophe endlich klagt der Dichter, daß sein Herz ob der gewaltigen Glut seiner Liebe schmelzen werde. — Demgegenüber muß das gänzliche Fehlen solcher Bilder in unserm Descort festgestellt werden; doch kann daraus natürlich kein Schluß gegen die Verfasserschaft G. d’Anduzas gezogen werden.

Ferner ist „Monferriol“in v. 51 ein sonst unbekannter Versteckname und also nicht verwertbar.

Endlich rühmt sich G. d. S., die „livres dels auctors ... e dels ancessors“zu kennen, und er zitiert wiederholt aus ihnen. Im Descort findet sich dagegen weder ein Zitat noch eine Anspielung auf gelehrte Kenntnisse. Natürlich kann hieraus kein Schluß gegen die Verfasserschaft G. de Salignacs gezogen werden. Ein solcher Schluß wäre um so mehr verfehlt, als auch G. d’Anduza ein Beispiel aus Ovid in seinem Liede anführt und zum Lobe seiner Herrin singt:

         „qu’ieu cre si vis vostre cors grail’ e gen
         Ypolite, que visquet castamen,
         Fora Floris de cor enamorat.“

3. Das Handschriftenschema zu unserm Descort (vgl. oben und die Varianten) zeigt, daß es sich um zwei Handschriftengruppen handelt. C E e stehen R gegenüber; Mussafia (6) und Gröber (7) haben gezeigt, daß die gemeinsame Quelle von C E e das libro di Michele ist. Da nun einerseits die Handschriften C e und andererseits R das Descort G. d. S. attribuieren, muß dieser Name in ihrer gemeinsamen Quelle gestanden und E selbständig ihn geändert haben. Der Grund für diese Aenderung dürfte vielleicht darin gesehen werden, daß der Name G. d. S. in der Handschrift E überhaupt nicht vorkommt. Es konnte nicht fern liegen, das Descort einem andern „Guillem“, (so auch in C, e, R, vgl. oben, Einleitung), der auch wenig bekannt war, zuzuschreiben. Diese Vermutung wird gestützt durch den Umstand, daß unser Descort in der Handschrift E unmittelbar auf das einzige Lied des G. d’Anduza folgt.

Es geht also aus diesen drei Erwägungen hervor, daß die Verfasserschaft G. de Salignacs durch das Verhältnis der Handschriften bewiesen wird, und daß aus Form und Inhalt des Descorts keine Bedenken gegen diese Autorschaft entstehen.

 

Fußnote:

1) pp. 214, 215. ()

2) August Fischer: Die Infinitiv im Provenzalischen p. 48 führt diese Strophe an in dem Reimreihen auf ire.()

3) Die gleichen Verse zitiert schon Fr. Diez: Poesie d. Troub. p. 101. Anm. zu den Worten im Text: „Diese Gattung eignete sich daher zum Ausdruck unerwiederter Liebe, und Guiraut von Salignac erklärt, er würde kein Descort dichten, wenn seine Freundin ihm hold wäre.“()

4) Aimeric de Belenoi in B. Gr. ist zu streichen; vgl. Einleitung.()

5) Appel: Prov. Ined. p. 121.()

6) Ad. Mussafia:„Ueber die prov. Liederhdschr. d. G. M. Barbieri“ p. 230 ff.()

7) G. Gröber: „Die Liedersammlungen der Troubadours“§§ 99, 100, 113, 114; — das. p. 586 Anm. „3) attribuiert E bei 27 (unser Descort) mit e“, ist ein Versehen, wie die richtige Zusammenstellung auf p. 585 Nr. 27 zeigt.()

 

 

 

 

 

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