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Strempel, Alexander. Giraut de Salignac, ein provenzalischer Trobador. India: Pravana Books, 1916

[CdT en procés d'incorporació]

235,001- Guillem de Salaignac

 

 

IV. CANZONE. (B. Gr. 235.)

Die Canzone ist überliefert in den Mss.:

         C fol. 357b, G. d. S.;

         J fol. 14a col. 2a und fol. 14b col. 1a, anonym; nur St. I.;

         R fol. 90d, Gui d’Uisel;

         e pag. 134 und 136, G. d. S.;

die erste Tornada findet sich bei

         Giammaria Barbieri (a. a. O.) pag. 117;

die erste Strophe ist abgedruckt nach J bei

         E. Stengel: Rivista di fil. rom. 1872, und bei

         Paolo Savj-Lopez: Studj di fil. rom. 1903,

das ganze Lied ist abgedruckt bei

         Raynouard III. p. 394 nach C und R.

 

Text und Orthographie nach C, in den Tornadas nach Barbieri und e.

 

Handschriftenschema:

Ein Handschriftenschema läßt sich aus Mangel an gemeinsamen Fehlern nicht aufstellen. Jede der Handschriften zeigt eine Reihe von selbständig und in möglicher Form geänderten Versen. Deren Zahl ist besonders groß in R. J (nur die erste Strophe) scheint nach v. 1 „don e der Handschrift R nahe zu stehen, hat aber selbst wieder mehrere Aenderungen. Neben vielen selbständigen Lesarten in R gegenüber von C, e, steht C andererseits R, e nur in v. 11, 14, 29 und v. 31 allein gegenüber. Vgl. auch die Anmerkungen.

 

Millot spricht von „trois chansons triviales des G. d. S. Dies Urteil ist gewiß zu streng in Bezug auf die vorliegende Canzone, die allerdings im wesentlichen nur den typischen Inhalt provenzalischer Canzonen aufweist.

Unser Lied ist in C und e G. d. S. attribuiert, in R Gui d’Uisel. Ferner findet sich die erste Strophe anonym in J und die erste Tornada, wie oben angegeben, bei Barbieri. Mussafia hat gezeigt, daß C, e und Barbieri in enger Abhängigkeit zum libro di Michele stehen. Mussafia glaubte jedoch, C und R hätten eine (bei uns die zweite), e und Barbieri eine andere (bei uns die erste) Tornada am Schlusse unserer Canzone (1). In Wirklichkeit enthält e beide Tornadas. Dieser kleine Irrtum ist leicht verständlich, da Mussafia die Handschrift e nicht aus eigener Anschauung kannte (2). So erklärt es sich, wenn Mussafia mit Bezug auf die vom libro di Michele abhängigen Handschriften schreibt: „Nur das Auseinandergehen in Bezug auf die Lesung bei den vier Versen von G. d. S. könnte uns schwankend machen (3). Da aber ein solches Auseinandergehen gar nicht statt hat, e vielmehr eine weitere Tornada enthält, und zwar die, die sich auch bei Barbieri findet, so fällt damit Mussafias einziges Bedenken gegen den engsten Zusammenhang von C, e, Barbieri und dem libr. Mich. Für die Attributionsfrage unserer Canzone aber erhellt daraus, daß wir es mit zwei Handschriftengruppen zu tun haben, von denen nur eine, C, e, Barbieri, G. d. S. nennt. Die andere Gruppe, repräsentiert durch R, nennt Gui d’Uisel. Das Zeugnis von R ist also dem von C e gleichwertig, und wir müssen uns, um die Autorschaftsfrage zu entscheiden, nach anderen Kriterien umsehen.

Das metrische Schema bietet keine Handhabe; denn der 10-Silbler ist sowohl von G. d. S. (249,2 = II.) wie von Gui d’Uisel verwendet:

194,11

10a 10b 10b 10a 10a 10c’ 10c’ 10b

(5 cobl. unis. u. 1 torn. M.G. 568)

194,19

10a 10b 10b 10a 10c 10c 10d 10d

(6 cobl. unis. u. 2 torn. M.G. 149)

Und die Reihenfolge unserer Canzone ist so häufig in der prov. Lyrik, daß sie nicht für die Attribution in Betracht kommen kann, obgleich unter den 20 Liedern des Gui d’Uisel zwei verwandte Schemata vertreten sind.

Dagegen könnte man für die Verfasserschaft des Gui d’Uisel anführen, daß in R die Tornada beginnt mit den Worten: „Na Maria. Wir wissen, daß Gui d’Uisel Maria de Ventadorn (4) (gest. 1219) oft in seinen Liedern nennt, (194,1, 6, 11, 13), daß er mit ihr eine Tenzone gedichtet hat (194, 9) (5), und daß er sie in einer andern Tenzone zur Schiedsrichterin erwählt (194,18). Gegen Gui d’Uisel sprechen jedoch die folgenden Erwägungen:

1. Die Handschrift R, die allein Gui d’Uisel angibt, zeigt einen Text, der durchaus nicht einwandfrei ist. — Zunächst hat sie offenbar eine verkehrte Anordnung der Strophen; das ergibt sich aus dem Gedankengange, der ursprünglich dieser gewesen sein muß:

1. „Ich möchte von Euch, Herrin, Gnade erflehen; denn wenn Ihr mir nicht helft, muß ich bald sterben. Sobald ich aber vor Euer Angesicht komme, wage ich nicht mehr, Euch meinen Wunsch vorzutragen.

2. „Ich liebte Euch schon, ehe ich Euch sah; seitdem ich Euch aber gesehen habe, ist meine Liebe bedeutend gewachsen und hat mein ganzes Herz in Besitz genommen.

3. „Denkt mir gegenüber nicht an Euren hohen Rang, wenn ich Euch, gezwungen von jener Liebe, die wie ein Gebieter über mich befiehlt, meine Klage vorbringe.

4. „Späher und Verleumder haben mir nämlich bei einer falschen Herrin Schaden getan; aber ich klage nicht weiter, da diese Herrin in Verfall geraten ist. Vielmehr ergebe ich mich jetzt völlig Euch.

5. „Wollt Ihr mir nun wohl, so ist weder Kaiser noch König reicher als ich; alle meine Wünsche können sich bei Euch erfüllen. Und was ich nicht zu erflehen wage, denke ich mir. Darüber brauche ich keinen Verleumder zu fürchten.

 

Es folgt also auf die in Strophe III gegebene Ankündigung der Liebesklage in Strophe IV die Klage selbst, wenn auch nur kurz. Strophe IV schließt mit dem Gelöbnis der Treue. Strophe V zeigt die Folgen, die die Annahme dieses Gelübdes für den Dichter haben kann. Also ist die Anordnung der Strophen in R, wo Strophe vier auf Strophe fünf folgt, sinnwidrig.

Ferner ist in v. 34 der Reim zerstört, was in keiner andern Handschrift vorkommt; es fehlt nämlich „ab se. Der Schreiber hat mit wenig Geschick zu bessern gesucht. Er zieht „que ieu von v. 35 zu v. 34 und schreibt es hier ausdrücklich aus, während v. 3, 4, 9, 10, 24 usw. stets „q gekürzt ist. Dann wird „ni·m retenetz von v. 36 an v. 35 angeschlossen, dadurch hat v. 35 zwölf Silben, v. 36 nur sechs. Die übrigen Abweichungen und Fehler verzeichnet der Variantenapparat. Endlich muß darauf hingewiesen werden, daß durch diese Abweichungen (vgl. auch die Anmerkungen) eine Vermutung nahegelegt wird, die E. Niestroy mit Bezug auf das Lied 372,2 geäußert hat. Er bemerkt, daß „R sich auffallend oft durch eine eigentümlich freie, in ihrer Art aber zulängliche Redaktion von allen andern Handschriften absondert; ... was vermuten läßt, daß R nur eine memorierte Niederschrift des Gedichtes ist oder auf einer solchen beruht (6), (mit Bezug auf 372,2). Ein solcher Gedanke liegt auch für unser Lied nicht fern.

2. Ich habe in den Gedichten des G. d. U. keinerlei Gedanken gefunden, der speziell an die Gedanken in unserer Canzone erinnert. Ausgenommen sind natürlich solche Wendungen, die sich überall in der Trobador-Lyrik finden. Wenn ich andererseits auch keine Beziehung zu dem Inhalte der Lieder des G. d. S . feststellen kann, so bleibt doch auch hier zu bedenken, daß von G. d. S. nur sechs, von G. d’Uisel dagegen zwanzig Lieder überliefert sind. Freilich kann diesem Argument nur eine sehr geringe Beweiskraft beigemessen werden.

3. Gröber (7) hat gezeigt, daß der Schreiber von C einen Teil der Grundlagen von R benutzt hat. Wenn daher in C nur im Reg. fol. 15v der Name Gui d’Uisel und nur am Rande als Verfasser angemerkt ist, so bestätigt das Gröbers Ansicht, spricht aber eher gegen als für die Verfasserschaft des Gui d’Uisel; denn „die Lieder selbst finden sich in der Sammlung (C) nur einmal unter dem Dichternamen, dem ihr Veranstalter sie glaubte zuurteilen zu dürfen. Hierin beweist der Schreiber von C jedenfalls Bedachtsamkeit und Urteil (8). Es folgt daraus, daß der Schreiber von C sich in der Attributionsfrage bereits bewußt für G. d. S. entschieden hat.

4. Es bliebe nach alledem das Bedenken, das die Anrede in R v. 45: „Na Maria bedingt. Da aber C dafür „Bella dompna, Hs. eBell’ amia schreibt, also keine der Handschriften mit einer zweiten übereinstimmt, so muß ein Memorierfehler oder in der schriftlichen Vorlage ein schlecht zu identifizierendes Wortbild vorgelegen haben. In beiden Fällen ist eine Aenderung von „amia in „Maria nicht auffällig. „dompna ist sinngemäße Ergänzung nach v. 1 u. 2. War diese Aenderung in R vollzogen, so lag es für den Schreiber sehr nahe, Gui d’Uisel als Verfasser unserer Canzone zu betrachten, da R vier Canzonen und zwei Tenzonen enthält, in denen Gui d’Uisel und Maria (v. Ventadorn) in Beziehung zu einander gesetzt sind.

Die Gesamtheit dieser Erwägungen scheint es mir recht wahrscheinlich zu machen, daß die oben erwähnte scheinbar naheliegende Vermutung, in der Anführung des Namens Maria einen Grund für die Verfasserschaft des Gui d’Uisel zu sehen, doch abgewiesen werden muß, und daß vielmehr Gui d’Uisel nur um dieses Namens willen als Verfasser in der Handschrift angeführt wird. Damit ist der einzige Grund für die Attribution Gui d’Uisel hinfällig, und wir sind berechtigt, unsere Canzone mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit G. d. S. zuzuschreiben.

 

Fußnote:

1) Ad. Mussafia: „Ueber d. prov. Liederh. d. G. M. Barbieri“ p. 211.()

2) das. Anm. p. 231.()

3) das. p. 231.()

4) Vgl. Bergert a. a. O. p. 15.()

5) Schulz-Gora: Prov. Dichterinnen p. 9 ff.()

6) E. Niestroy: Pistoleta p. 28. — Uebrigens liegt auch hier die Vertauschung zweier Strophen vor; vgl. das. p. 29.()

7) Gröber: Die Liederh. d. Troub. p. 400 ff.()

8) das. p. 575.()

 

 

 

 

 

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