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Strempel, Alexander. Giraut de Salignac, ein provenzalischer Trobador. India: Pravana Books, 1916

[CdT en procés d'incorporació]

249,001- Guiraut de Salaignac

 

Anhang.

Gedichte,

die nicht sicher zu attribuieren sind.

Nr. 2. CANZONE. (B. Gr. 249,1.)

 

Dies Gedicht ist überliefert in den Mss.:

         C fol. 90b, Aimeric de Peguillan;

         Da fol. 177c, G. d. S.;

         I fol. 149b, G. d. S.;

         K fol. 137b, G. d. S.;

         M fol. 22d, Peire Bremon;

         P fol. 32v u. 33r, anonym;

         c fol. 37v, Arnaut Daniel;

         a Aimeric de Peguillan.

Von den 12 Mss. des Breviari d’Amor, von denen Gabr. Azais in seiner Ausgabe die fünf Pariser und eine Londoner Handschrift benutzt hat, konnte ich nur die fünf Pariser Mss. benutzen. Ich bezeichne sie nach Azais, füge aber, um Verwechslungen zu vermeiden, die Bezeichnung a hinzu. Es kommen in Betracht:

         aA (bibl. imp. fonds fr. 857, olim 7226) fol. 199a.

         αB (bibl. imp. suppl. fr. 2001) fol. 206a.

         αC (bibl. imp. fonds fr. 858, olim 7227) fol. 206c.

         αD (bibl. imp. fonds fr. 1601, olim 7619) fol. 160b.

         αE (bibl. impér. St.-Germain., fr. Nr. 137) enthält den betreffenden Abschnitt nicht.

Das Gedicht ist abgedruckt bei

         Mahn: Gedichte der Tr. 14 nach M;

         — : Gedichte der Tr. 1185 nach C;

         E. Stengel: Die apr. Liedersammlung c, p. 28, nach e;

         Archiv 49, p. 318, nach P;

         Gabriel Azais: Le Breviari d’Amor de Matfre Ermengaud, p. 466, nach a.

 

Text und Orthographie nach C.

 

Handschriftenschema:

Das Verhältnis der Handschriften untereinander ist durchaus nicht klar. a muß ausscheiden, da diese Handschriften nur zum Teil verglichen werden konnten; doch ist die bekannte nahe Beziehung von a zu C angedeutet. (Die Begründung muß aus Mangel an gemeinsamen Fehlern zum Teil auf gemeinsame Lesarten zurückgehen; das Schema darf gleichwohl mit großer Wahrscheinlichkeit als richtig angesehen werden.)

 

Begründung:

x1:
v. 6
averc, Da, I, K, P, M;
 
v. 13
bellac, Da, I, K, P, M, statt eines Komparativs;
 
v. 14
lausc, Da, I, K, M, lais P;
 
v. 17
contrada Da, I, K, P, M, encontrada C, c.
 
v. 18
la·i non ve C, sinnlos;
 
v. 22
que del menorc, Da, I, K, P, M;
 
v. 23
en remembranc, Da, I, K, M;
x2:
v. 9
m·en c, Da, I, K;
x3:
v. 11
vald Da, I, K;
 
v. 24
·m fehlt in Da, I, K;
 
 
Strophe III und IV vertauscht in M;
 
 
Strophe IV nur in M;
 
 
Strophe V nur in P.
 

Dieses Lied zeigt im allgemeinen nichts als die typischen, in der Canzonendichtung immer wiederkehrenden Gedanken: Liebesklage, Liebesnot, Verachtung der früheren, falschen Geliebten, Preis der neuen Herrin, Lob der Liebe, Versicherung unwandelbarer Treue. Ich kann daher für den Inhalt auf die Uebersetzung verweisen (1). Von dem Allgemeinen, Typischen bildet die erste Strophe eine Ausnahme. Sie enthält, genau wie in Nr. 1, den Vergleich mit dem Jäger als Eingangsverse. Ferner wird das Lied in den letzten Versen dem Grafen von Rodez zugeeignet, was für die Entscheidung der Attributionsfrage von Bedeutung ist.

Die Handschriften nennen als Verfasser: Da I K: G. d. S., C: Aimeric de Peguillan, M: Peire Bremon, c: Arnaut Daniel. In P ist das Lied anonym überliefert.

Von diesen Dichtern muß Arnaut Daniel von vornherein ausscheiden. Stronski (2) hat gezeigt, daß er nicht als Verfasser in Betracht kommt:

„... dans un cas comme celui du début cité de 249,1 : „Aissi cum selh qu’a la lebre cassada“, ... on peut affirmer catégoriquement, qu’il ne s’agit d’autre chose que d’une réminiscence du motif bien connu et autrement frappant, et encore répandu par la satire du Moine de Montaudon, qui revient plusieurs fois dans Amaut Daniel et surtout dans 29,10 (édit. Canello, Nr. X, p. 109): „leu sui Arnautz qu’amas l’aura E chatz la lelbre ab lo bou E nadi contra suberna.“

Das Schema unserer Canzone (vgl. oben Metrisches) ist, eines der häufigsten in der Trobador-Lyrik. Peire Bremont hat mehrfach den Zehnsilbler verwandt:

330,8
a b b a c c d d (1 Strophe, Stengel p. 50),
330,13
a b c b c a (5 cobl. unis. Arch. 34,169),
330,17
a b b a a b b a (5 cobl. unis. und einige Verse sind allein erhalten; Appel, Ined. 222),
330,18
a b a b c’ b c’ b (5 cobl. unis. und eine Tornada, Arch. 34,199),
330,21
a b b a c c d d (5 cobl. unis. und eine Tornada, Arch. 34,169).
 

Oft hat sich auch Aimeric de Peguillan des Zehnsilblers bedient:

10,  1, 7, 10, 11, 12, 15, 18, 20, 21, 22, 23, 25, 26, 27, 29, 30, 31, 33, 38, 39, 48, 50, 52, 53.

 

Unter diesen zeigen das gleiche Reimschema wie unsere Canzone die folgenden Lieder:

10,7
a b b a c c d d (5 cobl. unis. und 3 Tornadas, Arch. 34,162),
10,12
a b b a c’ c’ d d (5 cobl. unis. und 2 Tornadas, Arch. 35,391),
10,15
a b b a c’ c’ d d (6 cobl. unis., Arch. 35,389),
10,18
a b b a c c d d (5 cobl. unis., Arch. 34,165),
10,22
a b b a c c d d (5 cobl. unis. und 2 Tornadas, Rayn. III. 428).
 

Das Schema unserer Canzone findet sich also sowohl bei G. d. S. (IV, vgl. Metr.) wie bei Peire Bremont und bei Aim. de Peguillan. Da ferner von den beiden letzteren eine große Zahl von Liedern überliefert ist, unser Schema aber zu den häufigsten der Trobador-Lyrik überhaupt zählt, so erhellt, daß diese Uebereinstimmung des Schemas keinerlei Einfluß auf die Entscheidung der Attributionsfrage haben kann.

Bei einer näheren Betrachtung aller in Frage kommenden Gedichte (3) zeigen sich folgende Eigentümlichkeiten und übereinstimmenden Züge: Peire Bremont zeigt eine gewisse Vorliebe für identische Reime: 330,1 „aizieu“ und „senhorieu“, 330,3 „val“, 330,5 „merce“, 330,16 „clau“ und „suau“. Wiederholt spricht er, meist nicht ohne Selbstlob, von seinem eigenen Singen: 330,3 Str. I., 330,4 v. 1-2, 330,5 v. 1-2 und 28, 330,7 Str. I., 330,15 v. 1 bis 4, 330,21 v. 1-4. Unter den einundzwanzig Liedern des Peire Bremont enthält nur 330,21 ein Bild, das sich dem in der ersten Strophe unserer Canzone vergleichen ließe:

v. 9-10
„C’aissis de me com dels rics soudadiers
Que uan cerquan longamen bon seignor.“ (M. G. 915.)
v. 25-26
„Aissi cum cel que derrenga primiers
En bon tornei et abat lo meillor.“
 

Sonst findet sich noch mehrfach eine Anknüpfung an die Jahreszeit und die Natur, was bei G. d. S. nirgends begegnet, in der Trobador-Lyrik überhaupt aber weit verbreitet ist (vgl. z.B. unter Nr. 1 bei Elias Cairel): 330,1 v. 36, 330,6,9,12, 330,13,18 immer im Anfang. Im übrigen scheint Peire Bremont Bildern abhold, jedenfalls findet sich nirgends eine wirkliche Aehnlichkeit mit der ersten Strophe unserer Canzone. Endlich muß hervorgehoben werden, daß Peire Bremont nie den Grafen von Rodez nennt. ln dem Liede 330,14 zählt er eine Reihe von Ländern, Völkern und Fürsten auf. Hätte Peire Bremont unsere Canzone dem Grafen von Rodez gewidmet, müßte es auffällig sein, daß er dieses Fürsten in dem Liede 330,14 nicht gedenkt. Endlich findet sich in den gesamten Liedern Peire Bremonts nirgends eine Anspielung auf ein literarisches Denkmal, während unsere Canzone Auda und Rotlan als Beispiel aus den „livres dels auctors“anführt.

Alle diese Anführungen machen es sehr unwahrscheinlich, daß Peire Bremont der Verfasser unserer Canzone sein sollte.

Von Aimeric de Peguillan sind mehr als fünfzig Lieder überliefert, von denen ein Teil die hohen Fähigkeiten des Dichters erweist. Sein Formtalent erhellt aus dem von ihm wiederholt angewandten Spiele mit ein und demselben Worte in mehreren aufeinander folgenden Versen: Gr. 10,4 „dreg, falhir“, 10,18 „trahir, faillir“, 10,21 „mercean“, 10,23 „Domna, Senher“, 10,25 „coman, deman“, 10,29 „trahir, enansa“, 10,40 „fals, failh“.

Seine Vertrautheit mit der erzählenden Literatur zeigen folgende Stellen:

10,2
v. 30
„Tristans, quan bec lo pimen (Hs.: primen).“
10,10
v. 14-16
„... Galvains plus non valia
ni non saup tan Yvan de cortezia
ni·s mes Tristans d’amor en tan d’assai.“
10,49
v. 42-43
„Et ieu plus qu’en Andrieus
Non ai poder en mi.“(Aehnlich 10,46 v. 28.)
 

Auch kennt er den gefährlichen Basilisken (10,50 v. 29) und den Gehorsam der Anhänger des „Alten vom Berge“ (10,42 v. 29 ff.). Endlich erwähnt er „Galuain ni Artus“ (10,44 v. 42). Ferner findet sich bei Aimeric de Peguillan eine ganze Reihe von wohl gelungenen Bildern. Er spricht z. B. vom Wechsler 10,4, vom Gaukler 10,12, vom Magneten 10,24, vom Werkzeug des Böttchers 10,47 vom Kriegsleben 10,15, vom Baum, der zuviel Früchte trägt 10,50, vom Tausch von Silber gegen Gold 10,27, er vergleicht sich und sein Singen dem “auzels de bon aire“(10,41 v. 6). Von der Jagd ist das Wort, nicht das Bild entlehnt in:

10,8
v. 47 ff.
„e·l cor ... se uan trastuit iorn percassan
de mas onors trair’ enuan.“
 

Dagegen ist das Bild von der Habichtsjagd verwandt in:

10,18
v. 10-11
„Aissi cum fai·l austarda per temor,
Quand ve venir o l’aigla o l’austor.“
 

Spezielle Aehnlichkeit mit der ersten Strophe unserer Canzone zeigt aber keines seiner Lieder.

Endlich finden sich in mehr als vierzig Gedichten Aimerics Fürstlichkeiten erwähnt; doch handelt es sich nur um wenige Persönlichkeiten, deren Namen immer wiederkehren. Der Graf von Rodez aber ist in keinem der vielen Lieder erwähnt.

Nach diesen Erwägungen liegt also ein zwingender Grund gegen die Autorschaft A. d. Peguillans ebensowenig vor wie gegen die Peire Bremonts. Andererseits läßt sich aber auch kein inhaltliches Argument für die Verfasserschaft Aimerics geltend machen, und das ist um so bedeutsamer, als es sich um mehr als fünfzig Gedichte dieses Trobadors handelt.

Auch das Verhältnis der Handschriften bietet keine Handhabe zur Lösung der Attributionsfrage. Zwar wird G. d. S. in drei Handschriften, Da I K, als Verfasser genannt, doch muß die Zahl der Mss. unberücksichtigt bleiben, da Da I K auf eine gemeinsame Quelle zurückgehen (vgl. das Schema). Andererseits ist die nahe Verwandtschaft der Handschriften a und C bekannt, die beide unsere Canzone Aimeric de Peguillan attribuieren.

Für die Verfasserschaft G. d. Salignacs könnte angeführt werden, daß die Erwähnung der Fähigkeiten des Herzens und der Augen (v. 18 u. 19) zu der von G. d. S. in der Tenzone (II.) verteidigten Ansicht stimmt. Diese Uebereinstimmung dürfte aber kaum etwas beweisen, da „es ja bekanntlich eine feste Regel der Tenzone (ist), daß ... der Fragesteller selbst stets die von seinem Gegner übrig gelassene Partei verteidigen muß, auch dann, wenn er dieselbe im Grunde nicht billigen sollte“(4). — Ferner entspricht der Vergleich mit „Auda“ und „Rotlan“ (v. 16) dem mehrfach erwähnten Selbstlob G. d. Salignacs:

I. v. 37-38
„Los livres dels auctors
Sai e dels ancessors.“
 

Es ist jedoch oben gezeigt worden, daß auch Aimeric wiederholt Beispiele aus der Literatur anführt.

Endlich kann die Aehnlichkeit der Anfangsstrophen der Lieder Nr. 1 und Nr. 2 nichts beweisen, solange keines der beiden sicher zu attribuieren ist.

 

In der Einleitung ist darauf hingewiesen, daß der in unserer Canzone erwähnte Graf von Rodez nicht zu identifizieren ist, und daß eine Beziehung unseres Trobadors zu Raimon VI. nur vermutet werden könnte. Rodez (früher Rhodez) am Aveyron, die ehemalige Hauptstadt der Grafschaft Rouergue, liegt nicht sehr weit von Salignac (Arrond. Sarlat, vgl. oben). Andererseits ist aber auch Toulouse, die Heimat Aimerics, nicht wesentlich weiter von Rodez entfernt. Beziehungen zwischen Aimeric und einem Grafen von Rodez sind also ebensowohl denkbar; in den Liedern Aimerics wird aber, wie erwähnt, Rodez nirgends genannt, und ich habe auch kein geschichtliches Zeugnis für eine solche Beziehung feststellen können.

Als Resultat der angestellten Erwägungen ergibt sich also, daß die Verfasserschaft Peire Bremonts am wenigsten wahrscheinlich sein dürfte, und daß die Frage, ob G. d. S. oder Aimeric de Peguillan als Autor unserer Canzone anzusehen ist, unentschieden bleiben muß.

 

Fußnote:

1) Aehnlichen Inhalt zeigt das Lied: „Anc mais no vi“ (B. Gr. 457,4) (Jeanroy-de Grave: Uc de St.-Circ XIV).()

2) St. Stronski a. a. O. Einleitung p. XXXII. Vgl. dazu in der kritischen Ausgabe des A. Daniel von U. A. Canello, in die unsere Canzone natürlich nicht aufgenommen ist, die kurze Bemerkung p. 26.()

3) 330,19 nach Appel: Ined. p. 224 Sordel zu attribuieren.()

4) R. Zenker: Die prov. Tenzone p. 5. — Ebensowenig beweist es daher etwas gegen die Autorschaft Aimerics, daß er einmal (10,8 v. 28 ff.) die Meinung verteidigt, die der des Peironet entspricht.()

 

 

 

 

 

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