Anhang.
Gedichte,
die nicht sicher zu attribuieren sind.
Nr. 3. CANZONE. (B. Gr. 240,7.)
Dies Gedicht ist überliefert in den Mss.:
C fol. 384bc, anonym;
D fol. 107c, Guiraudo lo Ros;
Dc fol. 256c, Guiraudo lo Ros;
E pag. 36a, Raimon de Miraval;
I fol. 84c, Guiraudo lo Ros;
K fol. 68b, Guiraudo lo Ros;
M fol. 70a, G. d. S.;
und abgedruckt bei
Raynouard III. 7. nach C, I, K;
Teulié und Rossi in den Ann. d. M. XIV, p. 200 nach Dc: (nur eine Strophe).
Text und Orthographie nach C.
Handschriftenschema:
Begründung:
(Die Stellung von Dc, nur eine Strophe, kann nicht näher bestimmt werden.)
x1:
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v. 2
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d’amor fehlt in C, E, zwei Silben zu wenig;
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v. 3
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(poyssans C, E, französ. Lehnwort);
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x2:
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v. 23
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son D, I, K , unmöglich;
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v. 29
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vostre D, I, K , sinnwidrig;
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x3:
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v. 17
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fe es I, K, sinnlos;
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x1+M:
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v. 2
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d’amor fehlt in C, E, M, aber in M ersetzt;
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v. 9
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vostreC, E, M, sinnwidrig;
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x2+M:
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v. 11
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Wortstellung in D, I, K, M;
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v. 31
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tenir I, K, M, sinnlos, D hat selbständig richtig gebessert.
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Der Inhalt der Canzone geht nicht über die bei dieser Liedart übliche Liebesklage hinaus. Ich verweise daher für den Inhalt auf die Uebersetzung. Auch die Form des Gedichtes (vgl. Metr.) gehört zu denen, die in der provenzalischen Lyrik beständig wiederkehren. Da sich ferner kein Eigenname, kein Versteckname, keine Anspielung auf ein historisches Ereignis findet, trifft die Attributionsfrage auf gewisse Schwierigkeiten. Als Verfasser kommen in Betracht:
Guiraudo lo Ros nach D Dc I K,
Raimon de Miraval nach E,
Guillem de Salignac nach M.
Anonym ist das Lied in C aufgeführt. Raimon de Miraval ist von Andraud (1) bereits als Verfasser dieses Liedes abgelehnt worden. Ich möchte dazu bemerken, daß R. d. M. absichtlich die einfache und viel verbreitete Form unserer Canzone (vgl. Metr.) vermieden zu haben scheint. Es findet sich nämlich unter seinen sechsundvierzig Liedern nur eines, das aus Zehnsilblern besteht:
B. Gr. 406,4,
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Schema:
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10a 10b’ 10a 10b’ 10c 10c 10d’.
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(6 cobl. unis.)
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Doch unterscheiden dem Verszahl und Reimanordnung es von dem unsrigen. Dazu kommt eine Strophe, B. Gr. 406,43, aufgebaut nach dem Schema: 10a 10b 10a 10b 10c 10c 10d 10d, die Reimanordnung ist auch hier anders als in unserer Canzone.
Guiraudo lo Ros verwendet in seinen Liedern folgende Schemata:
240,1
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7a 7b 7b 7a 7c’ 7d 7e 7e 7d.
(6 capcaudatz, Rayn. III,5.)
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240,2
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7a 7b 7b 7a 10c’ 10c’ 10d 10d 10c’.
(5 cobl. unis., Rayn. III,8.)
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240,3
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8a 7b 8a 7b 8c 8c 7d 7d.
(5 cobl. unis., M. G. 209.)
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240,4
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10a’ 10b 10b 10c 10c 10a’ 10d 10d.
(6 cobl. unis., 1 Torn., Rayn. III,10.)
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240,5
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8a 8b 8b 10c’ 10c’ 10d 10d.
(6 cobl. unis., 2 Torn., M. G. 576.)
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8a 7b 8b 8a 7c’ 8d 8d 7c’.
(4 cobl. unis., L. R. 323.)
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240,8
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6a 6a 6b’ 6c 6d 6d 6e’ 6c 6c 6b’.
(4 cobl. unis., M. G. 575.)
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Aus dieser Uebersicht ist zu ersehen, daß nur das Lied 240,4 eine gewisse Aehnlichkeit mit unserer Canzone aufweist. Genauere Uebereinstimmung besteht zwischen der letzteren und dem Liede Nr. 2, das jedoch selbst nicht sicher zu attribuieren ist. Die metrischen Verhältnisse dürften jedoch überhaupt schwerlich ein Argument für die Entscheidung der Attributionsfrage liefern können, da das Schema unserer Canzone von den verschiedensten Trobadors und sehr oft verwendet worden ist. (Bei Maus Nr. 535 mehr als hundert Beispiele, vgl. Metr.)
Von Wichtigkeit scheinen dagegen folgende Ueberlegungen:
1. Die Handschrift M enthält den Namen G. lo Ros überhaupt nicht. Da der in M genannte Guillem d. S. = Giraut d. S. ist, so hat aller Wahrscheinlichkeit nach eine Quelle von M in Uebereinstimmung mit D Dc I K einen „Giraut“als Verfasser unserer Canzone genannt.
2. Eine geringe Abweichung in M darf nicht auffallen; denn schon Gröber hat festgestellt: „Bei einer großen Anzahl von Liedern weicht M in der Attribution von andern Handschritten ab“(3). Ferner weist Gröber eine Reihe von Fällen nach, „in denen M eine falsche Attribution darbietet“(4). Für das Verhältnis der in Betracht kommenden Handschriften ergibt sich nach Gröber folgendes interessante Bild (5):
3. Der Inhalt unserer Canzone zeigt gewisse Uebereinstimmungen mit den Liedern Guiraudos lo Ros. Man vergleiche Nr. 3 v. 25 und vv. 29-33 mit 240,1.
v. 52-54
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„Mas mi non enten ni ve,
Ni ieu, cum qu’elha·m mal me,
No·m virarai ja alhors.“(R. III,5.)
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Nr. 3 Strophe I mit 240,2 Strophe 1. Dort wird um die Verstellung der Geliebten gebeten, hier die eigene Verstellung beschrieben; in beiden Fällen findet sich im Beginn die benanansa.
„A ley de bon servidor,
Que sospira e que·s complana
Quan benanansa il sofranh,
E per cobrir sa dolor
Fai belh semblan e bella captenensa,
E non a ges de servir recrezensa:
Per tal semblan mi cuia ieu cobrir.“(R. III,8)
Nr. 3 v. 11-16 mit 240,2
v. 28-29
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„De totas avetz la flor,
Dompna, mas merces hi tanh.“
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Zwar das Lob der Herrin wie der Hinweis auf Mitleid und das Flehen um Gnade sind Züge, die wohl als „Gemeinplätze“ in der gesamten provenzalischen Lyrik auftreten. Aber charakteristisch für Guiraudo lo Ros im Gegensatz zu G. d. S. ist die enge Verknüpfung dieser Gedanken. Der Klage geht das Lob der Herrin unmittelbar vorauf wie eine captatio benevolentiae. Genau so an folgenden Stellen:
240,4 v. 5-8
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„E pus en als, dompna, etz tan conoyssens,
Conoscatz doncx, que mal vos estaria,
S’entre tostemps no trobava ab vos
Qualque bon fag o qalqe belh respos.“(R. III,10.)
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Das. v. 21-22:
„Pero donna, qant es sobreualentz,
S’ill creis ergueilh, sa valor en desvia.“(M. G. 438.)
Das. v. 29-31 :
„. . . . . . . . si eran cin cenz,
Qi qes chauzis, per genzor uos penria
E melher etz, sol que merces y fos.“ (M. G. 438.)
In den folgenden Versen sind die gleichen Gedanken innig verwoben, nur in umgekehrter Reihenfolge, so daß dem Tadel eine Entschuldigungsformel des Dichters folgt. Das entspricht genau Nr. 3 v. 11-16:
240,4 v. 25-26
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„Anc per ma fe, sol qu’a vos greu ( 6) no sia,
Non vi nulh cors tan sem d’umilitat.“
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240,5 v. 22–26
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„E ja non er ni anc no fo
Bona dona senes merce,
Et on mais n’a, plus l’en cove;
Ni anc non vi erguelh, que no dechaya:
Ieu non dic ges que ma dona erguelh aya“;
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und in den darauf folgenden v. 27-28 richtet der Dichter den Tadel allein auf sich selbst:
„Ans tem que lieis m’aya per ergulhos,
Quar l’aus querre so, don mi tarza·l dos.“(R. III,12.)
Vergleichen könnte man ferner Nr. 3 v. 1-2 mit 240,4 v. 39:
„Ni ieu no vic anc bon drut nualhos.“(7)
Alle diese Züge sind zwar nicht absolut charakteristisch für Guiraudo lo Ros; das bedingt schon die Gedankenarmut unseres Liedes; aber der Mangel an ähnlichen Zügen in den Liedern des G. d. S. muß bei der Entscheidung der Attributionsfrage doch mit gewertet werden.
4. Auffällig ist die Aehnlichkeit dieses Liedes mit einer Canzone des Aimeric de Peguillan (B. Gr. 10,39). Sie ist nach folgendem Schema gebaut:
10a 10a 10b 10c’ 10c’ 10b 10d 10d.
(5 cobl. unis.)
Auch zwei der Reime stimmen zu Nr. 3: (ors, en,) ansa, ir. Anfang und Schluß stimmen fast wörtlich zu Nr. 3:
v. 1
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„Nulhs hom no sap que ses gautz ni dolors
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v. 2
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Si en son poder non la tengut amors.“
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v. 40
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„ . . . c’ap uos a uieure et ha murir.“ (M. G. 1001.)
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Diese Uebereinstimmungen mit einem Liede des Aim. d. Peguillan, bei denen die Priorität auf Seiten des älteren Aimeric ist, erinnert an die Spottverse des Mönches von Montaudo:
„L’onzes es Guiraudetz lo Ros,
Qui sol vieure d’autrui chansos.“(R. IV. 50.)
5. Unsere Canzone enthält keine Anführung eines Beispiels aus den „livres dels auctors“. Ebenso ist die Gesamtheit der Lieder des Guiraudo lo Ros ohne eine derartige Anspietung.
Aus allen diesen Erwägungen folgt, daß für die Autorschaft G. d. Salignacs nur das Zeugnis der Handschrift M spricht, dessen Beweiskraft jedoch nach Gröbers Ausführungen bezweifelt werden muß. Andererseits läßt sich auch für die Verfasserschaft G. lo Ros kein zwingendes Argumentbeibringen. Da nur eine geringe Wahrscheinlichkeit für die Autorschaft des letzteren spricht, muß die Attributionsfrage unentschieden gelassen werden.
Fußnote:
1) Kritische Ausgabe der Gedichte d. R. d. M.(↑)
2) B. Gr. 240,8 muß hier wie im Folgenden unberücksichtigt bleiben, da hier selbst zunächst die Attributionsfrage zu entscheiden bleibt.(↑)
3) Gröber: D. Liedersammlungen d. T. p. 514.(↑)
4) das. p. 521 Anm.(↑)
5) das. p. 622 und 634.(↑)
6) Nach Mahn hat M: mal.(↑)
7) Man könnte ferner denken an 240,5 (M. G. 209) und vgl. mit Nr. 3 v. 6-7: „Per so esgardatz no menta”, doch ist die Stelle verderbt, da der Reim „menda“verlangt.(↑)