Dieses Sirventes findet sich in der von Bartsch mit C bezeichneten Pariser Hs. (Biblioth. nationale, franç. 856 14. Jh.) fol. 342 rºa und b und ist von Raynouard im Choix IV 272 abgedruckt worden; die von Herrn Gaston Paris für Prof. Tobler besorgte Collation hat ergeben, dass der von Raynouard gegebene Text sich treu an die Handschrift hält.
Der Dichter klagt zuerst über die Missachtung wahrer Freude und Trefflichkeit und die zunehmende Habsucht und Schlechtigkeit der Reichen und Adeligen. Er verweist auf einen Infanten, der dem Adel ein Beispiel sein sollte. Schon früh habe er Proben seiner Tüchtigkeit gegeben und durch Unterwerfung seiner Feinde den Franzosen Schrecken eingejagt; er bittet Jesus Christus den Infanten vor der Feindschaft der Pfaffen, deren Habsucht verwünscht wird, zu bewahren.
Nach Eméric-David (histoire littéraire XVIII p. 554) ist unter dem Infanten Jakob (Jaime) I von Aragonien (geb. 1206, regirt von 1213-1276) (1) zu verstehen und das Gedicht wäre in die ersten Zeiten seiner Majoritätzu setzen. — Tobler dagegen sieht in dem Infanten den Sohn Jaime’s, den späternPedro III, der, 1239 geboren, im Jahre 1276 den Thron bestieg, nachdem er schon unter der Regierung seines Vaters an dessen Kämpfen gegen die Mauren energischen Antheil genommen hatte. — Wie schon bemerkt, enthält das Gedicht, wie auch II und III, im Geleite das Lob des Grafen von Astarac; (2) als Gönner der Troubadours wird auch in einer Pastorelle des Guiraut Riquier vom Jahre 1282 (M. W. IV 94) ein Graf von Astarac erwähnt, (3) unter dem nach Diez (Leben und Werke der Tr. S. 513) (4) der Graf Centule III gemeint ist. — Der Umstand, dass kein anderer Graf von Astarac bei den Troubadours genannt wird, ist von Wichtigkeit für die Frage nach der Lebenszeit unseres Dichters.
Das Gedicht besteht aus 6 Strophen (coblas unisonans) von je 8 und einer Tornada von 4 achtsilbigen Versen mit männlichem Reim. Die Reimstellung ist a b a b c d c d, und wir haben es somit nach dem von den L. A. I 238 gegebenen Beispiel mit der cobla encadenada, mit überschlagenden Reimen, zu thun. Da sich der Reim meist nur auf den Vokal der Schlusssilbe mit nachfolgenden gleichen Consonanten erstreckt, müssen wir von rim sonan leyal (L. A. I 154) sprechen; wo sich die Uebereinstimmung auch auf die dem Vokal der Schlusssilbe vorangehenden Consonanten ausdehnt, ist das mehr dem Zufall zuzuschreiben, als absichtlich vom Dichter gewollt. — Wiederholung desselben Reimwortes ist selten; zwei Mal finden sich im Reim die Wörter tener V. 1 und 35, poder 25 und 33; play 4 und 34, may 20 und 28, aver 17 (als Infinitiv) und 19 (substantivisch), mon findet sich 3 Mal, V. 6, 40 und 48, aber jedesmal in verschiedener Bedeutung und verschiedenen Ursprunges; die beiden letzten Fälle sowie auch tener und retener V. 1 und 3 können uns als Beispiele der rima equivocz (L. А. I 188; Bartsch l. c. 188) dienen.
Der Hiatus (Zusammentreffen zweier Vokale am Ende eines und am Anfang des nächsten Wortes) (5) findet sich V. 18: merce ab; V. 47: pero en; V. 51: a en; dagegen muss Verschleifung der beiden Vokale beobachtet werden in V. 8: bayssa es; V. 30: planqua e. — Nach den L. A. (I 136) kann der achtsilbige Vers eine Pauza suspensiva (Cäsur) haben oder nicht; im ersten Fall steht sie nach der vierten Silbe und zwar mit einem accen agut (z. В. V. 1: ara farai; V, 17: sitot chantar; V. 18: er ses merce); findet keine Cäsur statt, so muss die dritte Silbe den accen agut oder greu haben, d. h. unbetont oder scharf (kurz) betont werden (6) (z. В. V. 5: quar li ric son; V. 9: quar ara no; V. 13: o paratges etc.)
Was die Theilung der Strophe, nach der von Dante bezeichneten Weise, betrifft, so liegt formell das Verhältniss vor, dass den zwei pedes des Aufgesangs die zwei versus des Abgesangs gegenüberstehen; inhaltlich freilich können wir weder in Strophe 3 noch 6 von einer scharf bestimmten Diesis sprechen; ebenso gehen in Strophe 5 die Versus ganz ineinander über.
1) Dass Jaime I von den Troubadours vielfach gefeiert, aber auch angegriffen wurde, beweist Milá y Fontanals (De los trovadores en España, p. 157 ff.).(↑)
2) Astarac (comté d’), partie de l’anc. Armagnac, auj. dans le dép. du Gers, comprenait Mirande, Roquelaure et Pavie (Bouillet, dict. univers. d’histoire et de géographie).(↑)
3) Al pro comte agensa — D’Astarac nostra tensa, — Dona, qu’om deu lauzar. — Senher, sa grans valensa — Lo fai ab benolensa — A totas gens nomnar.(↑)
4) Art de vérifier les dates t. 9 p. 342.(↑)
5) Ueber die Zulässigkeit desselben in der provenzal. Poesie s. Stimming: Der Troubadour Jaufre Rudel, Kiel 1873, S. 30.(↑)
6) Stimming, l. r. S. 31.(↑)