Davantal - Einführung - Analysis - Presentación - Présentation - Presentazione - Presentacion

Keller, Wilhelm. Das Sirventes "Fadet joglar" des Guiraut von Calanso. Romanische Forschungen, 22(1), 99—238

243,007a- Guiraut de Calanso

 

Das Sirventes „Fadet joglar” des Guiraut von Calanso.

Von

Wilhelm Keller.

 

Vorwort.

Die vorliegende Arbeit sollte zuerst in einer Gesamtausgabe der Werke des Guiraut de Calanso inbegriffen sein. Wegen mangelnder Zeit sah ich mich indessen veranlasst, den die lyrischen Lieder und die allegorische Kanzone umfassenden Teil für einstweilen beiseite zu legen, so dass sich hier das sogen. Ensenhamen allein präsentiert. Wenn bei dem allgemein geäusserten Wunsche, es möchte durch Monographien über die einzelnen Troubadours und durch kritische Ausgaben ihrer Werke der Weg zu einer einmal zu unternehmenden Generalveröffentlichung der gesamten Troubadourlyrik gebahnt werden, die Absicht, die Dichtungen des Guiraut de Calanso im Zusammenhang herauszugeben und einer allseitigen Untersuchung zu unterziehen, keiner besonderen Rechtfertigung bedurfte, so ist eine solche geboten, wenn man es unternimmt, aus ihnen ein einzelnes Werk herauszugreifen und zum Gegenstand einer besonderen Arbeit zu machen, um so mehr, wenn dasselbe nicht zum ersten Male an die Öffentlichkeit tritt. Bekanntlich ist das Gedicht von Bartsch in seinen Denkmälern der provenzalischen Literatur (1) publiziert worden und wurde die eine der Handschriften bereits von Mahn in seinen Gedichten der Troubadours (2) abgedruckt und sind zahlreiche grössere und kleinere Partien in Diez, Poesie der Troubadours (3), Raynouard, Choix des poésies originales des troubadours (4) und andern wiedergegeben. Was nun die Ausgabe von Bartsch betrifft, so beschränkt sie sich auf die Wiedergabe des Textes mit einseitiger Zugrundelegung der als besser erscheinenden Handschrift, wobei die andere nur gelegentlich beigezogen ist, auf eine sehr kurze Einleitung mit nur teilweise etwas ausführlicher Inhaltsangabe, ein paar Anmerkungen, hauptsächlich metrischer Art und das, was daraus in das allgemeine Namenverzeichnis der Sammlung aufgenommen worden ist. Diese so dürftige Behandlung steht in keinem Verhältnis zu der grossen Bedeutung des Gedichtes als einer wahren Fundgrube für die Kultur­ und Literaturgeschichte Südfrankreichs; besonders aber ist es der Text, der schon lange nach einer gründlichen Gestaltung rief. Dieser Mangel machte sich besonders bei der Verwertung der zahlreichen Hinweise auf epische Stoffe fühlbar, und so äusserte sich Gaston Paris bei der Besprechung der bekannten Arbeit von Birch-Hirschfeld über die den Troubadours bekannten epischen Stoffe denn auch dahin (5), dass für das Sirventes des Guiraut de Calanso in erster Linie ein kritischer Text herzustellen sei; im übrigen würde er es für eine verdienstliche Arbeit halten, dazu die zwei gleichartigen Dichtungen des Guiraut de Cabreira und des Bertran de Paris zu fügen, sie zusammen mit einem ausführlichen Kommentar zu begleiten und mit Indices zu versehen. Dass ich die Aufgabe nicht in diesem ganzen Umfang auf mich nahm, hat den eingangs erwähnten Umstand zur Ursache, wonach mein Plan anfänglich nur der war, das Sirventes der Vollständigkeit halber in die Troubadourausgabe einzureihen; übrigens wäre mir ein solches Unternehmen als über die Kräfte eines Anfängers und jedenfalls die meinen hinausgehend erschienen, wie mir denn schon für die Aufgabe, das einzelne Gedicht des Guiraut de Calanso herauszugeben und zu behandeln, immer mehr bewusst wurde, in welch unzureichender Weise dies durch mich geschehen muss.
Für die Überlieferung des Gedichtes habe ich mich an die beiden Handschriften D und R selbst wenden können und es dürfte gegenüber den Lesungen von Bartsch und Mahn verschiedenes besser wiedergegeben sein (6). R kopierte ich selbst an Ort und Stelle; für D besass ich anfänglich nur eine ebenfalls selbst angefertigte Abschrift von der Kopie Ste Palayes in der Arsenalbibliothek zu Paris; durch die gütige Vermittlung meines verehrten Lehrers, Herrn Prof. Bovet und das überaus bereitwillige Entgegenkommen des Herrn Prof. Giulio Bertoni in Turin erhielt ich dann eine von Herrn Prof. Ercole Sola in Modena besorgte direkte Abschrift des modenensischen Textes. Ich spreche an dieser Stelle den genannten Herren für die in entgegenkommendster Weise geleistete Hilfe meinen wärmsten Dank aus und speziell noch Herrn Ercole Sola, der mir auch für meine in Vorbereitung stehende Gesamtausgabe der Werke Guirauts de Calanso alle in der Hs. D befindlichen, sowie auch die in der Fortsetzung der Hs. des Bernart Amoros enthaltenen Dichtungen unseres Troubadours kopiert hat.
Was nun die Herstellung des kritischen Textes anlangt, so war das Resultat dies, dass ich für eine ganze Reihe von Stellen, besonders in dem wertvollsten Teil, der die Angaben über die epischen Stoffe enthält, zu keiner oder zu unsicherer Entscheidung zwischen den beiden Lesarten gekommen bin. Da ich in diesem Falle so wie so gezwungen gewesen wäre, die beiden Lesarten als einstweilen gleichberechtigt anzuführen, dann aber auch sonst vielfach nur ein provisorischer Text möglich ist, so entschloss ich mich auf den gütigen Rat meines verehrten Lehrers Herrn Prof. Ulrich ein Verfahren einzuschlagen, für das er mich als Vorbild auf die Ausgabe der anglonormannischen Reimpredigt von Suchier hinwies, nämlich die beiden Handschriften vollständig nebeneinander, von Auflösung der Abkürzungen abgesehen in diplomatischem Abdruck zu geben und den Versuch eines kritischen Textes daneben zu stellen. Ich glaube, dass in einem Falle, wo der Wert einer Dichtung mehr in ihren einzelnen Angaben als auf der literarischen und künstlerischen Seite liegt, für die auf jene abstellenden Forschungen diese Art der Vermittlung eines Textes von grösserem Nutzen ist, als wenn ich eine eben im allgemeinen dann ohne weiteres als Ausgangspunkt für weitere Forschungen und besonders als Quelle für diesen oder jenen Zweck genommenen einzigen Text dargeboten hätte, der nicht viel besser sein konnte als derjenige von Bartsch und der, wie das für den letztem geschehen ist, seinerseits zu übereilten und falschen Schlüssen und Folgerungen da Anlass gegeben haben wurde, wo man allzusehr dem Herausgeber traut und sich wenig um die Varianten bekümmert. Überdies können bei einem Werke von dem Inhalt des unsrigen gerade auch die falschen Lesarten der einen oder andern Hs. ihre eigenen, wenn auch weniger nach Zeit und Umständen zu bestimmenden Aufschlüsse geben, so dass schon dadurch das gewählte Vorgehen einigermassen gerechtfertigt sein dürfte.
Über die Prinzipien, die ich bei der Herstellung des Versuches eines kritischen Textes beobachtete, gebe ich einleitend zu demselben die nähere Auskunft; so gut als möglich suchte ich auch die Sprache des Originals herzustellen, obwohl ich oft zu keinen oder nur unsicheren Resultaten kam; besondere Schwierigkeiten bereitet auch die Ausfindigmachung der Form der Namen, wie sie von Guiraut de Calanso gegeben sein mochten.
Dem Texte folgen Anmerkungen zu den einzelnen Versen oder Strophen, in denen die handschriftliche Überlieferung im einzelnen besprochen wird und zum Inhalt sachliche und sprachliche Erklärungen gegeben sind; die so oft in einer einzigen Anmerkung enthaltenen verschiedenen Elemente zu trennen, ging nicht wohl an, da die Behandlung derselben gewöhnlich nicht ohne stetes gegenseitiges Beziehen geschehen kann; anderseits lohnte es sich für die Anmerkungen sprachlicher Natur z. B., einmal wegen ihrer geringen Zahl und dann wegen der gegenüber den übrigen geringern Wichtigkeit der zudem meist auf unsicheren Boden beruhenden sprachlichen Ergebnisse unseres Textes nicht, ihnen einen besonderen Platz anzuweisen oder etwa ein besonderes Kapitel über die Sprache Guirauts in diesem Gedichte zu eröffnen, wo sie besser im Zusammenhang mit der seiner übrigen Werke einmal behandelt wird.
Der Inhalt im allgemeinen ist mit den daraus für die Kultur- und Literaturgeschichte resultierenden Ergebnissen in der Einleitung besprochen; in dieser verbreite ich mich auch über die Gattung, der die Dichtung angehört, sowie das Metrum und die Datierung.
Das Glossar enthält die für den Inhalt besonders in Betracht kommenden Wörter und speziell die ungewöhnlicheren, sonst wenig belegten, deren eine grosse Anzahl zu registrieren war. Der besondern Umstände wegen glaubte ich, auch einiges aus der jeweils nicht im kritischen Text berücksichtigten Hs. aufnehmen zu müssen; doch sind diese Wörter von den übrigen kenntlich gemacht; sodann habe ich die in Raynouards Lexique roman und in Levys Supplement-Wörterbuch nicht verzeichneten Wörter und Bedeutungen besonders hervorgehoben.
Bei einer Ausgabe dieser Art dürften verschiedene Indices willkommen sein; dass ich überall das richtige Mass und die richtige Anordnung getroffen habe, glaube ich nicht; man möge dies mir wegen der Eile, mit der diese Zusammenstellungen noch vorzunehmen waren, zugute halten; immerhin hoffe ich, des Guten eher zu viel als zu wenig getan zu haben. Ein Namenregister wird alle Namen des Textes und zwar nicht nur die mit mehr oder weniger Sicherheit in den kritischen Text aufgenommenen, sondern auch die sich noch gegenüberstehenden Namen der beiden Handschriften verzeichnen; auch hier dürften, wie beim Glossar, besonders bemerkenswerte Varianten in dem Index ihren Platz finden; im übrigen habe ich für die äusserliche Trennung der verschiedenen Kategorien gesorgt. Ein anderes Register wird die Namen und Stoffe enthalten, auf welche von Guiraut de Calanso angespielt ist oder angespielt sein könnte. Ein besonderes Sachregister gebe ich noch für die v. 13–71 enthaltenen Hinweise auf die manuellen und sonstigen Fertigkeiten und Tätigkeiten des Joglars.
Von einem vollständigen Verzeichnis der von mir benutzten Literatur habe ich abgesehen; die zum grossen Teil nur für spezielle Fälle gebrauchten Werke wurden besser jeweils in den einzelnen Artikeln angegeben. Soweit sie veröffentlicht ist und sie mir in Zürich zugänglich war, habe ich, da Birch-Hirschfeld schon für seine Zeit unvollständig war und seit ihm und den zu seiner Zeit gegebenen Nachträgen vieles veröffentlicht ist, die gesamte prov. Literatur nach Anspielungen durchsucht; für die franz. musste ich mich begreiflicherweise auf die darauf bezüglichen Arbeiten und meistens die Ausgaben, die Indices enthalten, beschränken. Auf das Erscheinen des vor einigen Jahren angekündigten Verzeichnisses der in den chansons de geste sich findenden Namen, welches gewiss in diese oder jene Anspielung mehr Licht gebracht hätte, habe ich bis zum Abschluss der Arbeit umsonst gewartet. Nachforschungen in Werken anderer Sprachen und Arbeiten über solche, besonders der germanischen Literatur, die hier wohl noch wertvolle Erklärungen brächten, konnte ich nur gelegentlich anstellen. Während kurzer Aufenthalte in Paris und London konnte ich an Hand verschiedener, in den zürcherischen Bibliotheken sich nicht findender wichtiger Werke allerlei Nachträge anbringen. Für diese und jene Angaben und Winke bin ich auch meinen verehrten Lehrern, Herrn Prof. Bovet und Herrn Prof. Ulrich, sowie Herrn Prof. Thomas in Paris, von dem die Anregung zu der Arbeit ausgegangen ist, zu grossem Dank verpflichtet.
 
 

Einleitung.

I. Handschriften und kritischer Text.

Das hier veröffentlichte Gedicht ist in zwei Handschriften überliefert, in D fol. 203–204 und in R fol. 135. Die von jeher gemachte Annahme, dass die beiden Handschriften von einander unabhängig seien, bestätigt sich auch hier durch die stellenweise bedeutenden Abweichungen und die ungleiche Vollständigkeit der zwei Lesarten. Überdies gehört Fadet joglar gerade solchen Teilen der Liederbücher D und R an, deren Quelle völlig unbekannt ist, in D dem von Gröber (7) mit Da bezeichneten, in R dem von demselben (8) mit R13 unterschiedenen Abschnitt der zwei Hss. Es ergeben sich also für Vermutungen über Ursprung der falschen Lesarten, für das Aussehen des Originals keine anderen Anhaltspunkte als die grössere Korrektheit der einen oder andern Hs. Die weit mehr inhaltliche Irrtümer aufweisende Hs. R dürfte durch eine grössere Anzahl Zwischenstufen vom Original entfernt sein als D und diese daher auch da, wo bei aller Verschiedenheit beide Hss. an und für sich annehmbare Lesarten bieten, mehr Vertrauen verdienen, um so mehr, als R oder seine oder eine der früheren Vorlagen etwa vorhandene Lücken eigenmächtig ausgefüllt oder ihm unklare und verdorbene Stellen zu einem ihm naheliegenden Inhalt verbessert oder verlesen oder sonst Unaufmerksamkeiten begangen zu haben scheint, so in folgenden Versen: 7, 36, 42, 49, 81, 90, 109, 165, 169, 171, 180, 184–185, 205–206, 208–209, 213, 214–216, während D für sich gegenüber R nur an folgenden Stellen verderbte Überlieferung aufweisen dürfte: v. 55–57, 203, 219. Was speziell noch R 184–185, 205–206 betrifft, so scheint mir da eher selbständiges Ersetzen von in der Vorlage verlorenen oder ganz verdorbenen Versen durch einen Schreiber anzunehmen zu sein, als dann entsprechend natürlich von D anzunehmende Auslassung. Bei der mangelhaften Überlieferung von R glaube ich auch für die nur in D enthaltenen v. 187–189, 226–228, 241–243 eher auf Lücken in R als auf Interpolation in D schliessen zu können.
Indem die Hs. D sich so jedenfalls für die Herstellung des ursprünglichen Inhalts als die weitaus bessere ergibt, so werde ich, soweit nicht die Anspielungen auf epische Stoffe in Frage kommen, in zweifelhaften Fällen ihr folgen; da, wo es sich aber um die Namen der Stoffe und Personen handelt, verzichte ich im Zweifelsfalle auf die Herstellung eines kritischen Textes (bezeichnet durch ? mit oder ohne Hinzufügung einer Konjektur je nach der grösseren oder geringeren Wahrscheinlichkeit). Was die in den kritischen Text zu setzende Namensform betrifft, so bin ich mir wohl bewusst, dass gerade hier die der zu erwartenden Form identische oder am nächsten stehende nicht unbedingt die des Originals gewesen zu sein braucht, indem einerseits vom Schreiber nicht nur Verstümmelungen, sondern auch Verbesserungen, anderseits unrichtig wiedergegebene Namen auch vom Dichter herrühren können; doch schien es mir das sicherste, am ehestens mit Konsequenz zu befolgende Kriterium, jeweils die der sonst überlieferten oder zu vermutenden provenzalischen Form am nächsten liegende zu wählen. 
Grossen Schwierigkeiten begegnet auch die Herstellung des ursprünglichen sprachlichen Gewandes. Die Formen der beiden Hss. sind zu einem grossen Teil verschieden. Die Reime sind nun fast nirgends so, dass sie für die Sprache etwas beweisen. Wie steht es daher mit der Möglichkeit, aus der Schreibung über die ursprünglichen Sprachformen Aufschluss zu erhalten? Darauf, dass die eine, hier ist es R, in denselben konsequenter verfährt als die andere, ist nicht zu bauen; denn wer bürgt uns, dass der Schreiber dieser Hs. oder der Vorlage nicht gerade konsequent nicht nur eine eigene Schreibung durchführte, sondern auch die Sprachformen des Dichters durch die eigenen ersetzte? Es ist daher auf sie ebensowenig Verlass als auf die von vornherein durch ihr Vermengen von verschiedenen Schreibungen Misstrauen erweckende Hs. D. Eine eingehende Untersuchung der Schreibung derselben haben wir bis jetzt nicht; nur für R ist hie und da ein Beitrag zur Kenntnis seiner Graphie gegeben worden (9). Soviel sich daraus ergibt und ich selbst durch Vergleichung der Schreibung in den Liedern Guirauts und einigen andern Texten ersehen konnte, haben dieselben, R ziemlich durchgehend, D in gewissen Fällen eine konstante eigene Graphie, die auf den betreffenden Schreibern gehörige lautliche und sprachliche Eigentümlichkeiten schliessen lassen. Immerhin werden wir also mit Hilfe der Schreibung allein nicht überall, vielleicht nicht einmal da, wo die beiden Hss. übereinstimmen, ausfindig machen können, wie Guiraut de Calanso im Fadet joglar gesprochen hat.
Wir werden noch zu der Sprache Guirauts de Calanso in seinen übrigen Werken Zuflucht nehmen müssen, obwohl ein solches Verfahren nicht mehr ganz kritisch genannt werden kann, da unser Dichter schliesslich in dem nicht so sorgfältig ausgearbeiteten Sirventes nicht dieselbe Sprache zu reden brauchte wie in den höhere Anforderungen an dieselbe stellenden Liedern. Übrigens versagt auch dieses Mittel in vielen Fällen. Aus dem Umstande, dass Guiraut de Calanso der hier wohl vertrauenswürdigen Biographie zufolge, aus der Gascogne stammt (10) — Näheres ist kaum auszumachen — kann kaum etwas Weiteres geschlossen werden, da in den verschiedenen Teilen dieser Provinz selber wieder sprachliche Verschiedenheiten herrschten, wie sie gerade bei uns in Betracht kommen, und dorthin deutende Formen doch auch wieder nur dem Schreiber und nicht dem vielleicht ganz die Literatursprache pflegenden Dichter angehören könnten.
Mein Verfahren war nun folgendes:

a) Da, wo die Sprache der übrigen Werke festgestellt werden kann, benutzte ich die Hs., welche die betreffende Sprachform in ihrer Schreibung vertritt. Die hier in Betracht kommenden Ergebnisse für die Sprache Guirauts in den Liedern (11) und die davon betroffenen Stellen unseres Gedichtes sind folgende:

  1. Das bewegliche n fällt im Auslaut und vor flexivischem s; darnach im Sirventes nicht wie D 4/5 don : bon. 8 ben. 39 sons. 55/56 baston : guoson. 166/7 pepin : olein. 205/06 r[en]: ben. 222 ven. 231 araguon. 232 joven.
  2. t nach n ist geschwunden; mit flexivischem s haben wir daher nicht tz, sondern s; ebenso nach l aus ll und moulliertem l und n aus nn nicht tz, sondern s; darnach im Sirventes nicht wie D 34/35 estrumenz : aprenz. 214/15 comandamenz: aprenz, und wohl auch nicht wie D 19/20 pomelz : coltelz. 22/23 auzelz : bavastelz. 24 chastelz (60 aolz). 208/09 carrelz : belz. 234 mielz und endlich auch nicht wie D 223/24 enguanz : granz.
  3. Offenes freies o wird unter palatalem Einfluss zu ue; darnach nicht wie D 72 voilh. 123 poing.
  4. focu ergibt foc ; darnach nicht wie D 162 fuec.
  5. Die 3. sg. pr. i. von viure heisst viu; darnach nicht wie R 220/21 vieu : brieu.
  6. ex- ergibt eis-; darnach nicht wie D 3 issevir. R 44 issemple. DR 114 issir.
  7. o in unbetonter Silbe mit l vor t ergibt ou; darnach nicht wie R 20 coltels.
  8. ce,t im romanischen Auslaut wird zu tz, also nicht wie D 41 vos, eine Ausnahme bildet fes < fecit passim.
  9. Der Dichter ist sich der Flexionsregel bewusst und verstösst nur etwa aus Reimzwang dagegen, also nicht wie D 87, 93 (12).
b) da, wo die Lieder Guirauts uns im Stiche lassen und 
  1. die beiden Hss. gleich überliefern, setze ich die von ihnen gemeinsam gegebene Form;
  2. die beiden Hss. auseinandergehen, folge ich, da nun wohl kein anderer Weg bleibt, als sich konsequent zu einer der Hss. zu bekennen, der Hs. R, welche, trotzdem sie dem verderbten Inhalt, wie oben bemerkt, nach zu schliessen, weiter vom Original entfernt sein dürfte, die Sprachformen doch getreuer überliefert zu haben scheint als die Hs. D, bezw. ihre Vorlage, welche gegenüber der aus den Liedern sich ergebenden Sprache Guirauts öfter als R abweicht. Ob freilich damit nicht die eine oder andere Form besser aus D bezogen würde? Besondere Bedenken habe ich wegen Formen wie 27 selcles, 40 estrumens, 89 trezaur, 73 apenras; dem Original entspricht gewiss nicht immer die Form mit o oder u in unbetonter Silbe, wo aber überhaupt nie etwas auszumachen sein wird, besonders wenn, wie wahrscheinlich, der Dichter selber hier bald ein o, bald ein u hat. Eine den oben ausgeführten Grundsätzen zuwiderlaufende Änderung glaubte ich mir gestatten zu können, indem ich das öfters von beiden Hss. gegebene fes < fecit durchwegs ansetzte, auch wo R fetz liest; diese Form hat ja ihre eigene, in satzphonetischen Ursachen liegende Erklärung.
In der so gewonnenen sprachlichen Gestalt macht der Text also freilich nicht den Anspruch, dem Original besonders nahe zu kommen. Von besonderem Belang wird das freilich nicht sein, da das Gedicht uns immer weniger wegen seiner Sprache als wegen seines Inhalts wertvoll sein wird.
Was noch das rein Graphische betrifft, so möchte ich, da keine der Hss. hier konsequent verfährt, die Schreibung in der Weise einheitlich gestalten, dass ich u und v trenne, k, g vor o, a durch c, g, vor e, i durch qu, gu bezeichne, s aus lat. ce,t mit s, intervokales s mit z wiedergebe, es schreibe statt ex oder x, mouilliertes l und n durch lh und nh andeute, ll und nn vereinfache. Ich füge auch hier bei, was den Unterschied zwischen i und j betrifft; ich setze j im Anlaut, wo es den präpalatalen Konsonanten darstellt, i zwischen Vokalen, wo es unbestimmt lässt, ob wir es mit diesem oder dem Vokal i zu tun haben.
Zur Wiedergabe der Hss. habe ich noch folgende Bemerkungen zu machen. Um die Gestalt des Textes jeder Hs. genau zu wahren, habe ich die Reihenfolge der Verse für jeden belassen und dieselben bei jeder Hs. für sich fortlaufend numeriert, wenn auch damit zusammengehörige Lesarten nicht immer auf gleiche Höhe zu stehen kamen; indessen habe ich, um die Vergleichung doch zu erleichtern, gegenseitige Verweisungen angebracht und durch Ausgleichung im Raum allzu weit sich erstreckende Verschiebungen vermieden.
 

II. Gattung und metrische Form.

Unser Gedicht wird mit den gleichartigen Werken des Guiraut de Cabreira und des Bertran de Paris de Roergue (13) gewöhnlich als Ensenhamen bezeichnet und überall mit jenen als Vertreter dieser Gattung aufgeführt. Eine andere Auffassung hat allerdings einmal Rajna (14) vertreten, indem er den Gedichten die lehrhafte Absicht absprach und sie als vanti betrachtet wissen wollte. Witthoeft in seiner Dissertation über das Sirventes joglaresc (15) rechnet zu den von ihm dort besprochenen Dichtungen den Guordo des Bertran de Paris und hätte ebensogut trotz der dagegen angeführten, meiner Ansicht nach nicht stichhaltigen Gründe, auch den Fadet Joglar des Guiraut de Calanso und den Cabra juglar des Guiraut de Cabreira dazu zählen können. Um endlich die Verfasser selber zu hören, so sprechen Guiraut de Calanso (16) und Bertran de Paris (17) von ihren Reimereien als von „sirventes”. Dieser letztere Umstand ist nun nie genügend beachtet worden, und doch kann er eigentlich, nachdem die Bezeichnung sirventes uns einmal von jener Zeit als der einer besonderen Gattung überliefert ist, allein ausschlaggebend sein. Wie der von mir nun als der einzig authentische fortan gebrauchte Name sirventes für Guirauts Gedicht sich erklären lässt, möchte ich im folgenden näher darzulegen versuchen, wobei sich übrigens zeigen wird, dass er die bisher übliche Bezeichnung, sowie die von Rajna in Vorschlag gebrachte Benennung an und für sich nicht ausschliesst.
Über die Frage nach dem Ursprung und der Entwicklungsgeschichte des Sirventes fehlt uns immer noch eine gründliche Studie und besonders harrt die den Kern derselben bildende Erklärung des Terminus selber noch der definitiven Erledigung. Im grossen und ganzen scheint sie mir allerdings in einleuchtender und überzeugender Weise bereits durch P. Meyer (18) gegeben, welcher bekanntlich das Sirventes als ein von einem sirvent = Kriegsmann, Söldner verfasstes Gedicht ansieht. Diese Deutung hat gegenüber der zuerst von Diez (19) vertretenen, wonach ein Sirventes ein von einem Diener im Dienste seines Herrn oder einer Sache verfassten Dichtung sei, den Vorzug, dass sie nicht den in der Blütezeit der Gattung geltenden Charakter zum Ausgangspunkt nimmt, sondern die allen Anzeichen nach schon vorliterarische Existenz der Gattung berücksichtigt. Die, allerdings vor geraumer Zeit von Rajna (20) noch unterstützte Etymologie der Doctrina de compondre dictatz (21), nach der das Sirventes seinen Namen davon habe, weil es sich der Melodie eines andern Gedichtes „bediene”, wird wohl sonst kaum mehr von jemandem aufrecht erhalten (22). Die Deutung des Terminus als eines ursprünglich für ein von einem sirvent verfassten Gedichtes gebrauchten Wortes führt nun auch allein zu einer befriedigenden Erklärung der Anwendung desselben auf eine Dichtung wie die unsrige.
Welcher Art waren zunächst diese ursprünglichen sirventes, was hat man sich vor allem unter ihren Verfassern, den sirvents, vorzustellen? Ich denke kaum, dass wir darunter mitten in ihrem Beruf Stehende vorzustellen haben, die kriegerische Taten und Ereignisse, Vorkommnisse des Krieger- und Lagerlebens zum Gegenstand von Reimereien gemacht hätten, sondern vielmehr, dass darunter jene im Mittelalter bekannten nach vollendetem Feldzuge oder sonst beendeter Dienstzeit brotlos gewordenen, im Land herumstreifenden, zu keinem sesshaften Leben mehr zu bringenden Söldner zu verstehen sind. Verfassten diese aber wirklich Gedichte, die man nach ihnen sirventes genannt hätte? Wenn dies schon die grosse Ähnlichkeit, welche sie durch die Natur ihrer ganzen Lebensweise und die Art des Verdienstes, auf den sie angewiesen waren, mit den Spielleuten haben, nahe legt (23), so haben wir für ihre dichterische Betätigung aber direkte Beweise. In verschiedenen der von Witthoeft o. c. herausgegebenen Sirventes wird von Joglars gesprochen, die je nach der Gelegenheit diesen Beruf mit dem des sirvent vertauschten oder die überhaupt früher sirvent gewesen waren (24). Sodann ist uns ein Gedicht eines solchen ehemaligen sirvent, das über die frühere Stellung seines Urhebers nicht in Zweifel lässt, überliefert; es ist jene mit den Worten Sirven sui avutz et arlotz (25) beginnende Reimerei des Raimon d’Avinho. Vollends gesichert wird unsere Annahme durch die Tatsache, dass es arlotes, also von den mit den sirvents, wie die eben zitierten Anfangsworte des Gedichtes von Raimon d’Avinho nebenbei beweisen, so nahe verwandten arlotz gab (26). Welcher Natur diese Gedichte sein mochten, darüber belehrt uns einmal wiederum das Stück Sirven sui avutz, das eine Aufzählung all der Fertigkeiten und Künste, auf die sich der ehemalige sirvent geworfen hat, enthält und damit einen Typus vertritt, den des boniment nämlich, der spontan sich aus der beruflichen Stellung und Lebensart dieser Leute ergeben musste, daher sich auch bei den eigentlichen Jongleurs findet und auch in anderen Literaturen, ja überall und zu allen Zeiten zu konstatieren ist (27). Anderseits darf man wohl annehmen, dass ähnlich wie die Jongleurs, die, wie sich aus verschiedenen Anspielungen (28) ergibt, sich dazu berufen fühlten, in Schmäh- und Rügeliedern sich zu Richtern ihrer Mitmenschen aufzuwerfen, auch die sirvents diesen Zweig ergriffen. Mit dieser Annahme von zwei Hauptarten der von diesen sirvents gedichteten Reimereien, nämlich denen mehr aufzählenden und rühmenden und denen hauptsächlich schmähenden oder rügenden Charakters kämen wir dazu, sie in entwicklungsgeschichtliche Beziehung und Parallele zu den aus dem eigentlichen Zeitalter der prov. Dichtung bekannten Sirventes zu bringen und so die Hauptstütze für unsere Deutung des Sirventes als einer ursprünglich von sirvent verfassten Dichtgattung zu liefern. Für die höfische Zeit der prov. Literatur möchte ich nämlich ebenfalls zwei Gruppen unterscheiden, die eine, welche die gewöhnlich allein als Sirventes geltenden Schmäh- und Rügelieder umfasst, die andere, welche die allerdings in geringer Zahl überlieferten, eine Aufzählung von Fertigkeiten und Künsten enthaltenden Werke, worunter gerade unsere drei sogen. Ensenhamens, in sich begreift. Der so wohl halb immer wieder spontan entstandenen, halb herübergenommenen Gattung ist dabei der Name sirventes geblieben (29), ohne dass jedenfalls jemand sich der ursprünglichen Bedeutung des Wortes bewusst war, bildet doch einen Beweis dafür auch jener viel umstrittene Ausdruck sirventes joglaresc. Dazu scheint mir der Parallelismus und die genetische Beziehung zwischen den anzunehmenden ursprünglichen Sirventes und den später überlieferten auch in der metrischen Form dieser Gattung vorhanden zu sein: dort, bei den sirvents jedenfalls, wie natürlich, möglichst einfache traditionelle Metren, hier, wohl hauptsächlich durch die blosse Macht eben dieser Überlieferung bedingte, den sonst geltenden Kunstgesetzen widersprechende Hintansetzung der Form, wobei das Prinzip der Verwendung möglichst einfachen, hergebrachten Metrums, was wieder ganz natürlich ist, namentlich in jener zweiten Gruppe, den Sirventesen erzählender und rühmender Art galt. Dass für Gedichte dieser Sorte besonders das Metrum des Fadet joglar, das der sogen. Schweifreimstrophe beliebt war, ist auch schon von verschiedener Seite konstatiert worden (30).
Lässt sich somit die Benennung sirventes für unser Gedicht, sowie die ihm nahe verwandten des Guiraut de Cabreira und des Bertran de Paris, von denen, wie oben bemerkt, wenigstens das letztere vom Verfasser ausdrücklich als sirventes bezeichnet wird, wie ich hoffe, überzeugend erklären, so durfte anderseits auch hervorgehen, dass die dafür gemeinhin gebrauchte, aber für sie von den Provenzalen selber nie verwendete Bezeichnung ensenhamen eine gewisse Berechtigung hat (31) und wir sie ebenso ganz gut auch zu den vanti rechnen können. Es sind eben einfach Unterbegriffe des Oberbegriffs Sirventes. Es liegt in der ganzen Art des Sirventes in der soeben begründeten erweiterten Fassung des Namens, dass er je nach den Umständen mehr belehrender oder rühmender Natur war, ebensogut wie er übrigens auch beides und dazu noch den rügenden oder spottenden Ton natürlicherweise vereinen konnte. Indem Guiraut, wenn er auch nicht die wirkliche Absicht hat, so sich doch den Anschein gibt, den Joglar über das Repertoir seines Berufes zu belehren, so haben wir im Fadet joglar ohne Zweifel ein Lehrgedicht vor uns, das vom Stoff abgesehen, von andern ausdrücklich als Ensenhamens bezeichneten Gedichten der prov. Literatur kaum verschieden ist. Wenn wir anderseits, wie Rajna will, die belehrende Haltung, die Guiraut dem Spielmann gegenüber annimmt, nur als einen Vorwand betrachten, um seine eigenen Kenntnisse ins Licht zu stellen, so können wir den Fadet joglar gleichzeitig auch zu jenen oben angeführten vanti zählen. Was nun die Stücke des Guiraut de Cabreira und des Bertran de Paris betrifft, so herrscht in ihnen nicht der belehrende Ton, sondern ein schmähender und wenn man auch fortfahren will, dasjenige unseres Dichters als Ensenhamen aufzuführen, so kann dies wohl kaum für jene gerechtfertigt sein. Wohl aber trifft für alle drei die Benennung Sirventes in dem weitern sich aus dem Munde der Dichter selber ergebenden Sinn zu.
Es frägt sich dabei nur noch, ob der immer noch einer definitiven Deutung harrende Terminus sirventes joglaresc auf Dichtungen solcher Art und also speziell auf den Fadet joglar anzuwenden wäre. Es ist allerdings zunächst, wie mir scheint mit Recht, bezweifelt worden, ob der Ausdruck bei den Provenzalen allgemein als eigentlicher Gattungsname gegolten habe; immerhin möchte ich nicht so weit gehen, dass ich wie Zenker (32) dem Verfasser der drei das Wort enthaltenden Biographien die Erfindung desselben zuschriebe, sondern möchte glauben, dass es auch sonst, aber nur gelegentlich zur Unterscheidung der mehr nur von Joglars verfassten Stücke von den durch wirklich höfische Dichter verfassten Sirventes gebraucht wurde. Wie dem aber auch sei, so ist jedenfalls der Ausdruck nicht in dem von Witthoeft nach Tobler vorgeschlagenen Sinn, nämlich für Gedichte, die von Troubadours für Joglars, im Interesse derselben, verfasst werden wären, zu verstehen, sondern so, dass man damit, wie gesagt gelegentlich, die von Joglars gedichteten spottenden, rühmenden oder belehrenden Reimereien oder dann auch in Nachahmung solcher von Troubadours, also mehr nach Spielmanns Art gedichteten Stücke bezeichnet hätte. In diesem Sinn könnte ich also wohl die Benennung sirventes joglaresc für das uns vorliegende Gedicht in Anspruch nehmen, verzichte aber eben im Hinblick auf die noch obschwebende Frage nach der allgemeinen Gültigkeit des Ausdruckes darauf (33).
Man spricht von unserm Gedicht gewöhnlich als einer Nachahmung desjenigen des Guiraut de Cabreira und verweist dabei auf den Anfang des Fadet joglar und speziell auf v. 7–9: e·m gart dels motz be de trastotz de sels qu’ En Giraut fes escrir, worin wir also vernehmen, dass der Joglar unsern Dichter um eine Ergänzung zu dem Sirventes des „En Giraut” gebeten hat. Unter diesem ist ohne Zweifel der Herr von Cabreira zu verstehen und ist sicherlich von dem uns bekannten Gedicht desselben die Rede. Aber trotz alledem scheint es mir zu weit gegangen, das Gedicht des Guiraut de Calanso als eine eigentliche Nachahmung zu betrachten; denn was den Gedanken eines solchen Gedichtes überhaupt, sowie auch die Form betrifft, so haben wir gesehen, dass für beides die allgemeinen Bedingungen in den Verhältnissen und Gewohnheiten des Joglarstandes, kurz in der Überlieferung enthalten sind, weshalb neben dem Cabra joglar eine ganze Anzahl anderer ähnlicher Dichtungen sein Vorbild gewesen sein könnten, wobei immerhin zugegeben werden mag, dass die spezielle Anregung unserm Dichter von Guiraut de Cabreira kam.
Dass Guirant de Calanso sozusagen ohne Ausnahme nichts aufzählt, was schon in dem Cabra joglar enthalten ist und jener Guiraut also wirklich der von Cabreira ist, geht aus dem Inhalte hervor, zu dessen Besprechung ich im folgenden Kapitel übergehe.
Vorerst aber schliessen sich hier vielleicht am besten die wenigen Bemerkungen an, welche zu dem Metrum im einzelnen zu machen sind. Wie bereits angedeutet, besteht das Gedicht aus Schweifreimstrophen, versus tripertiti caudati: je zwei 4-Silbler, die zusammenreimen und ein die Strophe schliessender 8-Silbler, der durchgehenden Reim auf -ir zeigt, also nach dem Schema 4a 4a 8b / 4c 4c 8b. Die Zahl der Strophen in unserem Gedicht beträgt 81.
Dieselbe Form zeigen ausser 1. Guiraut de Cabreira, Cabra juglar. Btsch. Dkm. 88–94. 2. Marcabru, D’aisso laus Dieu M. G. 234, 388, 389. 3. id., Seign’ En Alric. Jahrbuch XIV, 147 (ist die Antwort auf das folgende). 4. Andric de Vilar, Tot a estru. Jahrbuch XIV, 144. 5. Peire Cardinal, Predicator M. G. 941. 6. Peire d’Alvernhe, Be m’es plazen. Zenker, Peire von Auvergne XIV, Roman. Forschungen XII, 770 (34).
Über diese Form des versus tripertitus caudatus ist, z. T. auch mit bezug auf unser Gedicht, schon öfters gehandelt worden; es dürfte daher genügen, wenn ich auf die sich damit beschäftigenden Stellen verweise. Es sind dies: F. Wolf, Lais, Sequenzen und Leiche, Heidelberg 1841, 31ff. Paul Meyer, Anciennes poésies religieuses, Bibl. Ec. Chartes 1860, 482. H. Suchier, Jahrbuch XIV, 144. Rajna, Z. f. r. Ph. II, 220ff. (35) Stengel, Z. f. r. Ph. X, 153ff. id., Roman. Verslehre, Gröb. Grdr. II, 1. §§71, 167, 170. Maus, Peire Cardinals Strophenbau, Marburg 1884, p. 8, 68ff.
Zur Behandlung des Verses im Fadet joglar hat bereits Bartsch Dkm. p. 326 einige Bemerkungen gemacht. Eine Silbe zu wenig hat v. 62 de simier (: apren mestier); doch ist vielleicht wie Bartsch p. 327 vorschlägt, sel de simier zu korrigieren. Eine ganz besondere im Provenzalischen und überhaupt nur selten begegnende Erscheinung besteht in dem lyrischen Versschluss einer ganzen Anzahl 4-Silbler, d. h. darin, dass dieselben auf eine unbetonte Silbe ausgehen, die mitgezählt wird und also die vierte Silbe bildet, s. vv. 28–29, 31–32, 37–38, 43–44, 46–47, 49–50, 55–56, 67–68 (36)). Sonst ist es, wie bekannt, das Prinzip der prov. (und der franz.) Dichtung, dass eine unbetonte Versschlusssilbe nicht mitgezählt wird, also Verse mit weiblichen Reimen faktisch immer eine Silbe mehr haben als die Verse mit männlichen Reimen. Für das Prov. zeigen uns dies die überlieferten Texte und ist dies ausdrücklich vorgeschrieben in den Leys d’amors, s. I, 100, vgl. Stengel, Verslehre §14, 81. In den übrigen in unserm Versmass abgefassten Gedichten habe ich nichts derartiges gefunden, auch bei Guiraut de Cabreira nicht (37). Es ist überhaupt diese Eigentümlichkeit für das Prov. sonst nur für die 8-silbigen Verse des Breviari d’amor bekannt (38) und sie ist für dieses, wie Stengel, Verslehre §15 bemerkt, dadurch zu erklären, dass es nicht für den Gesang bestimmt war (39). Auf die nämliche Weise werden wir auch für das Gedicht des Guiraut de Calanso diese Merkwürdigkeit zu erklären haben, da bei so verschiedenem Tonfall in der Tat an eine gesangliche Wiedergabe nicht zu denken ist. Die Freiheit, welche sich unser Troubadour so in der Handhabung des Versmasses erlaubt, geht indessen nicht so weit, dass er dann nur, wie dies auch etwa vorkommt (40), diese unbetonten Silben zusammenreimen liesse, wie im Breviari d’amor, so klingen auch in den genannten Versen die vorausgehenden Tonsilben mit.
Bei dieser ganzen Frage kommen die in unserm Gedichte so zahlreichen, dem Prov. fremden Eigennamen nicht in Betracht; bei ihnen gilt allgemein (41) die letzte Silbe als betont oder wird wenigstens immer die letzte Silbe für den Reim verwendet; schwankend ist die Praxis der Provenzalen bei den weiblichen Eigennamen auf -a (42) je nachdem kann daher v. 115–116 noch zu den oben genannten Fällen zu ziehen sein.
Sonst sind zur Silbenzählung unseres Gedichtes noch folgende Bemerkungen zu machen: 1. findet die nicht sehr gewöhnliche Verschleifung von dem Ende eines Verses zum Anfang des folgenden statt: manicorda ab una corda (v. 28/29); 2. ist -ía an den zwei Stellen, wo es vorkommt, einmal v. 117 sicher 2-silbig, das andere mal, v. 18, je nach der Lesart der beiden Hss. 2- oder 1-silbig; ´-ia v. 99 Discordia ist ebenfalls je nach der Hs., die wir wählen, 2- oder 1-silbig; v. 136, 138 ist es 2-silbig, doch ist der Name ungewiss, vgl. hinten die Anm.; sonst ist, wo i in diesen Namen mit einem anderen Vokal im Hiat steht, dasselbe für sich silbenbildend; 3. ist ungleich behandelt der Ausgang -aus: v. 106 de Pela|us, aber v. 163 de Menelau: com el a frau, in welch letzterem Fall noch bemerkenswert ist, dass dem Reim zuliebe das s in Menelaus von dem Dichter als flexivisches s betrachtet wurde, während er sonst auf die Flexion in solchen Eigennamen, besonders bei denen auf -us, wie das auch das gewöhnliche ist, keine Rücksicht nahm (43).
Die Fälle von Hiatus zwischen zwei Wörtern zusammenzustellen, scheint mir, wo das Metrum, wie wir gesehen haben, sonst etwas willkürlich gehandhabt wird, keinen Zweck zu haben.
Gegen die Reinheit der Reime ist, soweit das bei der nicht zu eruierenden sonstigen Aussprache der Namen auszumachen ist, kein Verstoss zu verzeichnen.
 

III. Inhalt.

Zahlreiche und mannigfaltige Kenntnisse und Fertigkeiten verlangt Guiraut de Calanso von dem Joglar Fadet. Dieser hätte danach miteinander den Dichter, Sänger, Rezitator, Musiker, Akrobat, Gaukler, Possenreisser, Tierdresseur, Marionettenspieler und vielleicht noch andere Spender von Unterhaltung und Kurzweil darzustellen. Die Fähigkeit, all diesen Aufgaben gerecht zu werden, setzt er bei ihm oder wenigstens beim Spielmann überhaupt voraus, und es würde sich somit bestätigen, was uns sonst über den Umfang der Tätigkeiten einzelner Joglars bekannt ist. Der Held des prov. Epos Daurel et Beton z. B. dichtete, musizierte und rezitierte nicht nur, sondern zeichnete sich auch durch Luftsprünge und anderes mehr aus und dabei wird er, da der Verfasser selber ein Jongleur war, in dieser Hinsicht nicht etwa nur als das Ideal seinesgleichen hingestellt, sondern entsprach gewiss der Wirklichkeit. Ebenso findet sich dadurch ein anderer in unserem Gedichte hervortretender Umstand, dass nämlich derselbe Joglar die edelsten und niedersten Künste nebeneinander auszuüben sich nicht scheut, bestätigt. Immerhin mochten Spielleute, die über so umfangreiches Können und Wissen verfügten, eine Ausnahme von der Regel bilden, nach der von fast jedem Zweig und fast jeder einzelnen Funktion wieder besondere Joglars vorhanden waren.
Jedenfalls sehen wir, was alles zum Joglarberufe im allgemeinen und ganzen gehören konnte. Es zeigt sich besonders, dass, worüber Guiraui Riquier in seiner suplicatio an Alfons X. klagte und wogegen er um Abhilfe bat (s. M. W. IV, 163–182), schon zu Zeiten Guirauts de Calanso für alle, die berufsmässig irgend welchen Unterhaltungskünsten oblagen, der gemeinsame Begriff Joglar galt, sowohl für die, welche die niedern als für die, welche die hochsten Fertigkeiten ausübten, sowohl für die, welche in höfischer Gesellschaft verkehrten, als für die, welche ihr Handwerk auf den Strassen und Marktplätzen vor einem weniger gewählten Publikum betrieben.
Ausser den Aufschlüssen, welche sich aus dem Gedichte Guirauts de Calanso so für den Umfang der Tätigkeit des einzelnen wie des Joglars überhaupt und den Begriff Joglar selbst ergeben, gibt uns dasselbe aber besonders solche über den Umfang und den Charakter der einzelnen Zweige der Profession. Ich werde dieselben im folgenden etwas eingebender besprechen, indem ich bei den primitivsten und niedrigsten Funktionen beginne, um dann zu denen zu gelangen, welche die höchsten Anforderungen an einen Joglar stellen, und werde dabei besonders bei dem Amte des Joglars als Sänger und Erzähler von epischen Stoffen zu verweilen haben, wo wir auch über den Inhalt des Vorzutragenden unterrichtet werden.
Die Kunststücke des Joglars als Akrobat und Gaukler sind von den allergewöhnlichsten: das Purzelbaumschlagen (v. 14) (44), das Reifspringen (v. 27), das Seiltanzen (v. 64–66), das Radschlagen (v. 67–69), das Aufwerfen und Auffangen von Äpfeln und Messern (oder „mit Messern”) (v. 19–21). Schon von Guiraut de Cabreira erwähnt ist das Tanzen und das Taschenspielen (88, 26–27) (45).
Von Tieren, die dem Publikum dressiert vorgeführt werden, sind nur der Hund (v. 58–60) und der Affe (v. 61–62) erwähnt. Die ganze Kunst, die Fadet an jenem zu zeigen bat, besteht darin, ihn über einen Stock springen und auf die Hinterbeine stehen zu lassen. Von Tierstimmen soll Fadet nachzuahmen verstehen den Gesang der Vögel (v. 22) und das Wiehern des Pferdes (? v. 57).
Aus dieser letztern, nicht ganz klaren Stelle, überhaupt dem ganzen Passus von v. 49–57 geht hervor, dass die Joglars zur Ergötzung und Äffung des Publikums auch als Vermummte auftraten und darin wohl allerlei mimischen Spuk trieben. Wir erfahren, dass sie sich dazu ganzer Gewänder bedienten (v. 52–54) und besonders sich das Gesicht mit allerlei Arten von Masken, wie Bärten (v. 49), Tiermasken (? v. 55) bedeckten. Ich möchte vermuten, dass an diesen Stellen auch auf die Spielleute als Leiter vermummter Aufzüge und Inhaber anderer besondere Talente erheischender Rollen an den aus heidnischer Zeit überkommenen zahlreichen Festen und ähnlichen Anlässen angespielt ist und sie z. B. vielleicht auch an den Narrenfesten hervorragend beteiligt waren. Hierher mögen auch noch die Aufführungen mit Marionetten zu stellen sein, die schon eine ziemlich komplizierte Maschinerie voraussetzen (v. 23–24).
Umfangreich ist das Gebiet des Instrumentenspielers. Neun Instrumente konnten, wie Guiraut de Calanso nach der wahrscheinlichsten Deutung sagt (v. 40–42) für alle Bedürfnisse genügen; er zählt deren aber mehr auf; welches gerade diese 9 Instrumente waren, geht wohl nicht hervor. Wir finden unter den genannten alle Arten vertreten, Schlag-, Blas- und Saiteninstrumente. Von den ersteren sind erwähnt die Trommel (tabor v. 16), die Castagnetten (tauletas v. 17), vielleicht die Schellen- oder baskische Trommel (temple v. 28–29), wenn wir es nicht eher mit einem Glockenspiel zu tun haben, und es ist dazu zu zählen vielleicht die Symphonie (semfonia v. 18); als einziges Blasinstrument gibt Guiraut die estivas (v. 43–44, Dudelsack oder Schalmei) an. Zahlreicher sind die Saiteninstrumente, die er Fadet empfiehlt: die sitola (v. 26), eine Art kleiner Zither oder Laute, die mandora (v. 26), ein mandolinenartiges Instrument, das Monochord (v. 28–29), die Zither (sedra v. 30), die Rote (v. 32), die Harfe (v. 34), die guiga (v. 36), das Psalterium (v. 38) und die Leier (v. 46). Die viula ist bereits von Guiraut de Cabreira genannt (88, 17). Über einzelne Instrumente bekommen wir nähere Angaben, was uns in Anbetracht, dass verschiedene dieser Instrumente nicht mit Sicherheit zu identifizieren sind, und für die Geschichte der Instrumente selber, die durch unsern Text manche von anderswoher nicht zu erhaltende Bereicherung erfährt, sehr willkommen ist. So empfiehlt Guiraut dem Joglar die Rote mit 18 (Var. 17), das Psalterium mit 10 Saiten zu versehen und wir erfahren, dass unter dem Monochord wirklich das einsaitige Instrument zu verstehen ist. Welchem Zwecke vorzugsweise die einzelnen Instrumente dienten, wird uns leider nicht kund getan; jedenfalls musste der Spielmann nicht nur den gesanglichen Vortrag und Aufführungen irgend welcher Art zu begleiten verstehen, sondern auch besondere Musikstücke (v. 31), die wohl kunstvollerer Art als die zur blossen Begleitung — Troubadourlieder freilich ausgenommen — gespielten Melodien waren, vorzutragen wissen. Seinem Vorsatz getreu, Guiraut de Cabreira nur zu ergänzen, sagt unser Dichter nichts vom Gesang, über den bereits Guiraut de Cabreira seinem Joglar eine Lektion erteilt (88, 18).
Viel mehr Neues, als in den verschiedenen über die Künste und Fertigkeiten der Spielleute des Mittelalters handelnden Werken bereits gesammelt worden ist und sonst da und dort hervorgehoben wurde, vernehmen wir nicht; immerhin ist einiges für den Süden hier allein und zum erstenmal belegt oder sonst von besonderem Interesse, besonders wenn, wie bereits bei den Musikinstrumenten bemerkt wurde, detailliertere Angaben und Beschreibungen beigegeben sind; speziell interessieren uns noch die Hinweise auf die Teilnahme der Joglars an Mummereien und den verschiedenen Festen.
Weit reichere Ausbeute gewährt und von grösserer Wichtigkeit ist für uns der grosse Abschnitt, wo die Literaturgattungen und namentlich die Stoffe aufgezählt werden, in denen der Joglar als Sänger und Erzähler bewandert sein muss (von v. 73 an). Über die verschiedenen Liedergattungen, die der Joglar zu dichten oder wenigstens als Werke anderer vorzutragen hatte, finden wir zwar sehr wenig; Guiraut de Cabreira hatte eben das meiste schon vorweggenommen: sirventesc (88, 29), balaresc (88, 30), estribot (89, 1), retroencha und contenso (89, 3), vers (89, 4). Guiraut de Calanso fügt für Fadet nur hinzu, dass er sich auf das partir von jocs (v. 15) verstehen müsse, d. h. dass er auf Verlangen zur Unterhaltung einer Gesellschaft Streitfragen vorzulegen wisse, was besonders deshalb interessant ist, weil wir sehen, wie dieses geteilte Spiel eine Form der geselligen Unterhaltung und dazu oft der Joglar der berufene Arrangeur war. In niedere Sphären sehen wir den Spielmann dagegen wieder verwiesen, wenn er verstehen soll, die Schlechten zu verspotten (v. 63), was so aufgefasst werden könnte, dass er Schmähgedichte, Sirventese, auf dieselben zu dichten habe.
Ob ausser seiner Tätigkeit als Verbreiter lyrischer und wie wir gleich sehen werden, epischer und endlich auch didaktischer Literatur der Joglar auch als Interpret dramatischer Dichtungen, natürlich nur etwa von einer Art Stegreifkomödien fungierte? Ich wage nicht, mit Bestimmtheit den vielleicht auch unrichtig überlieferten v. 71 e joc de borc darauf zu deuten.
Ich nehme, was sich auf den Joglar als Verfasser oder Rezitator didaktischer Dichtung bezieht und den Schluss der ganzen Aufzählung bildet (v. 202–228) voraus. Danach soll derselbe über die Allegorie der Liebe an und für sich, sowie der Liebeskunst vorzutragen und gar zu dichten wissen (v. 214–16). Hierher gehört auch, wenn die Identifikation richtig ist, v. 157, d. h. eine Anspielung auf eine wohl prov. Übersetzung jener Pamphilus und oft mit einem Untertitel De Amore genannten mittellateinischen Komödie, welche die Theorien Ovids über Liebeskunst in praxi vorführt.
Wenn wir annehmen dürfen, dass Guiraut mit den Angaben, die sich auf die Allegorie der Liebe beziehen, eine eigentliche Dichtung im Auge gehabt habe (vgl. Anm. zu 214–15), die er dem Joglar zu erlernen empfiehlt, so werden wir uns fragen, ob dieselbe mit einer der uns bekannten Bearbeitungen dieses Stoffes identisch ist. Da ist das nächste, zum Teil wenigstens, da sie nicht alles enthält, an Guirauts eigene Kanzone Celeis cui am de cor e de saber (46) zu denken, die nur diesem Gegenstande gewidmet ist und in der eine ganze Anzahl der nämlichen Attribute und sonst verschiedenes begegnet, das an die Darstellung im Fadet joglar erinnert. Durch die nähere Vergleichung erweist sich jedoch die Annahme, dass mit den Ausführungen unseres Sirventes eine Inhaltsangabe der Kanzone gegeben sei, als sehr unwahrscheinlich. Fürs erste stimmen die Details der gemeinsamen Züge nicht immer überein oder sie sind verschieden ausgedrückt. Im Fadet joglar sind z. B. zweierlei Pfeile genannt, ein goldener und ein stählerner; in der Kanzone dagegen haben wir 3 Arten Pfeile, indem noch einer aus Blei hinzugefügt ist; überdies sind im Celeis cui am der Goldpfeile mehrere; sodann, und, was mir besonders ausschlaggebend erscheint, ist die Kanzone weit ausfürlicher, enthält viele Züge mehr als die Darstellung unseres Sirventes; dieses weiss beispielsweise nichts von der goldenen Krone der Göttin, ihrem Palast, den 5 Portalen, der Vorstadt, dem Spielbrett, dem Feuer und den Verwandten der Liebe, worüber Guiraut in der Kanzone spricht.
Aus all dem möchte ich schliessen, dass Guiraut damals seine Kanzone noch nicht gedichtet hatte; wie sollte er nämlich, wenn sie bereits existiert hätte, sie nicht besonders angedeutet haben, wie sollte er namentlich diese seine eigene wohldurchdachte, freilich, wie ich später in der von mir beabsichtigten neuen Ansgabe des Liedes zeigen werde, nicht besonders einheitlich gestaltete, aber doch alles umfassende Allegorie, die nach den zahlreichen Hss., die dasselbe überliefern, und der Aufmerksamkeit, der es durch Guiraut Riquier zuteil wurde, zu schliessen, auch zu jener Zeit eine gewisse Berühmtheit besass, wie sollte er, sage ich, sie so verleugnet haben, dass er bei späterer Bezugnahme auf denselben Gegenstand gerade die am sorgfältigst ausgearbeiteten Partien übergangen, wie sollte er überhaupt das dort enthaltene grössere Wissen dem Joglar haben vorenthalten oder je nachdem sich desselben nicht haben rühmen wollen? Kurz, auf die Kanzone kann sich dieser ganze Abschnitt nicht beziehen; Guiraut muss sie aber auch — ein Resultat, das für die Datierung des Fadet joglar wichtig ist (s. unten) — erst nachher verfasst haben; in ihr hat er verarbeitet, was er seit dem Augenblicke, da er dem Joglar diese verschiedenen Angaben, die sich fast alle in der Kanzone, zum Teil etwas verändert, wiederfinden, mitteilte, neu zu denselben aus andern Allegorien hinzugelernt hatte.
Ist es möglich, dass Guiraut de Calanso an eine andere der uns überlieferten prov. Allegorien dachte? Es scheint mir auch dies nicht der Fall zu sein. Die fraglichen drei Dichtungen, die von ihrem Herausgeber so genannte Cour d’amour (herausgegeben von Constans, R. d. l. r. 20, 157–179, 209–220, 261–276, vgl. Dammann p. 28 bis 29), ein Chastel d’amors betiteltes Fragment (herausgegeben von Thomas, Annales du Midi 1889, p. 186ff., vgl. Dammann p. 22, Btsch., Chrest. col. 273/4) und die Novelle Lai on cobra sos dregz estatz eines Peire Guilhem (herausgegeben von Btsch., Chrest. 265 bis 272, vgl. Dammann p. 26–27) dürften alle einer ziemlich späteren Zeit, mindestens nicht mehr dem 12. Jahrhundert angehören und kommen daher schon zeitlich nicht in Betracht; es deckt sich aber auch der Inhalt keiner derselben weder in der Konzeption des Ganzen, noch im Umfang, noch in den Einzelheiten durchwegs mit den Angaben unseres Sirventes.
Immer vorausgesetzt, dass Guiraut den Stoff nicht bloss allgemein angibt, was übrigens sehr wohl möglich wäre, sondern der Inhalt auf einer damals existierenden Dichtung beruht, müsste es sich um eine uns verloren gegangene Allegorie handeln. Die Existenz von Allegorien der Liebe für das Ende des 12. Jahrhunderts wenigstens kann, wenn es nicht eben diese Tatsache, dass Guiraut von dem Joglar den Vortrag einer solchen verlangt, beweisen würde, nun allerdings auch sonst wahrscheinlich gemacht werden. Denn einmal zeigen der Mangel an einheitlicher Konzeption und Darstellung, sowie das Vermengen von augenscheinlich aus verschiedenen Allegorien stammenden Elementen in den vier erwähnten Liebesallegorien der prov. Literatur, also auch der Kanzone unseres Dichters, dass sie auf früheren Darstellungen fussen, und dies um so mehr, als sie gegenseitig unabhängig zu sein scheinen (47). Sodann legen uns die Annahme einer Allegorienliteratur für eine frühe Zeit schon zahlreiche Stellen in den Liedern der Troubadours nahe, die sich theoretisch mit der Liebe beschäftigen und die nicht direkt nur aus den, besonders was die Personifikation der Liebe betrifft, spärlichen und in seinen Werken zerstreuten Angaben Ovids erklärt werden können, sondern die Existenz von besondern Dichtungen über diese Materie voraussetzen (48). Dabei dürfen wir es, von mittellatein. Werken, etwa in der Art des Liebeskonzils und besonders der Altercatio Phyllidis et Florae (49) abgesehen, wohl mit prov. Erzeugnissen zu tun haben; dass man im Süden für diese Themata auf franz. Dichtungen angewiesen war, scheint mir sehr unwahrscheinlich (50). Es sind übrigens deren aus so früher Zeit, d. h. aus dem 12. Jahrhundert ebensowenig wie in Südfrankreich überliefert, wenn wir auch wissen, dass die allegorische Einkleidung der Erscheinungen im Liebesleben während der zweiten Hälfte desselben bereits blühte und annehmen können, dass eigentliche allegorische Dichtungen über Fragen der Liebe auch im Norden vorhanden waren. Wenigstens gilt vom ältesten der erhaltenen franz. Werke über diese Materie, dem Fablel dou dieu d’amours (51), was wir von den prov. gesagt haben, indem nämlich seine ungeordnete Anlage und sein die verschiedensten allegorischen Vorstellungen vereinigender Inhalt mehrere vorausgehende Dichtungen zur Voraussetzung haben. Freilich können diese bei der auf diesem Gebiete anzunehmenden Abhängigkeit des Nordens vom Süden prov. Ursprungs gewesen sein. Dass sich die allegorische Literatur der beiden Gebiete mindestens gegenseitig beeinflusste, dürfte gerade das gleichzeitige Vorhandensein der Vorstellung von dem Vogel Phönix als Hüter des Liebespalastes und Rätselaufgeber, auf die in unserem Gedichte angespielt, und die im Fablel enthalten ist, zeigen. Diese Beziehungen näher zu verfolgen, dürfte übrigens schwer halten, wenn wir sehen, dass über diese Materie Vorträge zu halten und selbst zu dichten auch den Spielleuten oblag, die in der ihnen zugänglichen und anvertrauten Literatur dieser Art ebenso wie in der erzählenden Dichtung, wie wir unten sehen werden, Zerstückelungen und Verquickungen, Änderungen überhaupt aller Art vornahmen. Einen Begriff davon kann uns gerade das Fablel geben, das sich, wie Gröber (52) näher ausführt, gerade wegen seines Charakters einer blossen Kompilation, von andern Anzeichen abgesehen, als das Werk eines Jongleurs kennzeichnet.
Es ergeben sich also aus dem über die Allegorie der Liebe und der Liebeskunst handelnden Abschnitt unseres Sirventes zwei interessante Resultate für die Kultur- und Literaturgeschichte Frankreichs: 1. es gehörte zum Berufe der Spielleute, Belehrung über Fragen der Liebe durch Vorträge zu verschaffen, 2. ausser den uns überlieferten allegorischen Gedichten müssen über den Gegenstand schon vor ihnen andere, die, wie ich freilich hier noch bemerken will, wohl noch nicht den übertriebenen allegorischen Ausbau mit Personifikationen aller Art kannten, existiert haben.
Die epische Literatur, welche dem Joglar anempfohlen wird und deren Aufzählung sich von v. 73–201 erstreckt, ist durch niedere und höhere Gattungen vertreten und weist von allbekannten bis zu wohl nur vereinzelt und vielleicht nur auf beschränktem Gebiet verbreiteten Stoffen auf. Jene freilich sind in den wenigsten Fällen ausdrücklich bezeichnet (canso v. 129) und auch in wenigen Fällen nur und zudem sehr unsicher zu vermuten, da, wie wir noch sehen werden, ganz selten auf eine bestimmte, uns überlieferte Form des jeweiligen Stoffes angespielt ist. Meist mochte Guiraut eine oder gar mehrere den Stoff behandelnde Dichtungen im Auge haben, oft konnte aber auch der Stoff nicht in einer allgemeinen verbreiteten oder anerkannten Form existiert, sondern er vorausgesetzt haben, dass die Gestalt dem Stoffe von dem Vortragenden jeweilen selbst zu geben sei. Dagegen bringt uns, was die Stoffe für sich anlangt, die Aufzählung Guirauts de Calanso eine sehr wertvolle Bereicherung unserer Kenntnisse des epischen Materials jener Zeit und speziell der in Südfrankreich in Umlauf befindlichen Sagen und ihrer Geschichte. Manches davon wird uns zwar bereits durch die Anspielungen in den Sirventesen des Guiraut de Cabreira und des Bertran de Paris, sowie in dem Traktate des Peire de Corbiac (53) und anderen Zusammenstellungen (54) und besonders auch durch die mehr beiläufigen Hinweise in den Liedern der Troubadours bezeugt; anderes dagegen ist für uns neu oder gibt uns sonst von anderswoher nicht zu erhaltende Aufschlüsse.
Den hohen Wert all dieser Anspielungen hatte bereits Raynouard erkannt und eine Sammlung derselben gegeben (55); eine solche wurde ebenfalls von Fauriel unternommen und von ihm als hauptsächliche Stütze für seine Theorie von der Existenz einer umfangreichen, aber verloren gegangenen prov. Epik und von deren Priorität vor der franz., sowie ihrem Einfluss auf diese benützt (56). Am einlässlichsten hat bis jetzt Birch-Hirschfeld in seiner Habilitationsschrift (57) auf Grund vermehrten Materials darüber gehandelt und gegenüber Fauriel den Standpunkt vertreten, dass diese Anspielungen für die Existenz einer einheimischen prov. Epik wenig beweisen, indem sie fast durchwegs als auf franz. Dichtungen sich beziehende erkannt werden müssen oder können. Besprochen wurden einzelne Anspielungen oder gewisse Gruppen von solchen jeweils in den über gewisse Sagengebiete, sowie einzelne Stoffe oder Gedichte handelnden Werken und als Belege und Zeugnisse für diese und jene Tatsache oder Vermutung benutzt.
Es muss gesagt werden, dass bei dieser Verwendung von Anspielungen nicht immer vorsichtig und kritisch genug zu Werke gegangen worden ist. Vor allem wurden Stellen mit dem blossen Namen von Helden als für die Daten eines literarischen Werkes beweisend angenommen, selbst wenn gar nicht ausgemacht ist, dass sie sich wirklich auf jenes oder überhaupt eine Dichtung beziehen (58). Es ist doch oft und gerade bei Anspielungen in den Liedern der Troubadours eher anzunehmen, dass solche Namen diesen oft nur an und für sich bekannt waren und ich möchte, wie gesagt, nicht einmal für unser Gedicht mit aller Bestimmtheit behaupten, dass Guiraut immer ein bestimmtes Werk im Auge gehabt habe oder nur überhaupt von dem Vorhandensein eines solchen wusste. Ebensowenig braucht natürlich da, wo die Anspielung wirklich auf eine Dichtung oder sonst eine feste Form eines Stoffes bezogen werden kann, dies gerade das uns überlieferte oder sonst bekannte Werk zu sein. Wie vielerlei Bearbeitungen des gleichen Stoffes und Nachahmungen eines Werkes können nicht existiert haben und wie müssen gerade in den Händen der Jongleurs, deren Rolle dabei nicht hoch genug angeschlagen werden kann, anerkannte, literarische Werke oft Veränderungen, Zerstückelungen, Zusammenschweissungen und im Falle, dass es sich in letzter Linie um franz. Werke handelte, auch Übersetzungen und Umarbeitungen erlitten haben, die sie ihrer ursprünglichen Fassung entfremden und ihnen zuletzt den Charakter einer besonderen Version geben mussten. Was speziell die Frage betrifft, ob die in den Anspielungen angedeuteten franz. Werke der franz. oder prov. Sprache angehören, so glaube ich allerdings, dass, soweit sich die Anspielungen in Liedern von Troubadours finden, von denen wir annehmen können, dass sie nach damaligen Begriffen in literarischen Dingen gebildet waren, dieselben oft auf die Werke der franz. Sprache in ihrer unveränderten Form hinweisen, die sie gelesen oder gehört hatten und verstehen konnten, und B.-H. viele der Anspielungen der Troubadours mit Recht auf franz. Dichtungen bezieht. Dagegen scheinen mir für Anspielungen wie z. B. diejenigen unseres Sirventes die Verhältnisse ziemlich anders zu liegen; für diese nämlich, die z. T. hauptsächlich auf beim grossen Haufen durch ein Autorrecht kaum anerkennende Spielleute vorzutragende Stoffe zu deuten scheinen, kann ich immer nur annehmen, dass sie in der dem Volk gewiss allein verständlichen heimatlichen Sprache vermittelt wurden. Selbst wenn, wie Wechssler (59) vermutet, die Provenzalen für epische Stoffe das Französische verwendeten, so könnten solche Werke doch nur für die der Sprache mächtigen, d. h. für die Angehörigen der gebildeten Kreise, aber nicht das Volk im allgemeinen, bestimmt gewesen sein. Im übrigen gestehe ich den Provenzalen und ihren Jongleurs eine grössere Selbständigkeit, besonders in der freien, wenn auch recht primitiven Bearbeitung von kleinem Stoffen als B.-H. zu, weshalb ich oft, auch wenn eine Beziehung auf ein franz. Werk anginge, die Möglichkeit einer prov. Umarbeitung oder Übersetzung besonders eben bei den für die Anspielungen Guirauts vorauszusetzenden Bedingungen stipuliere. — Ein letzter Vorwurf noch geht dahin, dass oft nicht sorgfältig genug auf die einen Namen begleitenden Angaben, sowie auf die Namensform Rücksicht genommen wurde, obwohl gerade in den ersteren das bei dieser Identitätsfrage hauptsächlich in Betracht kommende Kriterium liegt.
Mit möglichster Berücksichtigung all der genannten Umstände werde ich nun die in unserm Gedicht angedeuteten Stoffe — ich werde sie dabei nach ihrer Zugehörigkeit zu den verschiedenen Stoff- und Sagengebieten zusammenstellen — besprechen, zu ermitteln suchen, ob, soweit dies nicht schon in den einzelnen Anmerkungen geschehen ist, damit gleichzeitig auf ein uns bekanntes literarisches Werk angespielt sei oder, wenn dies nicht angenommen werden kann, welcher Art und welchen Ursprungs sonst die den Stoff enthaltende Form gewesen sein möchte, und wo immer dies möglich, Angaben oder Vermutungen darüber aufstellen, welche Stellung die in Frage stehenden Dichtungen als Versionen eines den gleichen Stoff behandelnden Werkes oder als einzig überlieferte Fassung in der Literatur Südfrankreichs und jener Zeit einnehmen mögen (60).
Zunächst aber mahnt uns hier noch besonders zur Vorsicht und warnt uns vor übereilten Schlüssen die Art, wie die Anspielungen in dem Sirventes des Guiraut de Calanso uns entgegengetreten. Unser Dichter gibt vielfach neben ausführlichen Details wieder nur spärliche, führt statt wichtigen und charakteristischen Namen und Episoden unwesentliche an, ohne dass das Fehlende oder eher von uns Erwartete in dem Gedicht des Guiraut de Cabreira, den zu ergänzen er sich vornimmt, zu finden wäre, und ohne dass auszumachen ist, ob wir es mit bewusster Auslassung oder mit Unwissenheit zu tun haben und ob für diese letztere der Grund nur bei Guiraut de Calanso lag oder in der Überlieferung. Ein weiterer Grund sodann, weshalb die Identität von Namen oder Episoden oder, was ich hier besonders im Auge habe, Gruppen von solchen mit Dichtungen, die dieselben enthalten, nicht ohne weiteres festgestellt werden kann, besteht darin, dass die zu einer gewissen Sage gehörigen Teile oft durch die ganze Aufzählung hindurch zerstreut, nicht im Zusammenhang aufgeführt sind. Es kann dies freilich, trotz der Übereinstimmung der beiden Handschriften, seinen Grund in verderbter Überlieferung haben, indem schon vor der Teilung der Überlieferung unseres Textes in die zwei Hss.-Gruppen oder einzelnen Hss., als deren Ausläufer wir D und R zu betrachten haben, Verschiebungen in der Reihenfolge der Strophen eingetreten wären; es kann auch blosse Nachlässigkeit seitens unseres Dichters sein, indem ihm an einer systematischen Anordnung des Stoffes nicht gelegen war, wie wir dies schon in dem vorhergehenden Abschnitt über die körperlichen und manuellen Fertigkeiten bemerken können. Anderseits aber wäre eben möglich, dass die auseinanderliegenden Teile sich nicht miteinander auf ein zu­ sammenhängendes Gedicht beziehen, sondern auf kleinere, einzelne Episoden behandelnde literarische Formen.
An erster Stelle erwähnt Guiraut Namen und Episoden aus der Trojanersage: die erste Zerstörung Trojas durch Pelias (v. 74–75) (61) die Gründung der Stadt durch daracus (62) (Assaracus?) und Dardanus (v. 76–78), einen nicht sicher zu identifizierenden enfrazion oder deufrazion (v. 79), die Eroberung des goldenen Vliesses durch Jason (v. 80–81), nach längerer Unterbrechung sodann die Geschichte vom Apfel der Eris und der Jugend des Paris (v. 97–99, 101–102), einen König Flavis (v. 100), mit dem vielleicht Menelaus gemeint ist, die Geschichte von einem ursprünglich wohl nicht hieher gehörenden Riesen Artasenes in Verbindung mit Ulixes und vielleicht Polyphem (?) (v. 103–105) oder anderen mit jenem in Beziehung getretenen Personen, was zu erzählen ist von Peleus, dem Vater des Achilles, sowie von Pirrus, der am Hofe des Licomedes aufwuchs (v. 106–108); endlich folgt fast am Ende der Aufzählung Agamemnon (v. 190). Von Guiraut de Cabreira wird nur ganz allgemein auf die Belagerung von Troja hingewiesen (91, 24) und ein Paris (92, 32), erwähnt, der aber vielleicht nichts mit dem der Trojanersage zu tun hat.
B.-H. scheint es p. 10 oben nicht zweifelhaft, dass Guiraut de Calanso auf den Roman de Troie des Benoît anspielt; etwas weiter unten dagegen, wo er nicht anders kann, als das Fehlen verschiedener der genannten Episoden im franz. Roman zu konstatieren, drückt er sich weniger bestimmt aus, möchte aber trotzdem daran festhalten, dass die Trojasage erst durch die Bearbeitung Benoîts bei den Provenzalen populär geworden sei. Dem gegenüber möchte ich der Ansicht sein, dass Guiraut de Calanso, wenn ihm nicht überhaupt die verschiedenen Teile in vereinzelten kleinen Dichtungen bekannt gewesen sind, eine von der Benoîts verschiedene Bearbeitung des Trojastoffes vorgeschwebt habe und dies aus folgenden Gründen: Benoît weiss einmal, wie B.-H. selbst zugibt, von den beiden Ahnherrn von Troja, Dardanus und Assaracus (? daracus), sowie von dem Apfel der Discordia nichts; sodann findet sich in Benoît ebenfalls nicht, was B.-H. nicht hervorgehoben hat, die Episode von der Jugendzeit des Paris und die freilich nicht mit Sicherheit näher zu erklärende Geschichte von Artasenes und Ulixes; unbekannt sind Benoît ferner, falls nicht schlechte Überlieferung seitens unseres Gedichtes vorliegt oder sie überhaupt nicht zur Trojanersage gehören, jener enfrasion oder deufranon, sowie der König Flavis; gegen die Annahme, dass unser Dichter sich auf Benoît bezogen habe, spricht endlich die Namensform Pelias, statt der von Benoît freilich irrtümlich gebrauchten Peleus, sowie die Namensform Pelaus statt der in Benoît stehenden Peleus. Nichts gegen Benoît beweisen nur die Stellen, wo von Jason und dem goldenen Vliesse, von Pirrus und Licomedes und, welche Anspielung aber so wie so fraglich ist, von Agamemnon die Rede ist.
Die Anspielungen Guirauts de Calanso können also unmöglich auf den Roman de Troie des Benoît bezogen werden. Welchen Ursprungs die unserem Dichter vorschwebende Bearbeitung der Sage gewesen ist, und welcher Sprache sie angehört hat, möchte ich nicht entscheiden; Redaktionen, welche zunächst wie vielleicht die unserige einen Stammbaum geben, den Onkel des Jason richtig Pelias nennen, sowie die ganze Geschichte des Paris samt der Veranlassung zum Apfelstreit erzählen, existieren unter den aus andern Literaturen bekannten, indessen scheint keine vollständig mit den Angaben Guirauts übereinzustimmen. Dass die Provenzalen ihre eigene Bearbeitung besessen hätten und Guiraut auf diese sich bezöge, wäre nicht unmöglich (63); freilich sind die Anspielungen in der übrigen prov. Literatur (64) spärlich; meist geben sie auf das Liebespaar Paris und Helena (65) und sind überhaupt weder für noch gegen Benoît auszulegen. Die früheste Anspielung scheint von Guiraut de Cabreira zu stammen und vielleicht sind noch einige andere Zeugnisse von Troubadours schon vor Guiraut de Calanso anzusetzen. Aus dem Umstande, dass die Aufzählung der zur Trojanersage gehörenden Anspielungen nicht in zusammenhängender Weise geschieht, ist nun aber vielleicht andererseits zu schliessen, dass besondere, aus der allgemeinen Überlieferung geschöpfte (66) Fassungen einzelner Episoden, wie z. B. des Argonautenzuges, der Geschichte des Paris und der von Ulixes etc. existiert haben. Wie dem allem auch sei, können diese Anspielungen jedenfalls für die Geschichte der Trojasage im mittelalterlichen Europa ganz allgemein von grosser Wichtigkeit sein und verdienen gewiss mehr Aufmerksamkeit, als ihnen Greif in seiner Abhandlung (66) geschenkt hat.
Weitere Angaben beziehen sich auf die Aeneide. Guiraut nennt Aeneas selbst, wie er Pallas zu Hilfe holt (v. 109–111), den Ascanius (v. 112), die Entweichung des Turnus aus der Burg Montalban (v. 113–114), die Sibylle (v. 115) und die streitbare Camilla (v. 116–117), davon getrennt den Liebeskummer und den Tod der Dido (v. 142–144) und wieder nach einer Unterbrechung die unzertrennlichen Freunde Eurialus und Nisus (v. 181–183). B.-H. p. 11 nimmt ohne weiteres an, dass Guiraut die Namen aus dem franz. Roman d’Enéas kenne. Allerdings treffen alle seine Angaben auf diesen zu; doch schliesst dies natürlich eine andere und speziell eine provenz. Umarbeitung nicht aus; die abweichenden Namensformen Escaneus und Orielus können der handschriftlichen Überlieferung oder Guiraut auf die Rechnung gesetzt werden. Anspielungen in der übrigen prov. Literatur darauf sind ganz selten und weisen zudem in Einzelheiten deutlich auf den uns überlieferten franz. Roman hin (67). In Anbetracht, dass die Episoden von Dido und von dem Freundespaar Eurialus und Nisus von den übrigen im Zusammenhang aufgeführten Namen und Episoden getrennt gegeben sind, könnte es sich bei ihnen um besondere Gedichte handeln (68). Fraglich ist, ob in v. 121 eine Anspielung auf den König Latinus zu erblicken ist.
Aus der Thebanersage bringt unser Troubadour die einzige Episode von der Aussetzung des Oedipus (v. 187–189). Constans (69) sieht darin eine sichere Anspielung auf den Roman de Thèbes. Ich stimme, trotzdem eine kleine Abweichung vorhanden ist, mit Vorbehalt und mit der Voraussetzung, dass Guiraut unter Umständen den Vortrag einer prov. Übersetzung derselben verlangt, bei. Die Spärlichkeit der Angaben Guirauts über diesen Stoff kann dadurch erklärt werden, dass Guiraut de Cabreira bereits einiges daraus erwähnt; immerhin ist die Möglichkeit vorhanden, dass wir es mit einer Einzelerzählung zu tun haben.
Der Alexander-Stoff ist ebenfalls nur durch eine einzige Anspielung vertreten und zwar durch eine solche auf die Szene, in der Nectanabus (Amon) auf zauberhafte Weise Philipp von der Geburt Alexanders unterrichtet (v. 96–96). B.-H. p. 24 glaubt, dass Guiraut de Calanso sich hier, da die übrigen Alexander-Bearbeitungen die im Pseudo-Callisthenes enthaltene Darstellung der Herkunft Alexanders als einer illegitimen nicht kennen, auf den Roman de toute chevalerie des Thomas von Kent beziehe. In der Anmerkung zu unserer Anspielung weise ich des nähern nach, dass eine solche Annahme weder wahrscheinlich noch nötig ist, sondern dass wir es dahin gestellt sein lassen müssen, ob es sich um eine uns nicht überlieferte vollständige franz. oder prov. Bearbeitung (70) oder nur um eine gerade diese Episode behandelnde und dann wahrscheinlich auch ursprünglich prov. Erzählung handelt; das letztere könnte deswegen in Betracht kommen, weil Guiraut de Cabreira nur allgemein von Alexander spricht und unser Dichter neben der von ihm gegebenen ganz speziellen Episode noch zahlreiche andere zur Verfügung gehabt hätte. Bei dem frühen Auftauchen des Stoffes (71) und seiner aus zahlreichen Anspielungen zu ersehenden Beliebtheit ist es übrigens von vornherein wahrscheinlich, dass mehr Bearbeitungen als die uns überlieferten existiert haben (72).
Von Ovidischen Erzählungen kennt Guiraut de Calanso nur diejenige von Daedalus und Icarus und die damit zusammenhängende von Minotaurus (v. 85–88). Guiraut de Cabreira hat bereits Pyramus und Thisbe (92, 29–31), Narcissus (93, 25), Itis (92, 26), Biblis und Caunus (92, 27–28). B.-H., seiner Tendenz getreu, hält es p. 16–17 für wahrscheinlich, dass die prov. Anspielungen auf Metamorphosenerzählungen sich auf franz. Dichtungen beziehen, sei es auf die Bearbeitung Chrétiens de Troyes, sei es, wenn für einzelne besondere Erzählungen überliefert sind, auf diese. Mir scheint, dass die grosse Zahl der Anspielungen, die aus den schon früh erscheinenden Zitaten und Erwähnungen hervorgehende und auch sonst wahrnehmbare Beliebtheit Ovids in Südfrankreieh und verschiedene auf besondere Fassungen hinweisende Indizien, die ich hier nicht genauer besprechen kann, zu denen mir aber auch unsere Stelle einen Beitrag zu liefern scheint (73), die Existenz einer oder mehrerer prov. Bearbeitungen der Metamorphosen Ovids oder eines Teils derselben, wenn nicht geradezu fordern, so doch sehr wahrscheinlich machen. Dass uns nichts davon überliefert ist, beweist nichts, um so weniger, als ja auch die wohl berühmteste von allen Bearbeitungen, die Chrétiens, uns verloren gegangen ist.
Aus der römischen Geschichte möchte Guiraut, dass der Joglar erzähle von der Gründung Roms durch Romulus und Remus (v. 124–126), der Ermordung Caesars durch Brutus und Cassius (v. 184–186) und einer Niederlage (?) Caesars bei Rheims (?) (v. 175–177). Ob Pompeon = Pompejus (v. 82) auch hierher gehört, ist ungewiss. Der Umstand, dass diese Anspielungen an verschiedenen Orten der Aufzählung zerstreut sind und nur einen kleinen Teil der jedenfalls in Umlauf befindlichen Erzählungen darstellen, kann schliessen lassen, dass es sich eher um Hinweise auf Einzelerzählungen handle, als dass die erwähnten Episoden für Guiraut de Calanso Teile einer zusammenhängenden Darstellung der römischen Geschichte, etwa einer chronikartigen Aneinanderreihung von Partien derselben bilden, selbst nicht für die auf Caesar bezüglichen; sonst mochten allerdings grössere Abschnitte der römischen Geschichte umfassende Dichtungen um die Zeit unseres Sirventes bereits existiert haben, wie sich aus der Aufzählung des Peire de Corbiac ergeben durfte (74). Dass für Caesar auf Werke in der Art der Dichtung des Jacques de Forest angespielt ist, wie B.-H. p. 25 anzunehmen geneigt wäre, wenn die Anspielungen damit überhaupt in Einklang gebracht werden könnten, ist kaum zu denken, wie ich in der Anmerkung z. v. 175–177 näher ausführe, wo ich auch andeute, dass solche Erzählungen aus der römischen Geschichte und besonders über Caesar schon früh mit allerlei Zutaten und Ausschmückungen allgemein in Europa verbreitet sein mochten und daher wohl auch in prov. Sprache und direkter Bearbeitung existiert haben konnten (75).
Fassen wir die aus den Anspielungen auf die antiken Sagen, zu denen ich, obwohl sie nicht eigentlich dazu gehören, auch diejenigen auf die römische Geschichte ziehe, sich ergebenden Resultate kurz zusammen, so ist zu sagen, dass, wenn auch eine umfangreichere, kunstvolle und ins Grosse gehende literarische Produktion auf diesem Gebiete nur bei den Nordfranzosen anzunehmen ist, nicht notwendig Zuflucht zu dieser oder Übersetzungen ans derselben genommen werden muss, um unsern Anspielungen erklären zu können. Es scheint mir nämlich wahrscheinlich, dass bei den Provenzalen ebenso wie allgemein bei den Völkern des Mittelalters die allmählich durch die Schule und besonders durch Popularisierungen von Werken des Altertums bekannt werdenden antiken Stoffe von den Spielleuten, unter denen selbst sich ja übrigens ehemalige Kleriker, also des Lateins kundige Elemente in grosser Zahl befanden, aufgefangen und selbständig in mehr oder weniger auf literarischen Wert Anspruch machende Form gefasst und vorgetragen werden konnten.
Der römisch-byzantinische Sagenkreis, der Sagen umfasst, die aus dem Orient nach Europa gekommen, hauptsächlich in Rom lokalisiert und entsprechend modifiziert wurden, ist vertreten durch Anspielungen auf den Schatz Octavians (v. 89–90), einige Wunderwerke und Wundertaten Virgils (v. 158–162), die Geschichte von der Zerstörung des Spiegels von Rom (v. 163–165), die Überlistung des Hippokrates durch die schöne Gallierin (?) (v. 136–138), vielleicht nicht eigentlich die mir nicht näher bekannte Erzählung von Pompeon und Dracon (?) (v. 82–84) und wohl auch nicht eigentlich die Geschichte von Brutus, dem Neffen des Tarquinius (?) (v. 130–132). Ob diese Stoffe auf mündlichem Wege oder, wie G. Paris (76) für diesen grossen Sagenkreis annimmt, durch Vermittlung einer um das 10. Jahrhundert in Italien entstandenen lateinischen Dichtung sich im Abendlande verbreiteten, so waren die Bedingungen jedenfalls so, dass die Erzählungen eben so bald als nach den übrigen Ländern, wenn nicht früher, nach Südfrankreich kamen und dort bald von den Spielleuten in eigene Form und Sprache gefasst und vorgetragen wurden. Franz. Erzählungen sind uns mit Ausnahme des Roman des Sept Sages für so frühe Zeit keine überliefert, so dass auch B.-H., der freilich nicht alle unsere Anspielungen behandelt, da er sie nicht erkannte, nichts von Beziehungen auf Werke der franz. Literatur sagt (77). Die Geschichte vom zertrümmerten Spiegel, falls sie nicht etwa zu dem über die Zaubereien Virgils handelnden Gedichte gehört, kann sogar eine prov. Version des Romans von den Sieben weisen Meistern voraussetzen, auf die dann schon Guiraut de Cabreira mit einer Anspielung auf die Erzählung Canis hinweisen würde (78). Die ganze Gruppe dieser Anspielungen Guirauts de Calanso bildet nach allem ein wertvolles Zeugnis für die Geschichte der Verbreitung und Entwicklung dieses Sagenkreises und einzelner Vertreter desselben.
Auf orientalisch-jüdische Sagen und biblische Geschichten finden sich ziemlich zahlreiche Anspielungen, so auf die Sage von dem durch Salomon überlisteten Dämon (v. 92–93), dann auf die vielleicht nicht ganz hieher zu ziehende Geschichte von dem indischen Prophet Salech (v. 135) und dem Juden Doech, von denen der eine ein Kamel wieder lebendig zu machen vermochte, der andere mit Jehovas Hilfe einen Stier durch Zauberspruch einschläferte (v. 134–135), dann vielleicht auch, wenn jene Lesart zu wählen ist, auf Nimrod (v. 152) und einen mit jenem zusammen genannten, von mir nicht eigentlich ausfindig gemachten Marescot (v. 151), sodann als auf mehr aus dem Alten Testament direkt stammende Stoffe, auf den Propheten Nathan (v. 91), Sihon, den Amoriter (?) (v. 94), auf Ismael (v. 118), den Schnelläufer Asahel (v. 119–120), eine canso über Judas Maccabaeus (v. 127–129), die Geschichte von Judith und Holofernes (v. 173–174) und die Verstümmelung des philistäischen Gottes Dagon (v. 191–192) und vielleicht auch auf Herodes (?) oder Pharao (?) (v. 172). Zu dieser Gruppe mag auch die Anspielung auf den Riesen Barachi gezählt werden (v. 139).
Die biblischen Stoffe sind von B.-H. p. 37 sehr kurz abgetan worden, was bereits G. Paris, Rom. VII, 457 rügte. Von den unsrigen hat er verschiedene und gerade von den interessantesten nicht erkannt; es sind dies die in der Literatur Frankreichs meines Wissens nicht begegnenden Sagen von Salomon und dem Dämon, sowie von Salech und von Doech, für die nicht direkt provenz. Bearbeitungen anzunehmen, kein Grund vorhanden ist; dass dabei von Salomon noch andere Sagen erzählt wurden, ist nur wahrscheinlich. Was die eigentlich biblischen Stoffe betrifft, so ist von einigen, wie von der Maccabäergeschichte und der von Judith und Holofernes bekannt, dass sie literarische Behandlung erfahren haben, jene zu verschiedenen Malen in Nordfrankreich, diese wenigstens im Lateinischen (79). Es spricht alle Wahrscheinlichkeit dafür, dass sie auch von den Provenzalen bearbeitet worden sind; mit der Anspielung auf Maccabaeus ist jedenfalls die Existenz einer Maccabäergeste in Frankreich überhaupt für eine ziemlich frühere Zeit als die, zu welcher die uns bekannten franz. Dichtungen entstanden sind, belegt. Die übrigen Stoffe, wenn sie nicht sonst überhaupt in irgend einer Form erzählt wurden, konnten kleinern oder grössern Dichtungen, etwa über das Leben und die Taten Davids (vgl. Asahel, Nathan) sowie über Simson und die Kriege gegen die Philister (vgl. Dagon), oder gar einem überhaupt die Erzählungen des Alten Testamentes umfassenden Bibelgedichte angehört haben, wie deren ja in Frankreich schon früh in latein. Sprache und später, aber schon zu Zeiten unseres Troubadours, auch in franz. Sprache verfasst wurden (80). — Biblische Stoffe verlangt auch Bertran de Paris, dagegen nicht Guiraut de Cabreira, woraus B.-H. schliesst, dass diese Erzählungen einer spätern Periode angehören. Die nationale Heldensage ist im Gegensatz zu den in der Aufzählung des Guiraut de Cabreira enthaltenen Angaben ganz schwach vertreten. Es sind hieher zu zählen die Anspielungen auf Huelin und den Pfau (v. 167–168), dem Namen nach zu schliessen auf Pipin (v. 166) und Clodomer (v. 169), die auf einen ähnlichen, wenn nicht denselben Stoff wie Huelin hindeuten könnten, sodann vielleicht die Hinweise auf Errer und den Zauberer (?) Picolet (v. 170–171), sowie die Anspielungen v. 193–195 (?) und v. 196–198 (?). — Die Erwähnung von Huelin weist auf eine Episode eines Gormont und Isembart-Epos hin; ob in diesem dasjenige zu sehen ist, von welchem wir das bekannte nordfranz. Fragment überliefert haben, ist, da die Angabe Guirauts sich mit der dort angedeuteten Darstellung nicht ganz deckt, etwas fraglich. B.-H., der zwar unsere Anspielung nicht erkannt hat, aber p. 78–79 eine Reihe anderer auf Gormont und Isembart aufführt, nimmt für diese ebenfalls eine von dem Fragment verschiedene Fassung an. Doch konnte die Guiraut vorschwebende Version, wie dies deutlich die Namensform Huelin zeigt, wieder nur nordfranz. Ursprungs sein, und es lässt sich also aus dieser Anspielung für die Hypothese eines prov. nationalen Epos, wenn eine solche überhaupt noch von jemandem aufrecht erhalten wird (81), jedenfalls keine Stütze gewinnen. Was die andern der eben genannten Anspielungen betrifft, so können sie auf verschiedene Sagen hindeuten, so dass von Identifizierung mit bekannten oder zu erschliessenden Dichtungen keine Rede sein kann; verdächtig kommt mir übrigens der Name Clodomer vor, in dem Sinne nämlich, dass er mir kaum der volkstümlichen Sage anzugehören scheint, sondern eher einer aus Urkunden schöpfenden gelehrten Kunstdichtung.
Aus der bretonischen Sage wird, soweit ich die Anspielungen übersehen kann, nur der einzige Lancelot erwähnt; ich habe in der Anm. dazu ausgeführt, dass sich die Nennung dieses Lansolet, wie der Name bei Guiraut de Calanso lautet, nicht als ein Hinweis auf den Roman Chrétiens ergebe, sondern vermutlich auf eine der franz . Quelle des Lanzelet des Ulrich von Zazikhoven verwandte Dichtung sich bezieht. Eber möchte ich freilich an eine jener einfachen Jongleurerzählungen, jener contes d’aventure über bretonische Stoffe denken, für deren Vorhandensein im Silden und erfolgreiche Konkurrenz mit den eigentlichen Romanen, als vor allem mit denen Chrétiens, wir deutliche Beweise haben. Vor allem sind bretonische Spielleute auch nach dem Süden gekommen, wie dies aus einigen Stellen hervorgeht (82). Ausdrücke sodann wie Guiraut de Cabreira 89, 37: Conte d’Arjus (= Artus, vgl. B.-H. p. 54), 86, 5 novas de Tristan können sich nicht auf eigentliche Romane beziehen, sondern setzen kürzere, wohl prov. prosaische oder poetische Erzählungen voraus; das vollständige Fehlen von irgendwie sichern Hinweisen auf Romane Chrétiens in den besonders den Vortrag vor weitern Kreisen voraussetzenden Angaben der drei Sirventese lässt sich endlich meiner Ansicht nach nur dadurch erklären, dass eben noch zahlreiche beliebte Einzelerzählungen über die Helden des bretonischen Sagenkreises umliefen und die lediglich zum Lesen und für die des Französischen Mächtigen bestimmten Romane Chrétiens lange von dem grossen Publikum fern hielten. In den übrigen Troubadourgedichten existieren allerdings zahlreiche Anspielungen, die, wie B.-H. meistens annimmt, auf Helden und Episoden der Werke Chrétiens gedeutet werden können, die aber zum grossen Teil gewiss auch auf solchen Einzelerzählungen beruhen, was übrigens B.-H. auch bei einigen zugibt. Besonders scheint mir auch der Umstand, dass, wie unten in der Anm. zu v. 146-147 näher ausgeführt wird, Anspielungen auf das ja von Chrétien eingeführte Liebesverhältnis von Lancelot und Guenièvre sich fast keine finden und auf den Cliges, der als nicht bretonischer Stoff nicht durch jene Lais verbreitet sein konnte, erst in Flamenca und Jaufre (s. B.-H. p. 52), sowie der Cour d’amour (s. Thomas, Annales du Midi VI, p. 92) auftauchen, dafür zu sprechen, dass die Romane Chrétiens in Südfrankreich während einer langen Zeit noch nicht allgemein bekannt waren. Meine Annahme, dass Guiraut sich auf einen ohne Zweifel prov. Lais über Lancelot und das dazu angedeutete Abenteuer beziehe, durfte also wohl nicht so unwahrscheinlich sein (83).
Trotzdem seit B.-H. besonders durch die Rezensionen von G. Paris und P. Meyer verschiedene von den in B.-H. p. 86–88 als dunkel aufgeführten Anspielungen ihre Erklärung gefunden haben und ich selber einige weitere zu identifizieren vermochte, bleibt immer noch eine grosse Anzahl unerklärt und zweifelhaft. Einige habe ich vermutungsweise in die entsprechenden der eben vorausgehenden Abschnitte eingereiht, möchte sie aber doch auch in die folgende Zusammenstellung (84) aller noch nicht definitiv gedeuteten Anspielungen aufnehmen; zu verschiedenen habe ich jeweils in der dazu gehörigen Anmerkung Vermutungen aufgestellt, von denen sich die eine oder andere bestätigen möge.
 
1. Der Name ist mir bekannt, dagegen weiss ich nicht, was für eine Episode oder Sage mit der Anspielung angedeutet ist:
     Pompeon v. 82
     Artasenes v. 103 (Ulixee v. 104). Trojasage? 
     Olimpi v. 122
     Baraci v. 139
     Lansolet. con saup gen landa (islanda) conquerir v. 146/7 nembrot, lambrot v. 152 (Marescot v. 151, bou traïr v. 153) 
     Pepin v. 166
Clodomer v. 169
}(Errer v. 170)
Picolet v. 171 (l’escremir)
 
2. Der Name ist mir unbekannt oder seine Überlieferung ungewiss; dagegen glaube ich den Stoff zu kennen, zu dem er gehört:
     enfrazion, deufranon v. 79 (Jazon v. 80). Trojasage.
     rei Flavis v. 100. Trojasage.
brutus, bressus
} v. 130–132
leus, gelus (faire partir)
 
3. Der Name ist mir unbekannt oder seine Überlieferung ungewiss; für die Sage habe ich keinen oder keinen sichern Anhaltspunkt:
     dracon v. 83 (tonas murir v. 84)
rei Lari (corr. Lati ?) v. 121
} v. 139–141
der devi (al lop fugir)
ditis, teris 
}(amors morir) v. 148–150
felis, feris
 
     Marescot (nembrot, lambrot v. 152, bou traïr v. 154)
der duc bastart v. 154
} cor? cors? tors? enardir? — cers escantir?
Luziart v. 155
 
     Errer v. 170 (Clodomer v. 169, Picolet v. 171)
     zaroes, boloes v. 172
     aureil, daurel v. 178 (cosselh que det la don’ apres dormir v. 179–180)
caton, on
} v. 199–201
monton, lion (per maistre, per mezel guerir)
 
     amier (fil rainier), amon (filh duon) v. 193–194 (jovencel burdir v. 195), vielleicht nationale Heldensage.
bazil, uassin
} v. 196–198 vielleicht nationale Heldensage.
falcembril, falsabrin (maltalan merir)
 
 
Soweit ich bei diesen Anspielungen nicht schon Zugehörigkeit zu einem Sagenkreis oder einer Sage annehmen konnte, scheinen, dem blossen Namen nach zu schliessen, hier noch verschiedene Sagengebiete vertreten zu sein, vor allem wohl jenes Gebiet der internationalen Stoffe; eine Anzahl sind vielleicht als Hinweise auf ureinheimische, also speziell südfranz. Sagen anzusehen; jedenfalls haben wir auch hier solche, die für das Vorhandensein einer den Provenzalen eigenen, allerdings, wie ich immer betonen möchte, nicht hochentwickelten und vielleicht selten auf literarischen Wert Anspruch machenden epischen Produktion zeugen.
Zum Schlusse dieser Besprechung der von Guiraut de Calanso aufgezählten Stoffe möchte ich noch kurz die Ergebnisse derselben resümieren und damit noch einige daraus zu folgernde Betrachtungen verbinden.
Die Annahme von B.-H. und andern, dass die Anspielungen unseres Gedichtes sich meistens auf Dichtungen franz. Ursprungs beziehen, kann ich in vielen Fällen nicht zugeben und in einer ganzen Anzahl anderer nur als möglich anerkennen; jedenfalls ist es für mehrere derselben unrichtig oder unwahrscheinlich, dass sie gerade auf die uns bekannten Werke schliessen lassen. Mit Bestimmtheit kann überhaupt keine einzige unserer Anspielungen direkt auf ein uns überliefertes oder sonst bekanntes Werk bezogen werden, vielmehr ist sehr wohl möglich, dass wir es in einer grossen Zahl von Fällen entweder bloss mit der Angabe des Stoffes überhaupt oder mit irgend einer für Jongleurzwecke verfassten Bearbeitung zu tun haben.
Am ehesten sind von unsern Anspielungen noch diejenigen aus dem Aeneasstoff und der Thebanersage als Hinweise auf bekannte franz. Dichtungen, wenn vielleicht auch nur indirekte, anzusehen, nämlich auf den Roman d’Eneas und den Roman de Thèbes; auf unbekannte und möglicherweise prov. Bearbeitungen weisen dagegen die Anspielungen aus dem trojanischen Sagengebiet und diejenige auf die Geburt Alexanders; ursprünglich der franz. Literatur gehört wahrscheinlich die mit Huelin und dem Pfau angedeutete Dichtung an, vielleicht ein Gormont und Isembart-Epos. Bei den eben in Betracht gekommenen Anspielungen, die auf den Eneas vielleicht ausgenommen, ist übrigens der Vorbehalt zu machen, dass sie sich unter Umständen nicht auf ganze Romane, sondern nur auf kleinere blosse Episoden umfassende Erzählungen beziehen, die z. T. als selbständige prov. Produkte aufzufassen, nach dem was wir im folgenden noch ausführen werden, nicht hindern würde.
Von allen andern Stoffen sind franz. Dichtungen, die zeitlich und inhaltlich in Betracht kommen könnten, einmal nicht vorhanden, sodann handelt es sich allgemein um Stoffe, welche den Provenzalen ebenso zugänglich waren wie den Nordfranzosen, wenn nicht mehr, und welche in Umlauf zu setzen, sie bei ihrer durch die zahlreichen Anspielungen erwiesenen grossen Freude an Erzählungen aller Art sich wohl ebenso schnell bemühten, wie ihre Nachbarn. Dabei ist nicht anzunehmen, dass sie, wo ein auch nur etwas poesie- und redebegabter Joglar den Stoffen eine zum Vortrag hinreichende Form geben konnte oder es einer besondern dichterischen Form überhaupt nicht bedurfte, entsprechende franz. Gedichte herübernahmen. So halte ich es für nicht unwahrscheinlich, dass die Erzählungen von Daedalus und Icarus, sowie dem Minotaurus und damit überhaupt die nach Anspielungen anderer Dichter in Südfrankreich bekannten Gedichte aus Ovid prov. Ursprungs sind. Noch viel mehr ist selbständige Bearbeitung durch die Provenzalen anzunehmen für die Virgilerzählungen, wie übrigens auch B.-H. annimmt, sowie die andern Fabeln aus dem römisch-byzantinischen Sagenkreis. Kein Grund ist vorhanden, die Provenzalen nicht von sich aus die in dem Sirventes genannten biblischen und orientalischen Stoffe bearbeiten zu lassen, selbst von der Maccabäer-Chanson de geste nicht abgesehen, und nichts hindert endlich, ihnen selbständige Bearbeitung von Stoffen aus der römischen Geschichte zuzuschreiben.
Damit den Provenzalen die ihnen sonst bestrittene epische Veranlagung (85) und Richtung zuerkennen zu wollen, liegt mir indessen völlig fern. Sobald es sich um Dichtungen grössern Stils und individuellen Gepräges handelt, ist eben doch meistens Entlehnung aus dem Französischen oder Nachahmung anzunehmen und alles andere, das als direkt durch die Provenzalen bearbeitet anzusehen ist, geht wohl selten über blosse Nacherzählung hinaus und ist, wenn nicht überhaupt oft nur in irgend einer Prosa wiedergegeben, eine Reimerei, die selten Anspruch auf höhern dichterischen Wert machen konnte. Es bestätigt sich daher auch mir das viel zitierte Wort von Raimon Vidal (86): ,,La parladura francesca val mais et es plus avinenz a far romanz e pasturellas, mas cella de Lemosin val mais per far vers et can sons et serventes.” (87) Von der Frage der Identifizierung abgesehen, ist die Aufzählung Guirauts de Calanso ein Zeugnis für die gewaltige Menge von Stoffen, welche in Südfrankreich am Ende des XII. Jahrhunderts in Umlauf waren. Selbst wenn Guiraut nicht selber gestände, dass er nur einen kleinen Teil davon kenne und uns nicht zahlreiche andere Anspielungen davon Kenntnis gäben, müssten wir gerade aus seinen lückenhaften Angaben schon schliessen, dass der Stoffe noch weit mehr waren als er uns nennt und als von Guirant de Cabreira schon erwähnt stillschweigend übergeht. Wir dürfen wohl annehmen, dass alles, was im Jahrhundert und besonders in der 2. Hälfte desselben aus dem Norden, aus dem Orient, aus Italien auf mündlichem oder schriftlichem Wege an Erzählungsstoff nach Frankreich wanderte und alles, was man aus der wieder besonders zu Ehren gezogenen antiken und spätlateinischen Literatur hervorgrub und an alten lokalen und kosmopolitischen Sagen besass, von den scharenweis durchs Land ziehenden, im Aufbringen und Verbreiten immer neuer Geschichten unermüdlichen Spielleuten vorgetragen wurde. Zuletzt gaben auch gelehrte Werke, Chroniken, Stoff dazu her; das Alte Testament wird förmlich ausgebeutet; welcher Art die Erzählungen nur waren und woher sie nur kamen, alle dienten einem nach fremdartigen Geschichten verlangenden Publikum.
Für den Geschmack und das Interesse der Zuhörer, wenigstens derjenigen, welche Guiraut de Calanso im Auge hat, ist es charakteristisch zu sehen, dass es das Wunderbare und Übernaturliebe ist, was man ihnen bieten muss: Erzählungen von Riesen, Zwergen, merkwürdigen Menschen, Wundertaten, Überlistungen (88). Auffällig ist dem gegenüber für eine Zeit der Blüte höfischen Wesens und Geistes, sowie der Minnepoesie, dass so fast gar keine Anspielungen auf Liebeshelden und Liebespaare und die sonst so beliebten Liebesabenteuer sich finden und gerade aus den antiken Romanen nicht die Episoden und aus den Ovidischen Erzählungen nicht diejenigen hervorgehoben werden, welche solche darstellen. Ich möchte vermuten, dass Guiraut de Calanso zur Zeit der Abfassung unseres Sirventes sein Brot als Joglar noch mehr in den Kreisen des Volkes und nicht den höfischen sich erwerben musste und dass die Erzählungen, auf die er hinweist, für das Volk der Märkte und die städtischen Bürger, aber weniger für die höfische Gesellschaftsklasse bestimmt waren. Merkwürdig ist aber dann wieder, dass derselbe Joglar theoretisch über die Liebe sprechen soll, was doch wohl nur vor höfischen Leuten geschehen konnte. — Wenn wir versucht sein möchten, daraus, dass Guiraut de Calanso hauptsächlich Stoffe aus dem Altertum, sowie der orientalischen und biblischen Sage aufzählt und fast keine solchen aus der nationalen Heldensage erwähnt, wo ihm ausser den schon bei Guiraut de Cabreira vorkommenden noch genug zur Verfügung gestanden hätten, so mag vielleicht die Folgerung zu ziehen sein, dass sie nicht mehr wie zur Zeit Guirauts de Cabreira, der fast nur sie berücksichtigt, im Vordergrund des Interesses stand oder dass sie an Popularität bedeutend eingebüsst hatte. Anderseits sagt Guiraut de Calanso selbst, dass er nur einen kleinen Teil von dem ganzen Erzählungsmaterial kenne, und da kann das nationale Epos vielleicht gerade seine schwache Seite gewesen sein.
Als besonders wichtige Ergebnisse merken wir uns zum Schlusse die durch die entsprechenden Stellen erwiesene Existenz einer von den bisher bekannten verschiedenen Bearbeitung der Trojanersage, eines Alexanderromans, der im Gegensatz zu den andern Fassungen in der Erzählung von der Geburt dem latein. Vorbild folgt, von Erzählungen über die Wunderwerke und Wundertaten des Zauberers Virgil, welche den frühesten volkssprachlichen Beleg zu dieser interessanten Sage darstellen, einer von den bekannten verschiedenen Version der Erzählung vom zertrümmerten Spiegel im Roman von den 7 weisen Meistern und damit vielleicht einer besondern prov. Fassung der 7 weisen Meister überhaupt, sodann einer Version der Sage von Salomon und dem Dämon und damit wohl noch anderer Salomosagen, eines Maccabäerepos, das damit die früheste der bis jetzt bekannten Bearbeitungen dieses dem kriegerischen Geist des Mittelalters so zusagenden alttestamentlichen Buches darstellt, ferner einer im Süden bekannten, wohl mit der franz. Vorlage des mittelhochdeutschen Lanzelet im Zusammenhang stehenden Lanceloterzählung.
 

IV. Datierung.

Zur Bestimmung der Abfassungszeit unseres Sirventes bieten sich eine ganze Reihe Anhaltspunkte, von denen indessen zwei genügen, dieselbe auf einige Jahre genau festzusetzen. Es sind dies folgende: 1. der Abschnitt über die Allegorie der Liebe in unserem Sirventes steht in inhaltlichem Zusammenhang mit der allegorischen Canzone Celeis cui am de cor e de saber von Guiraut de Calanso. 2. in den Schlusszeilen des Gedichtes v. 231–234 wird ein jove rei von Aragon als verständnisvoller Gönner der Joglars genannt.
Ich glaube, gezeigt zu haben (vgl. Inhalt), dass unser Troubadour das Lied Celeis cui am zur Zeit der Abfassung des Fadet joglar noch nicht gedichtet hatte. Diese Canzone nun ist dem Markgrafen Wilhelm von Montpellier (89) gewidmet, welcher niemand anders als der auch sonst als Gönner der Troubadours genannte Wilhelm VIII. sein kann, der 1172–1202 (90) regierte. Das Lied kann demnach spätestens im Jahre 1202 verfasst sein und damit auch die Entstehung des Sirventes nicht über diesen Zeitpunkt hinaus angesetzt werden. Damit lässt sich nun auch entscheiden, wer mit dem jove rei von Aragon gemeint sei. Jacme I. (1213–1276), für den sich Eméric-David (91) ausgesprochen hatte, fällt ausser Betracht und es kann sich nur noch um Peter II. (1196–1213) oder seinen Vater Alfons II. (1162–1196) handeln. Der Ausdruck jove rei nun dürfte nicht mit Bezug auf das Alter an und für sich, sondern entweder hinsichtlich der noch kurzen Regierungszeit gesagt sein, oder, wie wir auch sonst wissen (92), den Tronfolger zu Lebzeiten des Vaters bezeichnen. Alfons II. nun kann nicht darunter verstanden sein; denn zur Zeit, da dieser jove rei (im einen oder andern Sinn) hätte genannt werden können, also um die Zeit seines Regierungsantrittes — 1162 — herum, wirkte wohl Guiraut de Calanso, der uns sicher noch 1211 (93) begegnet, noch nicht und dies angenommen, hätte Guiraut de Calauso den damals erst 10jährigen König wohl nicht gut als verständnisvollen Gönner der Joglars preisen können. Es bleibt somit nur noch Peter II. Da dessen Tronbesteigung 1196 erfolgte, so erwähnt ihn Guiraut von Calanso, je nachdem der Ausdruck jove rei zu deuten ist, etwas vor oder etwas nach diesem Zeitpunkte. Peter zählte 1196 20 Jahre (94); dass er schon vor diesem Zeitpunkte sich einiges Verdienst um die prov. Poesie und speziell durch die Fürsorge für die Joglars, besonders in den Augen eines offenbar um seine Gunst buhlenden Schmeichlers, sich erworben haben konnte, ist sehr wohl möglich. Setzen wir daher, um hier ein kleines Zugeständnis zu machen, als oberste mögliche Grenze einmal etwa das Jahr 1195 (95) an.
Andere Anhaltspunkte ergeben nichts genaueres. Das Datum des Gedichtes von Guiraut de Cabreira, welches bekanntlich vor dasjenige unseres Troubadours fällt (vgl. oben) und daher bei der Bestimmung der obern Grenze mit massgebend sein könnte, ist noch nicht mit Gewissheit festgesetzt und wird auch wohl nie mit Sicherheit so bestimmt werden können, dass es an den aus den beiden ersten Anhaltspunkten sich ergebenden Resultaten etwas ändern könnte (96). Die Hoffnung, dass sich aus dem eigentlichen Inhalt der Dichtung, besonders aus den Anspielungen auf epische Stoffe Kriterien für eine genauere Datierung ergeben würden, hat sich nicht erfüllt, indem sich jene nach allem, was wir oben gesehen haben, nur unsicher oder gar nicht auf uns erhaltene und zeitlich genauer fixierte Werke und Stoffe beziehen lassen, und, wenn dies auch möglich wäre, nur dann etwas herauskäme, wenn ein Werk oder ein Stoff gerade innerhalb des kleinen Zeitraums von 1195 bis sagen wir 1200 (97) von Guiraut de Calanso hätte genannt werden können, was aber für keinen Fall konstatiert werden konnte. Lassen wir es also bei dem angegebenen Zeitraum und drücken wir uns vielleicht allgemein so aus, dass die Entstehung des Fadet Joglar ans äusserste Ende des 12. Jahrhunderts fällt.
 
 
 
1) p. 94–101. ()
2) Nr. CXI. ()
3) p. 36–37, A. 2: v, 16–18. 25–6, 28–48; p. 39: v. 19–24, 27, 59–69; p. 45: v. 13–15; p. 175, A. 3: v. 73–162. ()
4) Bd. V: v. 13–21, 25–27, 37–42, 34–36, 73–75. ()
5) Rom. VII, 455–56, 460. ()
6) Bartsch hatte für D nur die Abschrift von Ste. Palaye benutzt; die Abweichungen vom Original sind dann, freilich nicht ganz vollständig, von Mussafia, Del Codice Estense, Sitzungsberichte der Wiener Akademie 1867 p. 426 berichtigt worden. ()
7) Die Liedersammlungen der Troubadoure, Rom. Studien II, 337 ff. §§57–66. Vgl. Mussafia, Wiener Sitzungsberichte 1867, 357 ff. P. Meyer, Revue critique 1867, 90ff. (
8) o. c. §§ 23. 33. (
9) Vgl. z. B. Bernhardt, Die Werke des Trobadors N’At de Mons, Altfranz. Bibl. XI p. XXV–XXXVII. (
10) S. Chabaneau, Les Biographies des troubadours. Toulouse 1885, p. 49. (
11) Die Lieder und die Stellen kann ich leider erst angeben, wenn die Ausgabe der übrigen Werke Guir. de Cal. veröffentlicht ist. (
12) Es handelt sich freilich um Namen, die oft nicht dekliniert werden, so dass ich mich wohl dazu verstehen könnte, D als die richtige Lesart anzusehen. (
13) Herausgegeben von Bartsch, Dkm. p. 88–94 und p. 85–88; vgl. auch Stimming, Prov. Lit. p. 44. (
14) Z. f. r. Ph. II, 221. ()  
15) F. Witthoeft, Sirventes joglaresc. Ein Blick auf das altfranz. Spielmannsleben. Ausgaben und Abhandlungen von Stengel 88. (
16) S. v. 5. (
17) Bartsch, Dkm. p. 87, 33. ()  
18) Rom. X, 264, XIX, 27. Vgl. auch bereits G. Paris, Rom. VII, 626. (
19) Diez, Poesie der Troubadours, 2. Ausgabe von Bartsch 1883, p. 112. Vgl. auch Levy, Guilhem Figueira, ein prov. Troubadour. Berlin 1880, p. 18. (
20) Giornale di filologia romanza I, 89. (
21) Rom. VI, 354. (
22) Vgl. Stengel, Verslehre p. 87 § 195. (
23) Bezeichnend ist hier z. B. auch, wie altfranz. ribaud, prov. ribaut u. a. bald sich vom Soldaten, bald aber auch vom Jongleur gebraucht findet. S. Du Cange s. v. ribaldus, Gerault, Paris sous Philippe le Bel p. 6. Vgl. Fablel du Jongleur d’Eli (ed. De la Rue, Essais historiques sur les Bardes, les Jongleurs et les Trouvères normands et anglonormands Caen 1834, I, 290 und Des deus bordeors ribauz, Recueil général des Fabliaux p. p. A. Montaiglon et G. Raynaud I, p. 1–12. (
24) p. 51, R. de Miraval, Forniers, per mos enseignamens v. 4; p. 43, Lo Dalfi d’Alvernha, Puois sai etz vengutz, Cardaillac v. 11; vgl. p. 46, B. de Born, Fulheta, ges autres vergiere v. 15; p. 50, R. de Miraval, Baiona, per sirventes v. 17. Vgl. auch P. Meyer, Rom. X, 265. (
25) Herausgegeben von Bartsch, Chrestomathie5, col. 209–212. (
26) S. Chabaneau, o. c. p. 170. (
27) In der prov. Literatur könnten dazu gezählt werden oder zeigen Spuren davon ausser dem Stück des Raimon d’Avinho und unsern drei sog. Ensenhamens folgende Gedichte: Guilhem de Poitiera, Ben voill que sapchon li pluzor. Btsch. Chr. 27. Marcabru, D’aisso laus Dieu. M. G. 234, 388, 389. Peire de Corbiac, Lo tezaurs (fin.) Btsch. Chr. 214. Uc de Lescura. De motz ricos non tem Peire Vidal Str. I–III. Lit. Blatt 1887, 271; aus dem Nordfranz. ist besonders Des deus bordeors ribauz (vgl. oben Anm. 23) sehr bekannt, im übrigen vgl. Picot, Monologue dramatique Rom. XVI, 498, Jeanroy, Les origines de la poésie lyrique en France au moyen âge. Paris 1889, p. 17. Ferner speziell auch für die ital. Literatur Rajna, Z. f. r. Ph. II, 220–254. 419–437. V, 1–40 mit den von Rajna so genannten und von mir öfters ihres Inhalts wegen heranzuziehenden Cantare dei Cantari und Maestro di tutte le arti und wohl auch der mir nicht erhältlich gewesene Pini, Studio intorno al serventese italiano; aus der deutschen Literatur ist bekannt das Stück vom „Meister Jrreganc” hgg. durch von der Hagen, Gesamtabenteuer, 3 Bd. Stuttgart und Tübingen 1850, III, 87–91. Zu unterscheiden von diesen mehr den boniment-Charakter tragenden vanti sind die der gesellschaftlichen Unterhaltung besonders auch der ritterlichen Kreise entsprossenen, wie z. B. der gab im Pelerinage de Charlemagne, vgl. Rajna, Origini dell’epopea francese, Firenze 1884. Jeanroy l. c. Wright, The homes of other days. London 1871, p. 51. (
28) S. unten Anm. zu v. 63. ()
29) Man findet auch in der franz. Literatur noch im späteren Mittelalter die Bezeichnung serventois für aufzählende Dits, s. Gröber, Franz. Lit. p. 875. (
30) S. Suchier, Jahrbuch für romanische und engl. Literatur, herausgeg. von Ebert, Jahrg. XIV p. 144; Zenker, Rom. Forschungen XII, 860; Rajna, Z. f. r. Ph. II, 222. Vgl. auch oben Gattung und metrische Form. Daneben ist jedenfalls die einreimige Tirade häufig verwendet worden, wie wir sie bei Peire de Corbiac sehen, die ja die allerprimitivste war und aus der die Schweifreimstrophe erst durch Dreiteilung der Langzeilen entstanden ist. Vgl. Stengel, Verslehre § 157. Der Ansicht Rajnas, dass die Schweifreimstrophe ausschliesslich für vanti gebraucht worden wäre, kann ich nicht beistimmen. (
31) Ich sehe nachträglich, dass letzthin wieder eine Definition des Begriffes ensenhamen versucht worden ist durch W. Bohs, Raimon Vidal, Abrils issi’, Rom. Forschungen XV, 204 ff. Vgl. J. Bathe, Archiv f. das Studium der neueren Sprachen und Literaturen CXIII, 3. 4. 394. Wegleitend ist für ihn, ob die in Frage stehenden Gedichte in den Hss. als Ensenhamens bezeichnet werden, und er kommt dabei zur Beschränkung des Terminus auf diejenigen Lehrgedichte, welche „Unterweisungen betreffend rechtes Benehmen, bos captenemens („guten Ton”) in der feinen gesitteten Welt” erteilen. Darnach will auch er —und er betont es, indem er ebenfalls auf das Zeugnis der Dichter selber hinweist, auch ausdrücklich — unsere drei Gedichte nicht als Ensenhamens anerkennen. Wie man sieht, gehe ich nicht ganz so weit, indem mir, wie ich im folgenden noch näher darlege, der Begriff Ensenhamen mit dem des Sirventes unter Umständen sich deckt und ich mir wohl denken kann, dass dieses oder jenes der von Bohs laut seiner Voraussetzung und Definition zu den Ensenhamens gerechneten Gedichten nebenbei von den Provenzalen als Sirventes betrachtet wurde. ()  
32) Zenker, Gedichte des Folquet de Romans, Romanische Bibliothek XII, 36–39. (
33) Witthoeft o. c. hat, trotzdem es seiner Definition des Ausdrucks nicht widerspricht, unser Gedicht, sowie dasjenige des Guiraut de Cabreira nicht berücksichtigen wollen, wohl dagegen den Guordo des Bertran de Paris mit der Begründung, dass letzteres sich selbst sirventes nenne und die lyrische Strophenform eines solchen habe. Dabei hat er also einmal übersehen, dass auch Guiraut de Calanso sein Gedicht sirventes nennt und ist er sodann der irrigen Ansicht, dass zum Wesen eines Sirventes die lyrische Strophenform gehöre und die den beiden ersten eigentümliche Form die eines Ensenhamens sei. (
34) Das prov. Glaubensbekenntnis, das P. Meyer, Anciennes poésies religieuses, Bibl. de l’Ecole des Chartes 1860, 484 veröffentlichte und das teilweise von ihm und seither von andern, so noch kürzlich von Zenker, Rom. Forsch. XII, 860 hierher gerechnet wurde, hat nach der Konstitution des Textes durch Zenker, Z. f. r. Ph. X, 153–9 nicht diese Form. 2. hat denselben durchgehenden Reim auf -ir, wie unser Gedicht. Damit möchte ich allerdings nicht auf einen Zusammenhang desselben mit dem des Marcabru hingedeutet haben. Wenn Zenker, Rom. Forsch. XII, 860 Beziehungen zwischen einzelnen dieser Gedichte herzustellen sucht, so scheint mir das bei der sicher, wie wir angenommen haben, allgemeinen Verbreitung dieser Strophenform zu weit gegangen. (
35) Rajna spricht von einer sechszeiligen Strophe; zur Annahme einer solchen zwingt uns aber nichts; R. scheint die am häufigsten vorkommende Form der Schweifreimstrophe im Auge zu haben, welche 6 Zeilen hat. Vgl. Stengel, Romanische Verslehre, Gröb. Grdr. II, 1, 1–96, Suchier, Reimpredigt, Halle 1879, XLII ff., Wolf o. c. 81ff. (
36) Vgl. Bartsch, Dkm. p. 327. B. spricht von trochäischem Rhythmus neben jambischem. (
37) Wenn Bartsch als Beleg dafür, dass auch Guir. de Cabreira die Erscheinung kenne, 91, 4, 5 anführt, so handelt es sich dort um Eigennamen. S. unten. (
38) Häufiger ist sie im Altfranz., besonders im Anglonormannischen. Vgl. Stengel, Verslehre §14. (
39) Mit Recht wendet sich Stengel gegen P. Meyer, Rom. VIII, 209, der männliche 8- und weibliche 7-Silbler für rhythmisch identisch hält, also entsprechend wohl auch für unsere 4-Silbler behaupten würde. In demselben Irrtum befindet sich auch Azais, Le Breviari d’amor de Matfre Ermengaud p. CXIII–CXIV. (
40) Vgl. Stengel, Verslehre §16. (
41) Vgl. Crescini, Manualetto provenzale. Verona e Padova 1892. p. LXVII. (
42) Vgl. Crescini, l. c. (
43) Die Form Menelau liesse sich freilich so erklären, dass sie allgemein üblich war und auch in der Erzählung, auf die Guir. anspielt, sich fand. Vgl. den Ausdruck la ost Menelau in einer Anspielung der Albigenser Chronik (Btsch. Z. f. r. Ph. II, 319). (
44) Ich bemerke ein für allemal, dass ich mit dem Hinweis auf die Stelle des Gedichtes auch einen solchen auf die dazu gehörige Anmerkung verstehe. (
45) Da wir annehmen können, dass Guiraut de Calanso, was schon in Guiraut de Cabreira steht, auch aufgezählt haben würde, wenn ihm dieser, den nicht zu wiederholen unser Dichter sich ja bestrebt, nicht zuvorgekommen wäre, so kann ich in dieser Besprechung sehr wohl jeweils die zu den einzelnen Kategorien gehörenden Nummern des Guir. de Cabreira miterwähnen, indem so das Bild, das sich hier für die zur Zeit unseres Dichters den Joglarberuf ausmachenden Tätigkeiten ergibt, vollständiger wird. — Die Stellenangaben für Guir. de Cabreira beziehen sich auf die Ausgabe in Btsch, Dkm. (
46) Herausgegeben von Dammann, Die allegorische Kanzone des Guiraut de Calaneo „A leis cui am de cor e de saber” und ihre Deutung. Breslau 1891. — Vgl. auch Appel, Chrest. 34. (
47) Ich behalte mir vor, dies für das Verhältnis des Celeis cui am de cor e de saber zum Chastel d’amors, dessen Verfasser, wie Thomas o. c. p. 187 glaubt, neben der Cour d’amour das Gedicht Guir. de Cal. vorgeschwebt haben mochte, in der Gesamtausgabe der Werke Guirauts de Calanso näher darzu legen. (
48) Vgl. übrigens auch Thomas o. c. p. 187. ()  
49) Vgl. über dieselben Langlois, Origines et sources du roman de la Rose. Paris 1890. p. 6ff. (
50) Ich kann daher auch die Ansicht von G. Paris, der Rom. VII, 458 meint, dass unser ganzer Abschnitt einer Version der Commandements d’Ovide des Chrétien de Troyes oder einer Nachahmung derselben entlehnt sei, nicht teilen. Übrigens könnte sich allenfalls nur ein Teil desselben darauf beziehen, der nämlich, wo die Angaben Guirauts, von der Personifizierung als weibliches Wesen abgesehen, dem Bilde des antiken Gottes entsprechen und auch einen die commandements enthaltenden Passus voraussetzen; der andere Teil, wo z. B. von den Sprossen und Stufen, sowie dem Phönix die Rede ist, würde immer noch eine andere Quelle zur Grundlage haben, da in Ovids Ars amandi ja nichts dergleichen enthalten ist. Die Annahme von G. Paris wird aber überhaupt, wenn sich meine Voraussetzung von der Existenz einer im Süden entstandenen allegorischen Literatur bestätigen sollte, unnötig. (
51) Jubinal, Li Fablel dou dieu d’amours. Paris 1834. (
52) Franz. Lit. p. 858. (
53) S. oben, Anm. 27. (
54) Flam. v. 617–702 und passim. Arnaut de Maruelh Tan m’abellis, Rev. d. l. r. 20, 57, v. 146–173. Eledus und Serena 87–88 (s. Suchier, Z. f. r. Ph. XXI, 124–125). Serveri de Girona, Suchier Dkm. 269; Guylem de Cerveira, Proverbes (p. p. A. Thomas, Rom. XV, 28–105). s. Table p. 109; übrigens, wie wir sehen, alle einer spätern oder ganz späten Zeit angehörig. (
55) Raynouard, Choix des poésies originales des troubadours II, Paris 1816/21. (
56) Fauriel, Histoire de la poésie provençale. Paris 1846. III, 453–515. II, 381–451. (
57) Birch-Hirschfeld, Über die den prov. Troubadours des XII. und XIII, Jahrhs. bekannten epischen Stoffe. Leipzig 1878. Vgl. dazu G. Paris und P. Meyer, Rom. VII, 448–59. (
58) Vgl. auch Tonaca, Giornale di filologia romanza III, 110–114. Bartsch, Z. f. r. Ph. II, 318–323; Liebrecht, Lit. Blatt I, 31. (
59) Z. f. r. Ph. XXV, 464. (
60) Auf Grund der Namensform scheinen sich freilich fast keine Indizien zu ergeben. Bei den grösstenteils ausländischen Stoffen, die Guiraut verzeichnet, finden sich neben wenigen einheimischen Namen hauptsächlich fremde, die ihre ursprünglich für prov. und franz. identische Form beibehalten haben. Prov. Namensformen sodann beweisen an und für sich überhaupt noch nicht, dass die Dichtung aus dem Prov. stamme, da sie die franz. ersetzt haben können; kaum fehlgehen aber wird man können, wenn, was aber bei sicher zu eruierenden Anspielungen nur einmal vorkommt (Huelin v. 167), franz. Namen sich finden. (
61) Vgl. Anm. 44. (
62) Kursivschrift und kleiner Anfangsbuchstabe deuten an, dass der Name nicht in den kritischen Text aufgenommen worden ist. (
63) Vgl. besonders die Anm. z. v. 106. Pelaus. Vgl. ferner Bartsch, Z. f. r. Ph. II, 320. (
64) Vgl. B.-H. p. 8–9, dazu Bartsch, Z. f. r. Ph. II, 319. (
65) Vgl. Gorra, Testi inediti di storia trojana. Torino 1887, p. 464. (
66) Greif, Die mittelalterlichen Bearbeitungen der Trojanersage. Marburg 1885. §86. (
67) Vgl. B.-H. p. 11–12, dazu Peire de Corbiac, Btsch. Chr. 214, 22–24. (
68) Vgl. unten die Anm. (
69) Die näheren Angaben und Ausführungen für dieses Kapitel s. Anm. ()
70) Chabaneau, Biogr. p. 189 schliesst aus einer Stelle der Leys d’amors (III, 138) auf die Existenz einer prov. Bearbeitung des Alexanderromans. Ich ersehe nicht recht, ob er unter diesem letzteren den franz. Roman versteht oder einfach nur den Stoff; die Ausgabe von Michelant war mir nicht zugänglich, so dass ich die Vergleichung nicht selbst anstellen konnte. Sei dem wie ihm wolle, so kann eben der herangezogene Passus sich sehr wohl auf eine erst nach Guir. de Cal. anzusetzende Bearbeitung beziehen. (
71) Vgl. P. Meyer, Alexandre le Grand dans la littérature française du moyen âge. Paris 1886. p. XVII. (
72) Vgl. für die näheren Angaben und Ausführungen die Anmerkung. (
73) Es sind folgende: die in prov. Anspielungen einige Male sich findende Zusammenstellung eines Itis mit Biblis und Caunus (vgl. Anm. z. v. 148–150), der Wortlaut einer Anspielung in Flam. v. 646–47 (vgl. G. Paris, Hist. litt. XXIX, 501, Sudre, P. O. Nasonis metamorphoseon libros quo modo nostrates medii aevi poetae imitati interpretatique sint. Paris 1893. pp. 70. 80), der Name Pelahus in dem Gedichte B. de Ventadorn (vgl. Anm. z. v. 106 Pelaus) und unsere Form semitaur v. 88 (vgl. Anm. dazu). (
74) S. Btsch. Chr. 214–215. Vgl. auch Oesterley, Gesta Romanorum p.260/1. (
75) Vgl. noch G. Paris, Poésie du moyen âge, 2e série p. 27. (
76) Revue crit. 1874, 140. Journ. des Sav. 1884, 566. (
77) B.-H. p. 25–36 stellt unsere Anspielungen, ohne den Unterschied näher zu bezeichnen, mit denen auf Stoffe rein byzantinischen Ursprungs zusammen, also solchen, die meist auf mündlichem Wege zur Zeit der Kreuzzüge nach dem Westen gekommen sind, und hier allerdings nimmt er für einige, für die sich Anspielungen besondere in Guir. de Cabreira finden, Beziehung auf erhaltene franz. Gedichte an. Merkwürdig ist, dass er gerade für den Apollonius, wo doch die Form Apoloine von Guir. de Cabreira (92, 14) und fasst aller anderen Anspielungen auf franz. Ursprung hinweist, freilich auf Grund anderer Erwägungen, eine prov. Fassung anzunehmen geneigt ist, vgl. B.-H. p. 69. (
78) Vgl. Anm. zu v. 168–165. — Wegen einer Übersetzung des Roman des Sept Sages, die sich in einer Hs. zu Carpentras befinden soll, s. Bartsch, Grdr. p. 22. Chabaneau, Biogr. p. 189. (
79) Vgl. die Anm. zu v. 178–174. (
80) S. Gröber, Lat. Lit. p. 392–96; id. Franz. Lit. p. 655ff.; vgl. Petit de Juleville, Histoire de la langue et de la littérature française I, 15. Chabaneau, Biogr. p. 180 nimmt auf Grund von Zitaten der Leys d’amors vermutungeweise ein poème de l’Ancien Testament” an, das aber natürlich zur Zeit Guirauts de Calanso noch nicht verfasst gewesen sein konnte. (
81) Wenn ich in der besonders früher viel umstrittenen Frage zu der Überzeugung gekommen bin, dass von der Existenz eines prov. Epos in der Art oder gar Ausdehnung des nordfranz. keine Rede sein kann, es glaube ich aber doch, dass die Provenzalen ebenso gut ihre epischen Überlieferungen gehabt haben, als ihre Brüder des Nordens, nur dass dieselben im Stadium der gewöhnlichen mündlichen Fortpflanzung geblieben sind, aus der immerhin die Spielleute etwa geschöpft haben mochten und auf die diese oder jene Anspielung in der prov. Literatur, besonders in dem in dieser Hinsicht so reichhaltigen Sirventes des Guir. de Cabreira zurückzuführen sein könnte. (
82) Vgl. Guiraut de Cabreira, 88, 22; Peire de la Mula, Dels joglars servir me laisse, M. G. 544. Vgl. Diez, Poes. Troub. p. 232 u. 233. (
83) Es geht denn auch B.-H. p. 48 entschieden zu weit, ja wohl völlig fehl, wenn er meint, dass Guir. de Cal. sein Gedicht in den 90er Jahren des Jahrhs. habe verfassen müssen, da er sonst doch gewiss den Perceval erwähnt haben würde. (#97
84) Bei verderbter oder unentschiedener Lesart gebe ich die Namen beider Hss.; sie unterscheiden sich äusserlich von den definitiv in den kritischen Text aufgenommenen durch Kursivschrift und kleine Anfangsbuchstaben; wo ein erläuternder Text bei den Namen steht, habe ich ihn der Kürze wegen durch Stichworte angedeutet; wo Zusammengehörigkeit von Namen besonders wahrscheinlich ist, habe ich den einen in runden Klammern nebenan gesetzt. (
85) Ich meine damit natürlich nicht das, was das Volksepos schafft, zu dem, wie man jetzt allgemein annimmt, die Bedingungen ebenso vorhanden waren wie in Nordfrankreich. Vgl. oben, Anm. 82. (
86) Rasos de trobar ed. Stengel 70, 30–34. (
87) Ein Beweis dafür, dass aus Südfrankreich wenig dichterisch oder sonst hervorragende Schöpfungen grösseren Umfangs in der epischen Literatur hervorgingen, darf wohl auch darin liegen, dass sich das in den Werken Raimon Vidals ausgedrückte Verhältnis in der Literatur Italiens, soweit sie unter Frankreichs Einfluss entstanden ist, wiederspiegelt, indem dort, was der Epik angehört, dem Nordfranz., was ins lyrische Gebiet einschlägt, dem Provenzalischen nachgeahmt ist. (
88) Vgl. vor allem die bis jetzt übergangenen faulas d’orc = Teufelsgeschichten (?) v. 70, vgl. Anm. dazu; dann die Virgilerzählungen v. 158–162 und die v. 133–135. 136–138. 151–153. 155–156. 171. 191–192. 201 angedeuteten Stoffe und wohl noch andere. (
89) S. v. 52. (
90) Art de vérifier II, 324. Histoire de Languedoc II, 28. Dammann p. 9 gibt fälschlich das Jahr 1204 an, wohl auf Grund von Diez, Poes. Troub. p. 49. (↑
91) Hist. litt. XVII, 577–582. (
92) Bekanntlich wird der älteste Sohn Heinrichs von England von den Provenzalen gewöhnlich so genannt; Guir. de Cal. selber spricht in seinem Planh (s. Milá y Fontanals, De los trovadores en España. Barcelona 1861. p. 124, v. 30) von dem Infanten Ferdinand von Castilien als dem jove rei. (
93) Vgl. Diez, Leben und Werke der Troubadours, 2. Ausg. p. 427. — Milá y Fontanals o. c. p. 123. (
94) Er war das älteste der 7 aus der im Jahr 1174 geschlossenen zweiten Ehe Alfons II. mit Sancie, Tochter Alfons VIII. von Castilien, entsprossenen Kinder. S. Art de vérifier p. 745. (
95) B.-H. p. 5 bezieht den Ausdruck jove rei ohne weiteres auf die ersten Regierungsjahre, und, indem ihm auch das Wahrscheinlichste ist, dass Peter II. gemeint sei, nimmt er als Entstehungszeit des Fadet joglor ca. 1200 an. (
96) Der beste Beweis für die Schwierigkeit, die Abfassungszeit des Cabra juglar zu bestimmen, ist, dass die dafür aufgestellten Daten, bei deren Festsetzung freilich z. T. Nichtbeachtung, Vernachlässigung oder Misdeutung des einen oder andern Kriteriums und gerade auch des durch den Fadet joglar gegebenen Anhaltspunktes nachzuweisen ist, sich auf einen Zeitraum von ca. 80 Jahren erstrecken. So möchte, um nur einige zu nennen, P. Meyer, der sich verschiedene Male, aber immer wieder in verschiedenem Sinn, darüber ausgesprochen hat, in Daurel et Beton p. I Anm. 1 selbst bis 1220 hinuntergehen, dagegen Schultz, Z. f. r. Ph. XII, 541 Guir. de Cabreira als Zeitgenossen von Marcabru ansehen, was uns in die 40er Jahre des 12. Jahrhs. führen würde. Wenn wir jedenfalls nach dem Resultate, das sich bis jetzt für das Sirventes des Guir. de Cal. ergeben hat, nicht mehr auf der einen Seite über 1200 hinausgehen dürfen, so sind allerdings nicht ohne weiteres zu widerlegende Gründe da, die für einen so frühen Zeitpunkt sprechen können, wie ihn Schultz annimmt. Immerhin scheinen sich mir jene Stellen (Hinweise auf Marcabru, Rudel, Eblon 89, 4-9) so deuten zu lassen, dass sie, zusammenbetrachtet mit der zuerst von M. y F. p. 265 befürworteten Identifizierung des Guir. de Cabreira mit dem nach M. y F. p. 267 1199 verstorbenen Pons Guiraut de Cabreira und zusammen betrachtet mit einem Chabaneau, Biogr. p. 97 abgedruckten Berichte des Gervasius de Tilbury über einen Giraldus de Cabreriis, den mit dem Dichter des Cabra juglar zu identifizieren aller Grund vorhanden ist, die von Stimming in seine Darstellung der prov. Lit. in Gröb. Grdr. aufgenommene Ansicht rechtfertigen, dass das Gedicht dem letzten Viertel des 12. Jahrhs. angehöre. Die nähere Begründung meiner Vermutung hier zu bringen, würde einen ungebührlich grossen Raum beanspruchen, der in keinem Verhältnis zu dem für unsern Zweck sich ergebenden Resultat stünde. (
97) Selbst wenn die Canzone Celeis cui am im Jahre 1202 selbst noch verfasst war, so ist anzunehmen, dass jedenfalls zwischen der Abfassung derselben und der des Fadet joglar ein gewisser Zeitraum verflossen sei, während welcher Guiraut mit anderen Liebesallegorien bekannt wurde und den Plan zu der allegorischen Canzone fassen konnte. Vgl. oben. (
 
 

 

 

 

 

 

Institut d'Estudis Catalans. Carrer del Carme 47. 08001 Barcelona.
Telèfon +34 932 701 620. Fax +34 932 701 180. informacio@iec.cat - Informació legal

UAI