8.
Strophenfolge:
1
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ADIKNR
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1
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8
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C
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Die beiden Tornaden, die sich an Bel Vezer wenden, stehen einzig in C. Sie werden dadurch in ihrer Echtheit nicht verdächtig, denn Bel Vezer ist der am häufigsten bei Bernart wiederkehrende Versteckname; und wer sollte ein Interesse daran gehabt haben, für diesen Bel Vezer die an sich nichts sagenden Verse zu dichten? Aber die Tornaden gehören nicht zum Gedichte selbst, denn Bel Vezer ist nicht etwa die in ihm besungene Dame. Das Lied ist zunächst für die Zuhörer, wie für die geliebte Frau, mit der 6. Strophe abgeschlossen. Bei der Sendung an seine Gönnerin Bel Vezer wird der Trobador die beiden Tornaden hinzugefügt haben, die so vielleicht von vornherein nur in gewissen Abschriften enthalten waren. So erklärt sich das vereinzelte Auftreten in C.
Durch ihre Lesarten stellen sich ADIKN und, soweit es vorhanden ist, F zu einer im Ganzen übereinstimmenden Gruppe zusammen, während sowohl C wie R ihnen selbständiger gegenübertreten; und zwar weicht R am meisten ab (s. v. 4, 14, 16, 17, 19, 21, 26, 31, 32, 38, 41, 42). C geht hier und da, den anderen gegenüber, mit R zusammen (s. v. 2. 11, 46); öfter noch verläßt es R und stimmt mit der Gruppe A überein, oder endlich geht es seine eigenen Wege (s. v. 15, 31, 34, 42, 43, 45). C zeigt sich also, wie sonst, als eine auf verschiedenen Quellen beruhende, selbständig bearbeitete Handschrift.
Die Manuskripte der Gruppe A in ein sicheres Verhältnis zu einander zu bringen, reichen die Varianten nicht aus. Natürlich gehen IK, wie stets, zusammen (s. v. 3, 5, 21, 37). Dagegen tritt nicht etwa D, wie so oft, in enge Verbindung mit diesen beiden; sondern hier wechseln die Verbindungen, so dass ein klares Verhältnis nicht heraustritt. Übrigens haben die Abweichungen innerhalb dieser Gruppe für die Textgestaltung kaum Bedeutung.
So bleibt, da C nur als ein früher Vorgänger auf dem Wege kritischer Textherstellung zu betrachten ist, der freilich über sonst unbekannte Quellen verfügte, als Hauptfrage, ob wir der Gruppe ADIKN oder der Handschrift R folgen sollen.
Die Hdss. ACDIKN wiederholen in v. 26 und 34 das Reimwort atraih, R in v. 19 und 43 agaih.
In v. 19 lesen die Handschriften:
A:
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D’ira e d’esmai m’a traich
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DFKIN:
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Gitat m’a d’ir’ e d’esmaich
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R:
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Tot m’a estort son agag
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C:
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fehlt.
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So erhebt durch die Zahl der Hdss. esmaih den größten Anspruch auf die Aufnahme in den kritischen Text. Die Reime Bernarts, ebenso wie die allgemeine Untersuchung seiner Sprache (s. § 16, 17 des sprachlichen Abschnitts in der Einleitung) zeigen indes, daß eine solche Form unserem Dichter fremd ist. Wir haben uns für die Lesart A zu entscheiden, sei es, daß hier die richtige Überlieferung vorliegt, sei es, daß eine in der ersten Grundlage aller Hdss. schon fehlerhafte Stelle in einwandfreier Art emendiert ist.
Das Reimwort, dessen Wiederholung in ACDIKN Anstoß gab, atraih, ist in v. 26 in Form und Bedeutung ohne Bedenken. Aber, während v. 34 alle Hdss. einig sind, haben wir v. 26 in R: pertrag. Dieses Wort macht nur insofern Schwierigkeiten, als wir schwanken können, ob wir petraire mit „bereiten, herbeiführen“ (Don. prov., 35a, 34 ‘ad aliquod opus necessaria facere’) oder mit „vorzeichnen, darstellen, vor die Augen stellen“ übersetzen sollen. Beides gibt einen guten Sinn. Jedenfalls ist durch einen Kopisten eher atraih für pertraih eingeführt worden als umgekehrt, und wir werden hier der Lesart des alleinstehenden R den Vorzug geben müssen.
Noch viel sicherer aber scheint mir dasselbe in v. 13-16 der Fall zu sein. Es stellen da einander gegenüber:
Gruppe A:
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mais lai on Amors s’atura
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er greu sobrada e vencuda,
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si son coratge no muda
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o alhors no met sa cura.
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„Aber dort wo Amor sich bemüht, wird er schwer überwunden und besiegt, wenn er seinen Sinn nicht ändert oder seine Gedanken andershin wendet.“
Hds. R:
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mas lay on amor(s) s’atura
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er greu forsa defenduda,
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si son coratge no·l muda
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si c’alhors meta sa cura.
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forsa hat hier offenbar den Sinn, den Levy unter forsa 8) belegt: „Festung, Befestigung“. Also: Gegen Amors Ansturm konnte ich mich nicht verteidigen, so lange er für jene Dame kämpfte. Jetzt hat sich ihm sein Sinn selbst nach anderer Seite hingewandt (sos coratges no·lh muda).
Man wird nicht zögern, diese Fassung als die ursprüngliche in den kritischen Text einzusetzen. Und so sehen wir denn, daß R, welches in der Regel, auch in den Gedichten Bernarts, eine unzuverlässigere Textgestalt als ADIK überliefert, ihnen in diesem Liede gleichwertig, ja überlegen, gegenübertritt.
Denn auch in v. 2 scheint mir R, diesmal mit C verbündet, das Richtige zu bringen:
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[A ! tantas bonas chansos]
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ADIKN:
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e tan bo mot (oder: tans bos motz) aurai fach
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CR:
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e tan(s) (quan C) bos vers aurai fagz (fag).
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Die Gegenüberstellung von chanso „Singweise“ und mot „Text“ findet sich bei Bernart sonst nicht. Die Singweise heißt bei ihm sô 27, 6; 30, 25, und sô und mot finden sich 27, 6 gegenüber. chanso hat auch 6, 24 als Gegenwort vers. Eine andere Frage ist, ob in v. 2 der Singular oder Plural stehen soll. Dem Plural chansos würde auch hier die Mehrheit entsprechen, und es ist nicht unmöglich, im Reimwort faih die Pluralform zu sehen (s. Chrest., S. IX). Aber neben dem indeklinablen vers schwanken CR zwischen dem Singular tan, quan und dem Plural bo(n)s (auch die andere Gruppe schwankt zwischen mot und motz), und wir werden eher annehmen, daß der Plural unter Einwirkung des ersten Verses für den Singular, als dass der Singular für den Plural eingetreten ist.
In v. 17 und 31 ist R zu verwerfen; v. 46 spricht gegen siatz vielleicht die Wiederkehr des gleichen Wortes in v. 48, obwohl dieses Argument beim mittelalterlichen Stil mit Vorsicht zu verwenden ist; in v. 4 (pesses : saubes), 8 (a : en), 21 (ab : de), 38 (say : die) ist es schwer, sich für eine der, übrigens wenig gewichtigen, Abweichungen zu entscheiden: v. 32 ist die asyndetische Fassung der Gruppe A lebendiger; dagegen wird si est R in v. 41 (: sil A etc.) schwerlich vom Abschreiber herrühren, und v. 42 ist die Bezichung auf die Person des Dichters in R wirkungsvoller als die allgemeine Aussage der anderen Lesart. In v. 11 steht estava R neben estera der anderen Hdss. Beides wird durch Sinn und Grammatik erlaubt. Es ist aber möglich, daß das Richtige erst aus beiden Formen gemeinsam zu erschließen ist. Der aus dem Plusquamperfectum entstandene Conditionalis I Konj. hat bei Bernart die alte Endung -ara, entweder für, oder wenigstens neben era (s. Zur Sprache § 23). So ist vermutlich auch hier ursprüngliches estara in verschiedener Richtung geändert worden.
Das Resultat unserer Untersuchung ist also, daß der Text aus R und aus A, DIKN, unter gleich abwägender Benutzung beider Seiten, herzustellen ist.