EINLEITUNG.
Es scheint nicht überflüβig, der sammlung eine kurze übersicht des inhaltes voranzuschicken. die auswahl, die theilweise frucht zweier in den jahren 1853 und 1855 nach Frankreich unternommenen reisen, will nicht einen bestimmtenzweig der provenzalischen litteratur verteten, sondern gibt, ohne unterschied der gattungen, entweder noch ganz ungedrucktes oder bisher nur fragmentarisch bekanntgemachtes. Sie beginnt mil proben einer der wenigen volkstümlichen liedergattungen der provenzalischen poesie, der ballade. abgeschen davon daβ diese kleinen flüchtigen liedchen, die unsfast alle anonym überliefert sind, durch lieblichkeit und anmutsich auszeichnen, werden sie auchdazu dienen, über die form dieser dichtungsart eine aufklärung zu geben, die aus dem wenigen bisher gedruckten nicht ersichtlich war. es ergibt sich als eigentümlichkeit der ballade das nach art des spanischen estribillo andie spitzegestellte thema, das refrainartig am schluβe jeder strophe meist mil denselben reimen wiederholt wird. die übereinstimmung mit der italiänischen ballata ist also vollkommen, doch möchte ich, weil die gattung volkstümlich ist, von einer entlehnung nicht sprechen. die Leys d'amors, das gesetzbuch der provenzalischen poetik, nennen das refrainarlig vorausgestellte thema respos (1, 340). daβ sie der ballade nur drei strophen zugestehen (bei uns hat 2, 21 vier), ist willkürlich. das geleit, das der ballade nicht unentbehrlich ist, schlieβt sich wie gewöhnlich an den schluβ der letzten strophe in der form an, ist also, weil dieser schluβ dem respos entspricht, ebenfalls letzterem gleich.
Die beiden auf die balladen folgenden stücke enthalten spruchpoesie der Provenzalen, von der bisher nur wenig bekannt war. diese gattung entwickelt sich, wie bei den Deutschen, erst später. vorhanden zwar war sie als volkstümliche gattung, als sprichwort, schon vor der entwickelung der kunstpoesie, und die zahlreich in der kunstlyrik der Provenzalen vorkommenden sprichwörter (repropchier, proverbi) beweisen, daβ im volke deren eine groβe menge umlief. Die in unserer sammlung zum ersten male gedruckten sprüche von Bertran Carbonel und Guiraut del Olivier sind in lyrischen strophenformen abgefaβt, aber nicht wie bei den deutschen spruchdichtern in einer durchgehenden, sondern in mannigfach wechselnden formen. Bertran Carbonel, von beiden der bedeutendere, hat auch noch lieder gedichtet, der andere dichter ist uns nur durch seine "coblas esparsas" bekannt. Bertran gehört dem spätherbst der provenzalischen dichtkunst an, auch sind seine lyrischen sachen wirklich unbedeutend, wie er es selbst 23, 11 ff. anerkennt und sich damit entschuldigt, daβ, wenner manchmal unsinniges in seinen versen ausgesprochen, er darin nur den willen der liebe gethan, die ja selbst nicht nach sinnund verstand handle; allein in seinen sprüchen weht der männliche geist Peire Cardinals, den er auch an mehreren stellen nachgeahmt und benutzt hat. Die gegenstände, auf die er hauptsächlich sein auge richtet, sind das verhalten der menschen gegen gott, die laster der welt, der verfall der liebe und der dichtkunst. wie vieles ist darunter, was noch ganz auf heutige verhältniβe passt! in der dichtkunst tadelt er diejenigen, die den werth der poesie in schwieriger form, namentlich im suchen schwerer und seltener reime (cars rims 5, 21. 17, 15) finden. dies war schon von jeher in der provenzalischen poesie ein strittiger punct gewesen, und die dichter entschieden sich in theorie und praxis bald für die eine, bald für die andere weise des dichtens.Guiraut von Bornelh, der die dunkle manier häufig genug hat, erklärt sich doch an mehreren stellen (vgl. Diez, leben undwerke s. 131) gegen dieselbe. Bertran Carbonels tadel bezieht sich speziell auf einen sonst unbekannten dichter, Bertran den Rothen, der, wie es scheint, in tenzonen von so schwierigen reimen zu glänzen suchte. an einer andern stelle (10, 5) werden diejenigen getadelt, die verse machen und doch nicht genug verstand und kein talent haben; Bertran räth den begabten dichtern, mit solchen in keine tenzonen sich einzulaβen. in diese kategorie fällt in der that manche der uns aufbewahrten tenzonen, bei denen man nicht begreift, wie jemand an so einfältigen fragen gefallen finden konnte. Über die liebe und deren wesen äuβert sich Bertran unter anderm so (18, 17): 'die liebe entsteht wieder honig aus blüten. liebe steigt durch die augen in das herz, höfische reden und dienst machen sie keimen und zeitigen sie.' Ähnlich, aber nicht so schön, drückt sich Guiraut del Olivier 26, 5 ff. aus. Bertran Carbonel liebt es, sprichwörter einzuflechten. so braucht er das bekannte: der krug geht so langezu waβer bis er bricht (5, 16), welches auch an einer andern stelle (lexique roman 3,73b) fast wörtlich ebenso vorkommt. In der noth erkennt man den freund, sagt er an einer andern stelle (12, 3), und Guiraut del Olivier ebenso 33,23. noth kennt kein gehot (12, 31); kein feuer ist so klein, daβ nicht der rauch daraus aufsteigt (15,5); allzuviel ist ungesund (18, 9); gegenden scheelen muβ man scheel sein (19, 30); us draps motas ves val mai per drap que per lista (12, 26. 24, 25), wofür ich deutsch kein entsprechendes weiβ. Auch bei Guiraut del Olivier finden wir dieselbe neigung, sprichwörter einzuflechten, die jain der spruchpoesie begründet liegt. 28, 29 proverbi: astruc ni malaslruc non cal.. mati levar, leider mit einer lücke im text, die indes der vollständigkeit des sprichwortes nicht eintrag thut; denn ganz ebenso sagt Raimon Vidal (176, 5): astruc no cal mati levar, der glückliche braucht nicht zeitig aufzustehen. an einer andern stelle sagt Guiraut mit beziehung auf Seneca (34, 21): mein und dein haben den zwist in die welt gebracht. vom guten nachbarn heiβt es (36, 6): dessen hof ist gut bewahrt, der einen guten nachbarn hat. 36, 17 begegnet das sprichwort: qui ben ser ben quer, wer einem guten herren dient, kommt gut fort. auch der folgende vers: quils fals cre espera colp de fer, wer dem falschen traut, den trifft schwertesstreich, enthält einen sprichwörtlichen ausdruck. über die erziehung der kinder heiβt es 38, 9 : sel que perdona sas viergas, per sert adzira sos efans, wer die ruthe spart, hat seine kinder nicht lieb; und in derselben strophe 38, 18 heiβt es: jove castiar e vielh pendre, zu deutsch etwa: dem jungen die ruthe, dem alten den strick. ein anderes sprichwort begegnet 42, 10: tart pren qui non cassa, wer nicht jagt, der fängt nichts. In den worten 44, 1, 2 bona fes e mala ab son don laora liegt das sprichwort begriffen: untreu schlägt ihren eigenen herrn. 45, 31 : eb semblan de bon morsel se prenon li glot auzel ist nur ein anderes bild für das deutsche sprichwort: mit speckfängt man mäuse. auch 46, 14 kündigt sich als eine sprichwörtliche redensart an. das sprichwort:,, gleich und gleich gesellt sich gern" , spricht der dichter in den worten aus, 48; 20, 21: ades vol companhar tota cauz'ab sa par. Es wäre wol interessant und nicht unwichtig, die zahlreichen sprichwörter in den liedern der troubadours zusammeln und mit verwandten aus andern sprachen zusammenzustellen. freilich wäre dabei volkstümliches und gelehrtes soviel als möglich zu sondern.
Das gedicht über könig Roberts von Sicilien tod (s. 50-57) († 6 Januar 1343) hat auβer dem literarhistorischen interesse noch ein geschichtliches. dieses klagelied, wahrscheinlich von einem augenzeugen der letzten stunde des königs verfaβt, wurde unmittelbar oder bald nach dem tode Roberts gedichtet, jedenfalls vor dem jahre 1345. es wird vielleicht nicht ohne interesse sein, nach dem gedichte einen kurzen bericht von dem tode des königs zu geben. Groβe wehklage erhub sich, als man von seinem nahen ende vernahm. er lieβ die königin (Sancha, des königs von Majorca Jacob tochter) und seine getreuen an sein bett rufen und bat um verzeihung für alles unrecht, das er ihnen je gethan. Nun fragte er nach dem jungen könige, dem sohne des königs von Ungarn (Andreas, sohn Karl Roberts, königs von Ungarn); weinend küsste er ihn, und bat ihn, der kirche treu zu bleiben, die Provenze zu schützen und namentlich, daβ die in seinem heer stehenden provenzalischen soldaten gut gehalten würden. Er lieβ seinen vizekanzler kommen; fragte, ob alle soldaten ihren sold empfangen hätten, und befahl, als der kanzler es verneinte, alles bis auf den pfennig zu berichtigen. Nun bater, seinen gruβ dem könige von Frankreich und dem von Aragon zu entbieten. er lieβ seine nichten und neffen vor sich kommen; gern hätte er auch den Dauphin gesehen und sandte ihm, da er nicht zugegen, seinen abschiedsgruβ. er lieβ ihm sagen, er solle die Provenze und die Marseillesen schützen. Dann lieβ er sich die lilie bringen, küsste sie und sprach ermahnende worte zu Andreas: er solle seiner väter eingedenk sein, zunächst könig Karls I (von Anjou) und Roberts vater, Karls II, und ihnen nacheifern. dann setzte er ihm die krone aufs haupt und erklärte den umstehenden, was ihn bewogen, Andreas zu seinem nachfolger zu ernennen. (Roberts einziger sohn Karl war bereils 1328, also lange vor dem vater, gestorben, Andreas war der enkel Karl Martells, des älteren bruders Roberts, und hatte als solcher bei ermangelung näherer verwandten gegründete ansprüche auf den thron.) Hierauf schwieg er. groβer jammer erhob sich, manches kleid ward zerriβen und mancher zerraufte sein haar. herzzerschneidend war der abschied könig Roberts von seiner gemahlin. o wär' ich vor euch gestorben, rief wehklagend die königin. gott ruft mich ab, sprach tröstend könig Robert, ich habe genug hienieden gelebt. ihm befehl' ich meine seele. wol muβ, fügt der dichter hinzu, die heilige kirche seinen tod beweinen, denn er war der treue fahnenträger des fünften Clemens und würde auch dem sechsten treu gedienet haben, wär' ihm längeres leben beschieden gewesen. als der graf von Evelli 1 des königs tod vernahm, da neigte er sein hauptund sprach : herr gott, du hast mich eines guten herrn beraubt, doch dein name sei gepriesen. Zum schluβ sendet der dichter sein klagelied, das sich durch einfachheit und ungeschmücktheit der darstellung empfiehlt, an alle die orte, die dem könig im leben theuer gewesen, zuerst über Nizza und durch die Provence bis in das reich könig Karls; nach Ayx besonders, denn diese stadt liebte der könig vor allen, dann nach Avinhon zum heiligen vater, zuden kardinälen und zum ganzen collegium, und betet zum heiligen Ludwig, dem schutzpatron von Marselha er möge für den könig fürbitte einlegen, auf daβ er an die stätte komme, wo freude ohne ende wohnt. ich kann augenblicklich nicht ermitteln, welcher Ludwig schutzpatron von Marseille war. näher läge hier Karls II sohn und Roberts bruder Ludwig, der 1297 starb und 1317 heilig gesprochen ward.
Auch das folgende gedicht ,,der palastder weisheit" (s. 57-63) knüpft sichan eine historische persönlichkeit an. es ist diepoetische einleitung zu dem provenzalischen Lucidarius (s. provenz. leseb. XX, nr 1), das wol auf veranlaβung und wunschdes strebsamen Guasto II, grafen von Foix (reg. 1315-1343),aus lateinischen autoren zusammengetragen und übersetzt wurde.daβGuasto II, und nicht sein sohn Guasto Phoebus, der 1347einbuch über die jagd in prosa und versen schrieb, lehrtschon das alter der handschrift. auch passt auf Guasto IIdie beziehung auf die grafen von Cumenje (63, 14) ambesten,daer Eleonore, tochter Bernhards V von Cumenje, zur gemahlinhatte. der dichter erzählt uns, er habe eines tagesineinem palaste sitzend einen jüngling komnen sehen, nachdenklich, ein buch in der hand. dieses, so sprach der jüngling, sei ihm unverständlich, doch möchte er wol nutzen darausziehen, wenn es in seine sprache übertragen würde. eine hehre frau, die im palaste wohnte, hörte den jüngling am thore klopfenund befahl dem dichter, zu öffnen. staunend tritt derjünglingein, von derhoheit der frau überwältigt, inderen spiegel eralle lebenden wesen, die mischung und eigenschaft derelemente,kräuter, steine, metalle, das wesendes meers und des himmelserblickt. sie sprach zu demgrafen : -denn,dies war der eintretende jüngling -ich willdir etwas zeigen, daβambra nochder bienen frucht dir nicht so lieblich dünken wird.sie breitetihren mantel aus undder graf erblickt ihre töchter, die einendie erde nicht einmal mitder sohle berührend, wie der adler imfluge, alle von verschiedener tracht und ansehen. Den grafen,der alles für eine vision hält, überzeugt die frau vonder wirklichkeit dessen, was er erblickt. Er beschreibt uns nun denpalast, der von schönen quadern erbaut auf einemdiamantnengrunde ruht; sechs thürme zieren jede seite, hitze und kälte,sturm, schnee und regen haben freien eingang, dochkeines derelemente schadet. der fuβboden besteht aus goldenen und silbernenquadraten, die von karfunkeln umgeben sind. von grünemjaspis sind die fenster, von saphir die capitäle und das gezweigder säulen von thopas. mitguter wehr versehen ist der grösteder thürme, drinnen hat Augustinseinen sitz. Dionysius ( wolExiguus) besteigt den zweiten, Aristoteles hat die schlüβel zumnächsten, aus dem des lebens quellen strömen. im vierten istSalomos residenz, der die völker zu beherrschen weiβ, den fünften schirmt Vegetius und im sechsten herrscht Tullius (Cicero). im siebenten thurme wird des malens kunst getrieben, imachtenvon der bildung und composition des menschen (physiologie), von den gliedern (anatomie) wird im neunten gehandelt. Hippocrateshat den zehnten sichauserwählt, er stellt die tafel aufund ladetzum eβen ein (diätetik), im folgenden thurme istschutz gegen alle leiden (heilkunde). die astronomie wohnt indem zwölften thurme ; von den bewegungen der zeit(chronologie)wird indem dreizehnten gesprochen, von den elementen in demzunächst folgenden, von der luftspeziell in dem funfzehnten,thurme gehandelt. mit vögeln ist der sechszehnte thurm geschmückt, die art und weise der gewäβer wird in dem siebzehntenbestimmt und von den fischen gehandelt. die erde wirdin dem nun folgenden thurme besprochen. der neunzehnte thurmbelehrtuns über die provinzen (geographie), vom werthe deredelsteine und der metalle handelt der zwanzigste, von denpflanzen der nächste. von den wilden und zahmen thieren, sowie von den schlangen, weiβder zweiundzwanzigste thurm zuerzählen. die namen der farben, speisen und getränke werdenin dem dreiundzwanzigsten genannt, im letzten endlich wird diekunst des gesanges gelehrt. Wir erhalten hier mithin eine artencyclopädie der wiβenschaft. wie die einzelnen gegenständebehandelt sind, kann ausden in meinem lesebuche mitgetheilten abschnitten entnommen werden, von denen der eine der diäletik,der zweite der länderbeschreibung, der dritte der musiklehreentnommen ist. das buch ist die reichste quelle nichtnur fürdie provenzalische sprache, insofern es eine unübersehbare fülle,von seltenen wörtern enthält, sondern auch für die wiβenschaft und den aberglauben des mittelalters, und verdiente als solcheswol eine nähere berücksichtigung, als ihmbisher zu theilgeworden.ichtheile hier noch gelegentlich einen kleinen abschnittüber den magnet mit. bl. 189. De magneta. Yzidori. Magnetaes peyra en color ferrenca, que si troba en Indiaen la regiodels Trogoditas. de fer es activa en tant que de trops anelsfauna cadena el tropas agulhas fa estar penden unaapres l'autra.aytertal atyra veyre fondut. Meza dejusvayshel d'argent o decoyre per so movementsi mouferr pauzatdesobre, et en untemple de gentils fo fayta una emagina de ferr que s'enl(ev)avaque estes per si e l'ayre; talmentla tenio aquelas peyras. Autramaniera de magnetas si atroba en Ethyopia, que fa fugir le ferr.et alcunas autras le tyro d'una partida et d'autra le fan fugir.et on mais es blavenca declinant a verdor, tant es maynobla.E entre marit et molher reforma patz, fa home gracios parlier, cura ydropizia melsa allopicia et arsura. Sa polvera esparsa enquatre angles de mayzo sobre carbo fa apparer als qui sodedinsque caja, per que temo et fuio. etper so layros uzo d'ela.Meza dejuslo cap de femna dorment soptament la mou adabrassar son marit dormen, si es casta, mas autrament pergran espavent la fa cazer del lech. Et quar muda la ymaginacio,d'ela uzo trop en sciencias magicas. plateari. Cauda es et (hs.et es) secca el tres gras et habunda tant en la mar Indica, quenaus claveladas de ferr atyra et las rump. sa polvera val anafras, quar composta ab apostolicona meza desobre atyral ferret en quantitat de doas dragmas polverizada et preza absuc defenolh, val contra ydropizia splenezia et allopicia, quar atyraflecma melancolia segon Avicenna. alberc. Ditz Aristotil que una maniera de magneta es atyrant carns humanas. et auzi diread un curos experimentayre, que l'emperador havia una magneta,la qual el vic soven, que no atyrava ferr, mas ferr atyrava ela.Als anhangauf bl. 289 werden noch mittel gegen kopfschmerzen mitgelheilt, wenn der schmerz von hitze herrührt.
Das in unserer sammlung zunächst folgendeMarienlied(s. 63-71) unterscheidet sich nicht wesentlich von den meistenandern liedern desselben inhaltes. Zwar ist die form prächtigund kunstvoll, die bilder aber sind die allgemein üblichen. dennochschien bei der geringen zahl provenzalischerMarienliederdieser beitrag zum Mariencultus in Südfrankreich der aufnahmenicht unwerth. die form ist dieselbe, in der Guillem Figueirasein heftiges sirventes gegen Rom gedichtet hat. Der dannfolgende 108. psalm (s. 71-75), den ich mit demmehrfachentstellten lateinischen texte, wie er sich in der hs. findet, mittheile, gibt eine probe von der übersetzungskunst in versen. dieübersetzung, die freilich von keiner geschickten hand herrührt,gehört dem vierzehnten jahrhundert an.
Die darauf folgende arlabecca - wie sichdas gedicht (75,23.79,13) selbstnennt- gibt eine schilderung des jüngsten gerichtes,und bei dieser gelegenheit werden mehrere stände derwelt gegeiselt, namentlich die juristen und mediziner. 'jenem,sagt der versaβer, werden seine citate und seine glossen wenighelfen, so wenig als diesem seine pflaster und seine medizin,weder die harnschaunoch die guten gewürze, keine latwergewird ihmfrommen und kein apotheker mitseinen sämereien.' dieschilderung des jüngsten gerichtes selbst schlieβt sichgenau andie biblische erzählung und enthält keine volkstümlichen vorstellungeneingemischt.
Von interesse für die weihnachtsfeier in Südfrankreich istder brief, den Matfre Ermengau, ein minorit in Beziers, an seineschwester schreibt(s. 81-85). es geht daraus hervor, daβessitte war, zuweihnachten sich mithonigkuchen und meth zubeschenken. wer noch ein besonderes geschenk machen wollte,fügte diesen gaben einen gebratenen kapaun bei. dies weihnachtsgeschenk, das der mönch seiner schwester, weil er sienicht selbst besuchen kann, sendet, deuteter nun nach der damalsüblichen weise allegorisch auf das leiden Jesu Christi 2.Sein heiliges blut war der meth, den er uns bei einsetzung desabendmahles gegeben, so wie sein heiliger leib die honigkuchen.Sein leib ist aber auch der kapaun, der am kreuze uns zu liebegebraten und mitder lanze durchstochen ward. die kuchen bukder heilige geist im leibe der jungfrau Maria, indem sich derzucker seiner göttlichkeitmit dem teige unserer menschlichkeitvereinigte. Dort, im leibe der jungfrau, bereitete der heiligegeistauch den meth aus gewürzen und aus wein; das gewürzist die göttliche tugend, der weindas menschliche blut. Auchhatder heilige geistdas ei gesprengt, aus dem der heilige kapaunhervorgieng. des eies dotter war die heilige gottheit, deseiesweiβes unsere menschlichkeit, in die das glorreiche dotter gesetztward. die schale war der leib der jungfrau, das ei brüteteder heilige geistaus, bis es seine hüllezerbrach. dieser kapaunward von den juden gerupft, indem sein haar ihm geraust, seinekleider ihm geraubt wurden. in dieser allegorie, die für unsergefühl eher etwas widerliches und entweihendes hat, die aberfür die charakteristik der zeit doch von interesse ist, geht derbrief weiter. am schluβe fordert Matfre seine schwester auf, denkapaun nicht allein zu verzehren, sondern ihre freunde undfreundinnen einzuladen, und im verein seiner, des strafbarensünders, zu gedenken. 'laβt uns alle mitden engeln singen: ehre und ruhm sei demhöchsten (gloria in excelsis) und friedeauf erden den gläubigen. '
Die drei folgenden gedichte (s. 85-101), nämlichdas sirventes von Bertran Paris von Rovergue, die unterweisung Guirautsvon Cabreira und die darnach gedichtete von Guiraut von Calansonmüβen zusammengefaβt werden, weil sie alle drei denselbengegenstand behandeln. es istein unterrichtfür spielleute (Gordon,Cabra, Fadet), denenausführlich gesagt wird,was in den bereichihrer kenntnisse gehöre. es werden uns bis ins einzelnedie instrumente und deren abarten aufgeführt, die ein jongleurzuspielen verstehen muste. zunächstdie violine (viula). 'duverstehst schlecht zu fiedeln, sagt Guirautvon Cabreira, undnoch schlechter zu singen vonanfang bis zu ende. du weistdein lied nicht zu schlieβen miteiner bretonischen melodie (diebretonischen melodieen hatten eine besondere berühmtheit) ;schlecht hat dich unterrichtet, der dich die finger undden fiedelbogenführen lehrte.'weit gröβer istdie zahlder instrumente,die Guiraut von Calanson dem jongleur zu spielen auferlegt,nämlichdie trommel (99,18 tombar), das taboret, die zither,die mandore (mandoline), das monocord, die rotte mitsiebzehnsaiten, (ein celtisches instrument, das auch in der mittelhochdeutschen poesie sehr häufig begegnet), die harfe, die geige,das psalterium mit zehn saiten, die sackpfeife, die leier unddiepauke. neun instrumente zumwenigsten muste ein jongleur zuspielen wiβen. allein darauf beschränkt sich seine kunst beiweitem nicht. er muste zugleich den tänzer und gaukler machen(88,26), und es scheint, daβhierin besonders die Gaskonenausgezeichnet waren (88,28). er muste verstehen, kleine kugelnmit zwei meβern in die höhe zu werfen, imkreiβe zu drehenund wieder aufzufangen, (eine kunst, die man noch heutzutageauf märkten sehen kann), er muste verstehen, den gesang dervögel nachzuahmen, ferner marionetten zur belustigung mitsichführen und z. b. die erstürmung eines schloβes und ähnlichesdamitaufführen, durch vier scheiben oder reifen springen, fernermuste er zum behuf von allerlei vermummungen einenrothenbarthaben, in den er sich ganz einwickeln konnte, auch einedazupassende kleidung, umdie dumnen leute wahrscheinlich alsgespenstoder teufel verkleidet zuerschrecken. er muste wiβen,einen slock auf den füβen zu balancieren, endlichwie ein affeauf dem seile von einem thurme zum andern zu gehen. Hiermitwären dieleiblichenferligkeiten und künste eines jongleurs erschöpf ; der gröstetheil der in den drei gedichten enthaltenenlehren und der für die litteraturgeschichte interessanteste beschäftigtsichmitden geistigen kenntnissen, die ein jongleur besitzen muβ,ja das erste der drei gedichte ausschlieβlichdamit. es werdenunseine unzahl von epischen stoffengenannt, die jedemjongleurbekanntsein sollen. theils wird ausführlicher auf den inhalt eingegangen,theilswerden nurnamen genannt. es würde hier zu weitführen, litterarische nachweisungen über diese epischen stoffe zugeben, unter denen einige schwer zu enträtseln sein möchten.ich gebe daher im anhange nur ein alphabetisches verzeichnisder narmen, und hebe es für eine anderegelegenheit auf, dienachweisung epischer dichtungen bei denProvenzalenaus dencitaten ihrer dichter mithinzuziehung der epik anderer völkerzu geben. zwar sind schon ein paarmalsolche zusammenstellungengemachtworden, allein keine ist vollständig und die vergleichendennachweise sind höchst unvollkommen. Fauriel, der nocham vollständigsten ist, gibtdie stellen in einem vielfach verderbtentexte.die hauptfrage bei einer derartigen untersuchungwird sein, oballe in den gedichten aufgeführten stoffe wirklichin provenzalischer bearbeitung vorhanden waren, oderob bei derimmergröβeren verbreitung des nordfranzösischen dialektes seitdem 13. jahrhundertnichtviele stoffe bloβin französischem texte umliefen.
Währendfür die kenntnis der poesie und des sängerlebensdie eben besprochenen gedichteeine reiche fundgrube sind, enthaltendie beiden folgendenensenhamens (s. 101-124) unterweisungen für einen anderen stand. das erste gedichtvon Amanieu de Sescas, der aucheine unterweisung für ein fräuleingedichtet hat(gedrucktin meinem provenzalischen lesebuches. 140-148), gibteinemedelknappen verhaltungsmaβregeln, zuerst einige allgemeine, die sich auf conversation beziehen undworin er demknappen empfiehlt, wenn er mitjemandem spreche,nicht unaufmerksam und zerstreut zu sein ; in bezug auf denumgang müβe er jeden verkehr mitübelberüchtigtenmenschen meiden, um nicht gleichfalls in übeln ruf zu kommen. dasäuβere muβstets nett und sauber sein ; wenn auchder rockvon schlechtem tuche ist, so muβer wenigstens einen gutenschnitt haben. in ermangelung eines guten kleides muβzummindesten das schuhwerk, der gürtel, die börse und das meβer nettund schön sein, auch der kopf sei gut bedeckt. besonders istdarauf zu achten, daβdas kleid nicht ein loch oder einen riβ habe. schöne kleider tragen ist keine kunst, wol aber daβdiekleider, die nicht schön sind, ein schönes aussehen haben. somuβein mensch sein, der höfe besucht und herren-und frauendienstsich ergeben will. nun geht er ausführlich auf die verhaltungsmaβregelnein, die bei einem liebesverhältnis zu befolgensind. auch gegen die freunde und verwandten der geliebtenmuβder liebende stets gefällig und artig sein, daβsie in ihrergegenwart gutes von ihm reden, denn das reden hören erzeugtschon liebe, ohne daβman sich sieht. wenn er sie sieht , soll er nicht verlegen sein, sondern ihr seine liebe gestehen, undwenn sie ihn erhört, darf niemand wiβen, was liebes sie ihmgethan. denn wenn es jemand erfährt, zumal die freunde undverwandten, so würden sie einen haβauf ihn werfen, und mitder liebe auch bei andern damen wäre es für immer aus. wenndie geliebte eifersüchtig ist, so soller ihr nicht widersprechen,sondern ihr beistimmen und sich damit entschuldigen, er habenur geträumt. Die zweite wichtige frage neben der wahl einergeliebten ist die eines herrn. ein solcher ist der beste, derseinen und seiner diener guten ruf zu vergröβern sucht. derknappe muβ, so langeer knappe ist, (es ist also von einemjungen mann aus edlem geschlechte die rede, der später ritterwird), sich keinem dienste entziehen und darf nicht stolz sein.ammorgen beim aufstehen und abends beim schlafengehenmuβ er dem herrn behilflich sein, nur wenn dieser mit einer frauzusammen schläft, darf er nicht zu ihmgehen. der knappe soll sich das vertrauen seines herrn zu gewinnen suchen, danndarfer ihn auch auf seine vergehen aufmerksam machen. wenn esnun zum kriege geht, in der nähe oder ferne, so sollder knappeein leichtes rasches ross von etwa sieben jahren haben. dann umgürte er die sporen, die fest sein und wol sitzen müβen,ferner lege er die beinschienen und die übrige rüstung an, dereneinzelne theile aufgeführt werden. vor allen dingen ist dasschwert nicht zuvergeβen ; blank sein muβder eisenhut. desknappen pflicht istes, helm und panzer vor rost zu bewahren. manchmal, wenn er müβig am feuer sitzt, soller seine rüstungin augenschein nehmen, oh da irgend eine spange oder ein nagelfehlt. der knappe muβ, wenn es heiβt : zu den waffen, trachtender erste im sattel zu sein ; dann, so schlieβt der dichter seineunterweisung, werdet ihr ruhm und ehre gewinnen.
In unmittelbarem zusammenhange mit diesem gedichte undwol eine nachahmung desselben ist die darauf folgende unterweisungdes ritters Lunel von Monteg (Moncog? vgl. 131, 15)vom jahre 1326, der, wie es scheint, im besitze der hs. laVall 14 war, die dies und das vorhergehende gedicht einzigenthält.er hatwohl eigenhändig seine nachahmung Amanieusin einen leeren raum der handschrifteingetragen. die stelle115, 36 ff. 'ich hörte sagen, ihr besitzt von Amanieu, der sichden gott der liebe nannte, die unterweisung des fräuleins unddes knappen', kann doch wol nicht anders als auf den besitz einerhandschrift gedeutet werden,die diese gedichte enthielt. dieeinleitung des gedichtes, die bitte des garçon und die erwiderungdes ritters darauf istvollkommen wie in dem gedichteAmanieus. wir haben unter dem garçon nicht einen ritterlichenedelknappen zu verstehen, sondern einen diener geringen standes.die erste sorge ist die wahl eines herrn, bei dem er bleibenkönne, denn leider hört man von den dienern sagen, es seinicht möglich, einen zu finden, der länger als acht lage sichbrauchbar zeige. die rüstung des dieners muβimmer sauber undnettsein. besonders hüte er sich vor müβiggang; er sollfrühaufstehen und sehen, was sein pferd macht, um, wenn es nichtszu freβen hat, ihm neues futter zu geben. wenn es nun anfängt, ein wenig warmzu werden, so soller das pferd aufzäumenund zur tränkeführen, darnach ihm die füβe wol abtrocken.wenner es wieder in den stall geführt, soller ihm das gebiβ abnehmenund ihm ein bund heu in die krippe zum freβen legen.wenn das pferdetwa gröβere arbeit hat, so bekommt es zweimalzu trinken und zu freβen. des ahends soll der knechtnochmalsnach dem pferde sehen, ihmeine gute streu bereiten und genugheu und gerste zu freβen geben. die zügel darfes währendder nacht nicht behalten, denn das ist ihm ungesund. soist diebehandlung des pferdeswährend des winters. imsommer bekommtes etwas öfter zu trinken. im übrigen ist die behandlungdieselbe. abgesehen von diesem eigentlichen berufsgeschäftesind die pflichten eines garçonnochfolgende. vor allemmuβer stolz vermeiden, gegen das gesinde freundlich sein und keinenzank erregen. auch prahlerei geziemt ihm nicht, ebensoweniggeschwätzigkeit. zu meiden hat er schenken und weintrinken, frauen und würfelspiel. er sollsich mit keinem frauenzimmereinlaβen, besonders wenn sie in demselben hause dient. vorallem muβer sich hüten, seine augen auf das weib seines herrnzu richten. des dieners pflicht ist es ferner, den tisch zum eβenherzurichten. an die tafel darf er sich nicht setzen, bis erseinen herrn vollkommen bedient hat. bei tische soller nichtmit den andern viel rath pflegen und kein mürrisches gesichtmachen. ein anderes ihmzukommendes amtist die betten zu besorgen, sie müβen sauber und leicht gemacht sein. Alles wasman ihmaufträgt, muβer ohne murren und widerrede thun undnicht etwa, wenn er wohin geschickt wird, sich damit entschuldigen,er werde sich nicht zurecht finden können. wernn der herr ihmgeld anvertraut, muβer ihm ehrlich rechenschaft geben, wenn dierechnung ihm abverlangt wird. wenn er sieht, daβder herrausreiten will, so ist es seine pflicht, nachzusehen, obam hute oder dem rosse etwas fehlt. er reite seinem herrn zur seite undsuche, wenn dieser traurig ist, ihn durchgespräch aufzuheitern.häufige veränderung der herrschaft ist nicht gut. geschieht aberein wechsel, so darf der diener nachher nicht böses von seinemehemaligen herrnreden. mitdenen, die seinem herrn übelwollen, soller sich nicht einlaβen, er sollvielmehr trachten, zwischen beiden parteien versöhnung zu stiften. wenn es etwasneues zu berichten gibt, soller es fröhlichhinterbringen undniemals mit einer unglückverkündenden miene daherkommen. ,,wenn du das thust, schlieβt das gedicht, so wirstdu das geldbekommen, das jedem guten garçon gegeben wird." nachdemder dichter seine ermahnung beendet, geht er mit dem dienerinsein schloβ, wosie zusammen speisen. Das folgende sirventesdesselben dichters, ebenfalls vom jahre 1326, ist insofern voninteresse, als es ein zeugnis für den nochim 14und selbst im15 jahrhundert(zu Friedrichs III zeiten) gehegten gedanken ist,das heilige land durch einen kreuzzug zu befreien.
Die zwei kurzen liederGuillems von Berguedan (s. 126-127)sind ein kleiner nachtrag zu Kellers ausgabe dieses dichters unddurchihreninhalt von culturhistorischem interesse. Die hierauffolgende abtheilung (s. 127-144) bilden meist lyrische gedichte, voranein liebesbrief Raimons von Miraval. die tenzone(s. 134-136), die über den vorzug vonja und nein handelt,mag als probe mittelalterlicher dialektik gelten, wieüberhauptdiese dichtungsartspitzfindigkeit und scharfsinn zur schau trägt.
Die erzählung Raimon Vidals (s. 144-192), die gröstentheils über den verfall der dichtkunsthandelt und indie derdichter episodisch eine kleine novelle (s. 152,27-157,6)eingeschaltet, ist, so wichtig auchfür die geschichte der provenzalischen poesie, doch von zuwenig allgemeinem interesse,um ein näheres eingehen auf den inhalt wünschenswert zumachen. sie gibt uns, so zu sagen, die äuβere geschichte derprovenzalischendichtkunst, zumal ihrer förderung von seiten dergroβen und des adels. es wird eine bedeutende anzahl von gönnernder troubadours namhastgemacht, unter denen die berühmtestenfürsten jener zeit, zumal Heinrich IIvon England mit seinendrei söhnen Heinrich, Richard and Gottfried, ferner könig Alfons II von Aragonien, kaiser Friedrich I und viele andere. die namensind in dem hinten beigefügten register alle aufgeführt. Für diezeit, in der Raimon Vidal dichtete, geht aus diesem gedichtehervor, daβer vomanfange des 13. jahrhunderts bis nach dermitte lebte und schrieb. er sagt selbst, daβer von Friedrich I,Heinrich IIund seinen söhnen nur durchhörensagen wiβe , mithin, da Richard I von England 1199 starb, fällt Raimon Vidalkeinesfalls mehr in das zwölfte jahrhundert.
Das folgende stück unserer sammlung (s. 192-215), dasdie handschrift Seneca betitelt, wiewol es nach dem gedichteselbst (215,16) eher ,,der weise" heiβen müste (also eineübersetzung des liber sapientiae von Salomo, dender dichterunter den von ihm benutzten quellen (214,28) nennt, enthältlebensweisheitin kurzen sprüchen, gowöhnlichzu zwei auf einander reimenden zeilen. neben Salomowerden als benutzte quellenSeneca und Cato (214,27) genannt. es reiht sich also diesespruchsammlung an die durch alle sprachen des mittelalters gehendensammlungen an, in denen das mittelalter seine lebensweisheit niederlegte.wir dürfen voraussetzen, daβ viele der hierin enthaltenensprüche im mundedes volkes lebten und vomdichter zuseinersammlung benutzt wurden. es wäre wol interessant, in einevergleichung dieses provenzalischen Seneca mitdem deutschenFreidank und den sprüchen des Cato einzugehen. ' Wie vonder sonne der strahl ausgeht, so beginnt unser gedicht, so entspringtdie weisheitvon gott und beherrscht die welt. ohne siehatgott nichts vollbracht, mit ihrer hilfe schuf er die vierelemente, die planeten und die winde’u. s. w.
Das leben der heiligen Enimia (s. 215-270), das bisher nurbruchstückweise gedruckt war, theile ich vollständig nach der einzigenhandschriftmit. es isteine bearbeitung nach dem lateinischen,die ein gewisser meister Bertran von Marseille auf antrieb despriors des klosters ( wahrscheinlich der heiligen Enimia) zum nutzund frommen derer, die des lateins nicht kundig, unternommen.es mag wegen des etwaigen historischen interesses der legende,die mitdem fränkischen königshause imzusammmenhange steht,freilich jedoch mehr locale bedeutung für die südfranzösischen,doch zu der zeit, in der die legende spielt, von deutschenstämmen bewohnten gegenden hat, nicht überflüβig erscheinen,einen gedrängten prosaauszug zu geben. Clodoveus, könig derFranken, dersohn Dagoberts und enkel Clodwigs, des Frankenkönigs, der zuerst die taufe genommen, war wie seine väterein frommer christlicher herrscher. seine gemahlin hieβAstorga.sie hatten zwei kinder, einen sohn und eine tochter; dersohn hieβnach dem groβvater Dagobert, die tochter Enimia.diese war von ausgezeichneter schönheit, so daβvon nahundfern die edlen des reiches kamen, sie zu sehen. sie aber warnicht stolz auf ihre schönheit, sondern diente in ihrem herzen gottallein. ihre gröste lust war, denarmen zu speisen und zutränken und den dürftigenzu kleiden. sieselbst verschmähte purpur und zindel und gieng in schlechtem gewande einher. Alssie nun groβ geworden, wurde sie von vielen herren des landeszum weibe begehrt. ihrer eltern wahl fiel endlich auf einenreichen hochgeehrten undschönen ritter. als sie der tochter ihren entschluβmittheilten, erwiderte diese, sie begehre keinenandernbräutigam, als JesumChristum. allein darauf hörte ihrvater nicht,sondern er lieβnoch denselben tag den palastzurhochzeit festlich schmücken. Im gebet brachte Enimia die nachthin, gottmöge sie vor der lust der erde bewahren. und gotterhörte ihre bitte, er nahm ihr ihre schönheit undbehaftete siemit demaussatze. groβe wehklage erhub sich, als man amandem tage die veränderung der jungfrau sah. der könig lieβallerärztekunst aufbieten, doch vergebens. Nach längererzeil erschien gottes engel der jungfrau und verkündete ihr, siewerde durcheine quelle in Gevaudan, namens Burla, ihre krankheit verlieren. die frohe botschaftbrachte Enimia amandernmorgenihren eltern und ihrem bruder Dagobert. ein stattlichesgefolgewird ausgerüstet, um sie zu begleiten. Nach vielentagereisen kamensienach Gevaudan, überall erkundigtesichEnimia nach der quelle. während sie einmal an der straβefragt,kommt eine frauhinzu und forscht, was die jungfrau suche, dieihr von hohem stande zu sein dünke. Enimia bedenkt zuerst,obsie ihr die botschaftmittheilen solle, allein indem vertrauen,daβ gott ihr diese frau gesandt, sagt sie, sie suche die quelleBurla. die frau sann eine weile nach und erwiderte, sie kennekeine quelle dieses namens, doch sei in der nähe ein heilsamer born, zu dem von fern und nah die kranken zur genesung wallfahrteten. Enimia, noch zweifelhaft , obdies die ihr hezeichnetequellesei, gebietetihren gefährten, dort lager aufzuschlagenund zu übernachten. In der nacht geht Enimia still hinaus undwirst sich zur erde nieder, gott umgewisheit zu bitten. alssiehieraufsich zur ruhe begibt, erscheint ihr der engel mit derkunde, dassei nichtdie verheiβene quelle, denn es zieme nicht,daβsiein einer quelle bade, die menschenhände gemacht hätten.Fröhlich brach amandern morgen Enimia auf. doch an derstätte der erscheinung ward später eine kirche ihr zuehrengebaut. Nach langer reise kamen sie endlich in ein tiefes wildes thal, das der fluβ Tarn bildete. während sie durch felsen undgebüsch sich ins thal durcharbeiteten (denn damals war dortweder straβe noch steig) hörten sie hirten schreien, die nachverlaufenen kühensuchten, und vernahmen, wie einer einemandernzurief: hastdu sie vielleicht gesehen ? worauf diesererwiderte: ich glaube, sie sindzur quelle Burla gelaufen, umzutrinken. Als Enimia dennamen hörte, sprachsie : nun laβtunseilen, daβwir die hirten erreichen. vor dem anblick der ritterentfliehendie hirten, allein jene rufen ihnen zu, zu bleiben.inzwischen war auch Enimia nachgekommen und versprach demgroβen lohn, der ihr die quelle Burla zeige. sie wird dahingeführt. wir erhalten bei dieser gelegenheit eine ausführlicheund genaue localbeschreibung der quelle und der nächsten umgebung,wonach sich voraussetzen läβt, der bearbeiter derlegende habe inunmittelbarer nähe der quelle, wol in demdortgegründeten kloster, gewohnt. In brünstigem dankgebetewarf sich Enimia zur erde, mithilfe einer dienerin, die bei ihr geblieben, entkleidet und wäscht sie sich dreimal in der quelle.und siehe, die jungfrau ist rein und schön wie zuvor. der verfaβerberichtet bei dieser gelegenheit von mehreren wundern, daβderfels sich über ihr gespaltenund sie von oben bespült, undebenso nachgiebig einen sitzfür sie geschaffen habe, was beidesnoch zu sehensei. Fröhlich machen sie sich non auf den heimweg, allein kaum sind sie eine strecke weit geritten, als dasübel wiederkehrt. wehklage erhebtsichunter den gefährten.Enimia verzagt undhadert mit gott. am andern morgen kehrensie nach der quelle zurück. dort wo die jungfrau sich selbstleid ward (se desdenhet) ob ihrer krankheit, ward ein häuschengebaut, das den namen Denhas erhielt. wiederum badet sieinder quelle und wird heil, allein kaum habensie aufdemrückwegedas haus Denhas passiert, als die krankheit sich wiedereinstellt. da fieng die jungfrau an, zu bedenken, es möchte wolgottes wille sein, daβsie immer bei der quelle bliebe. An demorte, wo sie zum zweiten male von demübel entzündel (abrazada)ward und wo ihr dies bedenken (pessar) kam, wurden zweihäuser, namens Branede und Pessada, gebaut. Enimia kehrt zumdrittenmale zur quelle undauch diesmal zeigtdiese ihre heilendekraft. darauf beruft sie ihre barone und frauen, und theilt ihnenihren entschluβmit, da bleiben zu wollen, stellt aber zugleichjedem frei, nach belieben bei ihr zu bleiben oder nach Frankreichzurückzukehren. nur wenige wählten das letztere, um daswunder gottes dort zu verkünden. Enimia besichtigte nun dieumgebung und entdeckteeine kleine grotte, in der ein brünnleinentsprang. dortbeschloβsie zu wohnen, mit ihr eine einzigejungfrau, ebenfallsEnimia geheiβen. die übrigen bauten sich imthale des Tarn an, und wurden verpflichtet, ihr täglich nachrichtvon ihrem ergehen zu geben. bald verbreitete der ruf ihrerheiligkeitsich in Gevaudan; kranke kamen hilfesuchend zu ihrund wurden geheilt, sogar das todte kind einer frau, namensMurta, ward durch ihr gebet zum leben, erweckt. die wunderübergehe ich. Enimia wollte Maria zu ehren ein kloster bauen,allein ein drache hinderte sie in ihrem frommen vorhaben. durchhilfe eines bischofs (die legende fügt hinzu, daβdas bistumdamals in Gavols gewesen und später nach Memde verlegt worden)namens Yli (Gili, Aegidius) wird der böse feind überwunden.Enimia wird zur äbtissin des klosters vom bischofgeweiht, das kloster bekommt von allen seiten reiche schenkungen.auch Clodoveus, der von dem rufe seiner tochter hörte, gabdem kloster alles, was darum lag, zu eigen. Als Enimia durchgöttliche kundgebung fühlte, daβihr ende nahe sei, berief sie den convent und verkündete ihm ihren baldigen tod, zugleichdaβihre ebenfalls Enimia genannte begleiterin auch bald sterbenwerde, und befahl, das grab derselben über dem ihrigen zu errichtenund den namen Enimia nur auf das obere grab zu setzen.wie sie es verkündet, traf alles ein und ihr wunsch wurde befolgt. Nun starb auch Clodoveus, und Dagobert folgte ihm in der regierung. dieser, der besonders darauf bedacht war, daskloster S. Denis zu ehren, lieβalle reliquien, die er aufbringenkonnte, dahin zusammentragen. nun dachte er auch daran, diesterblichen überreste seiner schwester nach S. Denis zu verpflanzen.er kam in das von ihr gestiftete kloster, und erklärtetrotz des jammers der nonnen, er sei entschloβen, die reliquienEnimias ihnen zuentführen. in die kirche eingetreten zweifelter beim anblick beider monumente, welches das rechte sei, alleinder name Enimia , sowie der umstand, daβdas damit geschmücktegrabmal oben war, teuschten ihn. die klosterfrauen, erfreut überseinen irrtum, geben doch ihre freude nicht zu erkennen, sondern jammern laut. Dagobert verheiβtihnen zumersatz reiches gut und nimmt die gebeine der falschen Enimia mitsich. Nachvielen jahren, nachdem die nonnen ausgestorben, wurde einmönchskloster an derselben stelle erbaut.unter den mönchenwar ein besonders frommer, namens Johannes. diesem erschien gottes engel im traume und entdeckte ihm, wo der heiligenEnimia gebeine ruhten. der mönch hielt das ganze für ein trugbilddes teufels, da er, wie alle andern, fest überzeugt war,die reliquien seien in S. Denis. allein auf mehrfachwiederholte erscheinung des engels, der ihn seines schweigens halber zürnendanredet, entdeckt Johannes dem convente die vision. unter hinzuziehungdes bischofs von Memde wird das bezeichnete grabgeöffnet, und ein köstlicher daraus hervorströmender duft, derkranke aller art heilt, bestätigt die wahrheit der vision. Esgeht aus der ganzen darstellungsweise hervor, daβdie legendein dem mönchskloster gedichtet und wesentlicheine tendenz damitverbunden ist, nämlich zu zeigen, daβdie reliquien derheiligen nicht nach S. Denis gebracht worden seien. zudiesemzwecke scheint die erzählung von den beiden Enimien erfundenzu sein, sowie der befehl der sterbenden heiligen, ihr grab unterdas der begleiterin zu setzen, gleichfalls aus diesem grunde hinzugefügtist.
Die legende von der kindheit Jesu (s. 270-305) ist auslateinischen, deutschen und französischen bearbeitungen hinlänglichbekannt. die darstellung des provenzalischen bearbeiterszeichnet sich in poetischer hinsicht keineswegs aus; umsowichtiger istdas gedicht in bezug auf die sprache, schon durchdie vielfache mischung mit nordfranzösischen elementen. dieeinzelnen geschichten sind die allgemein bekannten von der verfertigung der vögel aus lehm, vom spazieren auf den sonnenstrahlenu. s. w. manche darunter indess in eigentümlicherdarstellung und sonst nicht vorkommend.
Zum schluβbabe ich einige prosastücke beigefügt, unterdenen als beitrag zur mittelalterlichen rätseldichtungder s. 306-310 gedruckte ,,episcopus" hervorzuheben sein möchte; sowiedas folgende stück (s.310-314) ‘die offenbarung, diegolt dem heiligen Paulus und Michael von den qualen derhölle gab' uns die phantasie der mittelalterlichen völker indiesem puncte besonders reich und erfinderischzeigt. Faurielhat auf die bedeutung dieses stückes in seiner histoire de lapoésie provençale (1, 260-262) hingewiesen. die darstellungerinnertstellenweise an Dante; das ganze durchdringt ein geistder erhabenheit, der sonstselten bei den Provenzalen zufinden ist. zu dem darauf folgenden stücke ‘die heilkraftdes heiβen waβers' (s. 314-315) bemerke ich nur, daβeinganz ähnliches werk sich in der königlichen bibliothek zu Madridbefindet (vgl. Pertz, archiv 8, 771), A, 115. perg. aus dem13-14. jahrhundertAquestes son les virtutes de la ygna (liesde l'aygua) ardent: primierament de conservament de cabeylsque non tornen blancs, also in catalanischer sprache.
Über die behandlung der texte babe ich nur weniges hinzuzufügen.soviel als möglichwollte ich treue abdrücke liefern, in denen auch die orthographie der einzelnen benutztenhandschriften beibehalten wurde. abweichungen sind in den lesartenangegeben. ergänzungen, die notwendig schienen, sinddurch runde klammern bezeichnet, worte, die in der handschriftstehen, aber überflüβig sind, durch eckige klammern eingeschloβen.die anmerkungen, kritischer art, sollen nur die schwierigerenstellen besprechen, deren behandlung bei den lesarten zuweit geführt hätte.
Nürnberg den 17 november 1856.
Karl Bartsch
Anmerkungen
1. com d’Evelli 56,14. oder ist de Velli zu lesen? Aber welcher graf ist gemeint? Vermutlich graf Karl von Valois, der schwiegervater von Roberts bruder Philipp.(↑)
2. man vergleiche damit die deutsche predigt vom geistlichen faβnachtskrapfen im anseiger.(↑)
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