DER TROBADOR UC BRUNEC (ODER BRUNENC).
In den liebenswürdigen „Troubadournovellen”, die bald im Anschluſs an die provenzalisch überlieferten Lebensnachrichten, bald in freiem Flug der Phantasie Abenteuer berichten, in deren Mittelpunkt einer der mittelalterlichen Dichternamen Südfrankreichs steht, erzählt Paul Heyse auch die anmutige Geschichte vom schwarzlockigen, frühverwaisten Knaben Uc Brunet, der an der gelähmten, doch zugleich schönen und klugen Schwester des Grafen Ademar von Béziers eine Gönnerin gewann und dem die Liebe zu ihr die Lehrmeisterin der Dichtkunst ward. Wohl finden die süſsen jungen Klänge den Weg zum Herzen der vereinsamten edlen Dame; aber in langem Leiden geübt im Kampf mit sich selbst, widersteht sie der Lockung und sendet den Jüngling hinaus in die Welt, auf den Weg zu ritterlicher That und Dichterruhm.
Viel weiter als in anderen seiner Novellen entfernt sich Heyse in dieser Erzählung von dem Inhalt der provenzalischen Lebensnachricht des Trobadors. Diese weiſs nichts von Uc’s Liebe zu einer Beatrix von Béziers, vom Grafen Ademar noch von der späteren Gönnerschaft des Grafen von Foix. Der Name Brunet allein scheint in des Dichters Phantasie das Bild des dunkelhaarigen Jünglings hervorgerufen zu haben und Ausgangspunkt der Novelle geworden zu sein. Es ist darüber mit dem Dichter nicht zu rechten, der von der ihm zustehenden Freiheit Gebrauch gemacht hat; wohl aber würde seine Phantasie, hätte sie gewollt, auch einer anderen Straſse haben folgen können, die der provenzalischen Biographie näher blieb. Denn auch sie spricht von einer unerwiderten Liebe, die in das Lebensschicksal des Dichters bestimmend eingegriffen hätte, freilich nicht um ihn in die Welt hinaus, sondern um ihn fort von ihr in den Frieden des Klosters zu führen.
Die Lebensnachricht wird uns in zwei mehr in der Form als im Inhalt abweichenden Gestalten überliefert:
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Hdss. A 117 (De Lollis p. 362), B (De Lollis p. 698), E p. 199, I 102, K 86, a 35.
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RIb.
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N’Uc Brunetz si fo de la
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Uc Brunenc fo de Rodes,
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ciutat de Rodes, q’es de la seig-
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e fon clergues, e apres be le-
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noria del comte de Tolosa. E
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tras e saup ben trobar. Sub-
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fon clergues, et amparet ben le-
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tils homs era mot e de gran
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5
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tras, e de trobar fo fort sotils,
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sen natural. E fes se ioglars
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e de sen natural. E fetz se
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e fes motas de bonas chan-
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ioglars, e trobet bonas chanssos ;
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sos. E anet ab lo rey n’An-
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mas non fetz sos. E briguet ab
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fos d’Arago e ab en B. d’An-
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lo rei d’Aragon et ab lo comte
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duza et ab lo dalfi d’Alvernhe.
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10
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de Tolosa et ab lo comte de
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E entendec en una borzeza
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Rodes, lo sieu seignor, et ab en
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d’Orlhac, que avia nom ma-
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Bernart d’Andusa et ab lo Dal-
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dona Galiana ; mas ela non
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fin d’Alvernge. Et entendet se
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lo volc amar ni retener ni far
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en una borgesa d’Orllac, que
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negun plazer endreg d’amor,
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15
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avia nom madompna Galiana ;
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e tan que ela avia fag son
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mas ella no·l volc amar ni re-
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drut del comte de Rodes, e
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tener ni far negun plazer d’amor ;
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donet comiat a n’Uc Brunenc.
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e fetz son drut lo comte de Rodes
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E adonc n’Uc, per la dolor
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e det comiat a n’Uc Brunet. E
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que el n’ac, mes se en l’orde
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20
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donc n’Uc Brunetz, per la dolor
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de Chartressa, et aqui el muri.
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q’el n’ac, se rendet en l’orden de
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(E aysi trobares de sa obra:)
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Cartrossa, e lai el definet.
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1. Nunc K; brunenc E, brunecs I, brunes K, brunec a; si fehlt B 2. ques te de la s. E 4. fon] fi a; clerge EIK; a.] apres E; l. bis sotils] l. e fon sotils hom de letras AB 5. f. f. s. fehlt a 7. ioglar EIKa ; cansos bonas EIK 8. br.] anet E; ab] com (so auch Z. 10 und 11) IKa 9. et ab lo c. bis seignor fehlt E 11. R.] rosa I 13. daluerna IK, da ueragne a; se fehlt Ea 14. bergera a; dorlac EIK, dorliac a 16. uol I 17. far li AB, far con lui a; d’a. fehlt EIK 18. lo] del E 19. det] de IK; brunenc E, brunec IKa; E fehlt EIK 20. donc fehlt ABa, don E; dont IK; nucs A; brunenc E, brunecs IK, brunec a 21. se] si se AB; a lo. E 22. cartosa AB, strosa E, strossa IK, chartessa a; defina a.
Gleich bei den ersten Worten tritt uns eine verdrieſsliche Schwierigkeit entgegen. Wir werden in die Lage versetzt uns zwischen drei dem Dichter beigelegten Namensformen zu entscheiden; und die Entscheidung wird uns nicht leicht fallen. Das zwar scheint sicher, daſs der Trobador nicht Brunet geheiſsen habe, denn diese bis jetzt fast allgemein angenommene Namensform findet sich nur in den Hdss. AB (nicht in den nahe verwandten IK) und im Text des Breviari d’Amor, wie ihn Azaïs herausgegeben hat. Dagegen sind die Formen Brunenc und Brunec, hier und wo sonst in den Hdss. des Dichters Name begegnet, gleich gut bezeugt (1) und keine von ihnen ist ohne weiteres zurückzuweisen. Der Name Brunenc, germanischer Bildung natürlich, kommt in Südfrankreich vor; (2) und wenn ich Brunec nicht, und im besondern nicht für Rodez, die Vaterstadt unseres Dichters, nachweisen kann, (3) so sind Namen auf -ec doch auch in Südfrankreich keineswegs unerhört (4) und können die Erklärung ihrer Bildung von verschiedener Seite her finden. Ob in Südfrankreich selbst von brun aus ein brunec gebildet werden konnte, mag bei der Seltenheit und der Unklarheit der Bildungen auf -ec (Diez II 306) zweifelhaft erscheinen, und auf bretonische Herkunft wird man für diese frühe Zeit verzichten wollen. Näher läge für die Heimat des Dichters schon Spanien, wo die Suffixe -eco, -eca Verbreitung gefunden haben (Diez a. a. O. und jetzt Meyer-Lübke, Rom. Gram. II 542) und wo uns auſserdem -ego (Diez II 307, Meyer-Lübke II 455) für die Erklärung zur Verfügung steht. Aber auch auf germanischen Ursprung läſst sich die Namensform zurückführen: Brunig, -nic, -nico (mit kurzem i) werden von Foerstemann I 284 seit dem 8. Jahrhundert vielfach belegt, und zwar scheint -ig eine Nebenform von -ing sein zu können, welches prov. -enc wird, so daſs prov. -ec neben -enc wie germ. -ig neben -ing stehen könnte. Weniger wahrscheinlich ist mir ein Zusammenhang mit den zahlreichen germanischen Ortsnamen Bruneck, Brunegg u. s. w., die ebenfalls sehr alt sind und von denen wohl wiederum die Personennamen Bruneck herstammen.
In den Dokumenten seiner Vaterstadt, die uns über die richtige Namensform Aufschluſs geben könnten, scheint der Dichter nicht vorzukommen. Zwar hat man ihn mit einer der beiden Familien Brunet, die in Rodez eine gewisse Rolle gespielt haben, in Verbindung gebracht. Nicht in Betracht kommt die Familie Brunet de Privezac, die erst seit moderner Zeit bekannt ist (Barrau IV 324). Dagegen erscheinen die Brunet de Castelpers-Panat schon seit dem 12. Jahrhundert. Ein Pierre de Brunet ist Zeuge i. J. 1165, ein Guilhermus de Brunet wird 1191 genannt (Vaissette VIII 412). Dieser Familie weist Barrau (I 711 und ihm folgt Gaujal IV 253) den Dichter zu, indem er sich auf Bonal beruft. Ich habe bei Bonal (geb. 1548; sein Comté et Comtes de Rodez ist 1885 herausgegeben), der in dem was er von unserem Trobador erzählt (S. 116), auf Nostradamus’ ganz unzuverlässigen Angaben beruht, nichts über das Geschlecht des Dichters gefunden; daſs Uc der genannten Familie zugehöre, hat Barrau gewiſs nur aus dem Namen Brunet geschlossen, und wir haben gesehen, wie es mit der Sicherheit dieses Namens bestellt ist.
So lange nicht etwa aus noch ungedruckten Dokumenten etwas über des Dichters Namen bekannt wird (oder soweit mir nicht etwas Gedrucktes entgangen ist), werden wir zu voller Sicherheit über den Namen des Dichters nicht gelangen. In den Hdss. konnte durch Hinzufügung oder durch Weglassung eines Striches über dem e ebenso leicht Brunenc aus Brunec, wie Brunec aus Brunenc entstehen. Gröſser war wohl die Versuchung die ungewohnte Endung -ec durch die übliche -enc zu ersetzen, und da die wichtigen Hdss. HIK die erste Form haben und auch Brunet in AB auf sie zurückführt, scheint doch die Form Brunec die gröſsere Wahrscheinlichkeit für sich zu haben, und ich werde mich ihrer bedienen.
Da sich unseres Wissens, wie gesagt, aus historischen Dokumenten nichts für die Biographie des Dichters gewinnen läſst, sind wir für die Kenntnis seines Lebens auf das Wenige angewiesen, was sich aus seinen Liedern und aus der provenzalischen Lebensnachricht ergiebt. Welches aber ist denn der Wert dieser Nachricht, da doch immer mehreren von diesen Biographien jede historische Bedeutung abgesprochen wird?
Was die Biographie Uc’s erzählt, ist zu wenig romanhaft, als daſs sie von vornherein in den Verdacht novellistischer Erfindung oder sensationeller Zurechtstutzung geraten sollte. Sie berichtet in trockener Weise von dem ursprünglichen geistlichen Stand des Dichters, zählt die Namen seiner Gönner auf und spricht von einem Liebesverhältnis in solcher Art, daſs man hier wohl den Keim einer novellistischen Erzählung finden könnte, nicht aber eine solche selbst. Freilich aber ist diese gedrängte, nur in groſsen Zügen sich bewegende Art des Erzählens die Eigenheit auch solcher Biographien, die man als Erzeugnisse der Phantasie mit Sicherheit ansehen darf. Wenn sich Biographien wie die des Guilhem de Cabestanh oder die Erweiterung der des Richaut de Berbesiu schon in gröſserer Breite ergehen, so giebt die Biographie Jaufre Rudels, die wir doch jetzt als fast gänzlich der Dichtung entsprungen ansehen dürfen, kaum mehr als die notwendigsten Umrisse, und gerade in dieser schmucklosen, chronikartigen Darstellung liegt ein eigener Reiz dieser kleinen Erzählung.
Die Dürre des Berichtes also stellt uns keineswegs genügende Bürgschaft für seine Vertrauenswürdigkeit. Und wenn unser Miſstrauen einmal rege geworden ist, wird es auch hier einigen Anstoſs finden. Vielleicht erscheint schon der Name der vom Dichter geliebten Dame bedenklich. Nicht daſs dieser Name: Galiana, an sich unwahrscheinlich wäre. Die nordfranzösische Form Galienne ist bekannt genug, und wenn ich in Südfrankreich vergeblich nach ihm gesucht habe, begegnet doch die männliche Form Galian dort noch jetzt. Aber die Dame hat die Hoffnungen des Dichters getäuscht, sie hat, statt ihn zu belohnen, den Grafen von Rodez zu ihrem Drut gemacht, so daſs der Dichter, mit freier Etymologie des Namens, wohl von ihr hätte sagen können, daſs sie eine Galiana sei. Doch um bei der Wahrheit zu bleiben, dürfen wir, wenn wir die Dame des Trobadors eines trügerischen Herzens beschuldigen, dies wohl nach der Schilderung, die Uc uns von der Koketten in seinen Liedern entwirft; aber nichts beweist uns, daſs die hier besungene Dame jene Bürgerin von Aurillac gewesen sei. Jedenfalls erzählt uns die Biographie nichts von trügerischen Hoffnungen, die sie dem Dichter erregt hätte, und so konnte der Erzähler nicht veranlaſst werden den Namen zu erfinden. Das Vorhandensein dieses Namens, der aus den Gedichten Uc’s nicht zu entnehmen war, könnte so vielleicht gerade beitragen der Biographie Glaubwürdigkeit zu sichern. Aber das Ende des dort erzählten kleinen Romans steht übel im Einklang mit dem was wir sonst erfahren. Daude de Pradas hat ein Klagelied auf den Tod seines Freundes Uc gedichtet, in welchem er Solatz und Amor auffordert den zu betrauern, per cui valia Solatz e cortesia, Chans e deportz, iois e merces und der der Herold Amors gewesen sei. Man gewinnt hier durchaus den Eindruck Uc wäre mitten aus dem Leben heraus, nicht aus dem Kloster, vom Tode hinweggerafft worden. Es ist dies fast der einzige Punkt der Biographie, über den wir wenigstens eine Art von Kontrolle ausüben können, und da hier die Erzählung nicht mit der Wahrheit übereinzustimmen scheint, wird unser Vertrauen auch dort erschüttert, wo Anlaſs zum Miſstrauen sonst nicht vorliegt. Übrigens geht uns nicht viel damit verloren, denn kaum etwas anderes ist bemerkenswert in der Biographie als der Umstand, daſs man sich erzählte Uc habe einer Bürgerin seine Huldigungen dargebracht.
Daſs Uc aus Rodez war, wenigstens in engen Beziehungen zu dieser Stadt stand, geht sowohl aus den letzten Strophe und dem ersten Geleit des Liedes Pus l’adrechs temps ve chantan e rizen hervor, die an Rodez und an seinen Herrn, den Grafen Wilhelm gerichtet sind, als aus dem ersten Geleit des erwähnten Klageliedes, wo Rodez zur Trauer über den Dichter aufgefordert wird. Jener Graf Wilhelm ist der einzige, den wir durch die Gedichte Uc’s von seinen Gönnern mit Sicherheit kennen lernen, und durch ihn gelangen wir zu einer ungefähren Feststellung der Lebenszeit des Trobadors.
Wenn Uc v. 54–56 dieses Gedichtes sagt:
E Dieus do·l en bona via tener,
de força en cor e de cor en poder,
si que·ls ricx faitz de pretz puesca eritar,
so scheint es als spreche der Dichter zu einem jungen Mann, dem er die Thaten seiner Vorfahren als rühmliches Erbe vorhalten will. Wilhelm kann auch bei seinem Regierungsantritt (1196) nicht alt gewesen sein. Im J. 1176 spricht Hugo II. von Rodez in seinem Testament von fünf Söhnen, als deren letzter Wilhelm genannt wird, „dont il laisse l’éducation aux soins du prévôt, oncle de ce fils" (Devic et Vaissette² VII 31). So ist Wilhelm 1196 also freilich über zwanzig Jahr alt gewesen, aber kaum oder sehr wenig über dreiſsig. Das Gedicht aber scheint bald nach seinem Regierungsantritt geschrieben zu sein. Nun geht aus dem Lied hervor, daſs Uc seinerseits bei dessen Abfassung nicht jung war. Er sieht auf eine, scheint es, nicht kurze Erfahrung zurück (v. 33 ff.). So werden wir annehmen, daſs die Blüte seines Lebens vor 1196 fällt, d. h. daſs sie dem letzten Viertel des 12. Jahrhunderts angehört, der Zeit der glänzendsten Entfaltung provenzalischer Dichtkunst. Sein erster Gönner wäre dann Hugo II. (1156–95) gewesen. Bernart d’Anduza, den die Biographie nennt (vielleicht in Anlehnung an Pus l’adrechs temps v. 61), war Gönner (auſser des Gaucelm Faidit, des Guilhem de Balaun etc.) des Pons de Capduelh, lebte also um die genannte Zeit, starb aber erst gegen 1233. Der Delphin von Auvergne regierte 1169–1234. Daſs auch er ein Gönner Uc’s gewesen sei, erfahren wir nur aus der Biographie. Sie nennt auſserdem noch den König von Aragon (dem Hds. R den Namen Alfons giebt; es wäre dann Alfons II. 1162–96, der wohlbekannte Freund der Trobadors), die meisten Hdss. auch den Grafen von Toulouse, der Raimon V. (1148–94) oder Raimon VI. (1194–1222) wäre. Wenn Nostradamus (p. 69) unseren Dichter im J. 1223 sterben läſst (und so nach ihm noch Gaujal), so werden wir – bis etwa eine Grundlage für eine so bestimmte Datierung zum Vorschein kommt – dieser Angabe ebenso wenig Wert beimessen wie im übrigen der Erzählung des Nostradamus, der auch hier die provenzalische Lebensnachricht teils miſsversteht, teils nach eigener Phantasie ergänzt.
Die litterarische Hinterlassenschaft Uc’s besteht für uns aus sechs Liedern. Bartsch kennt deren sieben, aber dasjenige, welches beginnt En est son fas chansoneta novelha, können wir unserem Dichter mit Sicherheit absprechen. Von den zwei Hdss., die es enthalten, schreibt es C dem Uc Brunenc zu, M nennt Pere de Blai als Verfasser, das Register von C Peire de Brau. So stehen zwei Zeugnisse gegen Uc dem einen für ihn gegenüber. Die ganze Art des Gedichtes spricht aber gegen Uc; so werden wir aus dem sonst unbekannten Namen Brau erklären dürfen, daſs Brunenc als Verfasser genannt wird.
Von den sechs Liedern gehören drei (Ab plazer, Ara·m nafron, Cortezamen) der erotischen, drei (Cuendas razos, Lanquan, Pus l’adrechs temps) der moralischen Dichtung an. Über die Reihenfolge, in der die Gedichte entstanden sind, wird es schwer sein Gewisses zu ermitteln. Es ist eine interessante Frage, ob die Hdss. oder deren Vorlagen irgend ein bestimmtes Prinzip in der Anordnung der Gedichte befolgt haben. Mit Ausnahme der engverwandten IK bringt jede Hds. die Lieder in anderer Reihe als die andern. Wohl aber scheint durch die Anordnungen mehrerer Hdss. eine gemeinsame zu Grunde liegende Reihenfolge hindurchzuschimmern :
A
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D
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F
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G
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H
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IK
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M
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N
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Q
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R
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S
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T
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U
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4
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1
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4
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4
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4
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4
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2
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6
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2
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4
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3
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2
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4
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3
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6
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2
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6
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6
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6
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6
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3
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5
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3
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6
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4
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4
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3
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4
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5
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4
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3
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3
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2
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5
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1
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3
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1
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2
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6
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6
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6
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6
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1
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3
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5
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1
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2
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4
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4
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6
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2
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3
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5
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2
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6
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1
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2
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3
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6
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5
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5
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2
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3
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5
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2
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1
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5
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4
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1
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Die Hds. A hat dieselbe Folge wie H bis auf die Umstellung von 1 (1 2 3 gegenüber 2 3 1) und abgesehen davon, daſs 4 in H von den anderen Liedern getrennt steht. Die Ordnung von H findet sich dann wieder in IK, aber so, daſs 2 3 1, die in H als letzte stehen, dort die ersten sind. Es scheint sich so eine Gruppe 4 6 5 und eine Gruppe 2 3 1 oder 1 2 3 herauszustellen. Durch die Anordnung in A könnte der Gedanke an ursprüngliche alphabetische Folge hervorgerufen werden; doch müſsten dann nicht nur die beiden Gruppen wieder umgestellt werden wie in IK, die aber die alphabetische Folge ihrerseits wieder durch die Stellung 2 3 1 verletzen, sondern auch 6 5 müſsten umgestellt werden. Und gerade diesen beiden Liedern werden wir ihre Ordnung belassen, denn es ist bemerkenswert, daſs sie nicht nur in diesen vier Hdss. so zusammenstehen, sondern auch in den im übrigen stark abweichenden CMNT, so daſs von den Hdss., die beide Gedichte enthalten, nur DR sie trennen (und auch in ihnen steht 6 vor 5 und nur durch ein Lied getrennt). Andererseits finden wir 4 6 in dieser Folge nebeneinanderstehend noch in DFGQRSU, d. h. von den Hss., die beide Lieder enthalten, nur in CMNT nicht. So scheint es, als ob die Folge 4 6 5 eine ursprüngliche oder wenigstens eine sehr weit zurückreichende wäre. Für die Zusammengehörigkeit von 6 5 spricht auch der Inhalt. Beide sind Sirventese, in beiden eifert Uc gegen die falsche Liebe, in beiden beklagt er sich über die ric desconoyssen, die den Sturz der guten alten Zeit herbeigeführt hätten, und beide gehören auch, scheint es, zeitlich ungefähr zusammen, denn wir sahen vorhin, daſs 6 den reiferen Jahren des Dichters zuzusprechen sein wird; in 5 aber sagt Uc v. 9 f.
si tot no son miey cabelh
de guay semblant ni d’ergulhos,
was man doch am ehesten auf das Ergrauen des Haares deuten wird, so daſs dieses Gedicht wohl nicht mit Unrecht in IKC die letzte Stelle einnimmt. — Von den anderen vier Liedern ist 3 ebenfalls moralischen Inhalts, 1 2 4 sind Liebesgedichte. Hds. C stellt 3 6 5 zusammen, so daſs hier die moralischen und die Liebesgediente zu Gruppen vereinigt scheinen. Wir sahen indes, daſs sonst fast stets 4 mit 6 zusammensteht, so daſs an die Ursprünglichkeit solcher Gruppenbildung nicht zu denken ist. Wenn eine der Anordnungen in den Hdss. mehr Vertrauen verdient als eine andere, so ist es die von IK, und hier allerdings würden wir wohl an eine (vielleicht eher durch die Art der Sammlung als durch Absicht als ursprünglich entstanden anzusehende) chronologische Folge denken dürfen. Beachtenswert ist, daſs auch für Peire Rogier IK eine Ordnung zeigt, die sehr wohl eine chronologische sein kann, wie ich in der Ausgabe der Lieder dieses Trobadors S. 8 Anmkg. nachgewiesen zu haben glaube.
Der Inhalt der uns erhaltenen Lieder zeigt uns Uc nicht gerade als originellen Dichter. Eine leichte, heitere Genuſssucht herrscht bei ihm wie bei seinen Genossen, jene Lebensanschauung, aus der in der Provence eine liebenswürdige Geselligkeit geboren wurde. Was dieser Geselligkeit dienen konnte: fröhliche Gemütsart, Unterhaltungsgabe, Gesang, bei einem hohen Herrn vor allem Freigebigkeit, werden gerühmt, die entgegengesetzten Eigenschaften: Geiz, ein mürrisches Wesen, werden mit hartem Tadel bedacht, der finstere Tod als Schreckbild vor ihnen aufgestellt (Cuendas razos). Aus dieser Sinnesrichtung nach geselligem Lebensgenuſs heraus wird man auch die in den Liedern sich aussprechende Liebe bei Uc – nicht anders als in der Regel bei seinen Dichtgenossen – beurteilen. Auch sie ist ein geselliges Spiel, mit nicht sehr ernst gemeintem Werben von der einen Seite, mit freundlicher, doch nicht sehr weit reichender Willfährigkeit von der anderen (Lanquan v. 17 ff.), ein Spiel mit wohl vorhandenen, aber – der Regel nach – nicht gerade tiefen Empfindungen, das auch nicht nur zwischen Liebendem und Geliebter abgespielt werden will, sondern der – halbversteckten – Mitteilung an den geselligen Kreis bedarf und zu dessen künstlerischer Unterhaltung beitragen soll.
Bringen uns so die Lieder Uc’s an Anschauungen und Gefühlen nicht mehr als was Gemeingut der Provenzalen war, so weiſs er doch, was er zu sagen hat, oft mit einer zarten Anmut auszudrücken, die nicht allen eigen ist. So wenn er den Wunsch ausspricht: nur denken möge die Geliebte seiner, und ihre und seine Blicke und Seufzer mögen sich küssen dürfen, so habe er alles was ihm von nöten sei (Cortezamen v. 43); oder gleich darauf: die Verleumder mögen die Geliebte nicht schrecken, denn ihnen verhülle er sein Glück, indem er die Augen senke und mit dem Herzen schaue (ib. v. 51); oder (in dems. Gedicht v. 31): Wer mir sagt, ich solle an anderes denken als an meiner Herrin Gebot, der suche mir ein Herz, (6) denn das, welches ich besitze, hat sie eingenommen; oder (Ara·m nafron v. 17):
Und was will ihr Blick mir sagen
Und was sucht er denn bei mir?
Mein Gebet dringt nicht zu ihr
Und sie hört nicht auf mein Klagen.
Gar sind lügnerische Boten
Jene Blicke die sie sandte;
Wahrlich, wenn ich’s vorher ahnte,
War mein Herz für sie verboten.
Und selbst die banal gewordene Eröffnung des Liebesliedes durch eine Frühlingsschilderung nimmt bei ihm eigene und zarte Züge an (Ab plazer).
Wenn Uc so durch seine dichterische Ausdrucksweise unser günstiges Urteil erwirbt, so scheint er nach der anderen Seite der künstlerischen Thätigkeit eines Trobadors den Ansprüchen seiner Zeitgenossen nicht genügt zu haben. Die Biographie sagt: trobet bonas chanssos, mas non fetz sos. Sollte das dahin verstanden werden, daſs Uc sich für seine Lieder der Singweisen anderer Trobadors bediente, so dürften wir ihn wohl gegen diesen Vorwurf in Schutz nehmen. Denn die Leys allerdings reden (bei Gelegenheit des Sirventeses I, 340) von der Verwendung einer fremden Strophenform (und Singweise) mit gleichzeitiger Benutzung derselben Reimendungen und ohne sie; es scheint aber doch, als ob bei Verwendung derselben Melodie auch immer dieselben Reime gewählt wurden. Die Frage harrt noch genauerer Untersuchung; jedenfalls lassen sich Beispiele anführen, wo Gedichte mit gleicher Strophenform aber anderen Reimen nach verschiedenen Weisen gesungen wurden, während mir Beispiele entgegengesetzter Art nicht bekannt sind. (7) Der Strophenbau Uc’s ist nun ein so einfacher (von den 6 Liedern haben 5 die Reimfolge abbacddc, Cuendas razos hat abbacc) daſs das Zusammentreffen mit anderen Dichtern ganz unvermeidlich ist:
Ab plazer hat dieselbe Form (VII d, (8) abbacddc, Achtsilbner) mit: Bernart de Ventadorn 31, Daude de Pradas 12, Peire Raimon de Tolosa 14.
Ara·m nafron (VII d, abbac_ddc_, Siebensilbner) mit: Bischof von Basaz 1, Blacatz 4, Bonifaci Calvo 6, Elias de Barjols 7, 9, Guilhem Anelier 2, Guilh. del Olivier 51, 72, Joan Esteve 3, Pons d’Ortafas 2, Raimbaut de Vaqueiras 6.
Pus l’adrechs temps (VII d, abba|| (9) cdde, Zehnsilbner) mit: Aimeric de Pegulhan 10, Bernart de Ventadorn 34, Bertolomeu Zorzi 13, Folquet de Marselha 3, Guilhem de Saint Leidier 15, Peire Milo 7, Peire Raimon de Tolosa 16, Anonym 217.
Cuendas razos (V d, abbacc Zehnsilbner) mit: Serveri de Girona 1 (12), 16.
Aber alle diese Gedichte haben andere Reime als die Uc’s. Nur das Kreuzlied Raimon Gaucelms von Béziers (MW III, 159, Azaïs Troub. de Béz. p. 31) zeigt gleiche Form und gleiche Reime mit Cortezamen (VII d, a_b_b_a_|cddc, Zehnsilbner). Aber da das Kreuzlied erst vom Jahre 1268 ist, ist Uc hier nicht der Nachahmer, sondern das Vorbild. Wir finden also keine Veranlassung anzunehmen, daſs Uc seine Lieder auf Weisen anderer Lieder gedichtet habe. Damit ist freilich der Vorwurf der Biographie, er hätte keine Weisen gemacht, nicht zurückgewiesen. Ihre Singweisen empfingen auch seine Lieder natürlich, und eine davon, die zu Cuendas razos, ist uns in R 66r erhalten. (10) Aber ist diese Melodie von Uc oder hat er sie, wie man nach den Worten der Biographie glauben kann, von einem anderen für sein Gedicht setzen lassen? (11) Merkwürdig wäre das insofern als Uc offenbar nicht ohne alle musikalische Begabung war; Daude de Pradas sagt von ihm (Planch v. 19 ff.) sa votz era tant polida Qe·l rossignols er’ esbahitz Quan son doutz chan auzia, und ein mäſsiges musikalisches Talent wird den Trobadors bei ihrer zweifachen künstlerischen Thätigkeit genügt haben. Die Frage wird schwerlich ihre Antwort erhalten. Groſses Vertrauen verdient auch in diesem Punkt die Biographie kaum, wenngleich sie nicht ohne irgend welchen Anlaſs zu ihrer Behauptung gekommen sein wird. Das eine scheint aus der Betrachtung der Strophenformen hervorzugehen: daſs Uc auf Verschlungenheit der metrischen Formen kein besonderes Gewicht legte. Auch von der Sucht nach seltenen Reimen hielt er sich durchaus fern; alle seine Reimendungen gehören zu den gewöhnlichsten, wogegen allerdings seine Ausdrucksweise und seine Wortwahl nicht immer eine ganz einfache ist.
Zeichnet sich so Uc in der Form seiner Dichtungen nicht durch gleiche Künstlichkeit aus wie mancher andre Trobador, so hat das seiner Wertschätzung bei Zeitgenossen und Späteren keinen Eintrag gethan. Sein Ansehen war offenbar gröſser als das manches Dichters, dessen Thätigkeit uns in der Überlieferung als viel umfangreicher erscheint. Die Beliebtheit der Gedichte Uc’s geht aus der groſsen Zahl von Handschriften hervor, die sie uns erhalten haben. Cuendas razos und Pus l’adrechs temps stehen in 16 Hdss., keines in weniger als 9. In Raimon Vidal’s Novelle So fo el temps werden v. 829 ff. die Verse 37–40 von Ara·m nafron zitiert. Die Erweiterung der Novelle in dem von Pio Rajna gedruckten Bruchstück (Studj di filologia romanza V, p. 59) bringt noch v. 17, 18, 20, 37–40, 21–24 von Ab plazer, aber unter dem Namen Arnaut Daniels, im Wesentlichen den Lesungen der Hds. R entsprechend, die das Lied gleichfalls diesem Trobador zuschreibt. Daſs Raimon Gaucelm im Jahre 1268 ein Kreuzlied nach der Weise eines von Uc’s Liedern dichtete, mag für dessen späte Verbreitung auch noch in weiteren Kreisen zeugen. Matfre Ermengaud zitiert im Breviari Uc nicht weniger als sechsmal:
Cuendas razos
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v. 13-18:
|
v. 32425 ff.
|
“ “
|
v. 7-12:
|
v. 32516
|
“ “
|
v. 19-24:
|
v. 32591
|
Lanquan
|
v. 17-24:
|
v. 29562
|
Pus l’adrechs
|
v. 41-48:
|
v. 28527
|
“ “
|
v. 33-40:
|
v. 29586
|
Der Name Uc’s wird von ihm noch drei andere Mal genannt, zweimal aber (v. 28482, 29476) handelt es sich in der That um ein Gedicht des Uc de Saint Circ (Nr. 3, das in C dem Uc Brunenc zugeschrieben wird), einmal (v. 31643) um das Gedicht des Arnaut Plagues, Be volgra midons saubes (für welches der Name Uc’s im Register von C als Variante steht). In der Blumenlese der Chigiana sind 5 von den 6 Gedichten Uc’s mit zusammen 8 Strophen vertreten. Nostradamus meint, daſs Petrarca unseren Trobador im Triumphkapitel Poscia che mia fortuna v. 55 habe nennen wollen:
Amerigo, Bernardo, Ugo ed Anselmo
E mille altre ne vidi a cui la lingua
Lancia e spada fu sempre e scudo ed elmo.
Das wird sich schwer ausmachen lassen, doch ist man wohl eher geneigt sich für Uc de St. Circ als den fruchtbarsten der in Betracht kommenden Dichter zu entscheiden. Zu nennen bleibt uns nun noch das schönste Denkzeichen für das Ansehen, welches sich der Dichter erworben hatte, jenes schon genannte Lied, in dem Daude de Pradas mit Worten aufrichtigen Schmerzes seinen Tod betrauert. Und Uc wird hier nicht nur als Dichter, als Herold der Liebe, als süſser Sänger, beklagt, sondern auch als trefflicher Mensch galt er dem Freunde so viel, daſs diesem der Platz zur rechten Hand Christi durch ihn würdig geschmückt erscheint und daſs die Jungfrau Maria, meint er, sich nicht aus Gnade mit dem Sünder sondern für sich zur Freude seiner annehmen wird. Wie könnte ich die Notiz über den Trobador besser beschlieſsen als mit diesem Gedicht, welches mir das Vertrauen giebt, daſs ich vor die Augen dessen dem diese Seiten als Zeichen herzlichsten Dankes und tiefster Verehrung bestimmt sind, nicht nur einen nicht unbegabten Dichter sondern auch eine liebenswerte Persönlichkeit zu führen versucht habe?
Hds. A 124 (Arch. 33, 464; MG 1046; De Lollis p. 386), D 58.
I
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1
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Ben deu esser solatz marritz
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et amors trista e marrida,
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e pauc deu hom prezar lor vida
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e tot lo ben c’om a lor ditz ;
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5
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car cel per cui valia
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solatz e cortesia,
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chans e deportz, iois e merces,
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lor es faillitz, don grans dols es. |
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II
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Ia mais bons vers non er auzitz
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10
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ni cansos per razon complida.
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amors, morta es vostra crida,
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que ditz que vos etz esperitz
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cortes, e ver dizia ;
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tals hom vos covenia ;
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15
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tuich chantador eron nonres,
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qan volia dir qe·us plagues. |
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III
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Anc hom non dis motz tant grazitz
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ni anc lengua tant issernida,
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que sa votz era tant polida
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20
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qe·l rossignols er’ esbahitz |
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qan son doutz chan auzia,
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e pros senes faillia
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mais que hom qu’ eu anc conogues ;
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per so l’a Dieus a son ops pres. |
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IV
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25
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Ihesu Crist prec qe·il sia guitz
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e·l paus a la destra partida,
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c’a sos amics a establida,
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c’adoncs er ben lo luocs garnitz.
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dompna Sainta Maria,
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30
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per consseill vos daria,
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si·us azautatz d’ome cortes,
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n’ Ugo Brunet non laissetz ges. |
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V
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Trop es caitius et adormitz
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totz hom cui avoleza guida,
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35
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car si pert e·l segl’ e oblida ;
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e qand es d’aqest mon partitz,
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Dieus non vol sa paria,
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mas en enfern l’envia,
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on estai totz de penas ples,
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40
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e ia mais non er qui d’el pes. |
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VI
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Vas Salas tenras ta via
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tot plan, car lai trametia
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chanssos e vers e sirventes
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cel cui deu ben plaigner Rodes. |
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VII
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45
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Bels Desirs, vas on q’ieu sia,
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a en mi la seignoria
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per far e per dir qe·il plagues ;
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et anc no·l vi, mas el cor m’es. |
1. solatz esser D 2. trist D 3. pr. fehlt D 7. deport D 8. gran dol D 13. Cortezia d. A 15. chantadors D 16. v.] a lui per D 17. diz D 18. a. l.] longa D 19. E D; complida A 20. er’] es AD 22. p. nuilla f. D 23. M. om qui ben o c. D 25. C. fehlt D 26. E D 31. adautars D 32. brunenc D 33. caitiu D 35. p.] pred D 41. S.] salua D 42. T. fehlt, Plans D 44. dieu D 45. d. on qe sia D 46. la fehlt D 48. vi fehlt D.
22. Man erwartet, da doch pros schwerlich auf motz bezogen werden darf, ein Verbum, wie ein solches auch schon v. 18 willkommen gewesen wäre. Man könnte hier etwa bessern Pros era ses faillia. Aber ist nicht vom Dichter in der That das Verbum ausgelassen?
41. Die ersten zwei Verse der beiden Tornaden haben in A eine Silbe mehr als ihnen zukommt. In D sind 42, 45, 46 sechssilbig und man wird 45, 46 in dieser Lesart annehmen dürfen. Ob aber auch v. 42? V. 41 hat auch in D eine Silbe zu viel; so daſs vielleicht D gleichfalls die längere Fassung vor sich hatte und die anderen Verse gekürzt hat. Übrigens läſst sich 41 leicht durch Einführung von ten statt tenras korrigieren. – Es gab und giebt mehrere Salas, die in Betracht kommen könnten. Vielleicht ist Salles-Comtaux gemeint, das in den Charten von Rodez nicht selten genannt wird.
Fußnoten:
1) Brunec findet sich in FHIKTUa, Brunenc in CDDcEFMRf, Bruneng in DO; auf Brunec weist auch die Form Brunes in HIK, auf Brunenc die Formen Bruneux und -eus in T (durch diese hindurch wohl auch Brundel in Q) und Bruneric in Dc. (↑)
2) S. Devic u. Vaisette² X 2, 122. (↑)
3) Ich suchte ihn vergeblich bei Bosc, Mémoires pour servir à l’histoire de Rouergue, Rodez 1797, 3 Bde.; Baron de Gaujal, Etudes historiques sur le Rouergue, Paris 1858/59, 4 Bde.; Hippolyte de Barrau, Documents historiques et généalogiques sur les familles et les hommes remarquables du Rouergue dans les temps anciens et modernes, Rodez 1853 ss. 4 Bde.; Affre, Collections des Inventaires-Sommaires des Archives Communales antérieures à 1790, Aveyron, Ville de Rodez. Rodez 1877; Affre, Collection des Inventaires-Sommaires des Archives Départementales antér. à 1790, Aveyron I. II. 1866. (↑)
4) In Rodez finde ich im 13. Jahrhundert den Namen Ambec (Affre, Arch. dép. II 79 E 501, 98 E 598). Andere Namen auf -ec treten dort später auf und kommen wohl teilweise aus dem Norden. (↑)
5) Der Strich unter der 1 bezeichnet, daſs 1 und 2 nicht unmittelbar hinter einander stehen. (↑)
6) Das Herz, wie oft bei den Provenzalen, nicht nur als Sitz des Fühlens sondern auch des (mit Empfindung verbundenen) Denkens genommen. (↑)
7) Wir haben in Hds. R die Singweisen zu 4 Liedern von der gleichen Strophenform abbaccdd, 8-Silbner: Peire Vidal 30 (fol. 64v), 31 (64r), 39 (63v, auch Hds. W 204v) und Raimon de Miraval 20 (84r). Keines dieser vier Lieder hat mit einem der anderen gleiche Singweise. Dieselbe Reimfolge in Zehnsilbnern haben Peire Vidal 4 (46v), 36 (64r) und Raimbaut de Vaqueiras 28 (61r); die Melodien sind verschieden. Die Folge abbac_c_ddin Siebensilbnern Raimon de Miraval 42 (84r) und Berenguier de Palazol 12 (37r); dieselbe in Zehnsilbnern Arnaut de Maroill 16 (52r) und Peire Cardenal 67 (69v); die Folge abbac_ddc_in Zehnsilbnern Raimbaut de Vaqueiras 2 (61r) und Folquet de Marselha 16(51v), immer mit anderen Reimen und mit verschiedenen Singweisen.
In den genannten Gedichten ist der Strophenbau immer ein sehr einfacher, das Zusammentreffen in derselben Form wohl ein zufälliges. Näher liegt es schon an ein absichtliches Vermeiden derselben Singweise zu denken, wenn Raimon de Miraval 24 (R 86r) dieselbe Form a8 b8 b8 a8 c7_ c7_ d10 d10 hat wie Bernart de Ventadorn I (57r, auch W 202r) und doch die Weisen verschieden sind. Durchaus bestätigt aber wird die Vermutung daſs der Ungleichheit der Reime auch Ungleichheit der Melodie entspricht, wenn Pons de Capduelh 27 (R 55v) und Gaucelm Faidit 30 (R 41, sehr verschieden davon W 200r) in der That, wie es durchaus den Anschein hat, in der ersten melodischen Zeile ihrer gleichgebauten Strophe (ababc_dc_dd, Zehnsilbner) Bezug zu einander haben, von da ab aber die Melodien ganz auseinander gehen. (↑)
8) D. h. 7 Strophen, durchgehende Reime. (↑)
9) D. h. zwei Tomaden, die vier letzten Zeilen umfassend. (↑)
10) S. die Tafel. (↑)
11) Ja es ist noch eine andere Frage zu erledigen: In wie fern verdienen überhaupt die uns in den Hss. überlieferten Melodien Vertrauen? Die Frage ist keineswegs müſsig; sie drängt sich auf, wenn wir z. B. sehen, daſsdas Lied Aimeric de Pegulhan 45 in R 49r und W 185r mit ganz verschiedenen Melodien steht. [R und W sind die beiden Hdss., die ich für die folgenden Beobachtungen benutzen konnte. Die Hds. G konnte ich jetzt leider nicht heranziehen.] R hat eine Singweise für die erste Strophe, welche dann offenbar noch zweimal mit den Worten der andern beiden Strophen wiederholt werden soll. W giebt eine andere Melodie für die erste Strophe und wiederum andere für die zweite und dritte, komponiert also das Lied durch nach der Art eines Descorts. [Auch die Kompositionsweise von R hindert nicht das Gedicht als einen Descort aufzufassen, denn ein Descort kann aus mehreren gleichen Gruppen ungleicher Strophen bestehen (s. Zts. XI, 216). Diese Gruppen aber können dann sehr wohl nach derselben Melodie gesungen sein. Wir hätten es also hier nicht mit drei Strophen von je 42 Verschen zu thun, sondern jede dieser drei zerfiele in 3 Strophen von 12, 14 und 16 Verschen (wenn man diese kleinsten Einheiten noch als Verse bezeichnen will).] Welches ist nun die echte Melodie, die in R, die in W, oder keine von beiden? Die Singweise zu Gaucelm Faidit 43 ist in R 43v und in W 202r überliefert, wiederum in ganz verschiedener Gestalt. Hier ist die Melodie von R sicher unrichtig. Die metrische Form des Liedes ist a7 b7 b7 b3 c7_ c3_ b3 b7 b4 a7 a7. Nach R werden nun die Verse 3 und 4 nach derselben Melodie gesungen wie v. 1 u. 2, was nur möglich ist,
indem R den Text lauten lässt:
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gegenüber richtigem:
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No ·m alegra chan ni critz
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No ·m alegra chans ni critz
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d’auzels mon fel cor engres
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d’auzels mon fel cor engres,
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ni no say per que chantes
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ni non sai per que ·m chantes
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ni mos ditz me perdes
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ni perdes
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car be los perdria etc.
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mos digz, car ben los perdria . . .
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Andererseits stimmt in W (fol. 204r) Strophenform und Singweise von Beatritz de Dia 2 nicht ganz überein. Die Strophenform ist a_ a_ a_ a_ b a_ b, Zehnsilbner. Die Singweise von Z. 1, 2 wird für 3, 4 wiederholt, v. 7 aber wieder nach den Noten von 2 und 4 gesungen, so daſs die musikalische Strophe die Form |:ab:|cdb hat. Damit dies möglich ist, muſs aber der männliche Schluſsvers (Schultz, Provenz. Dichterinnnn S. 18: C’atressi ·m sui enganad’ e trahia) Com degr’ esser, s’ieu fos desavinens weiblichen Ausgang haben. Er lautet in W: (Altresi sui enganade et tragide) Queusse fait vers lui desauinence (nur die erste Strophe steht in W, s. Romania XXII, 404). [Siehe aber unten S. 57 Anmkg. “So daſs das oben über Beatritz de Dia 2 Gesagte doch immerhin mit einer gewissen Einschränkung zu verstehen ist.”]Ganz verschiedene Melodien haben in R und in W auch Bernart de Ventadorn 7 (R 57r, W 190r) und Peire Vidal 39 (R 63v, W 204v).
Daſs nun aber doch die in diesen Hdss. überlieferten Melodien im allgemeinen nicht etwa erst für sie oder auch unabhängig von einander für ihre Quellen komponiert sind, wie man nach dem eben Gesagten etwa denken könnte, das wird bewiesen einerseits durch den Charakter dieser Singweisen, der für einzelne Trobadors ein einheitliches, besonderes Gepräge zu besitzen scheint, mit gröſserer Sicherheit aber dadurch daſs den eben genannten Liedern andere gegenüberstehen, die in beiden Mss. dieselbe Melodie, wenn auch meist mit nicht unerheblichen Varianten, zeigen. So steht Bernart de Ventadorn 41 in R 56v und W 188r mit der, im Groſsen und Ganzen, übereinstimmenden Weise, Folquet de Marselha 22 ebenso in R 42v und W 188v, Jaufre Rudel R63r und W 189v. Und ein noch bei weitem stärkeres Argument für die Echtheit der Melodien ist es, wenn wir Sirventese in der Singweise mit den Canzonen übereinstimmen sehen, deren Strophenform sie entlehnt haben, denn es ist nicht wahrscheinlich, daſs die musikalische Abhängigkeit des einen Liedes vom andern wieder hergestellt wurde, wenn sie einmal verloren gegangen war. Diese Übereinstimmung finden wir in derselben Handschrift zwischen Guiraut de Bornelh 51 und Peire Cardenal 7 (R 82r und 72v), in verschiedenen Hss., was wichtiger ist, zwischen Raimon Jordan II (W 194r) und Peire Cardenal 49 (R 72r), wenngleich hier sehr starke Abweichungen eingetreten sind. Abweichungen muſsten sich ja bei den Melodien noch eher und in höherem Grade einstellen als bei den Texten. Ein Abschreibefehler schlich sich leichter ein und verschuldete dann sogleich eine unheilbare Verderbnis des Ursprünglichen. Welchen Umgestaltungen aber war erst die Melodie bei mündlicher Übertragung ausgesetzt, zumal bei dem Charakter dieser Weisen, die meistens, scheint es, mehr rezi-
tativisch waren als dafs sie den festeren inneren Halt der Melodie besessen hätten! Und welche Freiheit werden sich die Joglars je nach Begabung und Geschmack mit den Weisen genommen haben! So sehen wir denn auch an den uns überlieferten Liedern deutlich die Verderbnis vor sich gehen. Schon bei den oben genannten, die in R und W zugleich stehen, finden trotz der allgemeinen Übereinstimmung starke Abweichungen statt. Noch gröſsere Verschiedenheiten zeigt die Notierung von Bertran de Ventadorn 43 in R 56v und W 190v oder von Gaucelm Faidit 30 in R 41v und W 200r, und kaum mehr kenntlich ist die Identität bei Bernart de Ventadorn 1 in R 57r und W 202r, und bei Folquet de Marselha 10 in R 42r und W 200v, wenn hier überhaupt noch ursprüngliche Identität anzunehmen ist. So können wir uns sehr gut vorstellen, wie schlieſslich aus der ursprünglichen Singweise eine geworden ist, die man als aus der ersten entsprossen nicht mehr erkennen kann. Auch der musikalischen Textkritik wird es schwerlich in vielen Fällen gelingen das Ursprüngliche mit Vertrauenswürdigkeit herzustellen. So wird vermutlich unsere Kenntnis der Trobadormusik ebenso eine unsichere wie eine unvollkommene bleiben, denn auch im günstigen Fall erhalten wir nur eine Reihe von Tönen, über deren rythmische Gliederung und über deren Vortrag nach Tempo und Intensitätsmodulation wir nur wissen was wir aus dem Zusammenhang mit dem Text in sehr zweifelhafter Weise erraten können. Von der Harmonie mit der hinzutretenden Begleitung endlich wissen wir garnichts.
Trotz dieser ungünstigen Lage ergeben sich aber auch bei nur äuſserlicher Betrachtung der überlieferten Melodien einige Resultate, denen wir – im Groſsen und Ganzen – unser Vertrauen nicht versagen werden, in Beziehung nämlich auf das Verhältnis des musikalischen Aufbaus der Strophe zum Strophenschema des Textes. Die Beobachtungen Galinos (Musique et versification françaises au moyen-âge, Leipzig 1891) haben für das Altfranzösische gezeigt, daſs Schlüsse, welche man vom Bau des Strophenschemas auf den musikalischen Aufbau zöge, sehr oft das Richtige nicht treffen würden. In erhöhtem Maſse scheint dies von den Trobadormelodien zu gelten. Zwar findet sich manchmal vollkommene Übereinstimmung zwischen beiden. Besonders bei langen Strophen entspricht bisweilen ein sehr symmetrischer Bau der Melodie dem ebenso symmetrischen Schema des Textes. Hierhin gehören Aimeric de Pegulhan 45 in R 49r (dessen Melodie aber, wie wir oben sahen, in W ganz anders lautet, auch ganz anders gebaut ist): das Reimschema ist abbabb, abbabb; ccddccd, ccddccd; eeffeeff; eeffeeff; der Bau der Melodie würde sich etwa so bezeichnen lassen: |:abcdef:||:ghiklmn:| |:opqrstuv:|.
Raimbaut de Vaqueiras 9 (R 62r): Text a4_ a4_ b4_ a4_ a4_ a4_ b4_ a4_ b4 a4_ b4 a4_ a2_ a2_ c2 a4_ a2_ a2_ c2 a4_, Musik |:abcd:||:ef:||:ghik:|
Raimon de Miraval 7 (R 86v): Text abbaabaaba in 7-Silbnern, Musik |:ab:||:cdb:|, d.h. auſser der Einteilung in 2 Pedes und 2 Versus haben wir hier noch gleiche Noten für den 2., 4., 7. und 10. Vers, also enge Verknüpfung beider Strophenteile unter einander.
Raimon de Miraval 21 (R 87r): Text a8 b8 a8 b8 c10_ c10_ c10_ c10, Musik |:ab:||:cd:|.
Bernart de Ventadorn 25 (R 58r): Text a_ba_ba_ba_ba_ba_b (a 5-silbig_,6-silbig), Musik |:abcd:| efc1d1 d. h. auſser der Wiederholung der Noten der ersten 4 Verse finden wir, daſs v. 11 und 12 musikalisch Varianten zu 3, 4 und 7, 8 sind (auch schon 10 wohl zu 2, 6). [Wenn ich von Gleichheit der musikalischen Sätzchen rede, ist doch diese Gleichheit nicht immer eine absolute. Kleine Verschiedenheiten der Notierung beruhen gewiſs sehr oft auf Irrtümern des Abschreibers; oft aber auch hat sicherlich der Komponist die Gleichheit keine vollständige sein lassen wollen. Ganz erklärlich ist es, wenn die Tonreihen bei der Wiederholung an ihrem Schluſs etwas modifiziert werden, so bei Arnaut de Maroill 16 (R 52r): abbac_c_dd, Melodie |:ab:| cdef mit geringer Modifizierung am Schluſs des wiederholten b, ebenso bei Pons de Capdoill 27 (R 55v): ababc_dc_dd, Melodie |:ab:| u. s. w., Bernart de Ventadorn 4 (R 56v): a_ba_ba_bba_, Melodie |:ab:| a1b1cd (v. 4 in der letzten Note verschieden von v. 2, aber auch v. 5 und 6 zeigen Ähnlichkeit der Melodie mit 1, 2 und 3, 4) u. s. w. Um so eher kann eine Abweichung am Schluſs des ganzen Liedes eintreten; so weicht im genannten Aimeric de Pegulhan 45 (R 49r) die Wiederholung des letzten Teils doch schon von t an ab, so daſs man genauer formulieren sollte: opqrstuv, opqrswxy. [Noch weiter gehen die Weisen der einzelnen Zeilen bei doch teilweiser Übereinstimmung auseinander, wenn z.B. bei Guillem Magret 3 (W 192r) abac_c_ddee nur das Ende der 4. Zeile musikalisch mit dem Ende der 2., der Anfang der 5. mit dem der 3., und der Anfang der 6. mit dem Anfang der 2. übereinstimmt. Ähnliches begegnet in den Melodien von Aimeric de Pegulhan 25 (R 48v), Raimon de Miraval 23 (R 86r) und Richart de Berbezill 10 (W 200r)]. So können sich denn auch männliche und weibliche Verse musikalisch bis auf ganz geringe Abweichungen entsprechen: (So daſs das oben über Beatritz de Dia 2 Gesagte doch immerhin mit einer gewissen Einschränkung zu verstehen ist.) Bei Berenguier de Palazol 6 (R 37v): a_bba_ccdd (7-Silbner) haben bba_ und ccd dieselben Noten (eine kleine Abweichung in v. 3 und 6 mag auf fehlerhafter Überlieferung beruhen), bis auf ihre andere rythmische Verteilung am Schluſs von 4 und 7; das musikalische Strophenschema also a|:bcd:|e; ähnlich bei
Bernart de Ventadorn 16 (R 57v): Strophenschema abba cdce_ (Siebensilbner), musikalisch |:abcd:|
Raimbaut de Vaqueiras 18 (R 48v): abbac_ddc_eeff (Siebensilbner), musikalisch abcdefghifgh
Raimon de Miraval 44 (R 84v): a7 b7_ b7_ a7 c10_ c10_ d8 d8, musikalisch |:ab:| cdef.
Selbst Verse mit verschiedenen Silbenzahlen können mit leichter Modification derselben Singweise folgen, so ist bei Gaucelm Faidit 32 (R 44r) die Differenz der Silbenzahl in v. 1 und 5 a5 a6 b6_ a5 a6 a6 b6_a5 ... kein Hindernis dafür daſs die ersten 8 Verse musikalisch Pedes bilden. Auf interessante Verschiedenheiten dieser eben besprochenen Arten nehme ich natürlich gebührende Rücksicht. Wenn dagegen geringe musikalische Differenzen am Schluſs oder im Innern metrisch entsprechender Verse vorhanden sind, lasse ich mich hierdurch um so weniger hindern die musikalischen Sätzchen als gleich zu bezeichnen, als es uns einstweilen gar nicht möglich ist zu unterscheiden, was hierbei dem Komponisten angehört und was auf Rechnung der Abschreiber zu setzen ist.]
Die anonyme Dansa Be volgra s’esser pogues (W 186; Suchier, Denkmäler S. 299) hat das Strophenschema cddc; aabaabcddc (Siebensilbner), das musikalische defg |:abc:|defg. Häufiger als auf die ganze Strophe erstreckt sich die Symmetrie des musikalischen Baues nur auf einen Teil. Noch der gröſste Teil ist von ihr umfaſst bei
Bernart de Ventadorn 6 (R 57v): ababccdd, Siebensilbner; musikalisch |:ab:||:c:|de;
Bernart de Ventadorn 36 (R 57v): ababababb, Sechssilbner, musikalisch |:ab:||:cd:|e;
Peire Vidal 7 (R 65r): a7 b7 a7 b7 c10_ c10_ d10 d10 e10; musik. |:ab:||:c:||:d:|e, wo allerdings die Gleichheit der beiden c und d untereinander nicht eine vollkommene ist, der zweite Vers wiederholt nicht eigentlich den ersten, sondern variiert ihn; es kommt dagegen hinzu daſs auch b nur a variiert;
Guiraut Riquier 85 (R 106v): abcabccbbccb, weibliche Fünfsilbner; musikalisch |:abc:||:de:| fg;
Guiraut Riquier 66 (R 107v): ab_ab_acd_cd_e, Siebensilbner; musikalisch |:ab:|c|:de:|f.
Das gewöhnlichste ist das bloſse Vorhandensein musikalischer Pedes (Dante, Vulg. eloq. II, 10). So bei Jaufre Rudel 6 (R 63r): a8 b8 a8 b8 c7_ d8, musikalisch |:ab:|cde; Bernart de Ventadorn 41 (R 56v, W 188r): ababcCdd, abc 8-silb., d 10-silb., musik. |:ab:|cdef und entsprechend bei Bernart de Ventadorn 4 (R 56v), Gaucelm Faidit 30 (R 41v), 37 (R 44r), 53 (R 44v), Peirol 19 (R 46v), Pons de Capdoill 27 (R 55v); Raimon de Miraval 47 (R 86v); Berenguier de Palazol 3 (R 37v), Anonym 197 (W 190r), die alle in Reimen und in der Singweise mit Pedes abab beginnen. Auch die Reimstellung abba schlieſst, gleiches Geschlecht vorausgesetzt (ja, vereinzelt sogar bei ungleichem Geschlecht s. oben Raimon de Miraval 44!), das Vorhandensein von Pedes nicht aus: Jaufre Rudel 3 (R 63r): abbaab, Achtsilbner, musik. |:ab:|cd; Bernart de Ventadorn 1 (R 57r): a8 b8 b8 a8 c7_ d10 d10, musik. |:ab:|cdef; Arnaut de Maroill 16 (R 52r): abbac_c_dd, Zehnsilbner, musik. |:ab:|cdef und ebenso Berenguier de Palazol 5 (R 37r), Peire Cardenal 67 (R 69v), Pons d’Ortafa 2 (R 30v), Raimbaut de Vaqueiras 3 (R 61v), Raimon de Miraval 14 (R 87v), 20 (R 84r), 24 (R 86r), Raimon Jordan 4 (W 193v), Anonym 150 (W 203v) u.s. w. Ja, man findet Pedes, wo die Reimfolge sie garnicht würde ahnen lassen, wie bei Jaufre Rudel 5 (R 63v) a_bc_da_c_e_= |:ab:|cde. Aber man würde sehr irren, wollte man aus der Reimfolge abab (natürlich bei gleichen Silbenzahlen) auf das Vorhandensein von Pedes schlieſsen. So haben z. B. trotz dieser Reimstellung keine Wiederholung der Musik: Marcabru 13 (W 203v), Bernart de Ventadorn 19 (W 195r), 43 (R 56v, W 190v), Peire d’Alvernhe 15 (R 6r), Gaucelm Faidit 52 (R 45v), Peirol 2 (R 88r), Peire Cardenal 7 (R 72v), Berenguier de Palazol 1 (R 37r), ja selbst Peire Vidal 24 zeigt keine musikalischen Pedes (R 64v), obwohl die Entsprechung der Reimfolge zweimal 3 Verse umfaſst abbabbccd_d_, abc Sechssilbner, d Zehnsilbner. Viel weniger noch, natürlicherweise, läſst die Reimfolge abba auf Wiederholung eines zweizeiligen Satzes schlieſsen. – Verhältnismäſsig selten ist das Vorkommen musikalischer Versus. Zu den vorhergenannten Liedern, bei denen sich die Symmetrie des Aufbaus über die ganze Strophe erstreckt, ist noch zu nennen:
Mönch von Montaudon 6 (R 39v): abbccddee, a Achtsilbner, bcde Zehnsilbner; musikalisch abcde |:fg:| und
Anonym 20a (Amors m’ art con fuoc am flama W 187r): a_bba_c_ddc_, Siebensilbner, musik. abcd |:ef:|, also Wiederholung (mit geringer Differenz am Zeilenschluſs) trotz des verschiedenen Reimgeschlechts!
Dagegen haben keine musikalische Versus trotz der Reimreihe z. B. Marcabru 13 (W 203v): ababcd_cd_, acb Achtsilbner, d Siebensilbner, Bernart de Ventadorn 43 (R 56v, W 190v): ababcdcd, Achtsilbner, oder selbst Peire Cardenal 7 (R 72v): ababc_ddc_dd, abd Achtsilbner, c Sechssilbner. – Wieder zu erinnern ist hier an das oben schon genannte Reimbaut de Vaqueiras 18 (R 48v), dessen musikalisches Schema ist abcdefghifgh, so daſs hier unvollständige Versus vorzuliegen scheinen; ähnlich verhält sich Raimbaut de Vaqueiras 13 (R 61v): aab_ccb_dd, Zehnsilbner, musik. abcdefde.
Leider nur wenige Melodien habe ich für den wichtigen Strophentypus aabab zu meiner Verfügung. Wenn man hier etwa erwartet in b eine Refrainmelodie zu finden, sieht man sich getäuscht bei Marcabru 18 (R 5v): a7_ a7_ a7_ B3 a7_ b7und bei Guiraut de Bornelh 69 (R 8r): a10_ a10_ a10_ a10_ a10_ b4 a10_ b5, wo schon die ungleiche Silbenzahl die Gleichheit der Weise verbietet. Dagegen könnten beide Verse die gleiche Melodie haben in Marcabru 30 (R 5r) a͜ a_a_a_B_a_a_b_, Siebensilbner, und in Anonym 13 (W 191r) aaaabab, Achtsilbner. Das ist aber nicht der Fall, sondern jenes hat das musikalische Schema |:ab:||:c:|d (so daſs hier der erste Vers b sogar zu den Pedes gehört), dieses |:ab:|cde. Beatritz de Dia 2 endlich (W 204r), dessen Echtheit zweifelhaft ist, hat das Reimschema a_a_a_a_ba_b, Zehnsilbner, das musikalische Schema |:ab:|cdb. Also auch hier bildet b keine Refrainmelodie. Dafür finden wir in diesem Lied aber einen anderen interessanten Refrain (b), der musikalisch die verschiedenen Teile der Strophe zusammenbindet.Die Beispiele solcher Bindung sind nicht ganz selten. Wir haben oben, S. 56, schon Raimon de Miraval 7 genannt, dessen musikalisches Schema |:ab:||:cdb:|ist; dasselbe Schema |:ab:|cdb wie Beatritz de Dia 2 hat auch Bernart de Ventadorn 12 (R 57r), dessen Reimfolge ab_ab_aab_, in Zehnsilbnern, ist, und Jaufre Rudel 2 (R 63r, W 189v) mit dem Reimschema ababccd in Achtsilbnern. In diesen sehr einfachen musikalischen Formen wird man vielleicht Anschluſs an Volkstümliches sehen dürfen. Berenguier de Palazol 11 (R 37v) hat das Reimschema ab_b_acdd, in Zehnsilbnern, musik. abcdefd. Nicht nur durch solche Bindung ist Raimbaut de Vaqueiras 24 (R 61v), abba ccdd eeff Achtsilbner, bemerkenswert, vielmehr vor allem dadurch, daſs die letzten vier Zeilen der Strophe dieselbe Melodie haben wie die ersten vier Zeilen, so daſs wir an eine Dansa mit ihrer Proposta erinnert werden: abcdefgdabcd. In den besprochenen Fällen war die bindende Zeile immer die letzte der Strophe. Die vorletzte ist es bei Pons de Capdoill 14 (W 202v): ababc_dde_, Zehnsilbner, musik. |:ab:|cdbe, und die vorletzte ist es auch beim Mönch von Montaudon 6 (s. vorige Seite), insofern allerdings die Verse 3, 4, 6 und 8 zwar nicht einander gleich sind, aber doch Varianten von einander, und es kommt hinzu, daſs diese Weise nur eine Erweiterung der des um zwei Silben kürzeren ersten Verses ist, so daſs man als Schema etwa aufstellen kann a1b a2 a3 d |:a4 e:|. Ähnliche Bindung des vorderen Strophenteils mit dem hinteren durch ein gleiches oder doch nahestehendes musikalisches Sätzchen findet sich nicht selten; so ist bei Raimon de Miraval 20 (R 84r) abbaccdd, Achtsilbner, der 6. Vers Variante zu 1, 3, das musik. Schema: |:a1 b:| c a2 d e, derselbe 8 (R 87v) ababccdd, abc Siebensilbner, d Achtsilbner, Z. 5 Variante zu 1, 3: |:a1 b:|a2 c d e, ebenso bei Jordan Bonel 1 (W 201r). Andere Bindungen bei Raimbaut de Vaqueiras 2 (R 61r), 13 (R 61v),
Bernart de Ventadorn 8 (R 58r), Peire Cardenal 7 (R 72v) u.s.w. Bindung durch je zwei nebeneinanderstehende gleiche Sätzchen bei Peire Vidal 49 (W 197r): abbaccdd, Zehnsilbner, musik. abcdefcd, bei Richart de Berbezil 10 (W 200r): abbacbbc, Zehnsilbner, musik. abcdebcf (also den Reimen nach bb = bb), Guiraut de Bornelh 45 (R 9v) abbccbbded, abcd Sechssilbner, e Viersilbner, musik. abcdabefgh u. s. w.
Schlieſslich hebe ich von einzelnen bemerkenswerten Formen noch hervor:
Berenguier de Palazol 6 (R 37v): a_bba_ccdd, Siebensilbner, dessen musikalisches Schema ist a|:bcd:|e (s. Seite 57a), derselbe 7 (R 37r): a_bba_cca_dda, Siebensilbner, musikalisch a|: b1 c1 d1:| b2 c2 d2 f
und vor allem
Bernart de Ventadorn 16 (R 57v): abbacdce_, Siebensilbner, das seine zweiten vier Verse, mit geringer Differenzierung am Schluſs, nach derselben Weise singen läſst wie die ersten vier |:abcd:|, eine Form, welche man für eine Canson redonda erwarten würde. Die Canson redonda Guiraut Riquiers aber (R 107v) hat gerade nicht diese Form, sondern ihrem Reimschema ab_ab_acd_cd_c, Siebensilbner, entspricht musikalisch |:ab:|c|:de:|f (s. Seite 58), so daſs also die erste Strophenhälfte andere Melodie hat als die zweite. (↑) |