Estudi introductori - Einleitende Studie - Introductory study - Estudio introductorio - Introduction - Studio introduttivo - Estudi introductòri

Niestroy, Erich. Der Trobador Pistoleta . Halle a. S.: Verlag von Max Niemeyer, 1914.

INDEX:

VORWORT

BIOGRAPHIE

FUßNOTEN

 

 

 

DER

TROBADOR PISTOLETA

 

 

Herrn Professor Dr. Alfred Pillet

in dankbarer Verehrung

gewidmet von

Erich Niestroy und Fritz Naudieth

 

 

VORWORT.

 

Über Pistoleta ist bisher hauptsächlich an folgenden Stellen gehandelt worden: J. de Nostradamus, Les vies des plus célèbres et anciens poètes provençaux p. 200; Millot, Hist. litt. des troub. III, 430 f.; Papon, Hist. gén. de la Prov. II, 414 f.; Éméric-David, Hist. litt. de la France XVIII, 579 f.; Balaguer, Historia política y literaria de los trovadores VI, 173-5; Crescimbeni, Dell’ Istoria della volgar poesia. Vite p. 131 und 133.

Die vorliegende Ausgabe der Gedichte des Trobadors Pistoleta erfolgt auf Grund des gesamten uns bisher bekannt gewordenen Handschriftenmaterials. Zur kleineren Hälfte lag dieses in diplomatischen Abdrucken bereits vor. Für Dd hat mir Herr Professor Dr. Schultz-Gora in Strassburg i. E. seine Kopie dieses Kodex’ freundlichst zur Verfügung gestellt. Im übrigen habe ich mir durch Photographien einen Einblick in die Handschriften selbst verschafft, was mir durch die gütige Vermittlung der Generalverwaltung der National-Bibliothek in Paris sowie des Direktoriums der Vatikanischen Bibliothek in Rom ermöglicht wurde.

Für eine Darstellung des Lebens Pistoletas war aus dem mangelhaften Material nur wenig zu gewinnen. Ich habe mich daher im wesentlichen auf Erwägung der Wahrscheinlichkeiten beschränken müssen, so dass die Biographie fast nur aus einer Aneinanderreihung von Hypothesen besteht. Etwas Besseres zu schaffen war unter den gegebenen Verhältnissen kaum möglich.

In den Varianten sind rein orthographische Abweichungen nicht angegeben, um den Apparat nicht zu überlasten und seine Übersichtlichkeit nicht zu stören. Nur die Reimsilben haben in dieser Hinsicht Berücksichtigung gefunden.

An dieser Stelle möchte ich nicht verfehlen, allen Herren herzliehst zu danken, die der vorliegenden Arbeit ihre wohlwollende Förderung haben zuteil werden lassen, insbesondere Herrn Professor Dr. Schultz-Gora, der mirdie Anregung zu derselben gab und der die Güte hatte, mir seine vom Kodex Dd in Modena genommene Kopie zu übersenden und zugleich einige daselbst festgestellte Berichtigungen zu Bertonis diplomatischem Abdruck der Liederhandschrift des Bernart Amoros mitzuteilen, und Herrn Professor Dr. Pillet, der mich bei der Beschaffung des Handschriftenmaterials und bei der Abfassung der Arbeit selbst mit Rat und Tat aufs freundlichste unterstützte. Herzlichen Dank sage ich auch meinem Freunde Dr. Fritz Naudieth, der die Korrekturbogen bereitwilligst mitgelesen hat. 

Erich Niestroy.

 

EINLEITUNG.

 

Biographisches.

 

Über das Leben Pistoletas erfahren wir im ganzen nur recht wenig. Die provenzalische Biographie, das einzige einigermassen glaubwürdige fremde Zeugnis über ihn, berichtet in grossen Zügen Folgendes:

Pistoleta war Sänger (cantaire) Arnauts von Mareuil; er stammte aus der Provence; später wurde er selbst Trobador und dichtete Lieder mit angenehmen Melodieen und war deshalb in der guten Gesellschaft gern gesehen. Aber er hatte doch wenig Unterhaltungsgabe, ging ärmlich gekleidet und war ein Mann von geringer Bedeutung. Zu Marseille verheiratete er sich, wurde Kaufmann, brachte es zu Reichtum und hörte auf, an den Höfen umherzuziehen.

Das ist so ziemlich alles, was wir mit einiger Sicherheit von unserem Dichter sagen können, Denn die andern Quellen, die uns sonst über die Lebensverhältnisse der Trobadors ergänzende Aufschlüsse liefern, versagen bei Pistoleta fast vollständig: Keiner seiner Zeitgenossen tut meines Wissens seiner Erwähnung, und die biographische Ausbeute seiner Lieder ist ziemlich gering, da die spärlichen sachlichen Anspielungen meist zu allgemein gehalten sind, um mehr als Vermutungen zu gestatten.

Besonders gilt dies von den schon vor Bertonis Entdeckung des Cod. Càmpori bekannten Liedern. Daher denn auch die Ansichten und Schlussfolgerungen der Literarhistoriker, die nur auf Grund dieses mangelhaften Materials über Pistoleta gehandelt haben, an den fraglichen Punkten auseinandergehen. So halten Balaguer (1) und Andraud (2) den oft erwähnten König von Aragon für Alfons II., glaubt Éméric-David (3) in ihm Jakob I. zu erkennen und schwankt Paul Meyer (4) zwischen Peter II. und Jakob I., und bezüglich des Grafen von Savoyen, den Pistoleta VIII, 35 erwähnt, scheint Papon (5) die Wahrscheinlichkeit für Amadeus IV. zu sprechen, wogegen Éméric-David (6) mit Thomas I. wohl das Richtige trifft. Die Schlüsse aber wiederum, die Éméric aus dieser Voraussetzung zieht, dass Pistoleta Thomas am Hofe des gräflichen Freundes und Verbündeten Bonifaz II. von Monferrat kennen gelernt haben müsse, dann lange Zeit am glänzenden Turiner Hofe die Gunst und Verehrung des Grafen genossen und schliesslich wohl auch bei Thomas’ Schwiegersohn, dem Grafen Raimund Berengar IV. von der Provence ehrenvolle Aufnahme gefunden habe, entbehren jeder sachlichen Grundlage.

Wir wären übel daran, wenn nicht mit dem Cod. Càmpori neue Lieder Pistoletas zum Vorschein gekommen wären, denen sich einige bemerkenswerte Aufschlüsse entnehmen lassen (besonders IV, VI und XI). Es scheint geraten, zunächst diese wenigen Momente zu fixieren, um, von da aus weiter greifend und die Angaben der Lebensnachricht ergänzend, das Lebensbild unseres Trobadors, so weit dies eben möglich ist, zu vervollständigen.

Von den Liedern Pistoletas enthalten nur zwei, VI und XI, einigermassen greifbare Anhaltspunkte für eine ungefähre Datierung.

Im ersten (VI) klagt der Dichter, es sei nicht an der Zeit gewesen zu singen, da der König von Aragon und König Alfons gestorben seien. Gemeint sind ohne Frage Peter II. von Aragon, der am 12. September 1213 in der Schlacht bei Muret fiel, und Alfons VIII., der Edle, von Kastilien, der am 6. Oktober 1214 starb; denn die Trauer um den Tod dieser beiden Fürsten, die ihrer Zeit Vorbilder ritterlicher Tugend und Tüchtigkeit gewesen waren, war damals allgemein und hat auch sonst in der provenzalischen Poesie ihren Niederschlag gefunden (7). Das Lied ist also nach dem 6. Oktober 1214 verfasst, und da Pistoleta selbst sagt, dass er lange Zeit – qar tant m’en fui tarzatz (VI, 4) – still und einsam seinem Schmerze gelebt habe, nun aber doch endlich Liebe und fröhlicher Gesang über die Traurigkeit den Sieg davon trügen, so wird die Entstehungszeit des Liedes ins Frühjahr des Jahres 1215 zu setzen sein.

Von diesem Anhaltspunkte aus wird man nunmehr folgenden Erwägungen Raum geben dürfen: Pistoleta nennt in vier Liedern (I, II, III, V) einen König von Aragon seinen Gönner. Offenbar ist allemal derselbe König gemeint, sonst würde sich wohl Pistoleta, trotz seiner Abneigung gegen sachliche Angaben, nicht immer mit der unterschiedslosen Bezeichnung reis d’Aragon begnügt, sondern den Wechsel seines Herrn durch namentliche Kundgebung des neuen oder sonst irgendwie dargetan haben, wie er ja auch in Lied I die Wahl seines neuen Herrn ankündigt. Wer aber ist nun dieser Gönner unseres Trobadors? Alfons II. scheidet von vornherein aus; denn es ist nicht glaubhaft, dass Pistoleta die Gunst Alfons’ genossen und dann zu Peter II. während dessen siebzehnjähriger Regierungszeit keine Beziehungen gehabt habe, da er doch um den Tod dieses Fürsten so tief und anhaltend trauert; ganz davon abgesehen, dass unser Dichter zur Zeit Alfons’ II., wie wir unten sehen werden, noch zu jung gewesen sein muss, um das wohlwollende Interesse eines Königs zu erregen. Es kommen also nur noch Peter II. und Jakob I. in Frage. Alles spricht für jenen, nichts für diesen. Wäre Jakob gemeint, so müssten sämtliche Aragon-Lieder nach der Kanzone VI entstanden sein. Nun sind aber die Kanzonen I und II nach dem einfachsten und allgemeinsten Schema gebaut, das wir in der provenzalischen Lyrik kennen, während die Strophenform des Liedes VI sonst nirgends belegt und somit wahrscheinlich original ist, also gegen die erstgenannten Kanzonen einen offenbaren Fortschritt darstellt. Daher können diese dem Liede VI zeitlich nicht gut nachgeordnet werden. Auch eine innere Fortentwicklung bezüglich des Verhaltens des Dichters seiner Dame gegenüber, das an Kühnheit immer mehr zunimmt, ist durch die Aragon-Lieder nach Lied VI hin wahrzunehmen. Vor allem aber deutet doch wohl die lange Trauer und Absicht Pistoletas, dem Gesange für immer zu entsagen, darauf hin, dass er wenigstens in einem der beklagten Fürsten, und zwar vornehmlich in Peter II., da er ihn zuerst nennt, mehr als ein ritterliches Ideal verloren hat. Wir werden also nicht fehlgehen, wenn wir in dem reis d’Aragon allemal Peter II. sehen (8), der ja seinen Hof zur gastlichen Heimstätte aller Sänger und Dichter seiner Zeit machte, und dessen Gunst und Förderung demnach auch unserem Trobador zuteil geworden ist.

Zweitens erlaubt noch die Tenzone mit Blacatz (XI) einen, wenn auch nicht unbedingt sicheren, so doch höchst wahrscheinlichen Schluss auf ihre Entstehungszeit. Blacatz rühmt sich nämlich daselbst, der Kaiser könne seinen Tod unmöglich wollen, weil er an ihm viel verlieren würde. Dieser Kaiser ist ohne Zweifel Friedrich II., wie Schultz-Gora im Litbl. XXXII, 375 bereits angibt, zumal wir bestimmt wissen, dass Blacatz zu ihm in Beziehungen gestanden hat (9). Da Friedrich II. emperaire genannt wird, kann die Tenzone nicht vor dem 22. November 1220 gewechselt worden sein, an welchem Tage Friedrich in Rom zum Kaiser gekrönt wurde; andrerseits aber muss ihre Entstehungszeit vor das Jahr 1237 fallen, das Stroński als Blacatz’ Todesjahr endgültig erwiesen hat (10). Es bleibt demnach für den Wechsel der Tenzone ein Spielraum von 17 Jahren, 1220-37. Wir sind aber in der Lage, mit grösster Wahrscheinlichkeit die Abfassungszeit noch bestimmter festzulegen. Blacatz’ selbstgefällige Äusserung muss doch ihren Grund haben. Und da wissen wir, dass im Jahre 1228 Blacatz zusammen mit Dragonet de Mondragon durch ein Schreiben Friedrichs II. vom 15. Mai beauftragt wurde, dafür zu sorgen, dass die Stadt Marseille Hugo von Baux und seiner Gemahlin Barrale die ihnen zustehenden Rechte und Einkünfte innerhalb der Stadt wiedererstatte (11). Für Blacatz war es natürlich nicht wenig schmeichelhaft und ehrenvoll, dass der Kaiser grade ihn seines Vertrauens würdigte und zum ausführenden Organ seiner Befehle wählte (12). Von einer weiteren Verwendung Blacatz’ im Dienste des Kaisers erfahren wir aber nichts. Wir haben daher Grund zu glauben, dass jene Auftragserteilung, wenn vielleicht auch nicht die einzige, so doch die erheblichste Ursache für Blacatz’ Eigenschätzung als bedeutende Stütze des Kaisers gewesen ist, und dass dessen Äusserung Pistoleta gegenüber grade mit Rücksicht auf sie erfolgte. Die Tenzone wird also einige Zeit nach Erteilung des Auftrages, als die Auszeichnung noch in frischem Gedächtnis war, d. i. etwa in der zweiten Hälfte des Jahres 1228 entstanden sein.

Aus diesen Feststellungen ergibt sich Folgendes: Im Jahre 1228 tenzoniert Pistoleta über eine subtile Frage in Liebesdingen, kann also das gute Mannesalter noch nicht zu weit überschritten haben; andrerseits sehen wir ihn schon an Peter II. eine Reihe von Kanzonen richten, deren erste, wie die Wendung in einer späteren derselben: Del franc rei me sove d’Aragon (V, 41-2) schlissen lässt, weit in die Regierungszeit Peters zurück, womöglich nicht lange nach seinen Regierungsantritt fällt. Diese Lebenszeit umspannt also schon 25-30 Jahre, und da bei Abfassung der ersten Peter II. gewidmeten Kanzone Pistoleta nicht mehr ganz jung gewesen sein kann, so wird die Annahme, dass er bei seinem Streite mitBlacatz etwa 50 Jahre alt war, sich von der Wahrheit nicht allzuweit entfernen. Seine Geburt fiele demnach um das Jahr 1180. Sie früher anzusetzen geht nicht gut an, weil nicht glaubhaft ist, dass Pistoleta sich noch in den sechziger oder gar siebziger Jahren seines Lebens um Liebesfragen herumgestritten habe, und dass andrerseits die Zahl nicht zu hoch gegriffen ist, wird sich noch bei Besprechung von Pistoletas Verhältnis zu Arnaut von Mareuil zeigen (s. weiter unten im Text).

Wo Pistoleta geboren worden ist, erfahren wir nicht. Die Lebensnachricht sagt nur allgemein, er sei aus der Provence gewesen. Dass er sich später in Marseille als Kaufmann niederliess, gibt Éméric-David (13) Grund zur Vermutung, er sei in dieser Stadt auch geboren worden. Mir aber scheint die ungenaue Angabe der Biographie eher auf einen unbedeutenden Landflecken als auf eine so mächtige Metropole, wie Marseille es war, hinzudeuten, deren Namen der Biograph der Mitteilung sicher nicht für unwert gehalten hätte.

Die Biographie sagt weiter, Pistoleta sei Sänger Arnauts von Mareuil gewesen. Mithin dürfen wir annehmen, dass er ein gut Teil der Lebensgeschichte seines Herrn geteilt hat. Was wir nun von Arnaut von Mareuil wissen, beruht gleichfalls fast ausschliesslich auf den beiden sich ergänzenden provenzalischen Lebensnachrichten (14), die nach Friedmann (15), so weit sie das Milieu behandeln, ziemlich zuverlässig sind und mangels direkter andrer Quellen unsern Glauben umsomehr fordern.

Nach ihnen stammte Arnaut aus Mareuil im Bistum Périgueux und war Sohn armer Eltern. Da ihm sein Schreiberhandwerk nicht genügend einbrachte, zog er in die Welt. Sein Stern führte ihn an den Hof der Gräfin Adelaïde von Burlatz (so genannt, weil sie auf diesem Schlosse erzogen war), Tochter Raymunds V. von Toulouse und Gattin des Vizegrafen Roger II.von Béziers. Da er schön sang und gut Romane vorlas, wurde er gern aufgenommen.

Er verliebte sich in die Gräfin und besang sie, verheimlichte aber lange aus Furcht vor Ungnade die Autorschaft seiner Lieder (16). Endlich gestand er seine Liebe. Die Gräfin nahm seine Huldigungen freundlich auf und ermunterte ihn zu weiterem Singen. – Aber auch Alfons II. von Aragon hatte ein Auge auf Adelaïde. Ihm entging ihre freundliche Haltung Arnaut gegenüber nicht, und dessen Lieder erregten vollends seine Eifersucht. Daher veranlasste er die Gräfin, Arnaut zu verabschieden mit der Weisung, sie künftig weder zu besuchen noch zu besingen. Der glänzenden Erscheinung des Königs musste Arnaut weichen; er floh mit gebrochenem Herzen zu seinem Freunde und Gönner, dem Grafen Wilhelm VIII. von Montpellier, bei dem er noch lange seinem Schmerze lebte.

Hier sei zunächst auf einen Widerspruch hingewiesen, in den sich diese Biographie mit der Angabe derjenigen Pistoletas setzt, dieser sei Sänger Arnauts von Mareuil gewesen. Es kam wohl vor, dass hochstehende Trobadors, die nicht selbst vortragen wollten, oder auch solche, die nicht über genügende Stimmmittel verfügten, sich einen Sänger zum Vortrage ihrer Lieder hielten. Bei Arnaut aber kam keiner von beiden Gründen in Betracht. Er stammte aus armen Verhältnissen und verdankte, wie die Biographie hervorhebt, grade seinem schönen Gesange die freundliche Aufnahme in Béziers. Ja, er musste gradezu darauf bedacht sein, selbst zu singen, wenn er weiter Eindruck machen wollte. Dieser Widerspruch macht die Angaben nicht ganz unverdächtig. Will man sich aber für eine von beiden entscheiden, so wird man eher die für Pistoleta geltende als richtig wählen müssen, da sie für dessen Lebensdarstellung bedeutend wesentlicher ist als die andre für Arnaut. Indessen ist ja schliesslich eine Situation, in der dieser sich eines andern bedienen musste, nicht undenkbar und gewinnt sogar durch die Behauptung der Biographie, Arnaut habe seine Autorschaft lange geleugnet, an Wahrscheinlichkeit.

Inwieweit nun Pistoleta an den Schicksalen seines Herrn Anteil gehabt hat, darüber sind nur Vermutungen möglich. Will man der Biographie glauben, dass er in Arnauts Diensten gestanden habe, so wird man dies wohl für dessen Hauptschaffensperiode, d. i. für die glückliche Zeit in Béziers, zugeben dürfen. Wann diese ihr Ende erreichte, ist gleichfalls ungewiss. Friedmann a. a. O. p. 3 setzt Arnauts Tätigkeit am Hofe von Béziers in die Jahre 1171-1185. Nach Diez (17) aber könnte man, da Alfons II. mit seiner Neigung plötzlich so offen hervortrat, fast glauben, dass der Bruch erst nach dem Tode Rogers II., der am 10. März 1194 erfolgte, geschah. Diese Vermutung scheint mir, auch von Pistoletas Zeitverhältnissen aus beurteilt (s. weiter oben im Text), weit eher das Richtige zu treffen. Jedenfalls hat Friedmann für das Jahr 1185 als Schlussjahr keinen genügenden Anhalt; denn dass Roger II. sich in diesem Jahre von Alfons bewegen lässt, seinen ausserehelichen Sohn zu adoptieren, beweist nichts. Wohl mag Alfons schon damals Adelaïde geliebt haben, aber nichts steht doch der Möglichkeit entgegen, dass Arnaut überhaupt erst nach dem Jahre 1185 nach Béziers gekommen ist. Ausserdem war doch Alfons nicht dauernd an diesem Hofe. Zwischen Arnauts Eintreffen und dem Zeitpunkt, da Adelaïdes Neigung zu ihrem Sänger das Missfallen des aragonesischen Königs erregte, können dann immer noch Jahre liegen. Da andrerseits Alfons II. schon am 25. April 1196 starb, können sich jene für Arnaut so traurigen Vorgänge spätestens im ersten Viertel dieses Jahres zugetragen haben. Wie dem auch sei, Pistoleta kann bei der Verabschiedung seines Herrn, falls er sie miterlebte, erst etwa 16 Jahre alt gewesen sein, da, wie wir schon oben sahen, der Zeitpunkt seiner Geburt sich kaum über das Jahr 1180 zurückverschieben lässt. Ein noch geringeres Alter anzunehmen, verbietet sich aber von selbst.

Vielleicht ist von der damaligen Jugend und Aufgabe unseres Trobadors aus eine Erklärung seines Namens möglich. Schon Paul Meyer (18) und nach ihm Hertz (19) und Faral (20) haben vermutet, dass Pistoleta = „Briefchen“ nicht der eigentliche Name, sondern ein Pseudonym, und zwar ein die Tätigkeit des Trägers charakterisierender Pseudonym sei. Denn, füge ich hinzu, sollte man nicht mit diesem eigentümlichen Beinamen in Zusammenhang bringen können, dass grade Arnaut von Mareuil der Schöpfer der lyrischen Gattung des Liebesbriefes ist? Pistoleta wird es obgelegen haben, die gereimten Briefe seines Herrn am Bestimmungsorte melodisch vorzutragen; so mag man bald die Bezeichnung des Überbrachten (21) auf den Überbringer übertragen haben, bei dessen Jugend sich die Diminutivbildung leicht erklärt.

Daraus, dass Arnaut von Mareuil den Tod seiner einstigen Gönnerin, der am 20. Dezember 1199 oder 1200 erfolgte, nicht erwähnt, hat man geschlossen, dass er sie nicht überlebte (22). Auch Guilhem VIII. starb im November des Jahres 1202. Somit hatte Pistoleta, falls er seinem Herrn nach Montpellier gefolgt war, alle festen Beziehungen zu diesem Hofe verloren und mag nunmehr, in der besseren Gesellschaft einer guten musikalischen Begabung wegen bereits geschätzt, das unstäte Wanderleben eines fahrenden Hofdichters begonnen haben, auf das ihn seine Tätigkeit im Dienste eines andern Trobadors gleichsam vorbereitet hatte. Ein solcher Übergang von Sänger zu Trobador war ja nicht unerhört und einzig dastehend, waren doch jene von der verachteten Klasse der rohen Possenreisser, den eigentlichen ioglars – die Biographie bezeichnet Pistoleta ausdrücklich als cantaire – scharf unterschieden und den wirklichen Trobadors an Ansehen fast gleich gestellt.

Von den Höfen, an denen sich unser Dichter aufgehalten hat, lassen sich nur zwei mit einiger Sicherheit nachweisen: der Peters II. von Aragon und der Ebles V. von Ventadorn. Der König von Aragon wird in den Liedern I, II, III, V, VI erwähnt. Wo Pistoleta zu ihm in Beziehungen getreten ist, erfahren wir nicht. Sicher ist, dass es nicht an Peters Hofe selbst, sondern in Frankreich geschah; denn Pistoleta sagt in Lied I, in dem er die Wahl des Königs von Aragon zu seinem Herrn ankündigt, dass er da, wo er augenblicklich sei, weder Freund noch Diener habe, und Lied II, das dem ersten in Form und Inhalt völlig gleicht und deshalb kurz nach ihm entstanden sein muss, wird dem Könige über Perpignan nach Spanien zugesandt. Wo es dem Dichter so übel ergangen ist, verrät er nicht. Möglich immerhin, dass es in Montpellier war, wo er sich nach dem Tode seiner Gönner jedes Rückhalts beraubt sah, und wo er auch mit Peter II. in Berührung gekommen sein kann, da dieser im Jahre 1203 zweimal sich dort aufhielt, einmal, um Maria, Guilhelm’s VIII. älteste Tochter, zu ehelichen, und dann, um der Stadt die bisherigen Rechte und Gewohnheiten zu beschwören. (23) In Lied IIIzeigt sich dann Pistoleta am Hofe oder doch in unmittelbarer Nähe des Königs (v. 41-2); während er diesen bei Abfassung des Liedes V, wie das Wort sove verrät, bereits geraume Zeit wieder verlassen haben muss (v.41-2); um endlich in Lied VI die Überwindung seiner Trauer um den Tod des Königs zu verkünden (v. 6 ff.).

Dass Pistoleta auch Schloss Ventadorn besucht hat, geht aus der Geleitstrophe V des Liedes V hervor, in welcher dieses über Eissidoill an jene Schöne gesandt wird, die durch ihren Wert den Wert Ventadorns täglich steigen mache. Da das Lied, weil im Schlussgeleit Peter II. von Aragon als lebend erwähnt wird, vor 1213 verfasst sein muss, kommt als Adressatin nur Maria von Ventadorn in Betracht, die sich 1191 mit Eble V. von Ventadorn vermählt hatte und erst 1219 starb. Maria kann aber nicht gut Gegenstand der Liebe und der Lieder unseres Dichters gewesen sein. Sie ist nämlich offenbar nicht identisch mit der Dame, der die ersten vier Strophen des Gedichtes gelten; denn der Dichter ist bei Abfassung der Kanzone nicht in Ventadorn wie Maria, die Besungene aber an demselben Orte wie er, was aus seiner Äusserung, er könne sich trotz ihrer Sprödigkeit nicht von ihr losreissen, hervorgeht. Wie aber durfte Pistoleta Maria, wenn er sie liebte oder früher geliebt hatte, ein Lied widmen, das Huldigungen an eine andre enthielt! Die Widmung kann daher nur aus konventionellen Rücksichten erfolgt sein, die aber einen vorhergegangenen Aufenthalt Pistoletas in Ventadorn unbedingt fordern. – Für Eissidoil kommen wohl nur zwei Orte in Frage, das heutige Exideuil, Dép. de la Charente, und Exideuil oder Excideuil, Dép. de la Dordogne, das Heimatstädtchen Giraut von Bornelhs, dem wegen seiner alten Burgruine und, weil Ventadorn näher gelegen, wohl die grössere Wahrscheinlichkeit zukommt. Aber aus der Richtung Exideuil-Ventadorn auf den damaligen Aufenthaltsort Pistoletas schliessen zu wollen, hiesse in Hypothesen zu weit gehen.

Noch mehr gilt dies von der Richtungsangabe part Valenza,durch die der Kanzone IV der Weg gewiesen wird. Orte des Namens Valenza sind im südromanischen Sprachgebiete sehr zahlreich. In Frankreich allein gibt es heute deren sechs. Drei davon scheiden allerdings von vornherein als nicht in Betracht kommend aus: Valence-en-Brie, weil zu weit nach Norden gelegen, Valence d’Agenais, weil erst 1282 von Eduard I. von England, und Valence d’Albigeois, weil gleichfalls erst gegen Ende des XIII. Jahrhunderts gegründet; desgleichen können ihrer Lage nach sämtliche gleichnamigen Orte Spaniens und wohl auch Valenza in Oberitalien nicht gemeint sein. In Frage kommen mithin nur in Südfrankreich Valence, die bekannte Departementsstadt an der Rhone, Valence-sur-Baïse, Dép. du Gers, und Valence, Dép. de la Charente, das allerdings, heute ein Dorf von kaum einem halben Tausend Einwohnern und ohne jedes Zeugnis für ein bis in jene Zeit hinaufreichendes Alter, nur sehr wenig Wahrscheinlichkeit für sich hat. Für eine endgültige Entscheidung aber gibt uns nichts, weder die anonym gehaltene Adresse des Liedes noch die Erwähnung Peire Belmons am Schlusse einen Anhalt. – Dass Peire Belmon mit dem Adressaten des Liedes nicht identisch ist, erhellt schon allein aus dem Widerspruch des uneingeschränkten Lobes, das der letztere davonträgt, und der Peire gestellten Bedingung: sol be·us voilhalz captener,die dessen bisheriges Wohlverhalten nicht ganz ausser Zweifel stellt. Über die Person des Adressaten lässt sich natürlich nichts Sicheres sagen. Der künstlichen originalen Struktur nach passt die Kanzone wohl zu den späteren Aragon-Liedern. Dass also auch hier Peter II. von Aragon gemeint sei, ist nicht ausgeschlossen, wenn sich auch nicht nachweisen lässt, dass König Peter jemals ein Spielverbot erlassen oder doch angedroht habe, wie es Pistoletas Gegenwunsch erregen konnte (IV, 48-50). Trifft obige Annahme bezüglich der Adresse des Liedes zu, so folgt daraus, dass erstens das Lied vor dem vorhergehenden entstanden ist, da der Verfasser nach seiner Äusserung: so ieuaug direbis dahin weder den aragonesischen Hof besucht haben noch überhaupt mit Peter II. in Berührung gekommen sein kann, und zweitens, dass der Verfasser sich damals vom Col de la Perche, dem Pyrenäenübergange nach Spanien, aus genommen in der Gegend hinter einem der in Betracht kommenden Valenza aufgehalten haben muss. − Auch über Peire Belmon wissen wir nichts Genaues. Da ihn Pistoleta als rics hom bezeichnet, dürfen wir ihn wohl in jenem edlen, im Velay reich begüterten Geschlechte suchen, das späterhin durch die von Peire Cardenal so scharf gegeisselten verwandtenmörderischen Bluttaten Esteves von Belmont traurige Berühmtheit erlangte (24). Das Cartularium Conventus Sancti Egidii Camaleriarum (25) weist zwei Persönlichkeiten obigen Namens auf:

1. Petrus de Bellomonte, Prior und seit 1165 Abt des Klosters (26). Dass jedoch im Dezember 1172 Poncius de Calancone an seiner Stelle als Prior erscheint (Karte 89)und er selbst von da ab nicht mehr erwähnt wird, weist darauf hin, dass sein Tod schon um jene Zeit erfolgte. Mithin kann ihn Pistoleta nicht gemeint haben.

2. Petrus, der zusammen mit seinem wohl älteren, weil zuerst angeführten Bruder Poncius de Bellomonte zweimal als Bürge genannt wird in Rechtsverträgen zwischen dem Prior des Klosters und Mitgliedern des in der Nachbarschaft desselben ansässigen Adels (27). Nach Fabre ist Poncius der Vater des berüchtigten, 1226 noch minderjährigen Esteve und wahrscheinlich identisch mit dem etwa 1211 als baile von Gaillac ermordeten Pons de Belmon (28). Der Zeit nach kann also Petrus als jüngerer Bruder des Pons mit dem von Pistoleta angesprochenen Peire Belmon sehr wohl identisch sein. Da nun Petrus, weil vorn Kloster als rechtschutzfähig anerkannt, in der Nähe desselben sesshaft gewesen sein muss, so ist dann auch ein Aufenthalt Pistoletas in jener Gegend wahrscheinlich.

Auch am Hofe des Grafen Thomas I. von Savoyen mag Pistoleta Aufnahme gefunden haben. Im Sirventes VIII heisst es, nachdem über die Verkehrtheit der Welt und die Schlechtigkeit der Barone geklagt worden ist: Mas lo coms de Savoya m’a per amic e tostemps m’aura. Ohne Zweifel ist dieser Graf Thomas I., dessen Regierung (1189-1233) die Blütezeit Pistoletas umspannt. Die Äusserung Pistoletas gibt Éméric-David Grund zu seiner schon oben dargelegten Ausführung, als seien der Aufenthalt des Dichters am Turiner Hofe und eine vom Grafen lebhaft erwiderte Freundschaft ausgemachte Sache. Sonderbarerweise unterlässt Éméric, sein Zitat mit dem nächstfolgenden Verse (40): ben aya huey aital razitz zu vervollständigen, aus dem klar hervorgeht, dass, wenigstens zur Zeit der Abfassung des Liedes, Pistoleta am Grafen keine Stütze hatte. Das Sirventes ist darum höchstens als ein Werbelied um die Gunst des Grafen anzusehen. Ob aber diese dem Verfasser jemals zuteil geworden ist, wird dahingestellt bleiben müssen.

Das ist so etwa alles, was wir auf Grund der provenzal. Lebensnachricht und der in den Liedern enthaltenen sachlichen Äusserungen von der Existenz unseres Trobadors sagen oder vermuten können. Und es ist wenig genug. Nichts erfahren wir von seinem wahren Namen, nichts auch von den näheren Umständen seines Todes. Vor allem aber vermissen wir jede Andeutung über die Persönlichkeit der Dame oder der Damen, denen die Huldigungen unseres Dichters gegolten haben. Nur so viel können wir – wenigstens für die in den ersten bei den Liedern gefeierte Dame – der wiederholten Berufung Pistoletas auf die Zeugnisse anderer Trobadors über ihre Vorzüge und Trefflichkeit (I, 17-20) und darauf, dass alle Welt in ihrem Lobe einig sei (II, 10 und 22), entnehmen, dass es eine allgemein gefeierte, hochstehende Dame war, deren Gunst zu erringen, für den jungen Dichter bei der grossen Konkurrenz eine nicht eben leichte Aufgabe gewesen sein mag. Falls uns der Zufall nicht neue auskunftsreichere Lieder Pistoletas in die Hände führt, wird es kaum jemals gelingen, diese Fragen einer klaren Lösung entgegenzuführen.

 

Was Nostradamus von Pistoleta erzählt, zeigt, wie die meisten seiner biographischen Angaben, von vornherein den Stempel des Unwahren. Er nennt ihn (29) als letzten in einer Reihe bekannter Trobadors, die sämtlich als Edelleute am Hofe des Grafen Philipp des Langen von Poitiers, des späteren Philipp V. von Frankreich (30) gelebt hätten (31), deren Lebenszeit aber gleich der Pistoletas um ein volles Jahrhundert früher fällt.

Pystolleta, autre gentilhomme de sa (du comte de Poitou) cour adressa ses chansons a dame Sance de la maison de Villeneufve en Provence e a un’autre de la maison de Chamdieu en Dauphine, une autre a une Gentil-femme de Grymaud de Genues, e a une autre de la maison de Castillon e de Brancas, e d’Esparron de Provence : a toutes lesquelles e a la coupple finale d’ycelles desire avoir une Colombe de Surie semblable a celle de Mahommet, pour l’envoyer faire ses messages.

Von dem Schicksal aller hier aufgezählten Dichter berichtet Nostradamus weiter:

Tous ces poètes cy dessus nommez fleurissoyent d’un mesme temps dudiet Comte de Poietou dont ceux qui furent a sa cour decederent empoysonnez des eaux e fontaines par les lepreux au pays par la pratique des Juyfz, en heyne de ce que le Comte de Poietou nomme Philippes le Long qui fut roy de France apres la mort de Loys Hutin son frere, les avoit deschassez de France : plusieurs desquelz Juyfz lors se vindrent retirer en Provence, e ce fut en l’an 1324. (32)

Für Pistoleta wird diese Behauptung schon durch die Tatsache hinfällig, dass er mit Blacatz tenzonierte, der bereits 1237, starb (s. weiter oben im Text), und dass Pistoleta kein Edelmann war, zeigt in derselben Tenzone Blacatz’ ständige Anrede des Gegners mit einfachem Namen, während umgekehrt Pistoleta sich Blacatz gegenüber stets des Titels Senher befleissigt, vor allem aber Pistoletas Luftschlösser im Sirventes VIII, besonders v. 6-7 und Str. IV. Angesichts dieser gründlichen Unwahrheiten ist ein Zweifel an Nostradamus’ Angaben bezüglich der von Pistoleta besungenen Damen berechtigt. Artefeuil (33) bringt Sancie von Villeneuve, die erste der Genannten, mit der Gemahlin Bertrands von Villeneuve zusammen, die urkundlich zwar nirgends erwähnt, aber in der später auf Veranlassung Peters von Villeneuve gedruckten Genealogie des Hauses Sancie de Signes genannt wird. Besteht diese Identifikation zu Recht, so kann Pistoleta, da Bertrand erst in Akten vom 24. Juni und 2. Juli 1321 zum Sohn und Erben seinesVater erklärt wird, nicht Sänger Sancies gewesen sein, und Nostradamus hat sich eine willkürliche Kombination erlaubt; oder aber Nostradamus spricht von einem tatsächlichen, ihm bekannt gewesenen Liebesverhältnis Pistoletas zu einer Sancie aus dem Hause Villeneuve und verschiebt ihre Lebenszeit gleich der Pistoletas um ein Jahrhundert; oder endlich, was am wahrscheinlichsten ist, Sancie ist Nostradamus’ eigene Erfindung. – Dadurch dass er die Vornamen der übrigen Damen nicht nennt, schneidet er jede Möglichkeit, seinen Angaben über sie auf den Grund zu gehen, von vornherein ab. Die Behauptung endlich, Pistoleta habe sich am Schlusse jeden Liedes eine syrische Taube gleich der Mohammeds als Liebesboten gewünscht, wird durch keines der erhaltenen Lieder bestätigt und hat überhaupt wenig Glaubliches an sich.

Noch eine zweite biographische Notiz von Nostradamus über Pistoleta ist uns erhalten in den Vies manuscrites de Carpentras p. 122 (34) die bekanntlich der erste handschriftliche Entwurf zu den gedruckten Vies sind. Sie lautet: (Pistoleta) estoit gentilhomme de Languedoc ; a faict la chanson adressante au roi d’Arragon, autre au comte de Tholose. Nostradamus behauptet, sie wie die andern Biographien dem Chansonnier de Sault entnommen zu haben (35). Da dieser heute verschollen ist, können wir die Angaben nicht kontrollieren. Zu beachten istaber, dass Nostradamus diese doch nicht unwesentlichen, der Wahrheit näher kommenden Daten in der gedruckten Biographie nicht berücksichtigt hat, während er umgekehrt von einem Verhältnis Pistoletas zum Hofe Philipps des Langen im ersten Entwurfe noch nichts erwähnt. Dieser scheint also ein Übergangsglied von der Wahrheit, die Nostradamus sicherlich bekannt war, zu den phantastischen Ausführungen der gedruckten Fassung zu bilden.

Zu erwähnen ist noch die auf IX, 33: Dompna, mon cor e mon castel vos ren sich stützende Vermutung Barbieris, Pistoleta sei Herr eines Schlosses gewesen (36) castel ist aber offenbar nichts als das vom Dichter v. 6-7 erträumte Luftschloss. Dass der Dichter auch den Gegenstand seines sehnlichsten Wunsches der Geliebten aufopfert, soll eben seine schrankenlose Hingabe an sie zum Ausdruck bringen. ()

 

Attribution.

 

Der poetische Nachlass Pistoletas besteht insgesamt aus 7 Kanzonen (I-VII), I Sirventes-Kanzone (VIII), I Sirventes (IX) und 2 Tenzonen, einer fingierten (X) und einer echten (Xl). Sämtliche Lieder werden wir als Eigentum Pistoletas anerkennen müssen. Bei I, II, V, VII, VIII, IX (37) kann nach den handschriftlichen Zeugnissen, bei XI dem Inhalte nach an seiner Versasserschaft kein Zweifel sein. Aber auch die Attributionen der vom Cod. Càmpori überlieferten Unika III, IV, VI werden, obschon derselbe Codex p. 484 das Lied Del bel dezir (Grdr. 124, 8), das unstreitig Daude de Pradas angehört, fälschlich auch Pistoleta zuschreibt, ernstliche Bedenken nicht erregen können, da die fraglichen Lieder ihrem ganzen Tone nach und vor allem mit ihren anonymen Erwähnungen des Königs von Aragon zu den andern Dichtungen Pistoletas sehr wohl passen und ferner für die mit ihnen zusammen überlieferten und auch metrisch zu ihnen gehörigen (s. Metrisches) Lieder V und XI die Verfasserschaft Pistoletas erwiesen ist. Solange daher nicht neue Zeugnisse bekannt werden, die Pistoletas Anrecht auf die fraglichen Lieder ausdrücklich bestreiten, werden wir dem Cod. Càmpori Glauben schenken dürfen.

Die Attributionsfrage der Tenzone X hat bereits Crescini erörtert (38). Zwar übernimmt er Bartschs Irrtum (39) dass das Lied auch in R und T Pistoleta zugeschrieben sei (s. unter IX), seine Ausführungen sind aber darum nicht weniger zutreffend (40), dass nämlich die falsche Attribution in Saragossa und in den, wie es scheint, von ihr stark abhängigen Vega Aguiló I und III nur auf einer Verwechslung des vorliegenden Liedes mitder Tenzone Grdr. 392, 6 beruhen kann, die zwischen Raimbaut von Vaqueiras und seiner Dame eine gleiche, auch in Raimbauts Biographie (41) wiedergegebene Szene darstellt wie unser Lied. Auch in L, das Bertran del Puget als Verfasser angibt, wird eine Verwechslung mitdessen Tenzone Grdr. 87, I vorliegen, die nicht nur im Anfangsverse an Pistoletas Lied anklingt, sondern auch inhaltlich zu ihm passt. Die übrigen Handschriften überliefern das Gedicht, soweit sie es nicht unter Pistoleta führen, anonym. Gegen Pistoleta spricht also nichts, für ihn aber das Zeugnis von DaIK,die zwar auf einen Typus zurückgehen, in der Attribution der Lieder aber erfahrungsgemäss selten fehlen. Nur der Titel Senher,der Pistoleta nicht zustand, könnte noch Bedenken erregen. Aber auch dies fällt mit dem Nachweis, dass die Tenzone fingiert ist. Knobloch (42), Selbach (43) und Zenker (44) haben sich in ihren Arbeiten über das provenzalische Streitgedicht mit dieser Frage beschäftigt. Während der erste an die Echtheit der Tenzone glaubt, sehen Selbach und Zenker in dem Liede mit Recht nur ein fingiertes Zwiegespräch. Der in Rede und Gegenrede glekhmässig und zielbewusst erfolgende „Fortschritt des Gedankens bis zu der wohlvorbereiteten Lösung in der letzten Strophe macht es höchst wahrscheinlich, dass Pistoleta (45) als alleiniger Verfasser zu betrachten sei“ (Zenker p. 67). Mithin steht der Annahme, dass die Tenzone unserem Dichter gehöre, nichts mehr im Wege.

Dagegen werden die Lieder Grdr. 124, 8 und 314, I Pistoleta mit Unrecht zugeschrieben, das erste von a¹ gegen CDIKMN, die es Daude de Pradas zuweisen, und das zweite von C reg. gegen CDMR, die Ozil de Cadartz und IKd, die Guilhem de Cabestaing als Verfasser nennen. Die Unrechtmässigkeit der Attributionen von a¹ und C reg. ist somit evident, weshalb auf eine Wiedergabe der betreffenden Lieder verzichtet worden ist. ()

 

Der Dichter.

 

Pistoleta gehört nicht zu den grossen Dichtern der provenzalischen Literaturperiode. Sein poetischer Nachlass ist nur von bescheidenem Umfange, und einige seiner Lieder finden sich nur in einer Handschrift überliefert, ein Zeichen dafür, dass sie eine grosse Verbreitung nicht erlangt haben. In der Tat geht Pistoletas dichterisches Talent kaum über das Mittelmass hinaus. Besonders in den Kanzonen, die die Mehrzahl seiner Lieder ausmachen, zeigt er wenig Originalität, die zu entfalten allerdings in dieser durch streng kunstmässige Gesetze besonders fest geregelten Dichtungsart nicht leicht war. So sind denn hier die von ihm verwandten Ideen und Motive die in der Trobadorpoesie allgemein gangbaren, oft wiederholten; und seine Dame preist er in den hergebrachten artigen Wendungen; individuelle Züge, die sie uns greifbar vorführen könnten, verrät er nirgends von ihr. Auch Naturbeziehungen fehlen bei ihm ganz. Seine Sprache entbehrt zuweilen nicht der Anmut und des Reizes, wie z. B. bei der Schilderung des Eindrucks seiner Dame auf die Vogelwelt, aber des öfteren streift sie auch ans Triviale. – Und doch ist Pistoleta ein populärer Erfolg nicht versagt geblieben, sobald er die ausgetretene Bahn der Liebesdichtung verliess. Sein Sirventes IX ist es, das nicht allein im provenzalischen Sprachgebiet sehr bekannt und beliebt gewesen sein muss, sondern auch in französische und italienische Idiome, und zwar – das Zeichen für den echten Dichter – meist anonym, übergegangen ist und hier wiedort zahlreiche Modifikationen und Zusätze erfahren hat (46) „Ce troubadour, sagt Paul Meyer (47), qui ne se distinguait par ancune qualité éminente, eut un jour la fortune de mettre la main sur une de ces idées qui sont de tous les temps, que chacun a conçues et exprimées plus d’une fois en sa vie et dont personne ne réclame la propriété. Les idées de cette sorte donnent la popularité à ceux qui savent les formuler à la satisfaction de leurs contemporains. Celle que notre poète développa, avec une évidente sincérité, se résume en un souhait de la richesse et des bien qu’elle peut procurer.“ Und wenn auch, wie Paul Meyer hervorhebt, die Grundidee in Pistoletas Liede nicht original ist, so birgt doch auch geschickte und gefällige Formulierung solch allgemeiner Gedanken und Wünsche kein geringes Verdienst.

Wie schon erwähnt, gehört der grösste Teil der überlieferten Lieder Pistoletas der Liebesdichtung an. Dennoch scheint der Dichter in der Liebe kein besonderes Glück gehabt zu haben. Seine Lieder sind voll von Klagen über die schnöde Nichtachtung, mit der sein Gesang und sein Liebeswerben belohnt würden. Nur bei der Dame, der Lied VII gilt, scheint ihm geworden zu sein, was er begehrte; sein nahes Verhältnis zu ihr und der vertraute Ton, der hier im Gegensatz zu der schüchternen Zurückhaltung in den anderen Kanzonen herrscht, bestätigen auch vom chronologischen Gesichtspunkte aus einigermassen die alphabetische Ordnung, die das Lied ans Ende der Kanzonenreihe verweist.

Für Pistoletas Charakter ist seinen Liedern nicht viel zu entnehmen. Über seine Neigung zum Glücksspiel und seine Liebesauffassung ist in den Anmerkungen zu den betreffenden Stellen IV, 48-50 bezw. III, 14 gesprochen worden. ()

 

Metrisches.

 

Hinsichtlich des metrischen Baues zeigt sich ein überraschender Unterschied zwischen den vom Cod. Càmpori überlieferten (III, IV, V, VI, XI) und den übrigen Gedichten (I, II, VII, VIII, IX, X). Während diese die einfachsten und gewöhnlichsten Strophenschemata aufweisen, die wir in der provenzalischen Lyrik kennen, sind für jene gleiche Formen weder von Maus angeführt, noch in den neuerdings bekannt gewordenen, von Maus nicht mehr berücksichtigten Liedersammlungen (N², a¹) zu belegen. Beide Gedichtsreihen sind Eigentum Pistoletas (s. weiter oben im Text). Wie es nun gekommen sein mag, dass Càmpori allein die metrischen Unika, und zwar nur diese Unika unseres Trobadors überliefert, wird so bald nicht entschieden werden können. Jedenfalls ist das Zusammentreffen sämtlicher Unika kein Zufall. Vermutlich sind sie aus einem Sammelalbum seltener Gedichtsformen in die Handschriftenreihe geschlossen übergegangen, die zum Cod. Càmpori und seinen nahen Verwandten führte. Denn auch im Chans. de Sault mögen sie gestanden haben, wie wir wenigstens für die Lieder VI und XI aus Nostradamus’ Angaben (s. unter VI und XI Anmerkungen), für ersteres auch aus seinem Zitat (s. Anm. VI, 10) ersehen (48). – Die Reimfolge ist dagegen auch in diesen der Form nach einzeln dastehenden Liedern bis auf eine Ausnahme (V) recht gewöhnlich. In ihnen zeigt Pistoleta eine Vorliebe für den Sechssilbner, den er in V und VI durchweg, in III vorwiegend verwendet. Besonders gekünstelt ist die Strophenform in IV, wo 5-, 6-, 7- und 8-silbige Verse scheinbar planlos aufeinander folgen.

 

Nr. I.

Die Kanzone besteht aus 5 coblas unisonans.

Schema
10a_
b
b
a_
C
c
d_
d_
Reime
ia
atz
atz
ia
o.r
o.r
ire
ire

Dieselbe Form, nur andere Reime hat VII. Weitere Beispiele bei Maus 535, 20.

 

Nr. II.

Die Kanzone besteht aus 5 coblas unisonans.

Schema
10a
b
a
b
c_
c_
d
d
Reime
atz
e
atz
e
aire
aire
an
an

Dieselbe Form, aber andere Reime haben noch IX und X. Weitere Beispiele bei Maus 359, 4.

 

Nr. III.

Die Kanzone besteht aus 5 coblas unisonans und I Tornada von zwei Versen.

Schema
6a_
6b
6a_
6b
8c
8c
6d_
6d_
Reime
egna
en
egna
en
e
e
ia
ia

Die Form ist von Maus nicht belegt, die Reimfolge dagegen sehr gewöhnlich.

 

Nr. IV.

Die Kanzone besteht aus 5 coblas unisonans und 1 Tornada von 4 Versen.

Schema
5a_
5b
6a_
5b
7c_
8c_
6d
6d
7e
8e
Reime
enza
e
enza
e
ire
ire
ai
ai
er
er

Von Maus 366 nicht belegt; die Reimfolge findet sich oft, so auch in VI.

 

Nr. V.

Die Kanzone besteht aus 5 Strophen und 1 Tornada von 4Versen. Die Reime a b c d sind rimas unisonans, der Reim e ist rima singulars.

Schema
6a
b
b
c
c
d
e
d
Reime
oil
atz
atz
e
e
ar
 
ar

(e: mal ve tric esper Ventadorn engeinz.)

Maus 681 führt nur unser Beispiel an. Dieselbe Reimfolge, aber andere Strophenform hat nach ihm nur noch Albert de Sestaro 9: Destreitz d’amor veing denan vos.

 

Nr. VI.

Die Kanzone besteht aus 5 coblas unisonans und 1 Tornada von 2 Versen.

Schema
6a
b
a
b
c
c
d
d
e
e
Reime
itz
atz
itz
atz
on
on
os
os
an
an

Die Strophenform von Maus nicht belegt; wegen der Reimfolge vgl. IV.

 

Nr. VII.

Die Kanzone besteht aus 4 coblas unisonans und 1 Tornada von 4 Versen.

Schema
10a
b_
b_
a
c
c
d
d
Reime
ors
ura
ura
ors
en
en
at
at

Angeführt von Maus 535, 20; vgl. I.

 

Nr. VIII.

Diese Sirventes-Kanzone besteht aus 5 coblas unisonans und 1 Tornada von 2 Versen.

Schema
8a
b
a
b
c
c
d
d
e
e
Reime
ar
en
ar
en
a
a
atz
atz
itz
itz

Nach Maus 366,3 haben noch dieselbe Form, aber andere Reime:

1. Bertran Carbonel 38: Dieus no laissa mal a punir ;

2. Guillem Augier 2: Cascus plaing e plor son dampnatge;

3. Daude de Pradas (s. auch Appel, Inedita, p. 37 Anm.): Si tot mais pretz un pauc de dan.

 

Nr. IX.

Für dieses Sirventes sind nur 5 Strophen als echt anzusetzen (s. Paul Meyer, Rom. XIX, 43 ff).

Schema
10a
b
a
b
c_
c_
d
d
Reime
en
os
en
os
endre
endre
ar
ar

Von Maus angeführt 359,4; vgl. II und X.

 

Nr. X.

Diese fingierte Tenzone besteht aus 6 coblas doblas und 1 cobla singular. Der Reim d ist rima unisonans.

Schema
10a
b
a
b
c_
c_
d
d
Reime Str.1-2
an
ier
an
ier
era
era
en
en
Reime Str.3-4
or
a
or
a
enda
enda
en
en
Reime Str.5-6
atz
ir
atz
ir
ensa
ensa
en
en
Reime Str.7
os
e
os
e
ansa
ansa
en
en

Angeführt von Maus 359, 4; vgl. II und IX.

 

Nr. XI.

Die Tenzone besteht aus 6 coblas doblas und 2 Tornadas von je 2 Versen.

Schema
7a
10b
7a
10b
10c_
10d
10d
10c_
Reime Str.1-2
or
e.tz
or
e.tz
anza
er
er
anza
Reime Str.3-4
ier
en
ier
en
enza
ir
ir
enza
Reime Str.5-6
is
e.tz
is
e.tz
aire
ut
ut
aire

Von Maus die Strophenform nicht belegt; Reimschema dagegen nicht ungewöhnlich.

Über die rima bastarda s. Anm. zu V, I. Im übrigen sind die Reime gewöhnlich und bieten zu besonderen Bemerkungen keinen Anlass.

Am Hiat, auch zwischen gleichen Vokalen, nimmt Pistoleta, wie die meisten seiner Kunstgenossen, keinen Anstoss.

Die lyrische Zäsur ist bei Pistoleta nicht selten; sie ergibt sich meist aus der direkten Anrede: I, 2, 3, 4, 6, 12, 22, 27; II, 22, 29; VII, 16, 25, 26, 29. Die Zäsur nach der 6. Silbe haben: I, 9, 25; II, 7, 32; VII,4. Ganz zäsurlos sind: VII, 3, 17. Auch ein Beispiel der Zäsur nach unbetonter, im zweiten Versgliede zählender fünfter Silbe begegnet (49): VII, 5: car sens la·m mostra per la plus valen.

Auch das Kunstmittel der Alliteration verwendet Pistoleta ausgiebig; so: VI, 26 d’ira·s don, 27 d’un dan dos; VII, I Sens e sabers, 7pretz prezat, 14 proat per pres e per . . ., 17 venc vas vos e vau . . .; VIII, I Manta . . ., meravelhar, 44 planc e·n plor; IX, I mil marcs, 8 d’aiga dousa, 26 percatz paubres . . . Perqu’eu; X, 2 molt m’es . . . mestier, 7 reprovier retrai, 9 segon . . . senblan, 26 fols . . . folia fa. ()

 

BIOGRAPHIE.

 

Die Biographie Pistoletas ist überliefert in den Hss. I fol. 137v, K fol. 123 und N² fol. 4v col. a. − Gedruckt ist sie: Parn. occ. 381(I), Arch. 101, 372 (N²), Constans: Rlr. 19, 266 (N²) und kombiniert: Chab. Biogr. p.81 (IKN²), Mahn, Biogr. Nr. 114 (IK) und Choix V, 349.

Orthographie nach I.

 

1
Pistoleta si fo cantaire d’en Arnaut de Marvoill e fo de Proenssa ;
  e pois venc trobaire e fez cansos con avinens sons e fo ben grazitz
  entre la bona gen. Mais hom fo de pauc solatz e de paubra enduta
  e de pauc vaillimen. E tolc moiller a Marseilla e fez se mercadier
5
e venc rics e laisset d’anar per cortz. E fez aqestas cansos:

 

1. Meruoill N² – 2. vene fehlt N² ;e con av. s. IK;avinen I – 4. se fehlt N² – 5. e venc bis Schluss fehlt N².

Übersetzung.

 

Pistoleta war Sänger des Herrn Arnaut von Mareuil und stammte aus der Provence, und dann wurde er Trobador und dichtete Lieder und zwar solche mit angenehmen Melodieen, und er war in der guten Gesellschaft gern gesehen. Aber er war ein Mann von geringer Unterhaltungsgabe und von armseligem Äussern und von wenig Bedeutung. Und er nahm eine Frau in Marseille und wurde Kaufmann und wurde reich und gab es auf, an den Höfen umherzuziehen. Und er dichtete folgende Lieder:

 

Anmerkung.

 

3.enduta − Auch N² hat enduta (s. Pillet, Arch. 101, 372) und nicht endura,wie Constans (Rlr. 19, 266) gelesen hat. – Das Wort wird von Rayn. (Lex. 1II, 89) und Levy (Sw. II, 482) nur an dieser Stelle belegt. Rayn. leitet es (seltsamerweise mitten im Artikel lat. ducere)von lat. induta, wohl plur. part. pass. neutr. von inducere,her und übersetzt enduit, apparence, dehors. Levy fragt, ob Form und Deutung richtig seien. Dass enduta = lat. induta ist, scheint wegen der Erhaltung des t nicht gut möglich; böchstens könnte man bei dem singulären Auftreten des Wortes an eine gelehrte Augenblicksbildung des sicherlich lateinisch geschulten Schreibers der Biographie denken, wogegen aber wieder die Behandlung des neutr. plur. als fem. sing. spricht. Prov. enduta ist wohl vielmehr eine nicht ganz lautgerechte Nebenform zu einem in Analogie zu conduch, conducha, neben dem sich gleichfalls ein conduta findet (s. Levy, Sw. I, 320), von enduch „Bemörtelung“, „Putz“ gebildeten Femininum *enducha,das übrigens nach Mistral, Trésor I, 904 noch heute im Dauphiné in der speziellen Bedentung: Étendre les gerbes en ligne sur l’aire existiert, hier mit der übertragenen Bedentung „das Äussere am Menschen“.

Einen andern, vielleicht richtigeren Weg fiir die Deutung von enduta weist Crescimbeni, der es Vite p. 133 mit entrata übersetzt. Du Cange, Glossarium IV, 346 belegt inducta in der ursprünglichen Bedeutung von entrata:. . . Ubi in brevi spe sua frustatus moritur etsuper inductam B. Michaelis sepelitur. Sollte es nicht möglich sein, dass enduta die gleiche Bedeutungsentwicklung durchgemacht hat wie it. entrata:„Eintritt“, dann „die beim Eintritt in eine Stadt usw. erhobene Abgabe“, und daher allgemein .. Einkünfte“?

Millot (50) und nach ihm Papon (51) übersetzen paubra enduta mit peu d’usage du monde (ihr zweites Prädikat: de peu de mérite geht offenbar auf das dritte der Biographie: de pauc vaillimen), was bezüglich der etymologischen Ableitung ganz unverständlich ist.

Brinckmeier (52) deutet „Erziehung“ und geht dabei wohl auch von lat. inducta aus. Aber inducere heisst niemals „erziehen“. ()

 

FUßNOTEN.

 

1) Historia de los trovadores t. VI, 173. ()

2) Raimon de Miraval p. 7. ()

3) Hist. litt. de la France t. XVIII, 579 f. ()

4Romania XIX, 43. ()

5) Hist. gén. dela Prov. t. II, 415. ()

6) Hist. litt. de la France a. a. O. ()

7) So weist auch Aimeric de Peguilhan in den Anfangsversen seines Liedes Gr. 10, 26 auf jene Zeit grosser Trauer zurück, indem er nicht nur den König Peter von Aragon mit Namen nennt, was Pistoleta nicht tut, sondern auch noch eine Reihe anderer hervorragender damals verstorbener Persönlichkeiten aufführt, die über die Personen der zuerst genannten Könige keinen Zweifel lassen; so Heinrich, den noch jugendlichen Sohn Alfons’ VIII. von Kastilien, der am 6. Juni 1217 einem Unfall erlag [Schirrmacher, Gesch. von Span. IV, 330]; ferner Don Diego Lopez, den kühnen Vorkämpfer bei Las Navas de Tolosa, der am 16. September 1214 starb[Ebendap. 320], und Azzo VI., Markgrafen von Este, der schon im November 1212 abgeschieden war[Muratori, Delle Antichità Estensi ed Italiane I, 402]. (Wen Aimeric mit valens Salados meint, vermag ich leide, nicht anzugeben); s. Anm. zu VI, 7. ()

8) Vgl. auch Paul Meyer, Rom. XIX, 43. ()

9) Soltau, Blacatz p. 29. ()

10) Stroński, Notes sur quelques troubadours p. 35 ff. ()

11) Ebenda p. 29. ()

12) Darin lag auch von seiten des Kaisers her eine Anerkennung der Tüchtigkeit, die die Trobadors an Blacatz so gerühmt haben; zu den Gedichten, wo er von ihnen gefeiert wird, s. Schultz-Gora, Sirventes p. 42. ()

13) Hist. litt. de la France t. XVIII p. 580. ()

14) Chabaneau, Biogr. p. 12 f. ()

15) W. Friedmann, Einleitung zu einer kritischen Ausgabe der Gedichte des Troubadours Arnaut de Mareuil p. 2. ()

16) Nach Diez ist diese Angabe nicht glaubhaft, da Arnaut, um Glück zu machen, sein Talent nicht verheimlichen, sondern zeigen musste; L. u. W.² p. 104. ()

17) L. u. W.² p. 107. ()

18) Romania XIX, 43 f. ()

19) Hertz, Spielmannsbuch³p. 26. ()

20) Faral, Les jongleurs en France pp. 75 und 114 Anm. S. auch Witthoeft, Sirventes joglaresc p. 9. ()

21) Nach Diez, Poesie²p. 106 ist die Bezeichnung pistola allerdings ungewöhnlich, aber doch belegt. ()

22) Diez, L. u. W.²,108. ()

23) Hist. de Lang. III, 121; nach Tourtoulon, Jacme Ier, p. 82 ist es das Jahr 1204. ()

24) C. Fabre, Études sur Peire Cardenal, Esteve de Belmont, Adm. 21 (1909) p. 1 ff. ()

25) Tablettes historiques du Velay 2 (1871-72). ()

26) Karte 65, 66, 67, 70, 72 ?, 74, 85, 88, 128, 157. ()

27) Karte 131: . . . est insuper hos fidejussores dederunt . . . Poncium de Belmunte et P. fratrem ejus . . .; Karte 133: . . . Insuper hos fidejussores dedit Poncium de Bellomonte el Petrum fratrem ejus. Dass auch in Karte 131 P. = Petrum ist, kann bei einem Vergleich der beiden Dokumente nicht zweifelhaft sein. ()

28) C. Fabre, a. a. O. p. 16 Anm. 1. ()

29) Les vies des . . . poètes provençaux p. 200. ()

30) Nach Bartsch, Jahrb. I, Neue Folge, p. 60, hat Nostradamus Wilhelm IX. im Auge. ()

31) Bastero, La Crusca provenzale p. 113 nimmt diese Angabe des Nostradamus wieder auf. ()

32) Vgl. dazu Lavisse, Hist. de France III, II, 221. ()

33) Hist. héroique t. II, p. 514. ()

34) Romania 40, 285. ()

35) Bei Pistoleta fehlt in dem den Vies manuscrites angefügten Namenregister der sonst überall angegebene Folioverweis auf den Chans. de Sault. ()

36) Dell’origine della poesia rimata p. 129: Pistoleta il quale appare che fosse Signore di Castello per gli seguenti versi:

Dompna, mon cor e mon castel vos re,
E tot cantai, car es bella e pros. ()

37) Für IX s. auch Paul Meyer, Rom. XIX, 45 f. ()

38) Di un „Conseill“ male attribuito, Rendiconti dell’Acc. dei Lincei 10(1901) p. 114 ff. S. dazu A. Jeanroy in Adm. 13 (1901) p. 582. ()

39) Grdr. 372, 4. ()

40) Milá y Fontanals, und Pàges hatten anfangs, durch die falsche Attribution der spanischen Handschriften getäuscht, die vorliegende Tenzone mit Grdr. 392, 6 identifizieren zu müssen geglaubt. ()

41) Chabaneau, Biogr. p. 86-7. ()

42Die Streitged. im Prov. u. Altfranz. p.14. ()

43) Das Streitged. in der altprov. Lyrik p. 37. ()

44) Die prov. Tenzone p. 66. ()

45) Zenker setzt Pistoletas Verfasserschaft voraus. ()

46) Romania XIX, 43 ff. ()

47) Ebenda. ()

48) Nostradamus zitiert im Glossar (vgl. Anm. zu VI, 10) unter Pistoleta wegen „Bauzia“ folgende Verse:

Car qui non tem non ama sens bauzia
Ny sap d’amour quals es ny son uzage.

Den überlieferten Gedichten Pistoletas entstammen sie nicht. Eine anderweitige Identifikation ist mir aber nicht gelungen. Vielleicht haben wir es hier mit einem noch unbekannten Liede P.s zu tun. ()

49) Nach A. Tobler, Vom franz. Versbau alter und neuer Zeit, 4, p. 99 am besten als zäsurlos zu betrachten. Weitere Beispiele bei A. Rochat, Jahrb. XI, 89 f. Vgl. auch Schultz-Gora, Dichterinnen p. 36, Anm. zu III, 17. ()

50) Hist. litt. des troub. III, 430. ()

51Hist. gén. de la Prov. II, 415. ()

52) Die prov. Troub. p. 152. () ()

 

 

 

 

 

 

 

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