INDEX
VORWORT
EINLEITUNG: GUILLEM MAGRETS LEBEN UND WERKE
FUßNOTEN
DER TROBADOR GUILLEM MAGRET
Vorwort.
Eine kritische Gesamtausgabe von Guillem Magrets (*) Dichtungen lag bis jetzt nicht vor.
Kurze Notizen über diesen Trobador brachten Bastero, La Crusca provenzale, S. 86 und Crescimbeni, Istoria della volgar poesia II, S. 193. Fast wertlos sind heute die über Guillem Magret handelnden Abschnitte bei Millot, Histoire littéraire des troubadours II, S.243-247, Éméric-David: Histoire littéraire de la France XVII, S. 538-542, Rochas, Biographie du Dauphiné II, S. 96, Balaguer, Historia política y literaria de los trovadores IV, S. 242-247 und Vaschalde, Histoire des troubadours du Vivarais, du Gevaudan et du Dauphine, S. 129-136. Injüngster Zeit veröffentlichte Pillet den Aufsatz: „Ein ungedrucktes Gedicht des Troubadours Guillem Magret und die Sage von Golfier de las Tors“, S. 640-647 in der „Festschrift zur Jahrhundertfeier der Universität zu Breslau. Im Namen der Schlesischen Gesellschaft für Volkskunde hgg. von Th. Siebs“, Breslau 1911 (**).
Herr Prof. Dr. Pillet ist es auch, der die vorliegende Arbeit angeregt hat. Dafür und für die zahlreichen, wertvollen Ratschläge, durch die er sie unermüdlich gefördert hat, bin ich ihm zu dauernder Erkenntlichkeit verpflichtet. ― Von dem noch nicht veröffentlichten handschriftlichen Material standen mir zum grössten Teile photographische Reproduktionen zur Verfügung, die ich mir dank gütiger Erlaubnis seitens der Verwaltungen der National-Bibliothek zu Paris und der Vatikanischen Bibliothek zu Rom anfertigen lassen konnte. Für die Gedichte habe ich die Hs K nichtberücksichtigt, da sie durch I entbehrlich gemacht ist. Nicht benutzen konnte ich für Gr. 223, 5 die in englischem Privatbesitz befindliche Hs. N. Herr Prof. Dr. Bertoni hatte die Freundlichkeit, mir noch vor dem Erscheinen seiner Ausgabe der Hs. G die Druckbogen und Photographieen für Gr. 223, 3 in diesem Kodex zur Verfügung zu stellen, und er nahm in liebenswürdigster Weise die zeitraubende Arbeit auf sich, aus der Hs. D Gr. 223, 1; 223, 3; 223, 4; 223, 5; 47, 2 für mich abzuschreiben. Herr Prof. Dr. Jeanroy war so gütig, mir die Varianten aus R für Gr. 223, 2 und aus K für die provenzalische Lebensnachricht zu übermitteln, ausserdem für Gr. [80, 27 =] 223, 5a die von Stimming (B. d. B.¹, S. 178) verzeichneten Varianten für R sowie für Gr. 47, 2 die von Klein (Mönch v. Montaudon, S. 88) verzeichneten Varianten für f nachzuprüfen. ― Einen nützlichen Rat gab mir freundlichst Herr Prof. Dr. Schultz-Gora. ― Mein Freund Dr. Erich Niestroy hat die Liebenswürdigkeit gehabt, die Korrekturbogen mitzulesen.
Allen, die so bereitwillig mir wertvollste Hilfe zuteil werden liessen, sei noch einmal ergebener und verbindlicher Dank gesagt. (↑)
Fritz Naudieth.
EINLEITUNG:
GUILLEM MAGRETS LEBEN UND WERKE.
Die wichtigste Quelle für unsere Kenntnisse von Guillem Magrets Leben bilden die uns erhaltenen Dichtungen dieses Trobadors. Es sei daher zuerst untersucht, was ihm von dem in einzelnen Handschriften unter seinem Namen Überlieferten mit einiger Sicherheit zuzusprechen ist.
Bartsch führt im „Grundriss zur Geschichte der provenzalischen Literatur“ unter Nr. 223 (Guillem Magret) 6 Gedichte auf, während er 2 Dichtungen (Gr. 47, 2 und 80, 27), bei denen die Hss. nicht einheitlich attribuieren, unter die Werke anderer Trobadors (Berenguier de Palazol und Bertran de Born) einreiht. Dazu kommt die von Bartsch überseheneKanzone Trop mielhs m’es pres qu’a’n Golfier de las Tors, die 1911 von Pillet veröffentlicht (1) und mit Gr. 223, 7 bezeichnet wurde.
Von den uns in mehreren Hss. erhaltenen Gedichten werden nur die Kanzonen Atrestan be·m tenc per mortal (Gr. 223, 2) und Ma dompna·m ten pres (Gr. 223, 4) einheitlich Guillem Magret zugeschrieben; gesichert ist ferner der Anteil G. Magrets an der Tenzone mit G. Rainol d’Apt Magret, puiat m’es el cap (Gr. 223, 5 = 231, 3), in der die Interlokutoren einander mit Namen anreden.
Nur in einer Hs. (C) und da am Anfange von G. Magrets Minneliedern ist die Kanzone Trop mielhs m’es pres qu’a’n Golfier de las Tors (Gr. 223, 7) überliefert. Da nichts gegen die Autorschaft G. Magrets spricht, müssen wir diese Zuweisung als richtig betrachten.
Die Kobla Non valon re coblas ni arrazos (Gr. 223, 6) wird in F Guillem Magret zugeschrieben, während sie in JQT anonym gebracht ist. Die Varianten ergeben, dass JQT eine Gruppe gegenüber F bilden. Wenn man ferner erwägt, dass der Text in F am besten erhalten ist, wie Koblen gewöhnlich ohne Verfassernamen überliefert sind, weiter: dass keine Veranlassung zu erkennen ist, die in F eine irrtümliche Zuweisung hätte herbeiführen können, so muss diese Kobla für G. Magret unbedingt in Anspruch genommen werden.
Das Sirventes Aigua pueia contramon (Gr. 223, 1) wird von DEIKTex G. Magret, von CR G. Ademar zugeschrieben und von W (Strophe I) anonym gebracht. W ist belanglos. Aus den Varianten ergibt sich, dass CR gegenüber den anderen Hss. eine Gruppe bilden. Daher könnten anfangs beide Attributionen gleich beachtenswert erscheinen. Indessen sind allgemein DIK in den Zuweisungen vertrauenerweckender als CR. Als Dichter ist G. Magret, wie man aus der Zahl der uns erhaltenen Gedichte schliessen darf, weniger bekannt als G. Ademar gewesen. Eine Veranlassung, G. Magret irrtümlich dieses Sirventes zuzuschreiben, ist nicht ersichtlich. (Die Zeit der Entstehung (2) schlösse G. Ademars Verfasserschaft nicht aus (3)). In CR ist der Text schlechter als in der anderen Gruppe überliefert, sodass auch mit mangelhafter Überlieferung des Autornamens zu rechnen ist. Gröber meint in seiner Abhandlung über die „Liedersammlungen der Troubadours“ (Boehmers Roman. Studien 2, S. 343), im vorliegenden Falle könne Verlesung einer gemeinsamen Quelle von CR die Namenverwechslung herbeigeführt haben; eine Vermutung, die recht ansprechend ist. Aus allen diesen Erwägungen ergibt sich jedenfalls, dass wir mit ziemlicher Bestimmtheit G. Magret als den Verfasser von Aigua pueia contramon ansprechen können.
Die Kanzone Enaissi·m pren cum fai al pescador (Gr. 223, 3) ist in den Hss. Guillem Magret (Creg. DEIKMRe), Aimeric de Rochafiza (a¹), Chans. de Sault)und Albert de Sestaro (C) zugeschrieben oder anonym überliefert (GOW).C, das allein Albert de Sestaro als Verfasser anführt, teilt sie im Register G. Magret zu und bringt die Kanzone im Text als vorletzte in der Liederreihe Alberts de Sestaro, die drei letzten werden dabei im Register nicht A. d. S. zugeschrieben. Die zu mangelhaft bezeugte Autorschaft Alberts de Sestaro in C, dessen Schreiber schon die eigenen Bedenken erkennen lässt, brauchen wir also nicht weiter zu beachten. ― Aimeric (oder Ademar) de Rochafiza wird nur in a¹ als Verfasser genannt, war aber als solcher auch in dem verloren gegangenen Chansonnier de Sault angeführt worden. Bei den nahen Beziehungen der beiden Liederbücher können diese übereinstimmenden Attributionen jedoch nur als ein Zeugnis gelten. Die Untersuchungen über das Handschriftenverhältnis in dieser Kanzone ergeben, dass von den drei Hauptgruppen nur eine (und in dieser hat eine Hs. keine Verfasserangabe) für A. de Rochafiza spricht, die beiden anderen Hauptgruppen für G. Magret zeugen, wobei einander recht fernstehende Hss. in der letzten Zuweisung übereinstimmen. Wodurch der Attributionsfehler „A. de Rochafiza“ herbeigeführt ist, kann man nicht erkennen, da uns wenig von diesem Trobador erhalten ist. Die Bedeutung der anderen Hss. zwingt, die Autorschaft G. Magrets für die Kanzone Gr. 223, 3 als gesichert zu betrachten.
Dagegen ist keine Gewissheit zu erlangen, wer die Kanzone Aissi quon hom que sen her ochaizona (Gr. 47,2) verfasst hat. Dass man aus der Reihe der von den Hss. genannten Verfasser: Berenguier de Palazol (DIK), Mönch von Montaudon (Creg. R), Guillem de Berguedan (C), Guillem Magret (E) und Aimeric de Belenoi (f) mit Klein (Mönch, S. 88: Polemik gegen Philippson) den Mönch von Montaudon ausschalten (4) darf, möchte ich nicht so bestimmt vertreten. Die Kanzone mit Philippson für den Mönch zu beanspruchen, ist völlig abzulehnen. Bartsch (Jahrb. 6, S. 271) meint, G. de Berguedan habe sehr geringe Ansprüche. (Zu berichtigen ist dabei B.’s Meinung, dass die Attribution in Creg. aus R stamme; man darf vielmehr auf eine von beiden Hss. gemeinsam benutzte Quelle schliessen, und auch das mit unbedingter Sicherheit nur, wenn die Zuweisung „M. v. M.“ falsch sein sollte.) Guillem Magret oder Aimeric de Belenoi ist als Verfasser ebensowenig gesichert. Die Kanzone bewegt sich so völlig in der üblichen Gedankenwelt der altprovenzalischen Minnelieder, dass sie von jedem Trobador beinahe gedichtet sein könnte. Aus der Stellung des Liedes in den Hss. ergibt sich nichts Sicheres, und die Varianten ermöglichen kein Handschriftenschema. Wenn Berenguier de Palazol die grösste Zahl der Hss., nämlich DIK,auf sich vereinigt, so ist auf deren sonstige Verwandtschaft hinzuweisen, aber auch darauf, dass ihre Attributionen in vielen zweifelhaften Fällen durch andere Erwägungen bestätigt wurden. ― Ich teile die Kanzone im Anhange mit.
Schliesslich sei das Sirventes Mout mi plai quan vey dolenta (Gr. 80, 27) besprochen. Creg. und R nennen Guillem Magret als seinen Verfasser, im Texte von C wird es unter dem Namen und den Dichtungen Bertrans de Born gebracht (5), und bis zum Erscheinen von Strońskis kritischer Ausgabe des Folquet de Marseille (1910,) hat man es fast allgemein (6) ohne Bedenken Bertran de Born zuerteilt. Stroński handelt a. a. O. von auffallenden Irrtümern bei der Attribuierung in kritischen Trobadorausgaben und schreibt S. XIII zu diesem Sirventes (7): „Ce sirventes, attaquant les ,vilains‘, est regardé comme œuvre de Bertran de Born, quoiqu’il soit tout à fait étranger à sa manière, tandis qu’il va bien pour Guillem Magret. Et pourtant il est bien facile de découvrir la raison de l’attribution fausse à Bertran de Born : tout simplement, au début de la dernière strophe de cette pièce (elle n’a pas d’envoi) se trouve le mot Rassa et on sait que Rassa est un des senhals célèbres de Bertran de Born et qu’il se trouve, entre autres, au debut du sirventes 80, 36 et au début de chaque strophe de la chanson 80, 37.“ ― Wie steht es nun zunächst um Strońskis Einwand, dieses Sirventes passe durchaus nicht zu der Art Bertrans de Born? Der masslose Ton an und für sich würde bei dem leidenschaftlichen Bertran nicht weiter befremden. Eine starke Abneigung Bertrans gegen die ,vilans‘ hat man erklärt: 1. Als Übermut des Aristokraten, so Diez, L. u. W.², S. 191, ähnlich Stimming, B. d. B.¹, S. 97; 2. als eine vom Standpunkt des Adligen durchaus begreifliche Äusserung des Unmuts über den Wandel der ökonomischen Verhältnisse, der den Bauern bedeutende Vorteile gebracht hatte, so Coll y Vehí, La sátira provenzal, S. 22 und Kiener, Verfassungsgesch. d. Provence, S. 162 (8). Beide Deutungen sind nur durch dieses eine Sirventes herbeigeführt, lassen sich auch durch kein anderes Lied Bertrans de Born weiter stützen. Dies ist zwar bei der grossen Zahl seiner uns erhaltenen Dichtungen auffällig, zwingt aber nicht unbedingt, schon aus diesem Grunde Bertran das Sirventes abzusprechen. Von der ,malvada gent manenta‘ (9) der 1. Strophe hat man auszugehen, wenn man das von Nickel (Sirventes und Spruchdichtung) zu unserem Gedichte Bemerkte würdigen will. „Die provenzalischen und deutschen Dichter schufen sich . . . zum Tadeln die unverfängliche Figur des ric malvat, des argen rîchen. . . . Er ist der Typus des Herrn, wie er nicht sein soll“ (Nickel, a. a. O., S. 91). N. ist aber vorsichtig, wenn er S. 92 zu seiner Erklärung: „Der mächtige Bertran de Born (10), der doch gar kein Interesse an dem argen Reichen haben konnte, übernahm ihn schon als fertigen Typus“ nur die gelegentliche Erwähnung der avols rics avars in 80, 45 als Beispiel heranzieht. Die malvada gent manenta der 1. Strophe im Sirventes 80, 27 führt er dann mit Bertran de Born als Autor S. 93, Anm. 1, ohne sich über die folgenden Strophen zu äussern, als Beispiel dafür an, dass „die Häufigkeit der Belege seine (= des ric malvat) Beliebtheit für die Scheltlieder und die Klagen zeigt, denen eine solche stehende Figur sehr bequem lag“ (Stilblüte!). Die folgenden Strophen lassen sich aber, wenn man Bertran de Born als Verfasser ansieht, mit einer solchen Erklärung unmöglich befriedigend erledigen. ― Betrachten wir einmal die beiden Zuweisungen „Bertran de Born“ und „Guillem Magret“ als anscheinend gleich gesichert, so muss 1. wenn B. d. B. der Verfasser sein sollte, la malvada gent manenta der I. Strophe in demselben Sinne gedeutet werden wie die vilan der folgenden Strophen (mit Diez oder Coll y Vehí); 2. wenn G. M. der Verfasser sein sollte, zur Erklärung des Scheltens auf die vilans am besten von der typischen Figur des „argen Reichen“ in Str. I ausgegangen werden. ― Es ist nun nichts Befremdendes, wenn wir einen armen Spielmann, wie etwa G. Magret (11), alles Böse herabwünschen hören auf karge Herren, die für höfische Vergnügungen nichts übrig haben. So „unverfänglich“ (Nickel) wie malvada gent manenta kann auch vilan sein. Der Reichtum an Bedeutungsschattierungen lässt eben den Begriff schillernd und unbestimmt. Vilan heisst bäurisch, (Bauer,) karg und gemein, roh, ungebildet, ohne feine Lebensart und manches andere (12). Im Deutschen unserer Tage haben wir keinen entsprechenden Ausdruck. ― v. 17 son vilan ist auch bei einem Spielmann erklärlich: jeder, der sich ihm gegenüber als vilan zeigt. ― Nach Inhalt und Ton passt dieses Sirventes vorzüglich zu Guillem Magret, der die Kobla Non valon re coblas ni arrazos und das Sirventes Aigua pueia contramon gedichtet hat. ― Ein sonderbares Argument im Munde Bertrans de Born wären die Verse 21-24; Diez lässt sie in seiner Übersetzung aus. ― Meine Meinung ist also: Stil und Charakter lassen eine unbedingte Entscheidung über den Verfasser von Gr. 80, 27 nicht zu; die Autorschaft Bertrans de Born wird durch v. 21-24 verdächtig; wahrscheinlich ist daher das Sirventes von Guillem Magret. ― Etwas anderes nötigt aber, das Gedicht mit Entschiedenheit Bertran de Born abzusprechen und für Guillem Magret in Anspruch zu nehmen: Stroński bat m. E. völlig überzeugend die Veranlassung dargelegt, durch welche die irrtümliche Verfasserangabe „Bertran de Born“; herbeigeführt ist. Wir brauchen diesmal keinen besonderen Wert darauf zu legen, dass Spielleute sicherlich oft mit Bewusstsein „skrupellos die ihnen geläufigen Stücke der Kleinen unter grossen Namen vorgetragen haben“ (13). Das früh rätselhaft gewordene Wort Rassa in v. 33, das noch heute nicht völlig erklärt ist, wird vielmehr ein Spielmann oder der Schreiber einer Hs. missverstanden und darin den allein von Bertran de Born für Gottfried von der Bretagne gebrauchten Verstecknamen zu erkennen geglaubt haben, ohne sich um das dann grammatisch unmögliche vilana tafura allzuviel Sorge zu machen. (Aus dem Fehlen der letzten Strophe in R kann man vielleicht vermuten, dass hier der Schreiber das Wort Rassa seiner Quelle auch falsch aufgefasst hat, durch die ihm sicher scheinende Autorschaft G. Magrets aber bewogen ist, die letzte Strophe als unecht zu verwerfen. Ich lasse dies aber dahingestellt.) ― Das Sirventes 80, 27 ist demnach Guillem Magret zuzusprechen und mit Gr. 223, 5ª zu bezeichnen.
Von Guillem Magrets Dichtungen sind somit 4 Kanzonen (14), 1 Kobla, 2 Sirventese und 1 Tenzone auf uns gekommen, während noch in 1 Kanzone seine Verfasserschaft schlecht bezeugt und wenig wahrscheinlich ist.
Über das Leben Guillem Magrets erfahren wir ausser durch seine Werke nur noch wenig aus der provenzalischen Vida, die in IK überliefert ist. Ausser seinem Partner in der Tenzone nennt ihn kein Trobador, und keine Urkunde gibt m. W. von ihm Zeugnis.
Mit völliger Sicherheit lässt sich nur ein Gedicht unseres Trobadors datieren: die Kanzone Ma dompna·m ten pres (Gr. 223, 4), die in allen Hss. Guillem Magret zugeschrieben wird. Hier lautet die letzte Strophe:
Reis aragones,
legatz de Romaigna,
e dux e marques,
e coms de Sardaigna.
gent avez esclarzit l’escuoill
e del froment triat lo zoill,
q’el loc de Saint Peir’ es pausaz
e drechuriers reis coronaz !
E pos deus vos a mes tai sus,
menbre·us de nos que em za ius !
Es unterliegt keinem Zweifel, dass der in Rom (loc de Saint Peir’) gekrönte König von Aragonien, um den es sich hier handelt, Peter II., der Katholische, (1196-1213) ist (15). Am 11. November 1204 setzte ihm Papst Innozenz III. im Kloster des heiligen Blutzeugen Pankratius die Krone auf (16). Über die Bedeutung dieser Krönung (drechuriers reis .. . deus vosa mes lai sus) urteilt Gregorovius (Gesch. d. Stadt Rom im Mittelalter, 5, Bd. V, S. 72) treffend (17): „Die Könige von Aragonien hatten bisher nie eine Krönungszeremonie begehrt; ihr Enkel suchte sie aus Eitelkeit und bezahlte einen Flitter mit einem unschätzbaren Preis.“ Peter II. machte dabei Aragonien der Kurie lehnsuntertänig und tributpflichtig. – König von Aragonien und Graf von der Cerdagne war Peter II. seit dem Tode seines Vaters, Alfons’ II., des Keuschen, dem 25. April 1196 (18) ― Noch nirgends sind m. W. die Titel dux e marques in dieser Strophe zu erklären versucht. Offenbar handelt es sich um die, in Urkunden unendlich häufige, Verbindung dux Narbonensis et marchio Provinciae. Das war aber durch väterliche Bestimmung Peters jüngerer Bruder Alfons (II. als Graf von der Provence) (19). Im Oktober 1204 setzten in Marseille die beiden Brüder ein Testament auf, in dem jeder von ihnen beim Fehlen männlicher Nachkommen den anderen zu seinem Nachfolger bestimmte (20). Als Peter von seiner Romfahrt zurückkehrte, befand sich Alfons von der Provence in der Gefangenschaft des Grafen von Forcalquier und wurde erst durch Peter befreit (21). Vielleicht könnte man den Zeitpunkt dieser Befreiung als den terminus ad quem betrachten; nötig ist es nicht, und mir scheint es sogar recht gewagt. Ich möchte vielmehr meinen, dass mit einem Titel, den befreundete Fürsten sich ritterlich gegenseitig beilegten (22), ein Spielmann sicherlich nicht zurückhielt, wenn er Geschenke zu erhalten wünschte. Und eine Bitte um Lohn enthalten die beiden letzten Verse der Kanzone, in denen der Dichter wenig Selbstbewusstsein zeigt (23). ― Legatz de Romaigna vermag ich auch nur mit Milá y Fontanals (De los trov. en España, S. 136) zu erklären als „Standartenträger von St. Peter“, mit welchem Titel König Peter aus Rom zurückkam (24). ― Die ganze Strophe macht jedenfalls den Eindruck, dass sie zur Begrüssung des aus Rom heimkehrenden Monarchen gesungen ist. Da man in Aragonien recht unzufrieden über des Herrschers Erniedrigung gegenüber der Kurie war (25), ist es wahrscheinlich, dass die Kanzone in der Provence gedichtet und vorgetragen wurde, eine Annahme, die vielleicht durch die I. Strophe gestützt wird. In der Provence kam Peter II. wahrscheinlich im Dezember 1204 an (26). Ich glaube daher, mit gutem Grund in diesen Monat oder wenig später die Entstehungszeit der Kanzone Ma dompna·m ten pres setzen zu dürfen (27).
Schwieriger ist es, das Sirventes (Gr. 22, 3, I) Aigua pueia contramon zu datieren. Hier lauten v. 9-11:
E degram esser enveios
del marques e dels autres pros
e dels onratz rics fatz q’il fan.
In der IV. Strophe wird in einem etwas ungewöhnlichen Bilde, wenn ich dieses recht verstehe, unter den christlichen Herrschern Spaniens besonders gefeiert
lo valenz reis n’Anfos,
rics de cor e tan poderos
que del tot complis son talan.
In der V. Strophe gedenkt der Dichter dann mit rühmendem Lobe dankbar der Freigebigkeit, die zu Leon geübt werde. – Den besten Anhalt für eine Datierung gibt die I. Tornada:
Cel qui en re non faillia,
reis d’Aragon, sai entre nos
vos laisset, que fossem ab vos,
que nos restaurassez lo dan.
Ich glaube, dass folgende Deutung dieser Tornada am ansprechendsten ist (28): Ein König von Aragonien ist gestorben; Gott aber hat dessen Nachfolger, der jetzt König geworden ist, auf Erden gelassen, damit dieser einen Verlust ausgleiche. Peters II. Tod kommt nicht in Frage, weil in dessen damals erst fünfjährigen Sohn (29) sofort nach Peters II. Ableben keine Hoffnung gesetzt werden konnte. Dagegen würde diese Stelle gut zum Regierungsantritt Peters II. (1196) passen: Alfons II. von Aragonien hatte sich nach dem die gesamte spanische Christenheit bedrohenden Siege der Mauren über die Kastilier bei Alarcos (Juli 1195) (30) tatkräftig an Alfons VIII., den Edlen, von Kastilien angeschlossen und vor allem die Zwietracht unter den christlichen Herrschern Spaniens zu stillen gesucht (31) Während dieser Vermittlertätigkeit starb Alfons II. am26. April 1196. Sein Nachfolger, Peter II., setzte die Politik seines Vaters fort (32). ― Betrachtet man den 26. April 1196 als den terminus a quo für dieses Sirventes, so kann man zweifeln, ob man unter lo dan den Tod Alfons’ II. oder die Schlacht bei Alarcos verstehen soll. ― Alfons IX. (1188-1230), der damals über Leon herrschte, hat sich als Trobadorgönner einen Namen gemacht (33); seine Hofhaltung wird in der V. Strophe gepriesen. ― Im König Alfons, den die IV. Strophe nennt, ist wohl Alfons VIII. von Kastilien (1158-1214) zu erkennen (34), ebenfalls von den Sängern gefeiert (35). – Schwierigkeiten macht lo marques der I. Strophe; sollte es vielleicht Konrad von Monferrat sein? ― Ich möchte also für wahrscheinlich halten, dass das Sirventes Aigua pueia contramon bald nach dem 26. April 1196 gedichtet ist.
In der Tenzone Magret, puiat m’es el cap (Gr. 223, 5 = 231, 3) wird Guillem Magret von seinem Interlokutor Guillem Rainol d’Apt genannt (36)
Ioglar vielh, nesci, badoc (v. 37).
Von G. Rainol teilt die provenzalische Vida mit (37): Bons trobaire fo de sirventes, de las razos que corian en Proensa entre·l rei d’Aragon e·l comte de Tolosa, und wir können nicht annehmen, dass der Schreiber oder dessen Gewährsmann diese Nachricht völlig frei erfunden habe. Nicht entscheiden kann man, ob die verlorenen Sirventese auf diejenigen Kämpfe Alfons’ II. von Aragonien mit dem Grafen Raimund V. von Toulouse Bezug hatten, die hauptsächlich die Jahre 1166-1176 erfüllten, oder auf spätere Fehden geringeren Umfangs zwischen diesen beiden Fürsten (38). Guillem Rainols poetische Hinterlassenschaft zeigt, dass er noch zum Albigenserkriege Stellung genommen hat (39). ― Es ist möglich, dass G. Rainol im Alter gelegentlich seinem Unmut in Liedern Ausdruck gab, ohne dass er es nötig gehabt hätte, hieraus noch ein Gewerbe zu machen; in der vorliegenden Tenzone deuten seine ersten Verse auf sattes Behagen. Schliefslich braucht der Altersunterschied zwischen G. Rainol und G. Magret nicht bedeutend gewesen zu sein (s. besonders v. 42-43 dieser Tenzone). Aus v. 37 ergeben sich jedenfalls keine genügenden Resultate für eine auch nur einigermassen sichere Datierung dieses Streitgedichtes. ― Die Möglichkeit einer Datierung ergibt sich auch nicht aus den Versen 39-40; sie lauten:
chantatz cum l’autre mairoc
de Mainier o d’Audierna !
Es liegt am nächsten, in diesen beiden nebeneinander gestellten Namen die Verstecknamen in Peire Vidals Liedern für den Vizgrafen von Marseille, Raimund Gaufre Barral (40) und für die von P. V. gefeierte, mit einer historisch bezeugten Dame nicht identiftzierbare (41) Audierna (na Vierna) zu sehen. Wann Audierna zuerst von P. V. besungen wurde, ist nicht zu bestimmen. Da sich aber auch Möglichkeiten bieten, die beiden Namen anders zu erklären (42), und der Text nicht gut überliefert ist, unterbleibt ein Datierungsversuch auch aus diesen Gründen besser.
Von der Kobla Non valon re coblas ni arrazos (Gr. 223, 6) lässt sich nur feststellen, dass sie nach dem 9. April 1137 entstanden ist, da sie auf Marcabrus ,Vers del lavador‘ Bezug nimmt, für den dieses Datum der terminus a quo ist (43). Wann aber dieser ,Vers‘, von dem Spielmann G. Magret vorgetragen, wenig Beifall fand, ist natürlich nicht zu entscheiden.
Ebenso ist es ungewiss, wann die Sage von Golfier de las Tors und seinem Löwen schon so verbreitet war, dass G. Magret (Gr. 223, 7) eine leichte Andeutung auf sie für genügend hält, um von seinen Zuhörern richtig verstanden zu werden (44).
Wenn in der Kanzone Gr. 223, 2 der Dichter bei Christus schwört und von diesem v. 44 f. sagt:
per cui son manht home romieu,
dont es manhta naus perida,
so spricht nichts dafür, dass dieses Lied zur Zeit einer besonders starken Kreuzzugsbewegung , d. h. eines der sog. „Kreuzzüge“, gedichtet sei.
Jeder zeitlichen Umgrenzung entziehen sich ferner die Kanzonen Gr. 223, 3 und 47, 2 sowie das Sirventes [80, 27 =] 223, 5ª.
ÜberLebensumstände Guillem Magrets erfahren wir aus den Dichtungen Folgendes: G. Magret war ein Spielmann (Gr. 223, I; 223, 5 und 223, 6). Er stand zu spanischen Höfen in Beziehung (Gr. 223, 1), war reich beschenkt worden von Alfons IX. von Leon (Gr. 223, 1), pries Alfons VIII. von Kastilien und begrüsste den Regierungsantritt Peters II. von Aragonien (Gr. 223, I). Demütig bittend hat er sich diesem letzten 1204 genaht (Gr. 223, 4). Die Erfahrung, dass in den meisten Fällen klingende Münze von der grossen Masse höher geschätzt wird als noch so schöne Poesie, blieb ihm nicht erspart, sobald er auf ein sozial niedrigstehendes Publikum angewiesen war (Gr. 223, 6). Gesunken und verkommen ist G. Magret durch seine Liederlichkeit; in Schenken bei Würfelspiel und in schlechter Gesellschaft hat er sich dem Trunke ergeben (Gr. 223, 5), und er hat nur das Schicksal zahlloser Spielleute geteilt (45), wenn Würfel, Weiber, Wein ihm zum Verhängnis wurden. ― Die Tenzone Gr. 223, 5 zwingt zu kurzem Verweilen: Wir müssen hier (46) durchaus annehmen, dass die beiden Interlokutoren, ohne allzu stark zu übertreiben, einander Tatsächliches zum Vorwurf gemacht haben, weil sonst jeder dem anderen leicht die Haltlosigkeit seiner Behauptungen hätte nachweisen und dadurch den Gegner lächerlich machen können. Chabaneau (Biogr., S. 88, Anm. 6) erklärt, aus diesem Streitgedichte gehe hervor, dass beide Interlokutoren vor ihrer Spielmannstätigkeit Mönch gewesen seien. Ch. gibt leider nicht die Verse an, aus denen er dies schliesst. So wie ich die Tenzone verstehe, ist in ihr nichts enthalten, was berechtigte, G. Magret als ehemaligen Mönch anzusprechen. Wenn er v. 29 zu G. Rainol sagt „pus nos enioglarim“, so ist darum doch noch nicht wahrscheinlich, dass beide zu gleicher Zeit Spielmann wurden, und auch in diesem Falle brauchten vorher beide noch nicht dem gleichen Stande angehört zu haben (47). Es ist aber sogar in hohem Grade unwahrscheinlich, dass G. Magret gegen seinen Angreifer eine Waffe gebraucht haben sollte, welche dieser auch sehr leicht gegen ihn hätte wenden können. ― Ich bin also in völligem Gegensatz zu Chabaneau der Meinung, dass G. Magret nicht Mönch gewesen ist, bevor er das Gewerbe eines Spielmannes ausübte.
Die so gewonnenen Kenntnisse von G. Magrets Leben werden nur wenig durch die altprovenzalische Lebensnachricht bereichert.
In den aus dem Ende des 13. Jahrhunderts stammenden Hss. I (auf Blatt 139) und K (auf Blatt 125) wird über G. Magret folgende biographische Notiz (48) gebracht:
Guillems Magretz si fo uns ioglars de Vianes, iogaire e taverniers ;
e fez bonas cansos e bons sirventes e bonas coblas. E fo ben
volgutz et onratz ; mas anc mais non anet en arnes, que tot quant
gazaingnava, el iogava e despendia malamen en taverna. Pois
si rendet en un hospital en Espaingna, en la terra d’en Roiz
Peire dels Gambiros. (In K folgt noch: et aqui son escriptas dellas
soas cansons.)
Nichts wird uns von Liebeshändeln des Spielmanns mit hochgestellten Frauen berichtet, und die kurze Nachricht scheint durchaus vertrauenerweckend. ― Von dem, was uns über die dichterische Tätigkeit berichtet wird, dürfen wir annehmen, dass dem Biographen oder dessen Gewährsmann die entsprechenden Belege nicht gefehlt haben. Die Nachricht ‚fo ben volgutz et onratz‘ ist wahrscheinlich durch das in IK unter G. Magrets Namen überlieferte Sirventes Gr. 223, 1 herbeigeführt. Für die Mitteilung ,anc mais non anet en arnes‘ möchte ich die Quelle erkennen im 3. Verse der Tenzone Gr. 223, 5, der da lautet:
,Bos etz per lista e per drap‘.
Dieser Vers ist ironisch gemeint und dürfte vom Biographen auch so aufgefasst sein. Mag dies nicht völlig sicher sein, kein Zweifel kann darüber herrschen, dass die Charakteristik in der Vida: ,iogaire e tavernzers‘ und ,tot qant gazaingnava, el iogava e despendia malamen en taverna‘ durch die gegen G. Magret in der Tenzone erhobenen Vorwürfe herbeigeführt und somit auch richtig ist (49). Die Angaben über Heimat und Ende des Trobadors sind nicht zu stützen und m. E. nicht zu bestreiten. Wie Lowinsky (Zeitschr. f. franz. Spr. u. Lit. 20, S. 168, Anm. 23) berechnet, hat bei den Provenzalen „etwa ein Drittel der Dichter, von denen wir so etwas wie eine Biographie besitzen, im Kloster das Leben beschlossen“. Bei den Lebensbedingungen der Fahrenden, die nur in den seltensten Fällen für das Alter wirtschaftliche Sicherheit gewinnen konnten und die wohl recht oft zu Leichtsinn neigten, überrascht das nicht, und den Biographen können wir in dieser Hinsicht gewöhnlich Glauben schenken. Man darf wohl Milá y Fontanals (De los trov. en España, S. 127) folgen, der in, en Roiz Peire dels Gambiros‘ einen Don Pedro Ruiz de los Cameros vermutet, einen Sohn oder Verwandten des Rodrigo Diaz de los Cameros, welcher letztere in der Schlacht bei Las Navas de Tolosa (1212) einen Teil des Heeres Alfons’ VIII. von Navarra befehligte (50).
Urkundliche Zeugnisse über Guillem Magret sind mir nicht bekannt (51).
Will man die Werke G. Magrets ästhetisch werten, so möchte ich ebenso wie Pillet (52) zusammenfassend über sie urteilen: „Guillem Magret hat leider nur wenige Gedichte hinterlassen: die wenigen sind lebhaft, selbständig, abwechslungsreich.“ ― In den Kanzonen erscheint er stets als schmachtender Liebhaber, die besungene Spröde hat seinen Bitten nie Gehör geschenkt und wird seinem Flehen wohl auch nie nachgeben. Mag echte Empfindung oder Gebot der Mode seine Minnegesänge ausgelöst haben, klug weiss er seine Worte zu setzen, gern und für seine Zeit meistens nicht ohne Geschmack verziert er sie mit eigenartigen Bildern und spielt mit auffälligen Vergleichen, wobei eine gewisse Gelehrsamkeit nicht verborgen bleibt. Dass wir in seinen Kanzonen mehr Klugheit und Reichtum an Geist als wahre Leidenschaft vernehmen, liegt eben an der ganzen Art jener provenzalischen Dichtungsgattung (53) ― In der Kobla und den Sirventesen tritt eine ausgeprägte Persönlichkeit vor uns hin: Guillem Magret kargt nicht mit Lob, wenn man ihm Wohlwollen beweist, d. h. ihn reich beschenkt; und keine Schmähung ist ihm zu derb gegen Kreise, die sich vor ihm und seiner Kunst verschliessen. Dieser „giftige“, masslose „Magret“ zwingt uns eher zu einem Lächeln als zu mitfühlender Teilnahme. Aber gerade dadurch, dass er seine Entrüstung so ungehemmt ausströmen lässt, ist er uns eine kulturhistorisch wertvolle Erscheinung in seinem Stande und seiner Zeit. ― Wenig glücklich schneidet G. Magret im Streitgedichte mit G. Rainol (54) ab. Diesem Gegner ist G. Magret jedenfalls nicht gewachsen. Die von ihm gedichteten Strophen bilden inhaltlich den schwächeren Teil der Tenzone, die schwierigen Reime, zu denen ihn G. Rainol d’Apt zwingt, weiss er zu meistern.
Als Verskünstler meidet G. Magret alle Künsteleien; Übergänge von ganz kurzen zu langen Versen finden sich in seinen Gedichten nicht. Er bevorzugt ruhig fliessende Rythmen (55). Aus dem äusserst beliebten Schema 10 abbaccdd ist die Form abgeleitet, in der die Kobla Gr. 223, 6 gebaut ist, und aus dieser letzten weiter das Schema der Kanzone Gr. 223, 7. Die Kanzonen Gr. 223, 2; 223, 3 und 223, 4 weisen mit starken Variationen in der Auswahl der Versarten und in der Verteilung der Reimgeschlechter sämtlich die Grundform ababccddee auf. Gesondert von den übrigen Gedichten und von einander stehen in ihrer Struktur die beiden Sirventese Gr. 223, 1 und Gr. 223, 5ª. Die Tenzone Gr. 223, 5 scheidet für unsere Betrachtung aus, da sie von dem Partner G. Rainol angeregt ist. Im übrigen bietet G. Magret metrisch nichts, was zu besonderen Bemerkungen Anlass gäbe.
In der Handschrift W sind Noten zu Gr. 223, 1 und Gr. 223, 3 erhalten. Wie bis jetzt fast alle Herausgeber von Trobadordichtungen muss auch ich auf eine Wertung des musikalischen Elementes verzichten, besonders da die Dinge hier für Gr. 223,3 auffallend schwierig liegen (56).
***
Während der Drucklegung meiner Arbeit veröffentlichte Lewent den Artikel: „Zur provenzalischen Bibliographie“ (Archiv f. d. Studium d. Neueren Spr. u. Lit. 130 [1913], S. 324 -334) und Stimming die 2. Auflage [Halle a. S. 1913J seiner ‘kleinen’ Ausgabe des Bertran von Born (Roman. Bibl., 8). Beide Forscher äussern sich zur Verfasserfrage von Mout mi plai quan vey dolenta. Ihre darauf bezüglichen Ausführungen gebe ich der Vollständigkeit wegen hier wörtlich wieder:
Lewent (a. a. O., S. 328, Fussnote): ,,Wie bekannt die Namen aus Bertran de Borns Liedern waren, zeigt die von Stroński (Folq. de Mars. XIII) nachgewiesene falsche Attribution von Gr. 80, 27. Da die letzte Strophe dieses Liedes ― ein Geleit fehlt ― mit Rassa beginnt und man wusste, dass dies ein bei Bertran de Born häufiger Versteckname (für Gottfried von der Bretagne) war, so liess man sich (Ms. C) verleiten, ihm auch dieses Lied zuzuschreiben, obwohl dort das Wort Rassa reines Appellativum (‘Geschlecht’) war.“
Stimming (a. a. O., S. 48 f.): „Endlich wird man auch B. 27 „Mout mi platz quan vei dolenta“ unserem Bertran absprechen müssen, in welchem der Verfasser sich in schroffer Weise gegen die Bauern ausspricht. Zwar nennt die Handschrift C ihn als Verfasser, aber das Register derselben den Guilhem Magret, und diesen selben Dichter auch die andere Handschrift R, die das Gedicht bringt. Stroński (a. a. O. [d. i. Le troubadour Folquet de Marseille] S. XIII) hebt hervor, dass es ganz dem Geiste und Charakter Guilhem Magrets, aber kaum dem unseres Bertran entspreche. Die falsche Angabe sei durch den Anfang der fünften Strophe (Rassa vilana, tafura) veranlasst worden, indem der Abschreiber von C wegen des Wortes Rassa, das er als einen von Bertran verwandten Verstecknamen kannte, fälschlich annahm, das Lied müsse von unserem Dichter stammen“.
Wo ich im Folgenden auf Stimmings ‘kleine’ Bertran von Born-Edition Bezug nehme, verweise ich bereits auf die Ausgabe von 1913 (Stimming, B. v. B.³) und nicht mehr auf die von 1892 (Stimming, B. v. B.²). (↑)
FUßNOTEN:
*) In den Hss. findet sich daneben die Form Magret. (↑)
**) Herr Geh. Regierungrat Prof. Dr. Appel gestattete mir gütigst, von einigen Herrn Prof. Dr. Pillet dazu brieflich mitgeteilten Bemerkungen für diese Ausgabe Gebrauch zu machen. (↑)
1) „Ein ungedrucktes Gedicht des Troubadours Guillem Magret und die Sage von Golfier de las Tors“: Breslauer Festschrifthgg. von Siebs, S. 640-647. (Auch als Sonderdruck erschienen.) (↑)
2) S. weiter unten. (↑)
3) Vgl. dazu Chabaneau, Les biographies des troubadours, S. 147 und Bergert, Die v. d. Trobadors genannten oder gefeierten Damen, S. 20. (↑)
4) Klein bringt die Kanzone als „unechtes Lied“ des Mönchs. (↑)
5) Die Dasstellung bei Cläedat, Du rôle hist. de Bertrand de Born, S. 91 ist ganz falsch. (↑)
6) Einen Zweifel kann man bei P. Meyers Beschreibung von R erkennen (Bibl. de l’École des Chartes 31, S. 447). ― Dass bei Millot (II, S. 246) und Balaguer (IV, S. 246) G. Magret als Verfasser dieses Gedichtes angesehen wird, ist für philologische Forschung ohne Belang und von niemandem beachtet worden. ― Leider ist in keiner der drei B. d. B.-Ausgaben auch nur erwähnt, dass die Attrihutionen in den Hss. hier keineswegs einheitlich sind. (↑)
7) Infolge eines Druckfehlers steht dort 80, 17 statt 80, 27. (↑)
8) Die von Nickel gegebene Erklärung, die völlig andere Bahnen weist, behandle ich der Einfachheit halher gesondert. (↑)
9) Schon De Lollis (Sordello, S. 273) hatte die malvada gent manenta in diesem Sirventes (das er Bertran de Born zuweist) den ries malvatz gleichgesetzt, ohne jedoch zu erklären, was B. d. B. bewog, gegen diese Stellung zn nehmen. (↑)
10) „Die Bedeutung Bertrans ist oft übertrieben worden. Er war weder Vizegraf noch grosser Grundbesitzer“ (Suchier und Birch-Hirschfeld, Gesch. d. franz. Lit.2 I, S. 79). (↑)
11) Vgl. die späteren Ausführungen. (↑)
12) Vgl. Wechssler, Kulturproblem I, S. 52, ferner Zipperling, Vilain mire, S. 126 f., Blankenburg, Der Vilain in der Schilderung der afrz. Fabliaux, S. 5-7 und Nyrop, Gramm. hist. IV, § 180. ― Was von Clédat (Du rôle hist. de Bertrand de Born, S. 91) gegen G. Magrets Autorschaft angeführt wird („ce Magret . . . était un vilain lui-même“) ist belanglos. Man vgl. z. B. nur die entsprechenden Abschnitte bei Nickel. ― Selbst wenn man in diesem Sirventes nur an den Stand vilan denkt, wozu nichts nötigt, würde das Gedicht sehr gut zu G. Magret passen. „Bei der Schilderung des vilain, des freien Bauern, tritt natürlich der Neid und die Missgunst des bedürftigen Fahrenden hervor. Den Ritter und Bürger erkennt er schon als über sich stehend an; aber der wohlhabende Bauer, der an Bildung weit hinter ihm zurücksteht, wird möglichst schlecht gemacht“ (Herrmann, Schilderung und Beurteilung d. ges. Verh. Frankreichs in der Fabliauxdichtung des XII. u. XIII. Jhdts., S. 41), das ist bei dem provenzalischen so gut wie bei dem nordfranzösischen Spielmann verständlich. (↑)
13) Pillet, Beiträge zur Kritik der ältesten Troubadours, S. 5. (↑)
14) Chabaneau, Biographies, S. 150 gibt irrtümlich „six ou sept pièces lyriques“ an. (↑)
15) S. hierzu Schmidt, Gesch. Arag. i. Mittelalter, S. 406. (↑)
16) Urkunden und Darstellungen dieses Ereignisses sind zahlreich. Vgl. Potthast, Regesta pont. Roman. I, S. 200 (Nr. 2321). Von Darstellungen in älteren Geschichtswerken Spaniens sei nur die sorgfältige Beschreibung durch Zurita in den Indices rerum ab Aragoniae regibus gestarum (Hisp. ill...scriptores varii III, S. 61) angeführt. (In den Anales de la corona de Aragón I, Bl. 90 vo., ad a. 1204, ist die Krönung von Zurita kürzer behandelt.) Von ausführlichen Schilderungen in Werken neuerer Zeit erwähne ich: Hurter, Gesch. Papst Inn.’ III. und seiner Zeitgenossen I, S. 601; Schäfer, Gesch. v. SpanienIII, S. 57 und Luchaire, Innocent III: les royautés vassales, S. 55. (↑)
17) Ich verweise besonders auf Diercks, Gesch. Spaniens I, S. 435 und Luchaire, Innocent III: les royautés vassales, S. 57. (↑)
18) S. Hist. gén. de Languedoc, Nouv. éd., VI, S. 175 und Schmidt, Gesch. Arag. im Mittelalter, S. 129. (↑)
19) S. Schmidt, a. a. O., S. 129. (↑)
20) Das Testament ist abgedruckt bei Miret y Sans: Bol. de la R. Academia de Buenas Letras de Barcelona III, S. 212. (↑)
21) S. Schäfer, Gesch. v. Spanien III, 58. (↑)
22) Miret y Sans, a. a. O., S. 371 bringt eine Urkunde aus dem Jahre 1205, in der Raimund von Toulouse mit dux Narbone . . . et marchio Provincie von Peter angeredet wird. Papon, Hist gén. de Provence II, Preuves, S. XXXIII druckt eine Urkunde aus dem Jahre 1206 ab, in der Raimund von Toulouse sich selbst und Alfons, den Bruder Peters II., als marchio Provincie bezeichnet. (↑)
23) Vgl. Nickel, Sirventes und Spruchdichtung, S. 85. ― Gröblich missverstanden ist der Schluss von Éméric-David, Millot, Rochas, Balaguer und Vaschalde, die erklären, G. Magret wende sich an den im Jenseits weilenden König; sie setzen daher für diese Kanzone die Schlacht von Muret (12. September 1213), in der Peter II. fiel , als terminus a quo an. (↑)
24) Vgl. Diercks, Gesch. Spaniens I, S. 435. (↑)
25) Vgl. Diercks, a. a. O., S. 435. (↑)
26) S. Miret y Sans, a. a. O., S. 284. ― Nach Aragonien kam Peter II. erst im Juli 1205; vgl. Miret y Sans, a. a. O., S. 365. (↑)
27) Vermutlich auf Grund dieser Kanzone wird G. Magret von H. Suchier (Jahrb. 14, S. 154) ein Trobador „aus dem Anfang des 13. Jahrhunderts“ genannt. ― Über die Trobadors, die zu Peter II. in Beziehungen standen, vgl. Andraud, Raimon de Miraval, S. 8. ― Ich möchte es nicht unterlassen, an dieser Stelle hinzuweisen auf den Aufsatz von Finke. Die Bez. d. Aragonesischen Könige zu Literatur, Wissenschaft und Kunst im 13. und 14. Jahrhundert: Archiv für Kulturgeschichte 8, S. 20-42. (↑)
28) Vgl. weiter unten die Übersetzung. (↑)
29) S. Schmidt, Gesch. Aragoniens, S. 140. (↑)
30) S. Schirrmacher, Gesch. v. Spanien IV, S. 255. (↑)
31) Vgl. Lewent, Kreuzlied, S. 43. (↑)
32) S. Schmidt, a. a. O., S. 129. (↑)
33) Vgl. Milá y Fontanals, De los trovadores en España, S. 153 ff. (↑)
34) Trotz Alarcos. (↑)
35) Vgl. Milá y Fontanals, a. a. O., S. 116 ff. (↑)
36) Es ist nicht unbedingt sicher, ob dies dem Sinne nach als Sing. zu betrachten ist. Will man es lieber als Plur. ansehen, so muss man sagen: „. . . wird . . . gerechnet unter die . . .“; für Datierungsversuche ergeben beide Deutungen das Gleiche. (↑)
37) Chabaneau, Biographies, S. 88. (↑)
38) Papon, Hist. gén. de Provence II, S. 392 setzt G. Rainol um 1180 an, Diez, L. u. W.2, S. 487 in den Anfang des 13. Jahrhunderts. (↑)
39) S. Stimming, B. d. B.1, S. 82 ff.; Appel: Revue des langues romanes 34, S. 35 und Lewent, Das altprovenzalische Kreuzlied, S. 44. (↑)
40) Mainier dann für die üblichere Form Rainier. (↑)
41) S. Bergert, Die v. d. Trob. gen. oder gef. Damen, S. 23. (↑)
42) S. Stroński, F. d. M., S. 32*, 65* u. 131*; Bergert, a. a. O., S. 28 u. 64, Anm. 4; ferner Schultz-Gora: Tobler-Abhandlungen, S. 193-209. (↑)
43) S. Lewent, a. a. O., S. 41. (↑)
44) Aus metrischen Gründen kann man schliessen , dass Gr. 223, 7 später als Gr. 223, 6 gedichtet ist. (↑)
45) Vgl. Faral, Les jongleurs en France, S. 38, 144 ff. und Semrau, Würfel und Würfelspiel im alten Frankreich, S. 1, 10. (↑)
46) Ich will nicht verallgemeinern. (↑)
47) Schliessen kann man aus v. 25 f., dass G. Magret früher als G. Rainol Spielmann war. (↑)
48) Gedruckt: Rochegude, Parn. occ., S. 173. ― Raynouard, Choix 5, S. 201. ― Mahn, Biogr.2, S. 62. ― Chabaneau, Biographies, S. 88 [= Hist. gén. de Languedoc, Nouv. éd., X, S. 296]. (↑)
49) Selbach, Streitgedicht, S. 62 f. urteilt falsch, wenn er die Biographie als Beweis dafür anführt, dass der in der Tenzone erhobene Vorwurf der Schwelgerei wohl begründet sei. (↑)
50) Vgl. auch Cornicelius, So fo el temps, S. 94 und Bohs: Roman. Forschungen 15, S. 302. (↑)
51) Auf Balaguers Phantastereien (Hist. pol. y lit. de los trovadores, t. IV, S. 247) einzugehen, erübrigt sich, umsomehr als sich B. zu ihnen offenbar nur durch falsche Deutung der beiden letzten Verse von Gr. 223, 4 (a. a. O., t. I, S. 237 und t. IV, S. 246) hat verleiten lassen. ― Nostradamus (Les vies des plus celehres et anciens poetes provensaux), das sei hier erwähnt, berichtet nichts über unsern Dichter. (↑)
52) Breslauer Festschrift, hgg. von Siebs, S. 645. (↑)
53) Zu wie verschiedenen Urteilen hier der Geschmack des einzelnen führen kann, zeigen auffällig die Bewertungen von Gr. 223, 7 durch Thomas und Crescini. ― Thomas (Romania 40, S. 447): „Si le schéma métrique de cette chanson est original, le style en est d’une honnête banalité . . .“; Crescini (Litbl. 33. Sp. 77): „. . .una particella non inespressiva dell’arte de’trovatori; . . . un grazioso frammento della vecchia Provenza cavalleresca . . .“ (↑)
54) Ich halte es für unwahrscheinlich, dass diese Tenzone improvisiert worden ist, was Zenker (Die provenzal. Tenzone, S. 91) annimmt; dazu dürften schon die Reime zu schwierig sein. (Vgl. auch Jeanroy: Annales du Midi 2, S. 446.) (↑)
55) Ich schliesse mich in diesem Abschnitt an das von Pillet (Breslauer Festschrift, hgg. von Siebs, S. 644) Ausgeführte eng an. (↑)
56) S. Appel, Uc Brunec: Tobler-Abhandlungen, S. 57 (Fussnote 4 zu S. 54). (↑) (↑) |