Die vorliegende Arbeit versucht was uns vom Leben Peire Rogier’s, eines provenzalischen Trobadors aus dem zwölften Jahrhundert, überliefert wird zu sammeln und seine Lieder auf Grund des gesammten handschriftlichen Materials wieder herzustellen. Ich darf sagen des gesammten Materials, denn die einzige Handschrift, welche mir unzugänglich blieb, — der auf Papier geschriebene Theil des modeneser Manuscripts — ist an Werth den anderen so untergeordnet, dass man sie gefahrlos unberücksichtigt lassen darf.
Dass es mir gelungen ist das Material meiner Arbeit so vollständig zu erhalten, habe ich der Freundlichkeit nicht weniger Gelehrter zu verdanken, die theils durch Anfertigung, theils durch Besorgung von Abschriften mir zu dem in Paris liegenden und dort von mir kopirten Stoff den sonst weithin verstreuten sammeln halfen. Ihnen allen sei mir gestattet hier den wärmsten Dank auszusprechen. Zuerst von ihnen habe ich die Herren in Italien, Prof. E. Monaci, Prof. Pio Rajna und Dr. Guido Biagi zu nennen, die mich mit nicht geringen Opfern an Zeit so freundlich unterstützten. Sodann gebührt den Herren Prof. Bartsch in Heidelberg, Dr. Jos. Haupt in Wien, Prof. Mahn in Steglitz, Dr. A. Napier in Berlin und Prof. E. Stengel in Marburg mein Dank. Mehr als allen anderen aber schulde ich ihn meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Prof. Adolf Tobler, dessen freundlicher Rath mir, wo ich auch seiner bedurfte, zu Theil wurde, und dessen Hilfe mir bei so mancher schwierigen Stelle erst das richtige Verständniss eröffnete.
Keines der überlieferten Gedichte meines Trobadors erscheint hier zum ersten Mal im Druck; dasjenige welches mir noch geblieben war: Dous’ amiganon puesc mais wurde während der Vorbereitungen zu dieser Ausgabe von Chabaneau in der Revue des langues romanes veröffentlicht, die anderen sind bis auf eins schon von Raynouard mitgetheilt, dies eine — No. 4 — nach zwei Handschriften von Mahn in den Gedichten. Die nicht zu weite Entfernung der Ueberlieferungen von einander und Raynouard’s glückliche Auswahl derselben für seine Publikationen brachte mit sich, dass die Texte von mir in nicht wesentlich veränderter Gestalt gebracht werden, so dass das Ergebniss dieser Arbeit nur mehr in der Beibringung des nicht kleinen Materials und in der so ermöglichten Prüfung und Sicherung des Bekannten als in der Mittheilung von Neuem bestehen konnte.
Nicht besser als mit den Liedern erging es mit der Biographie des Dichters. Zur Grundlage derselben, dem provenzalischen Text, hat noch Niemand, der sich mit ihr beschäftigte, wesentlich Neues hinzuzubringen vermocht, ausgenommen Nostradamus, welcher (p. 202—204) unter Berufung auf Sainct Cezari und auf den Mönch Des Isles d’Or freilich mancherlei, doch offenbar Unrichtiges oder wenigstens bunt Zusammengewürfeltes zu erzählen weiss.
Die provenzalische Lebensbeschreibung ist schon lange bekannt. Die Italiener Mario Equicola, Vellutello, Gesualdo stützen sich darauf; Crescimbeni und Nostradamus benutzten sie; auch Bastero kannte jedenfalls den Text. Ausführlicher als die Genannten, aber nicht sehr vorsichtig ist Millot, der seinerseits neben dem provenzalischen Bericht der histoire littéraire zur Grundlage gedient hat. Das Beste bringt natürlich Diez und Neues im Vergleich zu ihm wird man auch in dieser Arbeit wenig finden; wohl hat es der Verfasser nicht an Mühe fehlen lassen aus weltlichen und geistlichen Quellen mehr über das Leben seines Dichters zu erfahren, es lag in den Verhältnissen, dass sein Suchen vergeblich blieb.
Dem Mahnen der Rezensenten früherer ähnlicher Arbeiten bin ich in Beziehung auf einen Punkt gefolgt; ich habe die alphabetische Reihenfolge der Lieder aufgegeben, freilich nur um diese Methode durch eine noch angreifbarere zu ersetzen. Man findet was ihr zur Begründung dienen kann in der Anmerkung auf Einleitung, I. Wäre es mir möglich erschienen bei der Numerirung der Lieder von Bartsch zu bleiben (*), so hätte ich nicht gezögert es zu thun, trotz des Einspruchs, den Bartsch selbst gegen die — ich gestehe es gern zu — unwissenschaftliche alphabetische Ordnung erhebt. Die Unmöglichkeit einer unanfechtbaren historischen Anordnung und der praktische Vortheil eine in Citaten verbreitete Numerirung beizubehalten wäre mir ein genügendes Gegengewicht gegen die Unwissenschaftlichkeit gewesen. Ich glaube aber Bartsch’s No. 2 aus Peire’s Gedichten ausscheiden zu müssen; jene Numerirung war durchbrochen und ich schloss mich nun den Handschriften an, welche unverkennbar eine systematische Anordnung versucht haben. Ich that es im Bewusstsein keine schwere Verantwortung dafür tragen zu müssen; die Reihenfolge der Lieder thut in Ausgaben dieser Art wenig zur Sache, jede nicht historische ist unwissenschaftlich, eine nach poetischer Form nicht viel minder als eine nach dem Alphabet, die gewählte hat wenigstens die Möglichkeit historischer Berechtigung für sich.
In einem anderen Punkt bin ich den Rezensenten nicht gefolgt. Auch ich habe den Liedern meines Trobadors die angehängt, welche ihm nur von einigen Handschriften oder nur von einer zugeschrieben werden. Erscheinen diese Gedichte später in Publikationen von den Trobadors, denen sie zugehören, dann wird freilich die Veröffentlichung hier überflüssig sein; bis zu diesem — für manchen Sänger gewiss noch recht fernliegenden — Zeitpunkt aber hoffe ich, wird die gegenwärtige Mittheilung nicht unwillkommen sein; und will man nicht nach dem von mir befolgten Prinzip verfahren, wo wird denn einmal ein Gedicht wie No. VII dieser Arbeit seinen Platz finden?
Für die Orthographie habe ich zu bemerken, dass ich überall da wo C zur Verfügung stand dessen Schreibweise als die dem modernen Verlangen nach Stätigkeit am meisten entgegenkommende zu Grunde gelegt habe. In den wenigen Fällen, wo dies nicht war, findet man die betreffende Angabe in den Vorbemerkungen zu den einzelnen Liedern.
Von orthographischen Varianten sind nur die allerwesentlichsten angeführt; dass ich in der Mittheilung von Varianten weitergegangen bin als nöthig gewesen wäre, denke ich, wird in einer Erstlingsarbeit keinen grossen Vorwurf verdienen.
Die Anmerkungen wollen nicht mehr sein als einige Male Begründungen oder Erklärungen von Lesarten meines Textes, andere Male Mittheilungen gelegentlich bei der Lecture genommener Notizen, die mithin Vollständigkeit keineswegs beanspruchen.
Als Peire d’Alvernhe „bei Spiel und Lachen“ unternahm ein Schmählied auf seine Kunstgenossen zu verfassen, verschonte er auch die berühmtesten von ihnen nicht. Guiraut von Bornelh und Bernart von Ventadorn sind gleich unter den ersten, die sein Tadel trifft. Diesen beiden voran aber stellt er noch einen, der ihnen weder an Zahl der überlieferten Gedichte noch auch an Ruhm bei weitem gleichkommt. Und doch müssen wir glauben, dass Peire nicht mit einem unbedeutenden Zeitgenossen die Reihe habe eröffnen wollen. Peire Rogier’s Stellung in diesem merkwürdigen Gedicht ist hinreichend unsere Aufmerksamkeit auf seine Lebensschicksale und seine Werke zu lenken.
I.
Wer sein Interesse einmal der provenzalischen Literatur zugewandt hat, weiss, wie spärlich und wie unklar uns die Quellen fliessen, aus denen wir Kenntniss über die Lebensschicksale provenzalischer Dichter schöpfen; es sei denn, dass nicht literarisches Verdienst allein, sondern ausgezeichnete Geburt und Eingreifen in die Geschichte ihrer Zeit sie aus der Zahl der Mitlebenden heraushebe. Nicht schlechter als den meisten, doch nicht so gut wie manchem der Kunstgenossen stehen wir Peire Rogier gegenüber. Zwar besitzen wir seine Biographie in ähnlicher Gestalt wie die vieler andrer Trobadors, aber ist sie vielleicht etwas länger als der Durchschnitt jener Lebensberichte, sie erzählt uns wenig genug. Und man hat gelernt, diesen Biographien von vornherein mit einigem Misstrauen entgegenzutreten; in den einen hat man Novellen erkannt, deren Inhalt von fremden, vielleicht von nie gewesenen Helden auf diese allbekannten Namen übertragen wurde, von anderen hat man gesehen, wie sie erst aus den Liedern der Trobadors selbst gestaltet wurden, so dass sie geschichtlich ganz werthlos für uns sind. So ist eine jede erst auf ihre Zuverlässigkeit zu prüfen.
Der Verdacht, dass die Biographie unseres Dichters zu dieser zweiten Klasse gehört, liegt nicht ganz fern. Er gründet sich auf das, was der Biograph von der Entstehung des Gedichts Senh’enRaymbautper uezer erzählt. Er sagt, dass der Dichter und seine Dame in den Verdacht eines ernsthaften, die Grenzen des conventionell erlaubten überschreitenden Liebesverhältnisses gekommen seien, dass sie ihn deshalb entlassen habe „und er ging davon, traurig und inSorgeund voller Betrübniss, zu Herrn Raymbaut von Orange, so wie er im Sirventes, welches er mit Bezug auf ihn dichtete, aussprach, welches lautet:“, und nun folgt der erste Vers des Liedes.
„Wenn, sagt Diez mit Recht (1), dies uns erhaltene Gedicht hier die einzige Quelle des Biographen war, so ist die Angabe grundlos: das Sirventes erwähnt nur eines gelegentlichen Besuches, welchen Peire dem zu seiner Zeit berühmten Grafen abstattete; der Dichter erklärt die Reise nur gemacht zu haben, um die Lebensart des Grafen kennen zu lernen, er fragt ihn nach seinem Treiben, um zu Hause davon erzählen zu können, und wiederholt am Schluss, er werde sogleich abreisen, sobald er nur Antwort habe.“
Treten wir nun aber auch misstrauisch an die Biographie heran, wir erkennen in ihr doch so vieles, was ihr Verfasser keinem Lied entnehmen konnte, und was so wenig romanhaft erscheint, dass wir nicht anstehen werden, sie weder der einen noch der anderen der oben genannten Klassen zuzuzählen, das darin Mitgetheilte als wahr anzunehmen, wo nicht von andersher sich Zweifel an der Wahrheit erheben.
Nicht ohne Widerspruch ist freilich gleich was sie von der Heimat unseres Dichters sagt:
Peire Rogier war aus der Auvergne und er war Kanonikus von Clermont (2).
Dem steht der Name gegenüber, den eine der besten pariser Liederhandschriften (3) dem Sänger giebt: En Peire Rogierde Mirapeys. Mirepoix (das hier gemeinte) liegt im Département Ariège, also von der Auvergne weit entfernt, ganz im Süden des Landes, und dort in der That begegnet uns geschichtlich mehr als einmal dieser Name (4).
Auch die Biographie eines Trobadors, Raimon’s von Miraval, erwähnt eines Herrn Peire Rogier de Mirapeys. Er und der Graf von Foix und Herr Olivier von Saissac und Herr Aimeric von Monrial liebten alle jene Loba de Puegnautier, die im Leben Peire Vidal’s eine so grosse Rolle spielte und der auch Raimon von Miraval seine Huldigungen darbrachte. Dass dieser Peire Rogier nicht unser Dichter ist, geht aus der Chronologie hervor. Raimon’s von Miraval dichterische Thätigkeit fällt in’s Ende des XII. und in den Anfang des XIII. Jahrhunderts, während wir unsern Dichter als Zeitgenossen Bernart’s von Ventadorn kennen gelernt haben (5).
Ob Peire überhaupt einem adeligen Geschlecht entstammte, erscheint sehr fraglich. Die Bezeichnung als gentils hom in der Biographie sagt nichts von seiner Herkunft; er war ein „edler Mann“, deshalb noch nicht ein „Edelmann“. Der adelige Titel En wird ihm fast niemals beigelegt (6), und so vor allem nicht in den Gedichten der Zeitgenossen, bei Peire d’Alvernhe und Raimbaut von Orange (anders freilich beim späteren Raimon Vidal. Dkm. p. 175, 30). Jene beiden Handschriften aber stehen allen anderen zu vereinzelt gegenüber (selbst das sonst so getreue R verlässt hier C). Das Erscheinen eines Peire Rogier von Mirapeis in der Geschichte der Trobadors konnte einem Schreiber Veranlassung genug sein unserm Dichter den Namen beizulegen.
Damit freilich müssen wir verzichten, in der Geschichte Aufschluss über die Person des Sängers zu finden. Auch die Annalen der Orte seiner geistlichen Thätigkeit — soweit solche mir zugänglich — scheinen seinen Namen nicht zu kennen.
Dass Peire, ehe er wandernder Sänger wurde, Geistlicher war, erfahren wir ausser durch die Biographie auch durch die schon erwähnten Verse Peire’s von Alvernhe:
D’aisso mer mal Peire Rotgiers,
per que n’er encolpatz premiers,
quar chanta d’amor a prezen ;
e covengra·l melhs us sautiers
en la gleiz’ o us candeliers
portar ab gran candel’ arden.
Der frohsinnliche Hauch, der damals in der Provence zuerst neue Sitte, neue Kunst ins Leben rief, liess auch die Geistlichkeit nicht unberührt. Aus ihrem Stande wurde den Trobadors eine Reihe ausgezeichneter Genossen zugeführt: Peire Cardenal, Aimeric de Belenoi, Gui d’Uisel, Uc Brunet, Gausbert de Poicibot. Auch Peire Rogier gehört zu ihnen: — „Er war ein edler Mann und schön und artig und gelehrt und verständig, er sang und dichtete gut, und er verliess das Kanonikat und wurde Joglar.”
„Und er durchwanderte die Höfe, und seine Gesänge wurden mit Gunst aufgenommen, und er kam nach Narbonne an den Hof der Frau Esmengarda, die damals mächtig und hoch gepriesen war; und sie empfing ihn sehr gut und ehrte ihn und erwies ihm grosse Wohlthaten.”
Das Lob, welches die Biographie hier der Herrscherin von Narbonne spendet, wird vom Historiker bestätigt: „Sie verwaltete in schwierigen Zeiten länger als 50 Jahr das Vicomtat von Narbonne mit Klugheit und Geschick. Sie zeichnete sich nicht weniger durch männliche Tugenden aus als durch diejenigen, welche ihrem Geschlecht zukommen, und durch die Weisheit ihrer Regierung, so dass sie sich grossen Ruf, und Schätzung und Achtung der bedeutendsten Fürsten ihrer Zeit erwarb, unter anderen Ludwig’s des Jüngeren (VII.). An der Spitze ihrer Vasallen nahm sie an mehreren kriegerischen Expeditionen Theil, und oft war sie Schiedsrichterin in den Streitigkeiten, die sich zwischen Fürsten und Herren erhoben. Sie selbst wollte ihren Unterthanen Recht sprechen, ein Vorrecht, auf welches sie sehr eifersüchtig war; sie präsidirte verschiedenen Rechtsverhandlungen unter dem Beistand ihrer Hauptvasallen. Ihr seltener Charakter erhob sie derart weit über ihr Geschlecht. Als sie in grosser Jugend ihrem Vater, dem Vicomte Aymeric II. folgte, hatte sie zunächst den Ehrgeiz Alfonse-Jourdain’s, des Grafen von Toulouse, zu fürchten. Unter dem Vorwand in seiner Eigenschaft als Suzerän während ihrer Unmündigkeit Sorge für Narbonne zu tragen, wollte er das Vicomtat besetzen (7), aber Ermengarde’s Muth und Festigkeit bewahrten sie vor den Unternehmungen dieses Fürsten und Raimond’s V., seines Sohnes. Sie erhielt sich im Besitz aller Gebiete ihrer Vorfahren unter dem Schutz ihrer Verwandten, der Grafen von Barcelona und der Könige von Aragon, mit denen sie immer in enger Verbindung blieb, und deren Oberherrschaft sie auch, nicht gezwungen sondern aus Freundschaft und Dankbarkeit, anerkannte.“ (Vaiss. III, 89—90).
Dass sie aber nicht Staatskunst allein, sondern auch die höfischen Künste pflegte, lernen wir von den Sängern selbst. Peire Rogier hat sie nicht als einziger gefeiert. Von Saill de Scola erzählt die Biographie (Mahn² No. 84): „er weilte bei Frau Ermengarde (8) von Narbonne, und als sie starb, begab er sich nach Bragairac und liess das Dichten und Singen“ (9); und wenn Bernart von Ventadorn seinen Vers: La doussa votz ai auzida an „midons de Narbona“ sendet, liegt der Gedanke an Ermengarde nicht fern (L. u. W. p. 34). Auch Peire d’Alvernhe scheint dem Geleit seines Liedes Ab fina ioia comensa zufolge an ihrem Hof geweilt zu haben (L. u. W. p. 71).
Dass sie mit all den glänzenden Eigenschaften ihres Geistes noch einzige Schönheit des Körpers verband, müssen wir ihrem — freilich liebenden und Hof-Poeten glauben: 7,40 „Und ihre Schönheit strahlt so hell, Wer ihr nur recht ins Auge sieht, Dem wird zu lichtem Tag die Nacht.“
So tritt uns Ermengarde als eine der interessantesten Erscheinungen in der Geschichte Südfrankreichs im 12. Jahrhundert entgegen. Ihrem Preis widmete Peire Rogier nun seine Lieder: Er verliebte sich in sie und machte von ihrseineVerseund Canzonen, und sie gefielen ihr und sie nahm sie an; und er nannte sie Tort-n’avetz (Unrecht habt ihr daran).
Die grösste Zahl der Liebeslieder Peire’s haben wir hiernach mit Bestimmtheit auf Ermengarde zu beziehen, in ihnen nennt er den hier mitgetheilten Verstecknamen. Welcher Gelegenheit dieser seinen Ursprung verdankte, ist uns nicht berichtet. Wir dürfen annehmen, dass das „Unrecht“ Ermengarde’s ihre Ungeneigtheit war des Dichters Liebesflehen zu erhören (10).
Nur drei Lieder (1. 2. 7.) dürften, da in ihnen der Name nicht begegnet, auf andere Verhältnisse bezogen werden; und im 7. Gedicht noch können wir, wenn nicht den Verstecknamen selbst, doch eine Anspielung auf ihn finden, z. 10, 11:
oc, ben leu, mas sempre n’a tort.
— tort n’a ? qu’ai dig ! boca tu mens.
Die beiden anderen dagegen zeichnen sich auch durch weitere Eigenthümlichkeiten von den an Tort-n’avetz gerichteten aus. Sie allein von den Gedichten Peire’s nennen seinen Namen in der Tornada (ein Gebrauch der von mehreren der älteren Trobadors geübt wurde, schon von Cercamon, von Marcabrun, Peire d’Alvernhe, Raimbaut d’Aurenga; später ist Arnaut Daniel bekannt dafür); in ihnen allein geht der Dichter von der Betrachtung der Jahreszeit aus, und ferner fehlt ihnen die sonst von Peire so gern verwandte Eigenthümlichkeit der kurzen Wechselrede. Haben wir in diesen Besonderheiten auch keinen Beweis, dass die Lieder nicht an Ermengarde gerichtet sind, so machen sie doch in gewissem Grade wahrscheinlich, dass dieselben einer Periode für sich in Peire’s Dichten angehören.
Die Hoffnung aus den anderen Liedern die Geschichte der Liebe des Sängers zu seinem Tort-n’avetz zu erschliessen muss gering sein. Die Wechselfälle eines gewiss jahrelang währenden Frauendienstes sind als so mannigfach zu vermuthen, dass Leid nach Freud und Freud nach Leid sich im Liede aussprechen kann. Zudem entstammen Peire’s Lieder fast alle gleichem Anlass, dem Fernsein von der Geliebten; der Zweifel ob er ihre Liebe erringen wird, der Kampf von Hoffen und Entsagen, die Gewissheit durch das Lieben selbst beseligt zu sein, die demüthige Ergebung in den Willen der Dame sind die wiederkehrenden Themata.
Im Gedicht Per far esbaudir mos vezis ist seine Liebe noch ganz Demuth. Er verlangt nicht mehr als ihr Lächeln und ihren Scherz; hat er nicht genug, wenn er sie sieht? heimlich und still und verborgen will er sie lieben, nimmer ziemt sich’s, dass sie davon erfahre. Freilich heisst er in der zweiten Tornada selbst das Lied seinem Tort-n’avetz überbringen, wir müssen also annehmen, dass damals auch Ermengarde noch nicht wusste, wer mit dem Verstecknamen gemeint sei. Dass aber das Incognito nicht zu streng sein sollte, geht aus dessen enger Verbindung mit dem Namen Aymeric’s hervor (s. Einleitung, II).
Unter den anderen Liedern darf man auf Grund der ähnlichen Form zeitlichen Zusammenhang der Lieder Non sai don chant, e chantars plagra·mfort und Tant ai mon cor en ioy assis vermuthen. Die Reimfolge in beiden ist ganz entsprechend. Im Versmass dagegen drückt sich die Verschiedenheit der Stimmung aus. Jenes ist im zehnsylbigen Vers, dem der provenzalischen Klagelieder, verfasst, und in der That ist seine Grundstimmung die des Verzagens. Nur allmälig ringt sich der Dichter aus ihr empor zum Bewusstsein der befreienden Kraft seiner Liebe. Das andere aber athmet Freude; wohl wechselt Liebe zwischen Lust und Schmerz, aber ihr Leid ist Lust, ihr Schaden Gewinn, alles wendet sich zum Frohen, das Uebel schwindet, das Gute bleibt. Die letzte Strophe deutet auf etwas, was er vor der Welt verbergen muss.
Im Liede Entr’ ir’e ioy m’an si devis spricht er aus, dass auch die Geliebte ihm die Versicherung ihrer Liebe gegeben hat; von ihr kam deshalb Freude, Lust und Lachen, und wenn er auch jetzt in der Ferne um sie weinen muss, Herzen, die im Einverständniss sind, kann Niemand trennen; sein Lied soll der Dame ein Trost sein, bis sie einander wiedersehen (11).
Wenn der Biograph nun fortfährt: „Lange Zeit weilte er bei ihr am Hof, und man glaubte, dass er Liebesgunst von ihr erführe, weshalb sie von den Leuten getadelt ward. Und sie gab ihm den Abschied und sandte ihn fort von sich. Und er ging zum HerrnRaimbaut von Orange“, so ist nach dem Inhalt von Peire’s letztgenanntem Liede nicht unwahrscheinlich, dass er den richtigen Grund für die Entfernung von Ermengarde’s Hof angegeben habe, aber — wir haben die Stelle schon besprochen — das Lied an Raimbaut sagt uns nichts davon.
Keine Veranlassung zu bezweifeln haben wir, was weiter von Peire’s Schicksalen erzählt wird: „Er blieb lange Zeit bei Herrn Raimbaut von Orange, und dann schied er und ging nach Spanien zum guten König Alfons von Aragon; und darauf weilte er beim guten Grafen Raimon von Toulouse so lange er wollte und es ihm gefiel.“
Eine Handschrift (R) lässt ihn sogar nicht nur nach Aragon gehen, sondern auch zum König Alfons von Castilien (1158—1214), eine Angabe die an sich nicht unwahrscheinlich ist, die aber zu ungenügend bezeugt wird. Dass Peire von Narbonne nach Aragon ging ist nur natürlich, denn — abgesehen von der Anziehungskraft, die dieser spanische Hof auf die Trobadors der Zeit ausübte — waren die beiden Höfe durch Freundschafts- und Verwandtschaftsbande eng verknüpft. Der Hof Raimon’s von Toulouse andrerseits war der reichste von Südfrankreich in jener Zeit und daher ein Sammelpunkt für die Trobadors. Dort weilte Bernart von Ventadorn, Peire Vidal, Folquet von Marselha, Raimon von Miraval, Peire Raimon von Toulouse u. a.
Endlich erzählt der Biograph: „Er ward sehr geehrt in der Welt, so lange er in ihr lebte; dann wurde er Mönch im Orden von Granmon und da starb er.“
So kehrte Peire Rogier zum geistlichen Stand zurück, den er einst mit dem des Sängers vertauscht hatte, wie uns auch von manchem anderen Trobador erzählt wird, dass er in späteren Jahren ins Kloster trat, von Peire d’Alvernhe und Bernart von Ventadorn; Cisterzienser wurden Bertran de Born, Perdigo und Folquet von Marseille, der spätere Bischof von Toulouse; Uc Brunet wurde Carthäuser und Guillem Ademar folgte unserm Dichter in den Orden von Grandmont. Dieser Orden war jener Zeit einer der blühendsten in Südfrankreich, obwohl sein Stifter Stephanus von Tigernum erst 1124 gestorben war. Er wurde auf die sehr strengen Vorschriften der calabresischen Mönche gegründet, und dass die Brüder in der That im Ruf grosser Demuth standen, geht aus einer Stelle Gaucelm Faidit’s hervor:
Vas midons suy de franc saber,
plus humils c’us frairs de Granmon,
et ylh m’es d’orgulhos parer
si que can la prec no·m respon.
(S’om pogues partir so voler.)
II.
Haben wir so das wenige zusammengestellt, was über Peire Rogier’s Lebensschicksale berichtet wird, so ist noch unsere Aufgabe die Zeit seines Wirkens festzustellen. Auch hierfür fliessen die Quellen spärlich.
1) Peire’s d’Alvernhe Schmählied stellt unseren Dichter zu den Trobadors der ersten Zeit. Aber welchem Jahr gehört dies Lied selbst an? Suchier (Jahrb. XIV, 121) bildet sich auf sehr unsicherer Grundlage das Datum ca. 1180. Die Wirkungszeit der aufgezählten, uns bekannten Sänger ist meist nur in weiten Grenzen zu bestimmen. Ein Herr mit dem Namen Bertran de Cardalhac, der in der 9. Strophe genannt wird, ist aus der Geschichte vom Jahre 1176 bekannt (Vaiss. III, p. 40). Von Wichtigkeit kann die Erwähnung des „Herrn“ Raimbaut in der 10. Strophe sein. Wir kennen freilich mehrere Sänger Raimbaut, doch gerade dass Peire d’Alvernhe diesem einen weiteren Namen beizufügen unnöthig fand, scheint auf einen allbekannten Dichter hinzuweisen. Dann kommen nur zwei Namen in Betracht: Raimbaut von Vaqueiras und der von Orange. Der Ruhm des ersten gehört erst dem Schluss des Jahrhunderts an, so scheint Raimbaut von Aurenga gemeint zu sein, und das, was hier vom Dichterhochmuth des fraglichen gesagt ist, empfinge in der That sehr vielfache treffende Illustration aus Raimbaut’s von Orange Liedern (am bezeichnendsten in seinem 15. Gedicht Str. 5). Ist er aber hier gemeint, dann ist Peire’s Gedicht vor 1173, Raimbaut’s Todesjahre verfasst. Dass unser Dichter dieses Raimbaut Zeitgenosse war, ist schon bekannt (12).
2) Die Regierungszeiten der in der Biographie genannten Fürsten.
Des Trobadors Gönnerin Ermengarde regierte Narbonne 1143 bis 1192. Aus ihrem Alter wird, wer die Zeit kennt, nicht auf die Epoche ihres Verhältnisses mit Peire Rogier schliessen wollen. Ueberdies wäre dasselbe schwer zu bestimmen. Ermengarde war Tochter Aymeric’s II., der als Alfons’ I. von Aragon Verbündeter 1134 in der Schlacht von Fraga gegen die Mauren fiel. Aymeric war zweimal verheirathet. Dem Namen nach zu schliessen war Ermengarde Tochter der gleichgenannten ersten Gattin, mit welcher er seit mindestens 1114 und noch 1126, nicht mehr aber 1130 vermählt war, denn in diesem Jahre nennt eine Urkunde Ermessinde als seine Gattin. Mithin ist Ermengarde’s Geburt zwischen 1114 und 1129 zu setzen und da sie sich 1142 vermählte, vielleicht in den Anfang des dritten Jahrzehnts.
Unter Alfons von Aragon haben wir den zweiten zu verstehen, der 1162—1196 regierte, Raymond I. von Toulouse herrschte 1148 bis 1194.
3) Nur zwei von Peire’s Liedern lassen nähere Datirung zu. Das eine ist das mehrerwähnte an Raimbaut d’Aurenga, welches vor 1173 entstanden sein muss (s. Einleitung, I, Raimbaut 1150—1173). Das andere No. 3 erwähnt in seiner Tornada eines Aimeric lo tos. Mit ihm wird Niemand als Ermengarde’s Neffe, ihrer Schwester Ermessinde Sohn, gemeint sein.
Wie Ermengarde empfing Ermessinde den Namen von der Mutter, Aymeric’s zweiter Gemahlin; ihr Geburtsjahr liegt also zwischen 1126 und 1134. Sie heirathete Don Manrique de Lara, einen der mächtigsten Granden Castiliens, und zwar erscheint sie zum ersten Male in einer Urkunde des Jahres 1151 als dessen Gemahlin (13). Der Ehe entstammten zuerst als Söhne Aimeric und Pedro (14). Als Ermengarde sich ohne Erben sah, beschloss sie ihren Neffen Aimeric zum Nachfolger zu machen; von 1167 an sehen wir ihn in den Urkunden neben ihr, doch vorläufig noch ohne anderen Titel als den eines Neffen der Fürstin, und so wird er bis 1176 bezeichnet; von Januar 1177 an begegnet er als Aimeric von Narbonne (15). Aber in dasselbe Jahr fällt auch der Tod des jungen Prinzen. Mithin kann dieses Lied nicht später als 1177 gedichtet sein; in welchem Jahr frühestens ist schwer zu sagen, denn wir wissen nicht, ob Aimeric nicht schon vor 1167 in Narbonne gewesen ist. Die ausdrückliche Bezeichnung lo tos „der junge“, wie die Ermahnung scheinen auf grosse Jugend des Prinzen zu deuten. Das Jahr seiner Geburt ist uns nicht überliefert, da aber die nur kurze Ehe der Eltern (Manrique starb 1164) reich an Kindern war, dürfen wir die Geburt Aimeric’s als des ältesten in den Anfang der fünfziger Jahre legen.
Dies die einzigen Anhaltspunkte Peire Rogier’s Zeit zu bestimmen. Der Gewinn daraus ist nur die Gewissheit, dass der Dichter dem dritten Viertel des zwölften Jahrhunderts und so der glänzendsten Zeit provenzalischer Poesie angehört.
III.
Bei der Werthschätzung provenzalischer Gedichte ist eins vor allem nicht zu vergessen: dass wir in ihnen nur die Hälfte eines Kunstwerks haben. Dem Provenzalen wie heut noch allerwärts dem Volke erschien Dichtung und Gesang als ein zusammengehöriges Ganzes. Erst ein näheres Kennenlernen ihrer Musik wird uns alle Verdienste der Trobadors zeigen; jedenfalls haben sie das, die Melodie aus dem Volke gehoben und sie zum ersten Mal im neuen Abendland zum Gegenstand künstlerischen Strebens gemacht zu haben. „In ihre Gesänge flüchtete sich der Wohlklang der Melodie in einer Zeit, wo die übrige Musik in den Händen der Scholastik ein abschreckendes Aussehen erhielt, und sie hegten und pflegten die Freude an Gesang und Wohlklang bis die Zeiten kamen, wo auch die höhere Kunstmusik die Mönchskutte auszuziehen anfing“ (16).
Noch bei Dante finden wir die stete Rücksichtnahme auf den Gesang (17); damals aber war Dichtung von Wort und Ton schon verschiedenen Künstlern übergeben; ihre engste Verbindung bei den Provenzalen ist das Zeichen jugendlicher Kunst. Freilich trat eine Trennung auch schon bei den Provenzalen ein; mit Rücksicht auf den Inhalt der Dichtung liehen sie der Musik bald grösseren, bald geringeren Werth. Die kunstreiche Form des Liebesliedes setzt reiche musikalische Gestaltung voraus. Das realistische Sirventes dagegen durfte ganz auf musikalische Erfindung verzichten. Auch lassen die meist einfachen, nicht immer originellen Formen der Tenzonen mindere Rücksicht auf Melodie vermuthen.
Die enge Verbindung von Wort und Ton musste der provenzalischen Dichtung eigene Züge aufprägen. Die Nothwendigkeit origineller Gedankenentfaltung trat zurück, ja diese hätte die Aufmerksamkeit zu sehr von der Musik abgezogen; an wenigen Ideen fand die Musik reichen Stoff; es sind dieselben die heut noch immer nicht erschöpft sind. So entschuldigt sich eine nicht zu leugnende Gedankenarmuth. Von der Musik in der Welt der Gefühle zurückgehalten wurde die provenzalische Lyrik um so weniger versucht auf das Gebiet der erzählenden Dichtung überzugreifen; es ist auffallend wie selten wir in provenzalischen Gedichten einem Ereigniss begegnen.
So ist der Massstab, den man an Trobadorpoesien zu legen hat, verschieden von dem für modernere Literaturen gültigen.
Abgesehen von diesen allgemeinen Zügen berührt uns am befremdendsten in Peire’s Gedichten das Spiel der Wechselrede in kurzen Sätzen, für das er eigene Vorliebe beweist. Den Provenzalen war dies Spiel nicht in gleichem Masse auffällig wie uns, denn seine Verwendung ist bei den vorzüglichsten Trobadors nicht selten. Bernart von Ventadorn hat die Wechselrede im 17. Liede, Guiraut von Bornelh in 3, 43, 66; Peirol ist ihr in besonderem Masse zugethan. Die Gedichte 2, 3, 8, 19, 20, 21 enthalten alle längere oder kürzere solche Stellen. Wir finden sie bei Uc de St. Circ, Elias Cairel, Lamberti de Bonanel, Arnaut Plagues u. s. w. (18).
Bemerkenswerth ist, dass Peire Rogier nie wie der letztgenannte Trobador und wie auch Guiraut von Bornelh in Ailas cum muer und in S’ara no poja mos chans die Wechselrede durch alle Strophen geführt hat, sondern wie Bernart von Ventadorn sie nur gelegentlich, steigernd eintreten lässt (19), und mit Recht; was in geringerer Ausdehnung lebhaft wirken konnte, musste in so breiter Ausführung ermüden.
Im dritten Liede bei Peire ist die Manier nur in einzelnen eingestreuten Fragen angedeutet, am meisten tritt sie im 4. und 6. Liede hervor. Dass sie in 1 und 2 ganz fehlt, ist oben schon erwähnt (s. Einleitung, I).
Die Wechselrede dient dem Dichter meist die widerstreitenden Empfindungen des eigenen Innern darzustellen. Dass sie als Selbstgespräch gemeint ist, ist dort klar; wo hin und her die erste Person des Verb zur Anwendung kommt, wie im 7. Liede:
Sehr lieb ich sie, die mich gewann. —
Und sie liebt mich? — Sie sagt jawohl. —
Ob ich dem Worte trauen soll? —
Gewiss, wenn nur die That entspricht,
Und sie, was sie versprach, nicht bricht,
So dass ich mehr als jetzt besitz’.
Anders ist es z. B. im 6. Liede:
O weh! — was klagst? — ich furcht’ den Tod (20). —
Was ist’s? — ich lieb’. — zu sehr? — so dass
Ich sterb’. — du stirbst? — ja. — findst kein Heil? —
Nein. — wie das? — so gross ist mein Gram. —
Woher? — von ihr, um die ich sorg’. —
Geduld! — was hilft’s? — erbitte Gnad’. —
Ich thu’s. — umsonst? — ja. — klage nicht,
Kommt Leid dir. — nicht? — kommt’s doch von ihr!
Rath hab ich. — wie? — ich lasse sie. —
Thu’s nicht. — doch, ja. — du suchst dir Pein. —
Was thun? — Willst ihrer froh du sein? —
Wie gern! — folg mir. — nun, also sprich. —
Voll Demuth sei und Trefflichkeit. —
Schafft Leid sie mir? — ertrag’s- — ich muss? (21) —
Ja, wenn du liebst; doch folgst du mir,
Fällt Liebesglück dir zu von ihr.
Hier stehen sich, scheinbar wenigstens, zwei Redende gegenüber, denn dass wir auch hier noch nicht gezwungen sind von der Annahme eines Selbstgesprächs abzugehen, zeigen uns deutlicher als die in der Lyrik, die in der erzählenden Dichtung vorkommenden Fälle. (Zur Erklärung der seltsamen Art muss man vielleicht auf die grössere Lebhaftigkeit des südlichen Geistes Rücksicht nehmen, dem der bewegte Kampf widerstrebender Elemente des eigenen Innern dialogischer Behandlung weniger unzugänglich scheinen mag.) Man sehe die Selbstgespräche in der Flamenca: v. 1277 ff. Archimbaut, in Eifersuchtsraserei, sinnt nach, wie er mit seinem Weib verfahren soll: Auras sui et estrac ; Anc mais hom tal mollier non hac ! E tu dizes queges non saps Con la tenguas ni en cals caps ? — Non saps ? —si fas. —e quo ? —bat la ! —E·l batres que m’enanzara ? —Deu ! er en plus douza e meillers. —Ans n’er plus amara e piegers.
Oder v. 4014, wo Guillem, zwischen Liebes-hoffen und -bangen lange schwankend, endlich ausruft: Lasset, caitiu ! que donc (?) farai, Ni qual consseillarapenrai ? (22) — Non sai. — qui donc ? — amors. — que·t (23) ual, Qu’il non s’entremetd’autrui mal ? — Tort has. — per que ? — si fai. — cossi ? — Deu ! fezti parlar hui ab si. —Vers es, ab ma dona parliei,Mas qual pro i hai,ni qu’enanciei ? — Tu si fesist etc.
In beiden Fällen ist die Gegenwart eines Zweiten ausgeschlossen; so also kann man auch die Strophen des 6. Liedes erklären. Vielleicht aber haben wir auch hier anzunehmen, was im 5. Liede sicher der Fall ist, dass der Dichter sich in der That eine andere Person als Widerpart gedacht hat, wie wir es auch z. B. bei Guiraut de Bornelh in Ailas com muer finden.
Peire Rogier war unter den frühesten Trobadors, welche die Manier der Wechselrede verwandten. Ob er der erste gewesen ist, wird sich schwer feststellen lassen, denn wir sahen, dass auch Bernart von Ventadorn und Guiraut von Bornelh sich ihrer bedienten; es gälte die Datirung der einzelnen Lieder zu treffen, und dazu scheint unser Material nicht hinreichend. Kaum aber findet sich neben Peire ein anderer mit gleicher Vorliebe für sie.
Die leys d’amors sprechen auch von dieser Eigenthümlichkeit (I, 322), und zwar bezeichnen sie eine Strophe, in welcher sie sich findet, als coblatensonada, en autra maniera dicha enterrogativa. Die sechs Beispiele, welche sie dazu geben, zeigen, dass sie besser gethan hätten beide Arten getrennt aufzuführen. Die vier ersten Coblen kann man nur als enterrogativas bezeichnen, es treten gar nicht zwei Stimmen in ihnen hervor. Das fünfte Beispiel gehört nicht dorthin, erst das sechste entspricht dem bei Peire Rogier vorkommenden:
Dass in dem Streit, den Peire in solch dialogischer Form zu schildern liebte, Amors stets der Sieg zufiel, ist selbstverständlich. Er verlangt vom Liebenden Unterwerfung unter alles, was ihm von der Dame kommt. Am ausführlichsten giebt das 1. Lied seine Auffassung der Minne wieder:
Glaube Kläffern nicht, wer liebt,
Ja, sieht er auch ein Vergehn
Seine Freundin sich erlauben,
Trau er seinen Augen nicht:
Was sie zu verstehen giebt
Muss er ohne Schwur ihr glauben
Und misstrau’n den eignen Blicken.
Darin hab ich allezeit
Selbst die Klügsten fehlen sehn,
Dass sie auf dem Recht beharren,
Bis dass die Geduld ihr bricht,
Und die Freude wird zu Leid,
Und ins Unglück so die Narren
Unbedachtsam sich verstricken.
Diese Weisheit ist mein Heil
Und mein Wunsch muss stets geschehn:
Denn schlägt sie auch ganz mich nieder,
Schweig ich doch, wo jeder spricht;
Wird ein Weh mir auch zu Theil,
Duld’ ichs stille, bis sie wieder
Mich mit Freuden will erquicken.
(Diez’ Uebersetzung.)
Hier zeigt sich zugleich die schon von Diez an unserem Dichter hervorgehobene Neigung zum didaktischen Ton, welche man 2, 37-45, 50—54, 59—63; 4, 4—7, 10—14; 5, 8, 35; 7, 32, 33; 8, 15—42 wiederfinden wird. Der poetische Werth gewinnt nicht durch solche Einschiebungen, aber es ist ein den Trobadors gemeinsamer Zug, das, was sie thun und sagen, bald durch allgemeine Betrachtungen, bald durch Bezugnahme auf Volksweisheit, auf Sagen, auf die Schrift rechtfertigen zu wollen.
Die Weltanschauung, die wir an Peire kennen lernen, ist die seiner Zeit, frohlebig und „leichten Sinnes“, denn: 8, 29
Seid nicht von zuviel Sinn ein Mann,
So dass man sag’, er ist zu klug,
Denn dort, wo Klugheit nicht genug,
Ist’s Thorheit oft, die helfen kann.
Ist euer Haar noch nicht gebleicht,
Sind noch die Glieder frisch und leicht,
Bringt zuviel Sinn nicht Ehr noch Gut.
Dem Uebel darf man nicht nachgeben: 4, 4 „Dann zeigt sich, dass der Mensch verständig ist, weiss er sein Leid mit guter Art zu tragen.“
„Da alles das was ist zum Tod sich neigt,
Was schätzest du, was immer man beginnt? —
Für niedrig hält den Feigen man gesinnt,
Und da man stets so gut sich halten soll,
Dass Niemand spottet oder Uebles sagt,
Mein ich, der Mensch thut Unrecht, der verzagt,
Wenn er die Welt zu Dienste haben will.“
In der Achtung seiner Zeitgenossen nahm Peire Rogier sicher keinen unbedeutenden Platz ein. Wir haben gesehen, wie Peire d’Alvernhe ihn als ersten, und neben Guiraut von Bornelh und Bernart von Ventadorn, gewiss also nicht als untergeordneten Dichter nennt. Ein anderes Zeugniss ist uns die Art, wie Raimbaut d’Aurenga, der wegen seines Hochmuths bekannte Fürst, das Lied des Trobadors beantwortete.
Matfre Ermengau und Raimon Vidal berufen sich auf unsern Dichter um ihre Meinung zu bekräftigen; dieser citirt ihn in der Novelle abril issi e maysintrava, jener dreimal im breviari d’amor (26).
Und über die Grenzen seines Landes und seiner Zeit wurde Peire Rogier gekannt. Wenn wir den italienischen Commentatoren glauben sollen, will Petrarca selbst ihn im trionfo d’amore erscheinen lassen. Da ihm die Reihen berühmter Liebesdichter vorüberziehen, kommen neben denen des Alterthums und Italiens auch berühmte Trobadors; an ihrer Spitze Arnaut Daniel, dann
Eranvi quei ch’Amor si leve afferra,
L’un Pietro e l’altro, e’l men famoso Arnaldo.
Arnaldo ist wohl Arnaut von Marueill; unter einem Pietro ist, da der von Alvernhe noch später erscheint, gewiss Vidal zu verstehen. Den zweiten aber erklärt Vellutello für Pietro Ruggieri d’Arvernia (Gesualdo und Daniello mit seltsamer Entstellung Pietro Negieri). Die Bezeichnung bei Petrarca ist zu allgemein um sicher auf unseren Peire zu deuten; Vellutello’s Ansicht ist aber nicht unwahrscheinlich, denn Rogier steht an Ruf unter den Peires obenan; Peire Cardenal war als moralischer, nicht als Liebesdichter ausgezeichnet.
Auch Bembo erwähnt unsern Trobador; wo er in den Prose lib. I von Entlehnungen der Florentiner aus der provenzalischen Literatur redet, wie man als von einer solchen von der Sestine sprechen kann oder delle altre canzoni, che hanno le rime tutte delle medesime voci, si come ha quella di Dante:
Amor tu vedi ben che questa Donna
La tua virtu non cura in alcun tempo.
II qual uso insino da Pietro Ruggiero incomminciò.
Das Reimschema der Dante’schen Canzone ist dieses:
A B A A C A A D D A E E,
A ist donna, B tempo, C luce, D freddo, E pietra. In den Strophen wechseln die Reime so, dass der letzte jeder vorhergehenden der erste der folgenden Strophe wird, also:
No.
1
a b c d e
-
2
e a b c d
-
3
d e a b c etc.
Es giebt im Provenzalischen eine Anzahl von Liedern, deren Reimwörter wie hier durch alle Strophen bleiben. Darin aber hat Dante die Trobadors an Künstlichkeit übertroffen, dass er auch in der einzelnen Strophe sich auf die gleichen Wörter beschränkte. Am nächsten steht dem Gedicht Dante’s unter allen provenzalischen eins von Peire Vidal (Gr. No. 29). Sein Schema ist:
A1 A2 A3 B1 A4 B2 B3 B4 C1 C2 D1 D2.
Die ersten 8 Verse sind fünfsylbig, die letzten 4 siebensylbig. Die Strophen wechseln ihre Reime wie bei Dante:
a b c d, d a b c, c d a b, b c d a.
Da aber die Reime A und B viermal vorkommen und in derselben Strophe jedesmal von einem anderen Worte getragen werden, erhalten wir für 5 Reimwörter bei Dante hier deren 16. Erschwert dagegen hat sich Peire Vidal die Aufgabe, indem er die Canzone den Kreis der Reimwechsel zweimal durchlaufen lässt.
Andere provenzalische Fälle vom Bleiben der Reimwörter durch alle Strophen sind folgende: Richart de Berbezilh No. 7:
A1
A2
+
B1ᵕ
B2ᵕ
C1
C2
A3
A4
10
4
6ᵕ
10ᵕ
10
10
10
10
Der Reimwechsel in den 5 Strophen ist:
1
2
3
4
5
6
7
8
7
8
4
3
6
5
2
1
2
1
3
4
5
6
8
7
8
7
4
3
5
4
2
1
2
1
3
4
5
6
7
8
Tornada:
6
5
2
1
Bartolomeo Zorgi 13: zehnsylbige Verse;
Str.
1,
3,
5,
7:
A1
B1
B2
A2
C1
D1
D2
C2
2,
4,
6,
C2
D2
D1
C1
A2
B2
B1
A1
Guillem Peire de Cazals 3: achtsylbige Verse;
Str.
1,
3,
5:
A
B
C
C
B
A
2,
4:
C
B
A
A
B
C
Guiraut Riquier 58: zehnsylbige weibliche Verse:
A B C D E F G H ohne Wechsel.
Raimbaut d’Aurenga 16:
A B C D E1 E2 F1 F2.
F ist achtsylbig männlich, die andern siebensylbig weiblich. Die Reime decken sich insofern nicht vollständig, als die gleichen Wörter mit und ohne Flexions-s auftreten (27).
Unter Peire Rogier’s Liedern findet sich keins, das diese Eigenthümlichkeit zeigte. Dass sie in so hohe Zeit hinaufreicht, geht aus dem letztgenannten Beispiel hervor. Wir müssen dahingestellt sein lassen, ob Bembo hier über uns verlorene Hilfsmittel verfügte, oder ob seine Angabe ungenau ist. Der eine Werth bleibt der Nachricht: das Fortleben von unseres Dichters Namen auch im sechszehnten Jahrhundert zu bezeugen.
IV.
Die Verse, deren sich Peire Rogier bediente, sind von sehr verschiedener Länge:
4
sylbige
männliche
in
3
5
-
weibliche
-
2
6
-
-
-
2
7
-
männliche
-
1, 2, (9)
7
-
weibliche
-
1
8
-
männliche
-
2, 3, 5, 6, 7, 8
10
-
-
-
4
Von diesen Versarten findet sich der grössere Theil schon beim ältesten Trobador Wilhelm von Poitiers (28), nur der fünf- und zehnsylbige nicht; dagegen gebraucht den Fünfsylbner schon Marcabrun. Er bleibt in der späteren Lyrik ein seltener Vers, nur einige Dichter, wie Guiraut de Bornelh, Gaucelm Faidit, Cardenal und Guiraut d’Espanha verwenden ihn häufiger. Anders der zehnsylbige männliche, der sehr bald einer der beliebtesten Verse wird. Bei Wilhelm von Poitiers, Jaufre Rudel, Cercamon, Marcabru findet er sich noch garnicht. Zuerst bei Bernart von Ventadorn und zwar in fünf Gedichten; es ist aber zu bemerken, dass er strophenbildend bei ihm nur dann auftritt, wenn das Gedicht Belh Monruelh von ihm herrührt. Bei Raimbaut d’Aurenga und Peire d’Alvernhe steht er vereinzelt in je einem Gedicht.
Noch entschiedener als in späterer Zeit hat in der frühesten der achtsylbige männliche Vers das Uebergewicht über alle anderen. Sehr häufig ist bei Wilhelm und bei Marcabru die auch von Peire verwandte Bindung des achtsylbigen mit dem viersylbigen Verse (29).
Der zehnsylbige Vers hat auch bei Peire Rogier in der Regel Cäsur nach der vierten betonten Sylbe, lyrische Cäsur findet sich aber in 4, 49.
Ueber den Hiatus geben die leys I, 22 ff. ausführliche Regeln. Sie verbieten ihn zwischen Vokal und Vokal, und zwischen Diphthong und Diphthong. Aber die Poetiker des vierzehnten Jahrhunderts sind bereit dem Belieben grossen Spielraum zu lassen: „Alle diese Fehler von Vokal vor Vokal und die anderen obgenannten halten wir für ganz entschuldigt, wenn man sie begeht um ein gutes Wort nicht zu unterdrücken — denn man soll die Frucht lieber haben als die Schale —, oder wenn man sich auf andere Weise nicht richtig oder nicht so gut und schön ausdrücken kann“ (I, 28). Ferner nehmen sie die für die Rede nöthigsten, vokalisch und diphthongisch auslautenden Wörter von der Regel aus, wie qui, si, ni, no. So wird von der Regel dem häufigen Gebrauch zu Liebe auch der starke Hiatus ieu ai ausgenommen.
Der Unsicherheit der leys d’amors entspricht der Gebrauch bei den Trobadors. Bei Peire Rogier finden sich Hiate in grosser Zahl. Solche zwischen zwei Vokalen sind an den folgenden Stellen:
a : e 4, 13;
a : o 7, 37;
a : u 2, 35.
e : a 2, 47; 6, 42;
e : e 7, 28.
i : a 2, 9;
i : e 3, 35; 4, 12;
i : o 4, 52; 5, 24;
i : u 2,46.
o : a (9,4).
u : o 6, 55.
Elidirbar sind die auslautenden Vokale bei 2, 35; 7, 28. Die von den leys nicht verbotenen Hiate zwischen Diphthong und Vokal unterlasse ich aufzuzählen. Die Fälle von Hiatus zwischen Diphthong und Diphthong gehören meist zu denen, die durch Nothwendigkeit des Gebrauchs entschuldigt werden. So das oben erwähnte ieu ay 5, 27, in der Umkehrung ay ieu 3, 20, sai ieu 2, 32, suy ieu 1, 29; 3, 17, 23; 7, 7. Schlimmer ist sui aissos 4, 45.
Von Kunstmitteln innerhalb des Verses wendet Peire Rogier hin und wieder Alliteration an. Die Vorliebe für stabreimende Verbindungen finden wir seit den ältesten Trobadors. Wilhelm von Poitiers sagt: bon e belh (12), de joi e de joven (3), fer ni fust (12), per aur ni per argen (3), en pueg o en pla (7), que·m plassa ni que·m pes (7), lo joy jauzir (11). Die Mehrzahl der bei den Trobadors vorkommenden Verbindungen sind so naheliegend und so häufig, dass sie nicht als Eigenthum eines Dichters, sondern als das der Sprache oder wenigstens des gehobenen Styls anzuerkennen sind. Bei Peire Rogier gehören dahin etwa folgende: cug ni cre 4, 21, sen e saber 8, 8, condugz ni dos 8, 2 (30), folhs-fatz 7, 17; 8, 37, cubertz e quetz 3, 28, meinhs o may 8, 13, huey fai que platz, deman que pes 5, 32, mal mortal 2, 17, paucs plagz 1, 26, no sap sal 2, 36, pauc pren 5, 22, pensa petit 2, 16, so say 5, 41, pauc pres 7, 29, ab mal los mals, ab ben los bos 8, 42, ab los pros uai pretz enan 5, 10, sapchatz ab los sauis 8, 38, mai que mai 3, 56, lai ab lieys 3, 9.
Doch begnügten sich die Trobadors nicht mit diesen meist einfachen Verbindungen; die Klangwirkung wurde auf weitere Strecken ausgedehnt, auch blieb der Gleichklang nicht auf den Anlaut beschränkt, auch an anderen Stellen des Wortes war er geeignet die beabsichtigte Wirkung zu verstärken. Diese Eigenthümlichkeit, welche, der Alliteration nahestehend, über deren Wesen hinausgeht, ist bei den Provenzalen sehr verbreitet. Peire Rogier hält sich ihr ziemlich fern. Ein Fall davon mag sein: tol te d’aisso, ia t’er tot a morir 4, 20 noch zweifelhafter ist 1, 29; 3, 9; 4, 29, 30; 5, 36, wie man denn bei den Trobadors überhaupt oft zweifeln kann, ob an einer Stelle bewusstes Hervorrufen der Klangwirkung stattfand oder nicht. Jedenfalls absichtlich ist in 7, 25, 26 die Gegenüberstellung der vom Sprachgebrauch gelieferten alliterirenden Verbindungen ioy,ioc : planh, plor.
Ein anderes Streben geht auf Zusammenstellung reimender und assonirender Wörter innerhalb des Verses. Auch hier werden viele Verbindungen von der Sprache fertig geliefert: sai e lai 5, 26; 8, 26, tan ni quan 5, 17. Gran afan 5, 30 ist sehr häufig bei den Trobadors, seltener rir e bordir 4, 19; 7, 3. Gewisse Wirkung wird auch schon durch ähnlichen Klang des vokalischen Elements erzeugt: creys e nays 1, 4, uey sai 3, 11, lai ab lieys creys ioys 3, 9, mais de lieys 4, 48.
Von dem schon bei Marcabrun vorkommenden, besonders aber dann von Raimbaut d’Aurenga gepflegten Suchen nach schweren Reimen hält sich Peire Rogier frei, wie sich denn von all den üblichen Reimspielereien der Trobadorkunst bei ihm nur der „verwandte Reim“ findet, wenn nicht im ersten Liede das Zusammentreffen der Reime uelh und uelha sogar ein zufälliges ist.
Als verwandte Reimendungen möchte ich solche bezeichnet haben, deren betontes Element gleich ist, von denen aber eine durch eine angehängte tonlose Endung erweitert ist, so dass die verwandten Reime eine die grammatischen oder rims derivatius (die nach den Beispielen der leys von Wörtern gleichen Stammes getragen werden sollen) mitumfassende grössere Gattung bildeten.
Die üblichste Erweiterung ist die durch -a; doch muss die Erweiterung nicht stets sylbenbildend sein. Im 16. Liede Raimbaut’s von Orange haben dieselben (hier übrigens nur weiblichen) Reimwörter bald Nominativ-, bald Obliquus-form. Dasselbe Gedicht zeigt uns grammatische weibliche Reime derart, dass der gleichen Stammsylbe einmal tonloses a, das anderemal tonloses e folgt.
Der verwandte Reim findet sich schon bei Cercamon (No. 3), sodann bei Marcabrun (No. 30, p Str. 5, 6 und 9, 10; No. 11), bei Raimbaut d’Aurenga (No. 5; 39), Peire d’Alvernhe (1; 6) etc.
Durchgeführten grammatischen Reim vermag ich erst bei Bernart von Ventadorn und bei Raimbaut d’Aurenga nachzuweisen (31), bei diesem im 22. und 26., bei jenem im 7. und 9. Gedicht. Auch Beatritz de Dia hat ihn in ihrem ersten Liede. Bei Peire Rogier findet sich nur in Strophe 5 und 6: uuelh : uuelha, tuelh : tuelha; zu erguelha Str. 1 steht in Str. 4 erguelh.
Ein seit ältester Zeit und in ihr besonders beliebtes Kunstmittel ist der Refrain, das Festhalten eines Wortes an bestimmter Stelle der Strophe durch das ganze Gedicht. Der Refrain leitet den Gedanken immer wieder auf Eines zurück, dies muss daher dem Inhalt des Gedichts bedeutungsvoll sein.
Das älteste Beispiel des Refrains ist bei Wilhelm von Poitiers im sechsten Liede (am). Marcabru hat ihn in 3 (saucs), 18 (escoutatz), 19 (cujar), 28 (vilana), 33 (lavador); Jaufre Rudel in 2 (lonh, sogar zweimal in jeder Strophe); Bernart von Ventadorn in 13 und 44 (amor), 41 (cor); Peire d’Alvernhe in 1 (vert), 3 (conja), 22 (merce, der Refrain ist nicht überall durchgeführt); Raimbaut d’Aurenga in 14 (malastruc), 21 (deing), 27 (genta), 36 (lenga), 39 (iotglar), 41 (gaug). Ueber das sechszehnte Lied s. oben Einleitung, III.
Bei Peire Rogier weisen drei Gedichte Refrain auf, ein im Verhältniss zur geringen Zahl der überlieferten Gedichte häufiges Vorkommen. Im zweiten Liede besingt er die Geliebte als die, welche ihm „Leben“ spendet; viure ist der Refrain des Liedes. Im dritten sagt er, wie die Liebe zu seiner Dame ihm Quell aller Freude und alles Werthes und nur von Freude und Werth (ioy e pretz) sei (in der zweiten Tornada dieses Gedichts macht übrigens der Refrain dem mit ihm reimenden Verstecknamen Platz). Im sechsten führt der Sänger die Worte immer wieder auf „sie (liey)“ zurück, zu deren Preis er singt.
* * *
Da das lyrische Lied (in der Regel) Erzeugniss und Ausdruck einer Stimmung, innerhalb deren Grenzen die Gedanken sich um das, welches ihr Anlass war, aneinanderreihen, ist, so darf der Gesang, dem Bleiben der Grundstimmung folgend, bei einer Melodie, in welcher jene zum ersten Male Ausdruck gewann, beharren; und diesem Beharren entspricht die strophische Gestaltung des Liedes, die deshalb der lyrischen Dichtung in erster Linie eigenthümlich ist. Da, wo die Stimmung selbst keine geklärte ist, wo ein Widerstreit verschiedener stattfindet, herrscht auch die Strophe nicht mehr; das Lied strömt in gelösten Formen dahin; so der Descort der Provenzalen.
Die musikalische Strophe besteht, wenn wir von den kaum anders als in der Volkspoesie vorkommenden kürzesten Formen absehen, aus untereinander in Abhängigkeitsverhältnissen stehenden Sätzchen, sie ist in Theile zerlegbar. Da aber die musikalische Strophe den Worten wiederholt zu Grunde gelegt wird, zwingt sich das Gesetz ihrer Theilverhältnisse auch dem gedichteten Worte auf, im Metrum sowohl, wie in der Abhängigkeit der Verse von einander, und deshalb nicht nur der Form nach, sondern auch dem Gedanken: Pause in der Melodie bedingt Pause des Gedankens. So ist denn das Entscheidende für den Bau der Strophe die Musik, und kann man gleich aus Reimordnung und Metrum Schlüsse auf die Eintheilung des musikalischen Satzes ziehen, so sind doch solche Schlüsse wenigstens so lange hypothetisch, wie nicht durch zahlreichere Vergleichungen das wechselseitige Verhältniss festgestellt ist.
Zwei Trobadormelodien standen mir zu Gebote: die warm empfundene, stimmungsvolle zu Gaucelm Faidit’s Klagelied auf König Richard (Ambros Gesch. der Musik² II, p. 226, leider sie allein von provenzalischen Melodien zieht sich seit hundert Jahren durch alle ausführlicheren Musikgeschichten) und die zu Bernart’s von Ventadorn: Quan vey la lauzeta mover (Rayn. Handschriftproben im Choix II).
Das Gedicht Gaucelm Faidit’s hat diese Reihe zehnsylbiger Verse: a b a cᵕcᵕb b d d. Die Musik aber hat zehn für neun Reihen des Textes. Die Worte der letzten werden auf anderen Noten wiederholt. So wären alle Versuche die Strophe dem Texte nach in ihre Theile zu zerlegen verfehlt. Bernart’s Lied hat acht achtsylbige Verse in dieser Ordnung: a b a b c d c d. Reimordnung und oft die Sinnesabschnitte sprechen für Eintheilung in zwei pedes und zwei versus. Die Melodie zeigt, dass kein Theil in ihr wiederholt wird; also weder pedes noch versus nach Dante’s Ausdrucksweise liegen vor.
Sind diese beiden Strophen nun als ungetheilte zu bezeichnen, wie es der Dante’s Terminologie folgende Brauch will, indem er nur solche getheilt nennt, in welchen ein Abschnitt der Musik wiederholt wird? Es ist undenkbar, dass eine aus acht, bezüglich zehn Reihen bestehende musikalische Strophe keinen stärkeren Einschnitt in sich gehabt habe, und es ist an sich gleichgültig, ob ein durch einen Einschnitt abgetrennter Theil der Melodie wiederholt wird oder nicht. Getheilt wird jede längere Strophe sein; für die durch Wiederholung ausgezeichnete Unterart der Theilung mag man den Namen „Gliederung“ zurückbehalten.
Das Verhältniss der einzelnen Abschnitte zu einander kann sich natürlich sehr mannigfaltig gestalten; bei langgezogenen Melodien ist die Selbständigkeit der einzelnen Zeilen als grösser zu vermuthen, bei belebterer Musik werden mehrere Verse von einem musikalischen Sätzchen zusammengefasst und diese Sätzchen treten in verschiedene Verhältnisse zu einander.
Im Lied Gaucelm Faidit’s gehören zunächst v. 1 und 2, 3 und 4 musikalisch enger zusammen. Dann folgen zweimal drei Zeilen, bei denen man bemerken wird, dass beidemal der dritte Vers zu den zwei vorhergehenden in anderem Verhältniss steht, als diese untereinander, so dass also diese Strophe, welche man den Reimen nach als ungetheilte bezeichnet hätte, in der Musik symmetrischen Aufbau von
(2+2)+([2+1]+[2+l]) = ab, acᵕ; cᵕb—b, dd—d
zeigt. Im Lied Bernart’s gehört Zeile 1 und 2 zusammen, z. 4 weniger eng mit 3. Mit z. 5 beginnt ein neues Sätzchen, z. 7 und 8 bilden den Schluss:
(2+2)+(2+2) = ab, ab; cd, cd.
Leider werden wir bei den für die Kenntniss der Trobadormusik spärlich fliessenden Quellen oft gezwungen sein auf die Hülfe der Musik zu verzichten, am häufigsten für die ältere Zeit, wie denn auch von Peire Rogier keine Melodie überliefert zu sein scheint. Dasjenige, welches uns in diesem Fall am ersten Unterstützung verspricht, ist folgendes:
1) Die Sinnesabschnitte. Bei den engen Beziehungen zwischen Composition und Dichtung müssten natürlich die Sinnesabschnitte in provenzalischen Liedern viel genauer mit den formalen Theilen der Strophe übereinstimmen, als es bei der von der Musik losgelösten Dichtung nöthig und der Fall ist, und das Fehlen dagegen ist tadelnswerther dort als hier. Dass es trotzdem die Trobadors nicht eben genau damit nahmen, zeigt die Beobachtung. Man sehe Gaucelm’s Text, der in Strophe eins bis vier gute Eintheilung zeigt, sie aber in fünf und sechs vernachlässigt. Je selbständiger das Verhältniss der musikalischen Zeilen zu einander ist, desto leichter darf sich das syntactische Verhältniss der Verse in verschiedenen Strophen verschieden gestalten.
2) Die Tornada. Diese kann nicht mitten in einem Sätzchen anfangen. Wo sie beginnt, musste wenigstens ein leichterer Einschnitt der Melodie sein. Im Liede Gaucelm Faidit’s z. B. könnte sie schwerlich mit z. 6, 7 oder 9 beginnen; in der That fängt sie beim grossen Abschnitt mit z. 5 an. Die Regel, welche die leys I, 338 f. über die Länge der Tornada geben, beruht so auf Aeusserlichkeiten, dass sie werthlos ist, woran ihr Zutreffen in vielen Fällen nichts ändert.
3) Anordnung der Reime und
4) Metrischer Aufbau der Strophe. Die Möglichkeit aus der Anordnung der Reime auf den Bau der Strophe zu schliessen, setzt gesetzmässigen Wechsel verschiedener Reimverhältnisse voraus; verschiedenartig, insofern sowohl Wiederkehr gewesener als Eintreten neuer Reime statthaben muss, a b a b und a a b b gegenüber immer gleichem a a a a und immer ungleichem a b c d etc; die verschiedenartigen Verhältnisse müssen wechseln, denn folgen sich stets a b a b a b . . . . oder a a b b c c . . . . so sind Schlüsse unmöglich; und der Bau der Strophe wird sich erst dann in der Reimfolge zu erkennen geben, wenn im Wechsel der Reimverhältnisse Gesetzmässigkeit ersichtlich ist (wie besonders in der gegliederten Strophe), und das Erkennen wird um so sicherer sein, je grösser die Reimgruppen sind, auf die sich die Gesetze erstrecken.
Das von den Reimen Gesagte überträgt sich auf die Metren, nur wird aus ihnen, da sie weniger wechseln als die Reime, noch seltener selbständig zu schliessen sein.
Unter den Liedern Peire Rogier’s lassen einige Abschnitte dem Sinne nach bemerken. So haben alle Strophen des ersten Liedes (mit alleiniger Ausnahme der 4.) eine stärkere Interpunktion nach dem vierten Vers; die Strophen zerfallen in 4+3. Die gleiche Theilung ist im achten Liede zu erkennen. Das zweite Lied zerlegt sich in 4+5; im dritten scheinen die ersten fünf und die letzten fünf Verse unter einander zusammenzugehören. Dazwischen aber steht eine Zeile, welche sich bald diesen, bald jenen anschliesst. Vielleicht zerfielen dann die letzten fünf Verse nochmals in 3+2, wie denn nach dem Refrain das Eintreten einer kleinen Pause, welche demselben zu höherer Wirkung verhülfe, ganz angemessen wäre. Bei den anderen Liedern liegen — zum Theil durch Schuld der die Strophe in kurze unabhängige Sätzchen auflösenden Wechselrede — die Verhältnisse noch ungünstiger als im dritten.
Die Länge der Tornaden stimmt in den vier genannten Liedern mit der dem Sinne nach zu vermuthenden Theilung überein. Zu bemerken ist, dass sie im dritten Gedicht den in der Mitte stehenden Vers nicht mitumfasst, und dass sie im zweiten nur 3 Verse enthält, so dass nach dem sechsten das Beginnen eines kleineren Abschnitts in der Musik anzunehmen ist (32).
Die Aussicht in der Ordnung der Reime bei Peire für den Strophenbau wichtigen Anhalt zu finden, muss gering sein. Unser Dichter verwendet eine im Verhältniss zur Strophenlänge grosse Zahl von verschiedenen Reimen, seine Strophen sind reich an Körnern und die Reimordnung solcher Strophen ist einem Untersuchen der Eintheilung naturgemäss wenig günstig. In der Anwendung zahlreicher Körner steht Peire Rogier Raimbaut von Aurenga nahe. Guilhem von Poitiers und Marcabrun pflegen sich mit sehr wenigen Reimen zu begnügen (s. Einltg. zu No. 9). Der erstere hat nur in No. 10 ein Korn. Marcabrun gebraucht schon in mehreren Gedichten Körner, aber es sind im Verhältniss zur Strophenlänge nur wenige: eins in 20, 26, 30, 32, 36, 37, 38, 40 (41 gleich 20); zwei in 1, 2, 10, 11, 33, 34, 35; drei in 36. Cercamon hat eins in 3, zwei in 4, drei in 2; Bernart von Ventadorn eins in 5, 13, 15, 20, 30, 35, 42, 45; zwei in 16, 21, 38; drei in 18, 26, 27; vier in 7; sechs in 3; auch Jaufre Rudel hat einmal drei Körner auf sieben Zeilen.
Das einzige Lied Peire’s, welches auch in seiner Reimfolge leicht die Regelmässigkeit des Baus erscheinen lässt, ist No. 2 mit seiner Form a b a b |c d c d E. Mit dem Eintreten von c beginnt der zweite Haupttheil. Von den anderen Gedichten steht noch am nächsten das achte: a b b a | c c d. Im ersten wird das Beginnen des neuen Theils wenigstens durch Rückgreifen auf den Anfangsreim angezeigt: a b cᵕd | a cᵕb’ᵕ. Aber mit Ausnahme des zweiten Liedes dürfte man bei keinem mit dem Verhältniss der Reime eine Eintheilung der Strophe begründen, und entsprechend verhält es sich mit den Metren. Auch sie gestatten nur im zweiten Liede einen Schluss auf den Bau der Strophe (33).
Unter Berücksichtigung alles Erwähnten würden etwa folgende Schemata ein Bild der Formen von Peire Rogier’s Gedichten geben:
(34) NB. Die römische Ziffer bezeichnet die Anzahl der Strophen, das d dahinter, dass die Reime durch alle Strophen gehende sind, die Querstriche geben den Umfang und die Zahl der Tornaden an, die Klammern die muthmasslichen Abschnitte des musikalischen Satzes. Den verwandten Reim bezeichne ich durch Buchstaben mit Strichen (b’ in No. 1, für grammatischen Reim ist die Verwendung der entsprechenden griechischen Buchstaben zweckmässig), Refrainreime mit grossen Buchstaben (deren gewöhnliche Verwendung zur Bezeichnung von Versen ungleicher Länge deshalb nicht praktisch ist, weil man durch sie nicht die Quantität der Verschiedenheit anzeigen kann; wo verschiedenlange Verse vorkommen, müssen deren Masse mit Zahlen angegeben werden).
Es ist bekannt, dass die Trobadors jedem Liede individuelle Form zu geben pflegten (Peire d’Alvemhe: Anc chans no fon fort fis ni bos, que ressemblesd’autruychansos. in Chantarai pus veyqu’a far m’er), eine Thatsache, die sich beim engen Zusammenhang von Musik und Dichtung aus dem Erfinden einer neuen Melodie natürlich erklärt. Als diese beiden sich später trennten, fiel auch das Interesse am Schaffen neuer Formen, das dem inneren Gehalt der Dichtung nur Fesseln anlegen konnte. Freilich ist bekannt, dass das Gesetz der individuellen Formen nicht für alle Dichtungsarten in gleicher Weise gültig war (s. p. 13), und auch ausserhalb des Sirventes finden sich Fälle der Uebertretung; so bleibt uns denn noch zu untersuchen, ob Peire Rogier in den Formen von einem anderen Dichter nachgeahmt wurde, oder ob er selbst dem Ueblichen zuwider eines Anderen Formen gefolgt ist.
Für mehrere seiner Lieder habe ich keinerlei Gleichheiten gefunden, es sind die Nummern 2, 5, 6, 7 (und 9).
Mit dem ersten hat Jaufre Rudel’s Quart lo rius de la fontana grosse Aehnlichkeit.
Die Form dieses Liedes ist:
7ᵕa
7 b
7ᵕc
7 d
7ᵕa
7ᵕc
7ᵕe
Die Unterschiede sind, dass a bei Jaufre weiblich ist, und dass e mit b keine Verwandtschaft zeigt, wenn nämlich Verwandtschaft der Reime von Peire beabsichtigt war. Was der Annahme einer Nachahmung Jaufre’s durch Peire nicht günstig ist, ist der Umstand, dass bei jenem in Str. 3 und 4 a b und c d ihre in Str. 1 und 2 gehabten Plätze austauschen. Diese Künstlichkeit hätte sich ein Nachahmer nicht entgehen lassen dürfen. Der Annahme einer umgekehrten Nachahmung Peire’s durch den Anderen aber scheint die Chronologie nicht günstig. Stimming setzt die Entstehung des Liedes Rudel’s zwischen 1147 und 1160, nach Suchier (Jahrb. XIV, p. 129) wäre Jaufre sogar schon 1148 gestorben.
Gleiche Reimfolge mit No. 3 kommt zweimal vor, in Cadenet’s: Aisso·m dona ric coratge und in einer Strophe Raimon Vidal’s, die er selbst in seiner Novelle En aquel temps, com era iays mittheilt, und die Lus e dimartz mati e sers beginnt. Aber beide Strophen sind verschieden im Versmass, eine Einwirkung eines der 3 Gedichte auf ein anderes ist daher nicht anzunehmen.
Gleich in Reimordnung und Metrum mit No. 4 ist Guiraut Riquier No. 29: Fis e verays e pus ferms que no suelh. Doch sind die Reime anders als hier, und da wenigstens ähnliche Reimfolgen nicht selten sind (ganz gleich nochmals bei G. Riquier 49 bei siebensylbigen Versen, a b b c d d e e derselbe 13 und Raimon de Miraual 34, aᵕb b cᵕd d eᵕGuiraut von Calanso 9, ähnlich schon Cercamon 3: aᵕb b cᵕd d d aᵕetc.), so ist zufälliges Zusammentreffen wahrscheinlicher als Nachahmung.
Dem achten Gedicht entsprechen am meisten Lieder anderer Trobadors. Selbstverständlich ist die Uebereinstimmung von Raimbaut’s Antwort (35). Ausser ihr aber sind ihm noch vier Lieder in Mass und Reimordnung gleich: Jaufre Rudel: Bels m’es l’estius e·l temps floritz, Bernart. von Ventadorn: Anc no gardei sazo ni mes, Guillem Ademar: Be for’oimais sazos e locs, Raimbaut de Vaqueiras: Las frevols venson lo plus fort. Die Reime sind aber in allen verschieden, die Form ist ziemlich einfach und so sehe ich auch hier nicht die Nothwendigkeit Entlehnung anzunehmen. Zu beachten ist für dieses Lied, dass es sich in Handschrift R unter Melodie und Text von Arnaut de Tintignac: Lo joi comens en un bel mes findet, dessen Versmass gleich und dessen Reimordnung nahe verwandt, die umgekehrte: a b b c d d c ist.
Von mehreren seiner Lieder sagt uns Peire selbst, welcher Dichtungsart wir dieselben zuzurechnen haben. Das zweite, vierte sechste und siebente Lied bezeichnet er als vers. Ueber die Anforderungen, welche die Theorie an den vers stellte, unterrichtet uns bekanntlich besser als die leys Aimeric von Pegulhan im Gedicht Mantas vetz sui enqueritz. Es werden nach ihm vom vers streng genommen männliche Verse, eine lange (leys: lange, ruhige und neue) Singweise verlangt; in Verslänge und Tonart bestanden Unterschiede zwischen dem vers und der Canzone. Diesen Anforderungen fügen sich, soweit wir überhaupt sehen können, No. 4, 6, 7 bei Peire Rogier. Sie besitzen nur männliche Reime. Im gleichfalls als vers bezeichneten zweiten Liede aber hat mehr als die Hälfte der Verse weiblichen Ausgang und der kurze Wechsel vier verschiedener Verslängen spricht eher für eine bewegte als für eine ruhige Melodie. Wenn Peire auch dieses Lied einen vers nennt, so scheint er das Wort noch in der alten, in den Biographien Marcabrun’s und Peire’s von Auvergne erwähnten Weise zu gebrauchen, wonach es einen umfassenderen Begriff bezeichnete, als es später bezeichnen sollte, denn das genannte Lied Aimeric’s von Pegulhan beweist, dass auch später wenigstens nicht alle Trobadors die eingeschränkte Bedeutung des Wortes anerkannten. (↑)
BIOGRAPHIE.
Die Biographie Peire Rogier’s steht in den Handschriften A 107, B 107, E 189, J 12, K 2, R 3. Dazu kam in jüngster Zeit noch die in der Rev. des langues rom. XIX beschriebene: Cheltenham Sir Th. Philipps 1910 (s. l. c. p. 275), welche ich nicht mehr benutzen konnte. Ihr Inhalt soll aber mit dem der hier mitgetheilten Handschriften der Biographie wesentlich übereinstimmen.
Gedruckt ist die Biographie Choix V, 330, Parn. Occit. 24, Werke I, 117, Biogr.² No. 12.
Peire Rotgiers si fo d’Aluergne ; e fo canorges de Clarmon, e fo
gentils hom e bels et auinens e sauis de letras e de sen natural,
E cantaua e trobaua ben, e laisset la canorga e fetz se ioglars.
et anet per cortz e foron grazit li sieu chantar. e uenc s’en a
5
Narbona en la cort de ma dompna n’Esmengarda, que era adoncs
de gran ualor e de gran pretz, et ella l’acoillic fort (ben) e·l
honret e·ill fetz grans bens. et el s’enamoret d’ella e·n fetz sos
uers e sas chansons: et ella los (receup e·ls) pres en grat. et
el la clamaua Tort-n’auetz. lonc temps estet ab ella en cort e
10
si fon crezut q’el agues ioi d’amor d’ella, don ella en fo blasmada
per las gens. e det li comiat e·l partit de si. et el s’en anet
A·n Raembaut d’Aurenga, si cum el dis e·l siruentes q’el fetz
de lui, que ditz:
Seign’en Raembaut, per uezer
15
de uos lo conort e·l solatz,
sui sai uengutz tost e uiatz,
mai que non sui per uostr’auer;
que saber uoill qan m’en irai,
s’es tals lo gabs cum hom lo fai,
20
si n’i a tant o meins o mai
cum aug dir ni comtar de uos.
lonc temps estet ab en Raembaut d’Aurenga. (e puois s’en
partic de lui) et estet en Espaigna ab lo bon rei Amfos
D’Aragon, et (pois estet) ab lo bon comte Raimon de To-
25
losa (tant qant li plac et el uolc). gran honor ac e·l mon
tant cum el i estet, e pois se rendet a l’orden de Granmon e
lai el fenic.
Die eingeklammerten Worte sind nur in B zu finden.
1. rotgier EM. rogiers JK. — si f. R. — beide mal e fo f. R. — 2. g.] bels R. — bel E. — e bels f. R. — auinen E. — sauis hom de A. — 3. cantaua be JK. — e tr. f. AB. — e. l. l. c. f. R. — iotglar E. ioglar JKR. — 4. e fō mot grazitz R. — sei E. — l. s. c f. R. — 5. Nerbona A. — na dona eimeniarda E. na esmēiartz R. — ermengarda JK. — adoncx f. AR. — 6. e de g. p. f. R. — 7. el h. f. JK. — e de gr. pr. bis bens] qeil fetz gran ben e gran honor A. — grā be R. — el f. JK. — en] e EJK. — fazia A. — sos] ses JK. — 8. s. u. e. f. A. — nach ch.] della BEJK. — e. l.] elal R. — 9. el f. JK. — e. l. c] apellaua la B. — Tort-mauetz B. — von chansons (excl.) bis T. f. A. — ab] com EJK. — en cort ab ella A. — 10. e si] don A. e R. — crezutz J. — dela vor ioi R. — en f. AR. — 11. p.] de R. — p. l. g. f. A. — e sill dit comiar E. el det c. R. — p. la gen daquella encontrada e per temor del dit de la gen sil det c. JK. — e. p. d. s. f. A. e p. lo d. s. B. — el si s. a. ER. — s. a. dolenz e pensius e conssiros e marritz JK. — 12. raimbaut E. rambaut JK. raymbaut R. — Aurenca R. — R nur: dis ē. I. loc. — 13. q. d. f. JKR. — 14. senher E. seingner JK. — rambaut B. raimbaut E. ranbaut JK. raymbaut R. — 15. d. u.] deuetz R. — s.] saber JK. — Hier endet das Citat in R. — 16. Mit uengutz endet das Citat in E. — 18. partrai JK. — 20. Si nes (E senes JK) plus o m. AJK. — 21. JK theilen noch folgende Verse mit:
Tant ai de sen e de saber
e tant sui sauis e menbratz
quant aurai uostres faiz gardatz
qual partir en sabrai lo uer
ses tals lo caps com hom retrai
quen queron men lai entrenos.
Dann schliesst die Biographie in JK. K leitet die Gedichte mit diesen Worten ein: E fez aquestas cansons que uos auzirez scriptas sai desotz.
22. El estet l. t. B. — e. R.] el R. — 23. estet bis ab] anet sen estar ab B. — 24. d’A.] de castela et ab lo rey nanfos darago R. — 25. g. h. al mon ac A. mout ac g. h. e. m. B. — 26. e] mas ER. — p. el s. A. — a] en B. — 27. el f. R. — f.] definet ER.
R fügt als Uebergang zu den Gedichten hinzu: et aysi a de sa obra. (↑)
FUßNOTEN
*) Ich bemerke, dass ich in der Benennung der Handschriften, wie in der Zählung der Trobadors und ihrer Lieder Bartsch’s Grundriss folge; eine Ausnahme macht nur Marcabrun, für den ich Suchier’s Correcturen (Jahrb. XIV, p. 132 ff.), und Guilhem Figueira, für den ich die Reihenfolge in E. Levy’s Monographie über diesen Trobador angenommen habe. (↑)
2) Die neugefundene cheltenhamer Hds. fügt nach fo d’Alvergne noch ein: de la ciutat de clarmon; doch steht sie mit dieser Notiz allein. (↑)
3) C, und ihm schliesst sich f das einzige Mal, dass Peire dort genannt wird, an. Nur einmal in C, im Register, welches vielfach Einwirkungen anderer mss. aufweist, wird allein Peire rogier geschrieben. Die Abkürzung mira findet sich in den Ueberschriften von No. 1. 5. 6. (↑)
4) Schon die erste Erwähnung der Herren von Mirepoix — vom Jahre 1062 — weist den Namen auf. Die Urkunde bezeugt die Abtretung des Castells von Mirepoix durch die Brüder Rogerius und Raimundus Batalha an Rengard, Gräfin von Carcassonne. Die beiden besitzen zwei Drittel des Schlosses und ermächtigen Rengard auch ihren Bruder Petrus Rogerius zur Abtretung seines Drittels zu zwingen (Vaiss. II preuves p. 241 [Ich citire Vaissette in der Regel nach der ersten Auflage, da die Paginirung derselben am Rande der zweiten angegeben ist.]). Das Schloss wurde aber der Familie belassen, die Namen Petrus und Rogerius kehren in den Urkunden immer wieder. Die Lehnsoberhoheit wechselte zwischen den Grafen von Carcassonne und denen von Foix (Vaiss. II, III. passim). Auch der letzte Herr von Mirepoix scheint ein Peire Rogier gewesen zu sein. Er hielt im Albigenserkrieg zu seinem Herrn, dem Grafen von Foix, und seine antipäpstliche Gesinnung zeigte sich noch bei einem Vorfall des Jahres 1242 in schroffster Weise. Zwei päpstliche Inquisitoren kamen damals nach Avignonet. Der bailli des Ortes, Raymund d’Alfaro, eilte zu Peire Rogier und unter dessen Anleitung wurden die Inquisitoren und ihre Begleiter überfallen und getötet; ja, Peire Rogier soll den Mördern einen Vorwurf daraus gemacht haben, dass sie ihm nicht den Schädel Guillaume-Arnaud’s, des ersten der Getöteten, überbrachten, er hatte ihn sich zur Schale bestimmt. Bei dem Strafgericht, das Raimund von Toulouse über die Theilnehmer an dieser That verhängen lassen musste, scheint auch Peire Rogier den Tod durch den Strick gefunden zu haben (s. Vaiss. III. 431, 439). (↑)
5) Olivier von Saissac wird von Vaissette im Jahre 1202 erwähnt. Aimeric von Monrial spielt eine nicht unbedeutende Rolle im Albigenserkrieg. Schliesslich 1211 bei der Einnahme von Lavaur durch Simon von Montfort gefangen genommen, wird er erhängt. Peire Rogier von Cabaret, der mit diesen zusammen weiterhin in der Biographie genannt wird, ist bei Vaissette 1209 und 1210 erwähnt. So wird in Peire Rogier von Mirepoix der z. B. in einer Urkunde von 1207 erwähnte zu erkennen sein.
Theilweis dieselben Namen begegnen im Gedicht Raimon’s von Miraval: A dieu me coman, Bayona. Der dort genannte Peire Rogier wird der Herr von Cabaret sein. Cabaret liegt dicht bei Carcassonne. (↑)
6) Ausser in C und f nur in der Ueberschrift in R. (↑)
7) Und hielt es auch 9 Jahre lang 1134—1143 besetzt. (↑)
9) Eine gewisse Bestätigung erhält diese Nachricht durch die 11. Strophe des Rügelieds des Mönchs von Montaudon. (↑)
10) Millot sagt über den Namen (p. 105): mot provençal dont le sens est un éloge de sa conduite. Der Schreiber der Histoire littéraire ist unglücklich in der Auffassung dieses Satzes und umschreibt seltsam (XV, 460): il célébra la vicomtesse sous le nom peu harmonieux de Tort-n’avetz, pour exprimer la haute opinion qu’elle avait donnée d’elle par sa manière de gouverner. (↑)
11) Ich habe die Lieder aufgezählt wie man sie sich der Zeit nach entstanden denken könnte, wobei ich freilich verzichten musste, dem 6. eine Stellung zu geben. Sehr bemerkenswerth ist, dass in dieser Reihenfolge die Lieder in die zusammengehörigen Hdss. JK eingetragen sind. Der Versuch einer systematischen Anordnung ist dort ganz unverkennbar. Einen Platz für sich hat No. 8 mit der dazugehörigen Antwort Raimbaut’s erhalten; von den Canzonen aber sind die nicht an Tort-n’avetz gerichteten vorangestellt, die anderen folgen in der auch von mir angenommenen Ordnung. Gleiche Folge scheint in Hds. D beabsichtigt gewesen, doch ist sie in sofern missglückt, als 3, 4, 5 zuerst ausgelassen waren und dann an besonderer Stelle nachgetragen wurden, so dass hier 1, 2, 6, 7 dann 8, 8A und endlich 3, 4, 5 bei einander stehen. Alle anderen Hdss. weichen auch unter sich in der Anordnung ab. 8 und 8A freilich stehen auch in ACE zusammen, in C auch 1, 2; 4, 3, 6, 5 sind in C ebenfalls nebeneinander gesetzt, doch in dieser Reihenfolge; immerhin darf man in C vielleicht noch Spuren gleicher Ordnung wie in JK sehen. (↑)
12) Unerwähnt lassen will ich nicht, dass CR, also zwei Handschriften, welche eine sehr beachtenswerthe Gruppe zu bilden pflegen, im 3. Vers der auf Peire Rogier bezüglichen Strophe chantet gegen chanta der anderen Hdss. lesen. Sonst stehen überall Praesentia, Versuchung zur Einführung eines Praeteritums lag also nicht vor, eher umgekehrt. Ein Praeteritum könnte zweierlei Veranlassung haben, entweder hatte Peire Rogier schon aufgehört von Minne zu singen, doch wäre dann der Tadel gegenstandslos gewesen, oder Peire d’Alvernhe bezog sich auf ein gewisses, kürzlich erst gehörtes Lied. Was die Tornada von der Entstehung des Schmähgedichtes berichtet, wäre dem nicht ungünstig, und der Umstand würde Peire Rogier’s Stellung als erster in der Reihe der Geschmähten erklären. Doch ist der Grund zu schwankend, auch nur Wahrscheinlichkeiten darauf zu bauen. (↑)
13) Salazar: historia genealogica de la casa de Lara. Madrid 1694. I, pruebas p. 9. Das Jahr wird nicht genannt, die Angabe aber, dass die 11. Calenden des Mai auf Mittwoch fielen, weist uns auf 1151. (↑)
14) Salazar l. c. p. 132 nimmt Pedro als den älteren, gewiss aber ist Vaissette im Recht Aimeric für den erstgeborenen zu halten (III, 544). (↑)
15) Vaiss. III, 543, gegen Salazar I, pruebas 14. (↑)
17) De vulg. eloq. II, 4: si poesim recte consideremus; quae nihil aliud est, quam fictio rhetorica, in musicaque posita. (↑)
18) Dass die Manier auch in die höfische Epik Nordfrankreichs eingedrungen ist, ist bekannt. Man sehe den Chevalier au lyon v. 1430—1508, 5997—6097; vgl. Holland in der Germania I, 241. (↑)
19) Im vierten Liede beginnt die Wechselrede schon in der ersten Strophe, bewegt sich aber zunächst in langen Sätzen; erst allmälig, der grösseren Erregung folgend, kürzt sich auf beiden Seiten die Rede. Es kommt hier ein recht lebendiges, nicht unglückliches Bild des Schwankens zwischen Furcht und Hoffnung zur Darstellung, und da der Dichter sich dann in einer schwungvollen Strophe über die Zweifel zu froher Gewissheit emporhebt, findet eine gelungene Steigerung von der beklommenen Stimmung des Anfangs zur Freude hin statt. (↑)
20) Die Aehnlichkeit dieser Stelle mit der Verständigung der Liebenden in der Flamenca ist auffallend: Ailas ! — que plans ? — mor mi. — de que ? — d’amor etc. (↑)
21) „bin ich (denn) gefangen?” s. Anmerkung zum Text. (↑)
22) Auffallender als die in obiger Anmerkung erwähnte Aehnlichkeit ist hier die mit einer Stelle Bernart’s von Ventadorn: Ailas caitiu ! e que farai Ni cal conseil tenrai de me (En consirier et en esmai). (↑)
23) Für que·t ist que·m zu vermuthen. Der Vers ist bei P. Meyer unzerlegt geblieben. (↑)
25) Von den Strophen, welche die leys noch mit grösserem Recht als tenzonadas hätten bezeichnen können, jenen fingirten Tenzonen mit versweise eintretendem Wechsel der Rede, wie Domna, a vos me coman von Albert (aber im Gr. unter No. 15, nicht 16 aufzuzählen) oder Domna, per vos estauc en gran turmen von Aimeric von Pegulhan, geben sie gar kein Beispiel; auch für die cobla enterrogativa wäre eine Strophe aus Uc’s von St. Circ: Tres enemicx e dos mals senhors ai ein glücklicheres Beispiel gewesen. (↑)
27) Von der Sestine, welche auch zu dieser Gattung gehört, ist der provenzalische Ursprung bekannt. Das Eigenthumsrecht des Trobadors an der erfundenen Form verhinderte sie aber im Provenzalischen zur Dichtungsgattung zu werden, wie sie es im Italienischen wurde. Wir haben dort ausser Arnaut Daniel’s Sestine nur deren bekannte Nachahmungen von Bartolomeo Zorgi und Guillem de Saint-Gregori. (↑)
28) Es ist ein Versehen von Suchier, wenn er Jahrb. XIV, p. 290, 291 sagt, dass der männliche Siebensylbner bei Wilhelm nicht vorkomme, er ist in Farai chansoneta nova. (↑)
29) Unter des ersten 12 Liedern findet sie sich viermal, bei Marcabru fünfmal. Sie scheint schnell an Beliebtheit verloren zu haben (doch wendet sie Guiraut von Bornelh gern an). (↑)
30) Bei Anwendung von Alliteration ist natürliches Gesetz, dass tonlose Präfixe übersprungen werden. Anlaute tonloser erster Stammessylben sind weniger ungeeignet den Stabreim zu tragen, da ihr Bedeutungsgehalt die Klangwirkung stützt. Wie condugzni dos: abrase bais 9, 5, plagna-part-compagna 9, 13, 14, afanni fays (G. v. Bornelh 73, 5 W. I, 205), los defragzeis frunitz (ib. 6, 2 W. I, 211), esproarlos pros (ib. 6, 41 W. I, 212) u. oft. (↑)
31) Nach Suchier Jahrbuch XIV, 291 hat Marcabrun in Contra l’ivernque s’enansa grammatischen Reim. (↑)
32) Die Bemerkung über eine auch bei Peire Rogier erscheinende Eigenthümlichkeit der Tornada sei hier gelegentlich eingeschaltet. Wie nämlich in der Form sich die Tornada als Nachklang der letzten Strophe darstellt, so finden wir sie auch zuweilen in den Worten zu einem Nachklang derselben gestaltet; am auffallendsten in Guilhem von Poitier’s Lied: Compagno, non puosc mudar qu’eu no m’esfrei. Die letzte Strophe ist:
Non i a negu de vos ja·m desautrei :
S’om li vedava vi fort per malavei,
Non begues enanz de l’aiga que·s laisses morir de sei.
Die Tornada:
Chascus beuri’ans de l’aiga que·s laisses morir de sei.
Aehnlich bei Jaufre Rudel: Lanquan li jorn son lonc en mai. Letzte Strophe:
mas so qu’eu uuolh m’es tant ahis,
qu’enaissi·m fadet mos pairis,
qu’ieu ames e non fos amatz.
Tornada:
mas so qu’ieu uuolh m’es tant ahis,
totz sia mauditz lo pairis,
que m fadet qu’ieu non fos amatz.
Sodann bei Bernart von Ventadorn: Lanquan vei la foilla, schon weniger ausgeprägt in desselben Chantars no pot gaire valer; man vergleiche auch sein Tuit sil que·m pregan qu’ieu chan; Amors e que·us es vejaire; Raimbaut d’Aurenga: Un vers farai de tal mena und Compaigno qui qu’en iraiss. Die Eigenthümlichkeit scheint bei den älteren Trobadors mehr beliebt gewesen zu sein, als bei späteren, wenngleich sie sich auch bei diesen trifft. Bei Peire Rogier erinnert an sie die Tornada des siebenten Liedes und in geringerem Masse die letzte des zweiten. Hier beschränkt sich die Uebereinstimmung auf gleiches Ausklingen der letzten zwei Verse der beiden Tornaden untereinander. Anders als in den erwähnten Fällen finden wir Ged. 635 die Anfangsverse der letzten Strophe von der Tornada wiederholt. (↑)
33) Zu bemerken ist bei diesem Liede, dass, so häufig die Verbindung des achtsylbig männlichen mit dem siebensylbig weiblichen und des siebensylbig weiblichen mit dem siebensylbig männlichen Vers ist, die Verbindung von acht-und siebensylbig männlichen zu den seltenst vorkommenden gehört. Finden sie sich in einer Strophe zusammen, so pflegen sie entweder durch einen siebensylbig weiblichen Vers vermittelt zu werden, oder aber es liegt eine Pause zwischen ihnen. Die einzigen Fälle, die ich von ihrer Verbindung weiss, sindfolgende: No. 106, 9; 132, 1, 11; 156, 10; 217, 3; 240, 6; 386, 1, 3; 421, 8; 437, 12. (↑)
35) Doch ist zu bemerken, dass Raimbaut andere Reime verwendet, als Peire Rogier. Ist unter solchen Umständen die Gleichheit der Melodie gewiss? (↑) (↑)