Estudi introductori - Einleitende Studie - Introductory study - Estudio introductorio - Introduction - Studio introduttivo - Estudi introductòri

Soltau, Otto. Die Werke des Trobadors Blacatz . "Zeitschrift für romanische Philologie", 23 (1899), pp. 201-248.

INDEX:

1. Interlokutoren.

2. Charackteristik.

3. Datierung der Gedichte.

4. Metrisches.

5. Blacatz fälschlich attribuierte Gedichte.

Texte. A. Die provenzalische Biographie.

 

 

DIE WERKE DES TROBADORS BLACATZ.

 

Die folgenden Blätter bringen in der Hauptsache eine kritische Ausgabe der auf uns gekommenen Gedichte des Blacatz und ergänzen in manchen Stücken meine Biographie dieses Trobadors, die unter dem Titel „Blacatz, ein Dichter und Dichterfreund der Provence (Berlin 1898)“ in Dr. Ebering’s Berliner Beiträgen zur germ. u. rom. Phil. (der 1. Teil auch als Dr.-Diss., Berlin 1898) erschien und vor allem dazu bestimmt war, über die historische Persönlichkeit des Blacatz Licht zu verbreiten. In einigen dem Abdruck der Gedichte vorangeschickten Abschnitten handle ich zunächst von denjenigen Persönlichkeiten, mit denen Blacatz nachweislich litterarische Beziehungen verbanden (1.), charakterisiere alsdann an der Hand der Gedichte Blacatz als Menschen und Dichter (2.), gehe danach über zu einem Versuch, die erhaltenen Werke in chronologische Ordnung zu bringen (3.), stelle Beobachtungen zur Metrik zusammen (4.) und werfe schlieſslich einen Blick auf die unechten Lieder (5.). —

 

LITTERATUR.

Appel, Chrest.: Provenzal. Chrestomathie, Leipzig 1895.

Appel, Ined.: Provenzal. Inedita aus Pariser Hss., Leipzig 1890.

Arch.: Archiv f. d. Stud. d. neueren Sprachen.

Artefeuil: Histoire héroїque et universelle de la noblesse de Provence, Avignon 1757—9.

Ausg. u. Abh.: Ausgaben und Abhandlungen a. d. Gebiet d. rom. Philol. veröff. v. Stengel, Marburg.

B. de B.¹: Bertran de Born, sein Leben u. seine Werke hrsg. v. Stimming, Halle 1879.

Bartsch, Chrest.: Chrestomathie provenç., 4° éd. Elberfeld 1880.

Bartsch, Dkm.: Denkmäler d. prov. Lit., Stuttgart 1856.

Bartsch, P. Vid.: Peire Vidal’s Lieder, Berlin 1857.

Birch-Hirschfeldt: Ueb. d. d. prov. Troub. d. XII. u. XIII. Jhdts. bekannten epischen Stoffe, Leipzig 1878.

Chabaneau: Les biographies d. troub., Toulouse 1885.

Chantelou: Hist. de Montmajour in Revue histor. de Prov. p. p. le baron du Roure, Aix 1890—1.

Crois. Alb.: La chans. de la croisade contra les Albigeois p. p. P. Meyer, Paris 1875—9.

De Lollis: Vita e poes. di Sordello di Goito, Halle 1896.

De Lollis, Atti R. A. Lincei: Il canzoniere prov. O in Atti d. Real Accademia dei Lincei IV 2, 1—2, Roma 1886.

Dern. troub.: Les derniers troubad. de la Prov. p. P. Meyer, Paris 1871.

Don. prov.: Die beiden ältesten prov. Grammatiken hrsg. v. Stengel, Marburg 1878.

Floretus: Vocabul. prov.-lat. p. A. Blanc in Rev. XXXV.

Gr.: Grundriſs z. Gesch. d. prov. Lit. v. Bartsch, Elberf. 1872.

Hist. Lang.: Hist. génér. de Languedoc p. D. Cl. Devic et D. J. Vaissete, neue Ausg. Toulouse 1875 ff.

Jbch.: Jahrbuch f. rom. u. engl. Lit.

Kolsen: Guir. v. Bornelh, d. Meister d. Trob., Berlin 1894.

M. G.: Gedichte d. Troub. hrsg. v. Mahn, Berlin 1856—73.

M. W.: Die Werke d. Troub. hrsg. v. Mahn, Berlin 1846—86.

Maus: P. Cardenals Strophenbau, Marburg 1884 (Ausg. u. Abh. V).

Milá y Fontanals: De los trovad. en España, Barcelona 1861.

Rayn.: Lexique roman . . . p. M. Raynouard, Paris 1838—44.

Rev.: Revue d. langues romanes.

Schultz, Briefe: D. Briefe d. Trob. Raimb. de Vaqueiras, Halle 1893.

Selbach: D. Streitgedicht in d. aprov. Lyrik, Marburg 1886 (Ausg. u. Abh. LVII).

Springer, Klagelied: D. aprov. Klagelied, Berlin 1895.

Stickney: The romance of Daude de Pradas on the 4 cardinal Virtues, Firenze 1879.

Studj: Studj di filol. rom. p. da E. Monaci (Studj V meint nur p. 350 bis Schluſs von vol. V).

Suchier, Dkm.: Denkmäler prov. Lit. u. Sprache. I. Bd. Halle 1883.

Zenker, F. v. Rom.: D. Ged. d. Folquet de Romans, Halle 1896.

Zs.: Zeitschrift f. rom. Phil.

 

 

1 . Interlokutoren.

Ich fasse unter diesem Namen alle jene Dichter zusammen, die unseres Wissens mit Blacatz Verse gewechselt haben; es sind in der That mit einer einzigen Ausnahme Teilhaber an Tenzonen, also Interlokutoren im eigentlichen Sinne. Jene eine Ausnahme aber macht Isnart d’Antravenas, und gerade ihn will ich hier an erster Stelle besprechen, weil sich über seine Person die interessantesten Aufschlüsse ergeben werden.

 

a.

Isnart d’Antravenas (1) hat die Unvorsichtigkeit gehabt, Blacatz durch die Kritik (IXb) (2) einer seiner Kanzonen (IXa) zu reizen, und hat dadurch dessen scharfe Zunge zu einer geharnischten Gegenkritik (IXc) herausgefordert. Schlieſslich hat er dann selbst noch eine in ähnlichem Tone gehaltene Replik (IXd) für nötig befunden. Ich komme auf diesen Liederstreit an anderer Stelle noch zurück; hier interessiert uns nur Blacatz’ Antwortsirventes (IXc), weil es uns die Mittel an die Hand giebt, in der Frage nach der Persönlichkeit Isnart’s zu einem abschlieſsenden Urteil zu gelangen. Paul Meyer, der als erster dieser Frage näher trat, gab auf p. LI der Introduction zu seiner Ausgabe des Raoul de Cambrai unter Berufung auf Anibert der Vermutung Ausdruck, man habe in Isnart d’Antravenas wahrscheinlich den ersten Podestà von Arles, der diesen Namen trug, zu erkennen. Dem schloſs sich Chabaneau in der Hist. Lang. X 360 Anm. mit groſser Sicherheit an, indem er dem Zeugnisse Anibert’s eine Urk. v. J. 1250 zur Seite stellte. O. Schultz, Zs. X 594 hielt es für fraglich, ob man den in der letzteren genannten Isnardus de Antravenis de Agouto noch mit dem Dichter und Zeitgenossen des Blacatz identifizieren dürfe, da derselbe Name noch bis ans Ende des 13. Jhdts. von Ruffi, Barthélemy und Méry et Guindon nachgewiesen werde. Er wollte mindestens zwei Männer dieses Namens unterscheiden und glaubte dem Dichter die Daten 1213 (Gallia Chr.) und 1220 (Anibert) zuweisen zu dürfen. Springer, Klagelied p. 76 war bei seiner genealogischen Untersuchung über die Familie der Vizgrafen von Marseille auf zwei Angehörige dieses Hauses gestoſsen, die beide den Namen Isnart d’Antravenas trugen. Der eine war noch 1291 zu rekognoszieren und kam mithin nicht in Betracht, der andere, Enkel Hugo Jaufre’s von Toulon und nachweislich noch 1257 am Leben, konnte wohl der Trobador sein — so meinte Springer. Er konstatierte schlieſslich noch, die Reihe der Personen dieses Namens sei mit jenen beiden nicht erschöpft.

Was sich nun an der Hand der von Blacatz in seinem Antwortsirventes gelieferten Thatsachen und auf Grund geschichtlicher Nachrichten feststellen läſst, ist im wesentlichen Folgendes: Isnart d’Antravenas war wirklich jener erste Podestà von Arles; er stammte nicht von den Vizgrafen von Marseille ab, sondern war ein Sohn des berühmten Trobadorgönners Raimon d’Agoult; er war zur Zeit seines Liederstreites mit Blacatz schon bei Jahren und starb zwischen 1238 und 1240.

1. In v. 11 spricht Blacatz von seinem Gegner als dem qe te·l sos-man qe n’Aureilla tenia. Nun war, wie Anibert, Mémoires hist. et crit. s. l’anc. républ. d’Arles II 275 berichtet, ein Petrus Aurelle unter den Konsuln der Stadt Arles im J. 1219, und es scheint, als ob er — vielleicht im Verein mit seinen Amtsgenossen — die Geschäfte auch im folgenden Jahre weitergeführt hat. Die Konsulnwahl fand nämlich gewohnheitsmäſsig zu Ostern statt, und dieses Fest fiel 1220 auf den 29. März. Nun ist Folgendes sicher: Am 6. Februar wurde vom Rat der Stadt eine Deputation von vier Bürgern mit der Wahl einer geeigneten auswärtigen Persönlichkeit für das neu zu errichtende Amt eines Podestà betraut (Anibert III 9), und im August hatte sich die Deputation ihres Auftrages entledigt, denn Isnart d’Antravenas bekleidete bereits die neue Würde. Wenn wir nun am 19. April desselben Jahres den Konsulat in Arles noch bestehend finden, so dürfen wir meines Erachtens mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit annehmen, es sei den Konsuln des Vorjahres ihre Gewalt bis zum Amtsantritt des Podestà belassen worden, wenn nicht, wie man nach Blacatz glauben möchte, jenem Petrus Aurelle allein die Leitung der Geschäfte bis zu diesem Zeitpunkt übertragen worden ist. Urkundliche Nachrichten darüber fehlen leider ganz (Anibert III 21).

2. Dieser Isnart d’A. war aus dem Hause Agoult. Das sagt uns Anibert (III 21), das bestätigen die Urkunden und lehrt auch die Uebereinstimmung von Isnart’s Wappen, das uns in dem Wachssiegel einer Urk. des Klosters Montmajour (Chantelou, p. 318) erhalten ist, mit dem der Agout (Bouche, Hist. chronol. de Provence I 903). Als seinen Vater nennt Artefeuil II 223 Raimon d’Agoult, Herren von Sault und Gouverneur der Stadt Nizza im J. 1176, und setzt hinzu, derselbe habe seine Baronie als Reichslehen aus der Hand Barbarossa’s empfangen. In der That hat ihn Kaiser Friedrich I. am 6. August 1178 zu Montélimart mit dem Thale Sault belehnt. (3) Wenn nun am 25. Januar 1205 Philipp von Schwaben zu Speier Isnart d’Agoult d’Entravenes durch Reichsbelehnung zum Herren der Landschaft Sault macht (Huillard-Bréholles, Hist. dipl. Friderici secundi V 2, p. 1234), so ist uns das einmal Beweis dafür, daſs Raimon d’Agoult schon aus dem Leben geschieden war, (4) und andererseits Bestätigung der Behauptung Artefeuil’s, Isnart d’A. sei der Sohn Raimon’s gewesen, hervorgegangen aus seiner Ehe mit Isoarde, der Tochter des Grafen von Die (II 223).

3. In v. 15—16 macht uns Blacatz mit der Thatsache bekannt, daſs sein Gegner vor gut 30 Jahren ein Weib genommen. Das läſst sich nun freilich historisch nicht aufs Haar nachweisen, ist auch vielleicht garnicht buchstäblich zu nehmen, besagt aber jedenfalls soviel, daſs Isnart damals kein Jüngling mehr war. Seine Frau war Dulceline von Pontevès, erzählt Artefeuil II 224 und zeigt sich auch hier gut unterrichtet. Es ist uns nämlich eine Urk. erhalten, in welcher Bermundus, nachmals Bischof von Aix, im Januar 1213 einen Tausch bestätigt, der zwischen seiner Kirche in Fréjus und Isnardus dominus de Antravenis et Dulcelina domina de Pontevès stattgefunden hat, und wobei die letzteren ihre Besitzungen zu Paracols (Var) in den Handel gegeben haben (Gallia Christiana I 314 A—B). (5) Dazu stellt sich eine zweite Urk. (v. Jan. 1218), auf die ich gleich eingehen werde.

4. Blacatz spricht von der seignoria que de Bariols l’(6eschai (v. 7—8). Wir haben gesehen, daſs Isnart’s Gattin aus dem Hause Pontevès stammte; wir können nunmehr, unsere Angabe ergänzend, sagen: sie war die einzige Tochter und Erbin Fulco’s, des letzten Herrn von Pontevès, und seiner Gemahlin Mabile von Calian. Wenn man diese Behauptungen Artefeuil’s (II 224) noch mit Bedenken aufnehmen wollte, weil sie ohne urkundliche Belege aufgestellt sind, so würden solche Bedenken hinfällig angesichts des eben erwähnten Dokuments vom Januar 1218, das sich bei Chantelou in extenso gedruckt findet (no. 318). Darin erklären nämlich Isnardus de Antravenis et Doucelina domina de Pon-Pontevez uxor ejus et domina Mabilia mater ejusdem dominae Doucelinae, alle Ansprüche, die sie posse facere videbantur in castello de Paracollis et in loco de Sancta Maria de Vallo, im Namen nämlich und Interesse der domina Doucelina Fulconis praeternata (sic), für alle Zeit aufzugeben in Anerkennung des Tauschvertrages zwischen weiland Fulco von Pontevès und Gerinus, dem damaligen Prior von Correns, bei welchem der erstere für die genannten Besitzungen auſser einer groſsen Summe Geldes auch den vierten Teil der Stadt Tavernes erhalten habe. (7) — Wir wissen nun, daſs die reichbegüterte Familie der Pontevès auch in Barjols Besitzungen hatte, daſs Schloſs und Festung daselbst ihr eigen waren. (8) Ein wenig bedenklich könnte allerdings scheinen, daſs Blacatz von dieser Herrschaft nur sagt, daſs sie ihm — Isnart — eschai, während wir doch nach der eben angeführten Urk. urteilen möchten, Isnart sei bereits vor 1218, nach dem Tode Fulco’s von Pontevès, in ihren Besitz gelangt. Aber möglicherweise hatte Fulco diese Güter der Kirche von Barjols verpfändet oder auf bestimmte Zeit pachtweise überlassen oder sich sonst irgendwie des Rechts der freien Verfügung darüber entäuſsert; kurzum, ich denke, wir brauchen uns an dem Ausdruck nicht zu stoſsen.

5. Am 8. September 1238 wird unserem Isnart von Kaiser Friedrich II. das Thal Sault als Reichslehen bestätigt (Huillard-Bréholles V 2, p. 1234). Es war in der Zeit nach der Schlacht bei Cortenuova; der Kaiser stand groſs und machtvoll da wie kaum je zuvor, und seinem Rufe folgten die Fürsten und Herren aus allen Gauen des Reiches. Viele prov. Edle eilten nach Brescia, um das deutsche Belagerungsheer zu verstärken, und auch Graf Raimund Berengar wagte nicht länger, sich der Heeresfolge zu entziehen. Mit ihm kam also auch Isnart nach Italien, und der Dank des Kaisers war jene Neubelehnung. — Von nun an bleiben die Nachrichten über unseren Dichter gänzlich aus; da aber im Jahre 1240 seine drei Söhne, Isnart, Fulco und Raimon, sich offenbar über seine hinterlassenen Güter auseinandersetzen (Urk. von Rians; cf. Artefeuil II 224), so müssen wir annehmen, daſs er bald nach seiner Heimkehr aus Italien, wenn nicht in Italien selbst, das Zeitliche gesegnet hat.

Nachtragen will ich endlich noch, daſs Isnart den Erwartungen der Bürger von Arles voll entsprochen haben muſs, da sie ihn nach Ablauf seiner Amtsperiode wiederum wählten und erst kurz vor dem Ende des Jahres 1221 an die Neubesetzung ihres höchsten Amtes dachten (Anibert III 24). Isnart hat auch, soweit wir das heut noch überschauen können, die Interessen der Bürgerschaft geschickt und treu gewahrt; er hat in Uebereinstimmung mit dem Rate der Republik im Mai 1221 den Vertrag mit Pisa v. J. 1211 erneuert und der Stadt Arles dadurch wichtige Handelsvorteile gesichert; ebenso ist das Bündnis mit den Venetianern, sofern es überhaupt bestanden hat, seinem diplomatischen Geschick zu verdanken gewesen (Anibert III 232). — Nach Artefeuil II 224 hat er sich 1225 mit seinen Brüdern Raimon de Trest und Bertran de Mizon verglichen. (9)

 

b.

Als Interlokutoren von III (Gr. 97, 3) nennt Hs. H Herrn Blacatz und Herrn Pelizier, D ersetzt den zweiten durch Peire Vidal, und G giebt überhaupt keine Auskunft. Bartsch hat auf Grund der Attribution in H den durch einen Sirventes bekannten Dichter Peire Pelissier an der Tenzone teilnehmen lassen und diese darum unter no. 353 seines Grundrisses angereiht. Dagegen erhob Chabaneau, p. 167 Anm. mit gutem Fug Einspruch, indem er gleichzeitig erklärte, Blacatz’ Gegner brauche nicht einmal notwendig den Namen Pelissier getragen zu haben; vielmehr sei es sogar wahrscheinlicher, daſs die Attribution in D das Richtige treffe, weil bekanntlich Peire Vidal Sohn eines Kürschners gewesen sei, und weil auſserdem „le contexte semble moins indiquer un nom propre qu’un nom de métier, employé pour humilier celui à qui on le donne“. Dies letztere ist nicht recht deutlich, vielleicht aber so gemeint, wie ich unten entwickeln werde. Denn ich möchte Chabaneau’s Ansicht nicht bloſs als ansprechende Vermutung gelten lassen, sondern stehe nicht an, ihr allein Berechtigung zuzuerkennen. Und das aus folgenden Gründen:

1. Die Attribution von H erklärt sich sehr einfach aus dem Umstande, daſs Blacatz seinen Partner gleich im ersten Verse mit en Pelizer anredet; auffällig aber, wenn sie als falsch zu gelten hätte, wäre die Attribution an Peire Vidal durch eine so gute Hs. wie D.

2. Hs. H (und nur diese allein) hat noch eine zweite Ueberschrift, am Kopf der Antwortstrophe; sie lautet: Lo Peliziers respondet a en Blancatz en aquesia cobla. Der Artikel verträgt sich aber nicht mehr mit einem Personennamen, und es ist bezeichnend, daſs H so mit sich selbst in Widerspruch gerät.

3. Peire Vidal’s Vater war nach Angabe der prov. Biographie Kürschner, und wenn man dem Mönch von Montaudon glauben darf, so hat Peire selbst sich in dem väterlichen Berufe bethätigt, denn er wird in dem bekannten Spottsirventes geradezu als vilan q’era pelliciers bezeichnet.

4. Blacatz fordert seinen Partner auf zu entscheiden, welchem von drei Spitzbuben die härteste Strafe für leichten Diebstahl geworden sei, wenn der eine verstümmelt, der zweite geblendet, der dritte gar gehenkt wurde. Nun, dieser partimen scheint mir nicht ohne Anzüglichkeit. Bekanntlich hatte Peire Vidal am eigenen Leibe eine Verstümmelung erfahren, indem ihm die Zunge verkürzt worden war. Man weiſs nicht recht und wuſste wohl auch damals schon nicht genau, wie er dazu gekommen. Die Biographie schreibt sie der Rache eines eifersüchtigen Ehemanns zu, während Matfre Ermengaut der Meinung ist: per falsedat proada li fo la lengua mermada. Kurz, es gingen wohl zu Peire’s Lebzeiten allerlei mehr oder minder boshafte Erklärungen dieses seines Gebrechens um, und die, welche Blacatz hier nahe legt, gehört gerade nicht zu den schmeichelhaften.

5. Blacatz hat mit Peire Vidal nachweislich tenzoniert (Gr. 97, 7); dagegen fehlt jeder Anhalt dafür, daſs er mit einem sonst unbekannten Dichter Pelissier oder gar mit dem bekannten Peire Pelissier irgendwie in Beziehung gestanden habe.

Ich denke, man wird sich nach allem der Ueberzeugung nicht verschlieſsen können, daſs der Attribution von D der Vorzug zu geben und mithin in dem zweiten Interlokutor der Trobador Peire Vidal zu erkennen ist.

 

c.

Auch wenn ich mich nun der Frage zuwende, wer als Gegner Blacatz’ in der Tenzone I (Gr. 97, 4) anzusprechen sei, wird mir nur obliegen, durch Gründe zu stützen, was Chabaneau bereits vermutend geäuſsert hat. Dieser Gelehrte meint nämlich (p. 169) jenen Dichter mit dem Verfasser der übrigen drei unter dem Namen Raimbaut überlieferten Tenzonen (Gr. 388) und mit Rambaut de Vaqueiras identifizieren zu dürfen. Ich stimme ihm durchaus bei. Was zunächst die erwähnten drei Tenzonen anbelangt, so springt in die Augen, daſs 388, 1 (Tenzone mit Albertet (10)) und 388, 4 (= 167, 8. Tenzone mit Gauc. Faidit. Gedr. Suchier, Dkm. 331), in denen Raimbaut Fragesteller ist, mit einander und mit Raimb. de Vaq. 23, die nicht zu häufige Strophenform 8a 8b 8b 8a 8c 8c 8d 8d 8e 8e gemein haben. Das ist um so weniger als zufällig zu erachten, als Raimb. de Vaq. augenscheinlich liebte sich zu wiederholen; wendet er doch eine andere Form in nicht weniger als vieren seiner Gedichte (392, 2. 10. 25. 31) an. Rücksichtlich 388, 2 (Tenzone mit Guionet) ist nicht viel Positives für die Entscheidung unserer Frage beizubringen; immerhin sei erwähnt, daſs darin eine Stileigentümlichkeit Raimbaut’s de Vaq., die Vorliebe für Beispiele aus Geschichte und Roman, wiederzufinden ist. Bleibt endlich noch unsere Tenzone Blacatz : Raimbaut. Auch mit Bezug auf diese ist Uebereinstimmung in der Form mit einem Gedichte Raimbaut’s de Vaq. (6) zu konstatieren, und wenn hier auch Blacatz Fragesteller und damit Formgeber ist, so möchte ich diesem Umstände darum doch nicht weniger Bedeutung beimessen, denn Blacatz hat auch an anderer Stelle, nämlich in der Tenzone III (Gr. 97, 3), eine Form Raimbaut’s — in parodistischer Absicht — verwandt. Sehen wir nun hieraus, daſs zwischen Blacatz und Raimb. de Vaq. Beziehungen sicher bestanden haben, und durften wir oben in dem Verfasser der anderen drei Raimbaut’s Namen

tragenden Tenzonen mit Wahrscheinlichkeit, wie ich glaube, Raimb. de Vaq. vermuten, so mag man wohl ohne zu groſse Bedenken schlieſsen, daſs auch an dem uns hier angehenden Streitgedicht Raimb. de Vaq. beteiligt ist, zumal sich den genannten positiven Gründen ergänzend ein negativer beigesellt: es mangelt durchaus an einer Persönlichkeit des Namens Raimbaut, der man anderenfalls mit Fug den Vorzug geben könnte.

 

d.

Ich kann und muſs mich hinsichtlich der übrigen Interlokutoren kurz fassen, teils weil ein Eingehen auf ihr Leben und Schaffen den Rahmen dieser Arbeit weit überschreiten und auch wohl wenig Neues und Ersprieſsliches zu Tage fördern würde, teils — und das ist mehr zu bedauern — weil sich keinerlei bestimmte Daten über sie beibringen lassen.

Ueber den Dichter Bernart, der an der Tenzone XI (Gr. 97, 12) teilnimmt, bekenne ich keine Meinung zu haben. Bernart heiſst auch der eine Interlokutor in den Streitgedichten Gr. 52, 1. 2. 3. 4, von denen Chabaneau, p. 129 nach dem Vorgange der Hist. lit. die beiden letzten für denselben, übrigens unbestimmten Autor in Anspruch nehmen möchte, während er für die ersten einen anderen, ebensowenig bekannten Verfasser supponiert. Es läſst sich nicht viel dagegen einwenden, aber auch nicht viel dafür geltend machen. Die Anhaltspunkte sind allzu unsicher, die Beziehungen zu vag, und, was die Hauptsache ist, für unser Gedicht bleibt die Frage nach dem zweiten Partner so oder so unentschieden; es pendelt zwischen jenen beiden Gruppen hin und her. Ich verzichte deshalb darauf, auch meinerseits Vermutungen zu äuſsern, und meine, man hat sich nun einmal mit der Erkenntnis abzufinden, daſs hier nichts Sicheres erreichbar ist.

Was wir über Pistoleta (VIII; Gr. 97, 13) wissen, verdanken wir im wesentlichen der prov. Biographie, und es ist wenig genug. Er war Provenzale und begann seine Laufbahn als Sänger Arnaut’s de Maruelh. Schlieſslich entsagte er dem wechselvollen Trobadorleben, um in Marseille ein Weib zu nehmen und Reichtümer zu erwerben. Seinen Liedern lassen sich bemerkenswerte Aufschlüsse nicht entnehmen. In einem derselben (Gr. 372, 1) preist er den König von Aragon, „de cui ai fait seingnor“ (Peter II. oder Jakob I. nach P. Meyer, Rom. XIX 43), in einem anderen (372, 5) spendet er dem Grafen von Savoyen (Thomas I., 1188—1233; cf. P. Meyer a. a. O.) Lob. — Wer an Kombinationen Éméric-David’s Geschmack findet, wird auch hier auf seine Kosten kommen, wenn er die Hist. lit. XVIII 579 nachliest.

Nicht besser sind wir bei Guilhem de San Gregori (VII; Gr. 97, 9) daran. Ich habe Chabaneau’s Angaben über ihn (p. 151—2 und Anm.) nichts beizufügen und beschränke mich füglich darauf, auf sie zu verweisen.

Daſs weitere Nachrichten über Bonafe nicht auf uns gekommen sind, wird nach dem Bilde, das die Tenzonen V und VI (Gr. 97, 10 und 11) von ihm liefern, nicht in Erstaunen setzen. Er war ohne Zweifel Joglar, und keiner von der feinsten Sorte. Er trug die Spuren eines wenig ruhmvollen Lebenswandels allen sichtbar an seinem Leibe: die leeren Augenhöhlen im Verein mit dem Mal, das des Henkers Eisen in seine Stirn gebrannt, verrieten, wes Geistes Kind er war. ()

 

 

2. Charakteristik.

 

Der gesamte poetische Nachlaſs unseres Trobadors beläuft sich auf 9 Tenzonen, 1 Sirventes und 1 Canzone. Eine Canzone der ganze Rest seiner Liebeslyrik! Und doch ist nicht daran zu zweifeln, daſs sie groſs und umfangreich gewesen ist. Denn wie hätte der Dichter jener groſsen Schar edler Damen seine Huldigung anders darbringen können als in Liedern? Soll man’s nun einen unglücklichen Zufall nennen, daſs seine gesamte lyrische Produktion mit kaum einer Ausnahme für uns verloren ist? Oder sollen wir annehmen, daſs seine Lieder bald vergessen wurden, weil sie nicht gefielen? In jedem Falle sind wir durch ihren Verlust der Möglichkeit beraubt, uns über Blacatz’ Bedeutung als Dichter ein auch nur einigermaſsen sicheres Urteil zu bilden; denn aus Tenzonen läſst sich der Natur der Sache nach weit mehr für die Charakteristik des Menschen als für die des Dichters entnehmen. Das rein Technische und Formale ist ja das wesentlichste Werk des Trobadors an der Tenzone; wirkliche dichterische Qualitäten zum Ausdruck zu bringen, ist diese Dichtgattung nicht geeignet, und das ist nebenbei auch nicht ihr Zweck.

War Blacatz überhaupt ein Dichter? war er nur gleich vielen anderen seiner Zeit und seines Standes Dilettant, dem natürliche Begabung und schulmäſsige Ausbildung ein gewisses Maſs von Sprachbeherrschung verliehen? Die Frage ist nicht zu entscheiden, da die einzige Canzone, die wir von Blacatz haben (IXa), schwerlich Rückschlüsse auf die Beschaffenheit seiner verlorenen lyrischen Produkte gestattet. Sie ist, wie bereits angedeutet, im Jahre 1221 (vielleicht 1220) entstanden und entstammt mithin der Feder eines Mannes, der sich den sechziger Jahren näherte. Es läſst sich daher leicht denken, daſs ihr nicht mehr die Kraft und der Schwung innewohnen werden, wie sie der jugendliche Dichter in seine Verse hineingelegt haben mag. Denn in der That, dieses Lied ist schwach, durch und durch konventionell. Der Eingang bringt nach bewährtem Muster Frühlingsluft und Vogelsang; daran reihen sich die allbekannten, tausendfach wiederholten Gedanken von der unwandelbaren Treue bis in den Tod, von der gänzlichen Wertlosigkeit alles Guten und Schönen, wenn es nicht von der mit vielen vielen Vorzügen begabten Geliebten kommt, von dem höheren Glück in dem stillen, hoffnungsarmen Dienst der Einzigen als im völligen Besitz und Genuſs einer anderen, von der Qual, die der Liebende um der Geliebten willen täglich und stündlich leidet, von seiner bedingungslosen Hingabe, die ihn alle ihre Vorwürfe geduldig ertragen läſst. Ebensowenig zeichnet sich die Sprache durch besondere, originelle Behandlung aus. Das freilich möchte ich nicht so sehr bedauern, da auf diesem Felde Originalität bekunden beinahe in dunkler Manier schreiben heiſst. Der Stil ist nicht ohne Mängel; mag auch das anakoluthische Aufgeben des Gedankens in Str. 3 noch hingehen, so muſs doch die Art und Weise, wie v. 55 und 53 mit einem Pronomen auf ein Substantivum hingedeutet wird, das doch wieder erst einem Verbum zu entnehmen ist, (11) höchst bedenklich erscheinen, und ich weiſs nicht, ob sich dergleichen auch andere Trobadors erlaubt haben. Eigentum unseres Dichters an der Canzone aber ist die Form der Strophe und die Singweise. Wir sind leider nicht in der Lage, diese letzere zu beurteilen, da sie uns nicht erhalten ist; aber wir haben eine ungemein abschätzige Kritik derselben von dem Trobador Isnart d’Antravenas (IXb). Scheinbar freilich erhebt Isnart das musikalische Element von Blacatz’ Komposition bis in den Himmel, indem er sich selbst als so in seinem Banne stehend bekennt, daſs er allen seinen eigenen Gedichten, mögen sie nun einer Gattung angehören, welcher sie wollen, diese schöne, neue Melodie unterlegen müsse; aber er hat wohl gewuſst, daſs sich die Kunstverständigen vor Lachen schütteln würden bei dem Gedanken, es könnte einer Canzonen und Dansas, Retroenzas und gar Descortz nach ein und derselben Singweise herleiern, und daſs sie sich von der Melodie, die zu solchen Scherzen die geeignete Basis abgäbe, den rechten, ihm rechten Begriff machen würden. Indeſs, Isnart giebt sich damit noch nicht zufrieden, er treibt den grausamen Spott noch weiter. Ach! ruft er aus, welch ein Wunderwerk wäre hier entstanden, hätte der Dichter in Blacatz mit dem Komponisten Schritt halten können. Spanien und Frankreich und die Lombardie, Mai, Dezember und Palmsonntag, Reinhard und Isegrim, Floris und Mailand und Raoul de Cambrai und anderes mehr müſste in den Versen zu finden sein, damit sie sich der Melodie ebenbürtig an die Seite stellen könnten. Aber leider fehlt das alles, und voll Kummer muſs man’s mitansehen, wie den Musiker, der so hohen Flug genommen, der Dichter wieder zum Erdboden herunterzieht.

Man stelle sich vor, daſs jemand diese Fülle der Motive, für deren bloſse Aufzählung Isnart zwei volle Strophen braucht, in einem Liede von nur fünf Strophen zu einem organischen Ganzen verarbeiten sollte! Das ist einfach unmöglich und wird von Isnart auch garnicht ernstlich verlangt. Auch diese Auslassungen sind auf den Komponisten Blacatz gemünzt und bestimmt, dessen famose Weise lächerlich zu machen. Zu dem Monstrum von Melodie fordert Isnart ein Monstrum von Text, und indem er ein Schema für das letzere giebt, bringt er den, der die Melodie nicht kennt, wiederum dazu, sich von dieser eine ganz ungeheuerliche Vorstellung zu machen.

Man würde diesem zweiten Teil von Isnart’s Kritik eine Bedeutung beimessen, die ihm nicht zukommt, wenn man meinte, er sei gegen die Ideenarmut, die innere Hohlheit der prov. Liebeslyrik überhaupt gerichtet. Hätte Isnart thatsächlich die gedankliche Oede an Blacatz’ Gedicht bemängeln wollen, gewiſs, dem wäre so; denn dieser Einzelfall ist typisch, indem hundert andere Trobadors es in ihren Poesieen mit dem Inhalt ebenso gehalten haben wie der angegriffene Dichter. (12) Aber ich glaube nicht, daſs ein prov. Trobador jemals so schroff gegen alles, was die Tradition geheiligt, Front gemacht hätte, ja ich glaube nicht einmal, daſs irgend einer sich des Zustandes der lyrischen Dichtung recht bewuſst gewesen ist. Wie sollte er auch! War er doch nicht Individualität genug, das Bessere, das Ursprüngliche zu erkennen und gar an die Stelle des Verbrauchten, Konventionellen zu setzen. (13)

Begreiflicherweise lieſs Blacatz diese Isnart’sche Kritik, die ihn zum Gespött der Leute machte, nicht stillschweigend über sich ergehen; er parierte mit dem Hieb. Sein einziger Sirventes (IXe) legt davon Zeugnis ab. Der so scharf Mitgenommene stellt sich darin ganz zerknirscht, stimmt seinem Rezensenten in allen Stücken bei und giebt zu verstehen, daſs er dessen Urteil als noch viel zu milde erachte. Denn, sagt er, es fehlt in meiner Canzone ja nicht bloſs all das, was jener mir freundlichst als nicht darin vorhanden aufgezeigt hat, es fehlen unbegreiflicherweise auch seine — des Rezensenten — Hofgelage und seine Erbgüter, sein dicker Schädel und sein alter Schimmel, seine Freunde und Bekannten und — was weiſs ich! — Man muſs gestehen, diese Entgegnung ist witzig, und der Hieb sitzt.

Nun sah Isnart des Messers Schneide gegen sich gewendet und setzte sich zur Wehr. Aber seiner Replik ist der Witz ausgegangen. Blacatz wird Animosität und Mangel an Erziehung vorgeworfen, sein persönlicher Mut wird mittelst einer ironischen Lobpreisung stark in Zweifel gezogen, seine Vorurteilslosigkeit in Bezug auf das Mein und Dein an einem Beispiel illustriert, und im übrigen wird an ein verständiges Publikum appelliert. Blacatz mochte gleichfalls der Meinung sein, die Sache dürfe getrost dem Urteil der Leser und Hörer anheimgegeben werden; er hat den Handschuh nicht wieder aufgenommen. —

Alles übrige, was uns als Blacatz’ Werk überliefert ist, ist tenzonenartig. Wir zählen 2 Coblenwechsel (II, X), 3 persönliche Tenzonen (IV (14), V, VI) und 4 Tenzonen mit partimen (III; I, VII, XI). (15) — Aus ihnen lernen wir den Menschen Blacatz näher kennen und sehen vor allem, daſs ein schalkhaft-humoristischer Zug seinem Wesen eigen gewesen sein muſs. Der zeigt sich, wenn Blacatz sich an Peire Vidal, den „Herrn Kürschner“, mit der harmlosen Frage wendet, ob leichter Diebstahl mit Hand und Fuſs oder mit dem Augenlicht oder dem Leben am teuersten gebüſst sei — und dabei hatte Peire den Verlust seiner halben Zunge zu beklagen (III). Oder wenn er denselben Trobador um Auskunft bittet, wie er selbst sich denn sein eigenes Wesen mit seiner Mischung von Verstand und Verrücktheit zusammenreime (IV). Oder endlich wenn er Peirol ermutigt, sich um die schöne Dame in Trets zu bemühen, und dabei durchblicken läſst, daſs er selber Chancen bei ihr habe (II).

Ruhm und Ehre über alles! lautet seine Devise. Guilhem de San Gregori (VII) will wissen, wofür er sich entscheiden würde: für eine edle Dame, die sich ihm huldvoll erweise, zu weit gehenden Wünschen aber Grenzen setze, oder für ihr nicht minder treffliches Fräulein, das sich ihm bedingungslos hingeben wolle. Blacatz wählt ohne Zaudern die erstere, weil er es für schmählich hält, die Gunst der edlen Frau mit Undank zu belohnen und, einzig um der Sinnenlust zu fröhnen, sich an die Dienerin wegzuwerfen. Der hastige Dieb breche die Früchte, wo er sie langen könne, der rechtliche und besonnene Mann aber sehe auf ihre Güte. Einen Kuſs der Dame schätze er höher als alle Gunst des Fräuleins. — Nicht anders lautet seine Antwort auf die ihm von Bernart (XI) gestellte Frage, ob er von zwei trefflichen Damen der trefflicheren den Vorzug gebe unter der Bedingung, daſs er sie nur einen Tag im Jahr sein eigen nennen dürfe, oder nicht vielmehr der minderwertigen, die ihm in jedem Augenblick zur Verfügung stehen solle. Kann mich der Besitz zweier Kleinigkeiten für die Nichtigkeit jedes einzelnen entschädigen? erwidert unser Dichter. Eine einzige Gabe der trefflicheren ist mir kostbarer als hundert Geschenke der anderen. Sie, deren Wert so hoch steht, nur einen kurzen Tag besitzen, heiſst Glück fürs ganze Jahr aufspeichern. — Nach allem können wir schon glauben, daſs unserem Blacatz in I, wo er selber die Frage: ob heimliche Liebe ohne Ruhm vor der Welt oder Ehre vor den Leuten ob eines doch nur scheinbaren Liebesglücks, vorlegt, die ihm genehmste razo gelassen ist, wenn sich sein Gegner Raimbaut für das erstere entscheidet. Denn er betont auch hier, daſs Ruhm hoch über allen sonstigen Erdengütern stehe, Ruhm in der Liebe nicht minder als Ruhm in den Waffen. Die gewaltigsten Heldenthaten, zu was seien sie nütz, wenn sie an verschwiegenen Orten geschähen und ihre Kunde nimmer zu den Ohren der  Menschen käme? — Einmal freilich sehen wir Blacatz den Genuſs verteidigen, aber das geschieht gegenüber Peire Vidal (in IV) und ist schon dadurch geboten, daſs ihm keine Wahl gelassen ist.  Hier verficht er also die Ansicht, willigem Dienen gebühre auch Lohn, und ein Liebhaber, der immer hingehalten und vertröstet werde, habe allen Grund, sich als abgewiesen zu betrachten.

Als galanter Hofmann, der mit den Damen umzugehen weiſs, zeigt sich Blacatz in X. Falquet de Romans erkundigt sich bei ihm, ob er den Kreuzzug des Kaisers mitzumachen gedenke oder daheim zu bleiben vorziehe. Die Gräfin von Provence habe ihm — dem Fragesteller — nämlich vor kurzem anvertraut, Blacatz halte die Liebe zu ihr in froher Laune und Sangesübung. Nun wolle er über das, was er vernehmen werde, Bericht erstatten. Es fragt sich, ob Falquet ein Recht hatte, sich auf die Gräfin zu berufen; unmöglich ist es jedenfalls nicht. Denn Beatrix konnte jene Aeuſserung zu ihm in scherzhafter Weise sehr wohl gethan haben und brauchte damit noch keine offenbare Indiskretion zu begehen (16) — warum sollten nicht auch die Damen an dem gap nach Tisch Gefallen gefunden haben? Vermutlich aber hat Falquet die Gräfin überhaupt nur hereingezogen, um Blacatz vor eine heikle Alternative zu stellen: die Ritterpflicht gebot, hinauszuziehen in den Kampf und im fernen Osten Ruhm zu erwerben, die cortesia aber, in der Heimat und im Dienst der Dame zu verharren. Blacatz antwortet mit einer Zurückhaltung, die mir nicht ganz frei von Ironie scheint: Die Schönste der Schönen — er nennt ihren Namen nicht und durfte ihn nicht nennen, weil er sich alsbald ihrer Huld rühmt — knüpft ein Liebesband an mich; das will ich nicht zerreiſsen und bleibe darum im Lande, meiner Sünden Schuld nahe ihrer Wohnstätte abzubüſsen. — Der ganze Coblenwechsel ist augenscheinlich scherzhaften Charakters, und Blacatz’ Ablehnung persönlicher Teilnahme an der Fahrt ins heilige Land hat an dieser Stelle kaum mehr als den Wert einer galanten Phrase, ist daher nicht im mindesten dazu angethan, einen Schluſs auf des Dichters inneres Verhältnis zur Kreuzzugsidee zu erlauben. —

Zwei persönliche, sogar sehr persönliche Tenzonen hat Blacatz im Verein mit dem Joglar Bonafe zu stande gebracht (V und VI). Diese Machwerke mit ihrer wenig dezenten Brutalität, ihren gröblichen Invektiven scheinen so garnicht zu dem hochsinnigen Förderer der Dichter und ihrer Kunst, zu dem feingebildeten Kavalier Blacatz zu passen, und doch ist jeder Zweifel an der Richtigkeit der Attribution ausgeschlossen. Man kann sich darauf berufen, daſs wir derartige Erzeugnisse von einer ganzen Reihe hervorragender Dichter und hochstehender Männer haben, daſs es, wenn man so sagen darf, zum guten Ton gehörte, auch auf diesem Felde leistungsfähig zu sein; nichtsdestoweniger bleibt doch immer das Bedauern zurück, den Trobador in der Gesellschaft eines Bonafe zu sehen. Aber fragen wir uns, wie er mit diesem dunklen Ehrenmanne zusammengeraten ist. Sollte er mit einem solchen Lumpen im gewöhnlichen Leben auf gutem Fuſse gestanden, mit ihm auſserhalb ihres „dichterischen“ Verkehrs womöglich freundschaftlichen Umgang gepflogen haben? Das müſste man annehmen, wenn man Jeanroy’s Auffassung von der persönlichen Tenzone beipflichtet. Dieser Gelehrte leugnet nämlich (Annales du midi II 456) rundweg rein satirischen und aggressiven Charakter der Tenzone im eigentlichen Sinne und meint, ohne daſs bestritten zu werden brauche, daſs die Hitze des Wortgefechts die Gegner leicht hart an einander geraten lasse und hüben und drüben beleidigende Anspielungen hervorlocke, bleibe doch dies eine wahr „que le fait seul de poser une question sous une forme poétique ou d’accepter cette forme pour y répondre prouve qu’il n’y a pas entre les interlocuteurs de véritable hostilité“. Ich kann dieser Ansicht nicht beitreten und würde es nicht können, auch wenn ich nichts von den beiden Tenzonen, die uns hier beschäftigen, wüſste. Um an dieser Stelle nur vom besonderen Fall zu reden — wie will Jeanroy die beiden Tenzonen mit seiner Hypothese in Einklang bringen? Von Fragestellung ist darin keine Spur mehr zu entdecken; bleibt also nur die Thatsache, daſs die Antwort in die vom Gegner dargebotene Form gekleidet ist. Das aber geschieht ja auch in den grimmigsten Sirventesen. — Ich will kurz zu schildern versuchen, wie die Bonafe-Tenzonen entstanden sein mögen. An Raimund Berengar’s (17) Hoflager zu Aix hat sich alles zusammengefunden, was Ruf und Namen hat; auch mangelt’s nicht an Persönlichkeiten, die mehr berüchtigt als berühmt sind. Da ist z. B. der Joglar Bonafe, ein Mensch von höchst bedenklichen Grundsätzen, aber von der Natur ausgestattet mit Mutterwitz und Improvisationstalent nebst einem gehörigen Maſs von Unverschämtheit, Gaben, die ihm sogar in die Hofgesellschaft Eingang verschafft haben. Natürlich wird er von Raimund Berengar nicht etwa zur Tafel gezogen, aber wenn die Herrschaften gut gespeist und besser getrunken haben, läſst man ihn den Gästen zum Spaſs und zur Beförderung der Verdauung in den Saal. Dieser Erzschelm jedoch fühlt sich nicht groſs geehrt, einer so illustren Versammlung nahen zu dürfen, sondern thut ganz, als sei er unter Seinesgleichen. Heut hat er Herrn Blacatz aufs Korn genommen und redet ihn nun in seiner anmutigen Weise an. (18) Gleich hat er die Lacher auf seiner Seite. Herrn Blacatz ist dieser verkommene Kerl zuwider, er möchte sich gern die Antwort schenken; aber da kommt er bei der Tafelrunde schlecht an. Und weil er weiſs, wenn er dem da seine Flegelei ruhig hingehen läſst und ihm nicht den Mund stopft, so ist des Hänselns von Seiten der Standesgenossen kein Ende abzusehen, so steht er auf, und da ihm der Aerger und der Wein in den Kopf zu steigen beginnen, so hat er sich bald auf die Straſse gefunden, die sein Partner mit solcher Sicherheit verfolgt. Aber Bonafe, an solche Märsche gewöhnt, ist Blacatz doch immer ein paar Schritte voraus, und unmutig giebt es der letztere schlieſslich auf, jenen zu überholen, und bricht ab, nicht ohne zuvor einen Hieb an eine andere Adresse zu richten: Totz rics hom q’en sa cort te sofeira fai grant enuoi ! (19) Sehr freundlich wird der Blick, der bei diesen Worten zum Hausherrn hinübergeflogen ist, nicht gewesen sein. — So denk’ ich mir den Hergang und halte es vor allen Dingen für ausgemacht, daſs Blacatz und Bonafe sich nichts weniger als grün gewesen sind.

Damit wäre die litterarische Hinterlassenschaft unseres Dichters erschöpft. Millot, p. 449 will freilich noch von ihm ein obscönes Gedicht, worin von den Liebesabenteuern einiger berühmter Wüstlinge gehandelt werde, kennen, aber wir wissen von einem solchen nichts und haben keinen Grund, dieser wohl auf Verwechselung oder Erfindung beruhenden Mitteilung irgendwelchen Wert beizumessen.

Eines anderen Gedichts aber sei hier noch mit einem Wort gedacht. Es steht zwar nirgends unter Blacatz’ Namen, könnte aber trotzdem sein Eigentum sein. Ich spreche von Gr. 96, 5, der Tenzone Blacasset’s mit Uc de la Mataplana. Uc ist nämlich bereits 1213 gestorben (cf. Milá y Fontanals, p. 318), kann also nicht wohl mit Blacasset in Beziehung gestanden haben. Daher vermutet Milá auch (p. 322), Blacasset meine hier Blacatz. Das ist wohl möglich, aber wahrscheinlicher noch ist mir, daſs die Hs. P, die sonst kein einziges Gedicht von Blacatz enthält, mit ihrer Attribution an Uc de la Mataplana im Unrecht ist. ()

 

 

3. Datierung der Gedichte.

 

Wenn man Éméric-David Glauben schenken dürfte, so wäre als ältestes der uns erhaltenen Gedichte Gr. 97, 8 anzuerkennen und vor das Jahr 1190 zu setzen. 1190 habe Peirol nämlich das Kreuz genommen und sei nach der Rückkehr aus dem heiligen Lande dem Dichterberuf untreu geworden. Dann käme 97, 2 mit Blacatz’ Aeuſserung an Falquet de Romans, er werde den Kreuzzug — von 1096! — nicht mitmachen, endlich 97, 7, die Tenzone mit Peire Vidal, datierbar zu den Jahren 1197 oder 1197 (Hist. lit. XVIII 562 f.).

Die Fehlerhaftigkeit dieser Angaben ist offenbar. Gr. 97, 8 ist gewiſs später als 1192 entstanden, denn nach dieser Zeit erst beginnt wohl für Peirol, den die Schwester des Dalphin’s von Auvergne verabschiedet hatte, das Wanderleben (Diez, Leben und Werke² 257); auch spielt er allem Anschein nach in 97, 8 (II 15—16) auf seine unglückliche Liebe zu dieser Dame an. Aelter noch mag die Tenzone mit Raimbaut de Vaqueiras (Gr. 97, 4) sein. Sie ist auf keinen Fall später als 1202 entstanden, denn in diesem Jahre brach Raimbaut im Gefolge seines Gönners, des Markgrafen Bonifaz von Montferrat, nach dem Orient auf, um nicht wieder heimzukehren (Diez, L. u. W.² 239). Obwohl der Dichter seinen ständigen Aufenthalt am Hofe von Monferrat genommen, besuchte er doch wiederholt die Provence, so etwa 1190 und auf kurze Zeit und vermutlich zum letzten Male 1195 (O. Schultz, Briefe p. 8 u. 120). So darf man denn wohl die Entstehung von Gr. 97, 4 in die neunziger Jahre des 12. Jhdts. setzen. Als ungefähr gleichzeitig wird Gr. 97,3 anzusehen sein. Sein Vorbild, Gr. 392,15, ist nach 1189, dem Jahr des Regierungsantritts Ademar’s von Poitiers, der daran als Interlokutor beteiligt ist (Schultz, Briefe p. 8 u. Anm. zu 23), verfaſst und fällt möglicherweise in die Zeit des 95er Aufenthalts von Raimbaut in der Provence. Nachher, sicher also nach 1189, hat Blacatz Peire Vidal seinen dreiteiligen partimen vorgelegt. Für möglichst späte Zeit spricht auch der Umstand, daſs Peire Vidal’s persönlicher Verkehr mit Blacatz der letzten Periode seines Lebens, also wahrscheinlich dem ersten Dezennium des 13. Jhdts. angehört (Bartsch, P. Vid. p. IXI). (20) Damit ist denn zugleich ein ungefähres Datum für die Tenzone Gr. 97, 7 angezeigt.

Der Sirventesenwechsel zwischen Blacatz und Isnart d’Antravenas (Gr. 254, 1 — 97, 1 — 254, 2) im Anschluſs an des ersteren Canzone (Gr. 97, 6) bietet der Datierung keine wesentlichen Schwierigkeiten. Ich habe bereits gesagt (cf. oben, p. 203 und 206), daſs Isnart 1220 Podestà von Arles wurde und das Jahr 1221 hindurch in seinem Amte verblieb, auch daſs man einen Herrn Aurella als seinen Vorgänger bezeichnen konnte, wie dies von Seiten des Blacatz geschieht. Aus Gr. 97, 1 v. 11—12 (IXc) geht nun hervor, daſs Isnart zur Zeit der Abfassung dieses Gedichts sich in Amt und Würden befand, und v. 5—6 (es tant presaz pos tenc la soz-bailia) scheint auszusagen, daſs er seinen Posten bereits früher einmal bekleidet hatte. Danach wäre also Gr. 97, 1 auf das Jahr 1221 festgelegt, und die übrigen Gedichte des Cyclus gruppieren sich alsdann mit geringen Abständen um dieses Datum, wenn sie nicht geradezu mit derselben Ziffer zu bezeichnen sind.

Endlich lassen sich noch für Gr. 97, 2 zeitliche Grenzen bestimmen. Falquet de Romans fragt Blacatz: Wenn nun der Kaiser sich nach Palästina aufmacht, geht ihr dann mit? Kaiser ist Friedrich II. 1220 geworden, seinen Kreuzzug hat er aber erst 1228 angetreten. Innerhalb 1220 und 1228 ist Spielraum für unser Gedicht. Zenker, F. v. Rom. p. 22 bestreitet O. Schultz (Zs. VII 196) die Berechtigung seiner Annahme, die Abfassung sei kurz vor dem Aufbruch Friedrich’s während der Vorbereitungen zur Abfahrt erfolgt, also etwa 1227. Ich bin freilich der Meinung, die Ausdrucksweise Falquet’s: „wenn der Kaiser aufbricht (und er wird aufbrechen)“ lasse darauf schlieſsen, daſs bereits ein bestimmter Termin zum Abgehen in Aussicht genommen war. Aber was hilft uns das? Hat nicht Friedrich mehr als einmal Tag und Stunde, wo er zu Schiffe gehen wolle, bekannt gegeben? Und mehr als einmal hat er wieder abgesagt, absagen müssen. Darum läſst sich innerhalb der Grenzen 1220 und 1228 kein fester Punkt bezeichnen, auf den man mit einiger Wahrscheinlichkeit die Entstehung des Gedichtes setzen könnte.

Was noch bleibt, ist nicht datierbar. Höchstens möchte man noch Gr. 97, 13, eingedenk der Thatsache, daſs Pistoleta Sänger des Arnaut de Maruelh gewesen, in nicht zu späte Jahre des 13. Jahrhunderts verlegen. Vielleicht aber können wir für die bisher nicht untergebrachten Tenzonen uns bei den Hss. Rats erholen. Ich glaube in der That, und Erfahrungen anderer Herausgeber bestärken mich in meiner Meinung, daſs IK chronologische Anordnung ihrer Gedichte anstreben. Leider bringen sie nicht alle unsere Stücke, und leider enthalten von den anderen Hss., die uns vielleicht weiterhelfen können, einige nur je ein einziges Gedicht von Blacatz. Hss. dieser Art (CDcOSa) vernachlässige ich füglich in der folgenden tabellarischen Darstellung der hs. Anordnung der Gedichte:

 

 

 Um dem Leser die Kontrolle zu ermöglichen, gebe ich noch eine Uebersicht dieser Gedichte nach ihren Fundorten in den Hss. (die Zahlen beziehen sich auf die Blätter der Hss.):

 

 

Daſs 6. I. 1. II. eine Gruppe bilden, haben wir oben gesehen; hier bestätigen es uns die Hss. DaN, vor allem N, das 6 unmittelbar vor I stellt, obwohl die Sammlung, welche u. a. unsere Gedichte enthält, am Kopf den Titel Partimenz trägt. IK bringen in unmittelbarer Folge 7. 10. (21) 11. 9, und ich meine, diese Gruppe ist einwandsfrei, denn in EGQ, wo 7. 9 aufeinanderfolgen, fehlen eben die Mittelglieder überhaupt. 4 findet sich vor dieser Gruppe (bezw. ihren Resten) in ADIKN, hinter ihr in EGLQ. Wahrscheinlich ist das erstere richtig (cf. oben, p. 216). Fragt sich endlich noch, ob 8. 3. 2 als Gruppe gelten darf. Hs. H, die einzige, die dafür spricht, ist ein um so weniger gewichtiger Zeuge, als sie im übrigen keine von Blacatz’ Tenzonen (die Canzone steht gesondert) enthält und hier offenbar unter dem Namen des Dichters sein ganzes ihr bekanntes Eigentum zusammengestellt hat. 2 ist gewiſs davon abzutrennen, weil 1220— 1228 erst verfaſst; 8. 3 mag bestehen und ist dann höchst wahrscheinlich vor 7 einzuschalten, da der Pelissier von 3 identisch ist mit dem Peire Vidal von 7. Wo 12 unterzubringen ist, ist schwer zu sagen; wir lassen ihm seine Stelle am Schluſs. Wenn wir endlich das in der Tabelle fehlende Fragment Gr. 97, 13 (Blac.-Pistoleta) ein wenig auf gut Glück, aber doch nicht ganz grundlos (cf. oben, p. 217) hinter 9 einschieben, so hätten wir nach allem als mutmaſsliche chronologische Reihenfolge — sie ist in der Anordnung der Texte zu Grunde gelegt — die folgende:

 

No.
I
=
Gr.
97, 4
Tenzone mit
Raimb. (de Vaiq.): ca. 1190-1202
 
II
=
 
97, 8
 
Peirol: nach 1192
 
III
=
 
97, 3
 
P. Vid. (Pelissier): nach 1189 und wohl auch nach 1195.
 
IV
=
 
97, 7
 
P. Vid.: wohl 1. Dezenn. des 13. Jhdts.
 
V
=
 
97, 10
 
Bonafe
 
VI
=
 
97, 11
 
Bonafe
 
VII
=
 
97, 9
 
G. de S. Gregori
 
VIII
=
 
97, 13
 
Pistoleta
 
IXa
=
 
97, 6
Canzone
1221
 
IXb
=
 
254, 1
Sirventes des
Isn. d’Antr.: 1221
 
IXc
=
 
97, 1
 
Blacatz: 1221
 
IXd
=
 
254, 2
 
Isn. d’Antr.: 1221
 
X
=
 
97, 2
Tenzone mit
Falq. de Rom.: 1220-1228
 
XI
=
 
97, 12
 
Bernart. ()

 

 

4. Metrisches.

 

No. I. En Raembaut, ses saben (Gr. 97, 4).

Schema: 7a 7b 7b 7a | 7c- 7d 7d 7c-

6 coblas unissonans.

Reime: a = -en, b = -or, c- = uda, d = -ir.

Gedichte gleichen Baues zusammengestellt bei Maus, no. 579 und richtiger bei Appel, Abhandlungen für Tobler p. 54. Doch ist an letzterer Stelle fälschlich Raimb. de Vaq. 6 mit hierher gezogen, denn dieses ordnet die Reime a und b zu der Folge a b a b. Bez. Bonif. Calvo 6 war zu bemerken, daſs die Reimfolge nur in Str. 1 und 4 mit der des Schemas übereinstimmt, während in den übrigen Str. andere Ordnung herrscht. — Identisch in compas und Reimen ist nur Basaz 1, das vermutliche Vorbild unserer Tenzone (cf. Appel, Rev. XXXIV 11).

 

No. II. Peirol, pois vengutz es (Gr. 97, 8)

Schema: 8a 8b 8a 8b | 10c- 10c- 10c- 10c-

2 coblas.

Reime: a = -os, b = -als, c- = endre.

Gleichgebaut sind Bertr. de Born 5 und Raim. de Mir. 21 (cf. Maus, no. 346); ersteres ist, weil identische Reime aufweisend, Vorbild der Tenzone.

 

No. III. En Pelizer, cauzetz (Gr. 97, 3).

Schema: 10a 10b  10a 10b | 10b 10c-  10c- 10b

2 coblas.

Reime: a = -os, b = -iers, c = -anza.

Genau dasselbe Schema wiederholt sich bei Bertr. de Born 25 (mit 2 Torn. zu je 2 Versen: 10c- 10b), Peire Card. 56, Raimb. de Vaq. 15, Rostanh (Gr. 461, 43; Suchier, Dkm. 336). — Eine andere Reimreihe hat Faure 1 (cf. Maus, Anm. 2, no. 19). — Diese Form ist, wie Maus auf p. 23 zeigt, von Bertr. de Born entlehnt. Innere Beziehung verraten Raimb. de Vaq. 15 und unsere Tenzone hier. Letztere sehen Mussafia, Del codice estense 398, Anm. 2 und Maus a. a. O. als Parodie von Raimb. de Vaq. 15 an, und in der That spricht alles dafür. R. de Vaq. beginnt mit den Worten: Senher n’Aymar, chauzetz de tres baros und fordert Aymar und alsbald auch Perdigon auf, von drei Rittern, von denen jeder seine besonderen löblichen Eigenschaften hat, den trefflichsten auszuwählen. Nun vergleiche man unsere Tenzone. Sie setzt ganz entsprechend ein: En Pelizer, chauzetz de tres lairos, und was dann folgt, läuft oftenbar dem partimen Raimbaut’s parallel. Drei Diebe haben jeder eine besondere Kleinigkeit entwendet und dafür jeder eine besondere Strafe erlitten. Nun soll entschieden werden, wer am schlimmsten dabei weggekommen ist. Abweichend ist, daſs Blacatz diese dreiteilige Frage nicht zwei Partnern zur Beantwortung vorlegt, sondern Peire Vidal allein. Daraufhin hat denn nun Selbach, § 158 erklärt, es sei „evident, daſs R. de Vaq. auf Grund von Blacatz’ Partimen jene Umänderung in der Verteilung der Rollen von zwei auf drei Personen vornahm“; das umgekehrte Verhältnis zulassen, heiſse annehmen, man sei „von einer natürlichen Behandlungsweise zu einer unbequemen, unnatürlichen zurückgeschritten“. — Es wäre jedenfalls eine sonderbare Caprice Raimbaut’s gewesen, hätte er, um über seine würdigen Ritter zu streiten, sich gerade die Form ausgesucht, in der man vorher allerlei Diebsgelichter abgehandelt hatte. Aber lassen wir das einmal bei Seite, und geben wir zu, daſs die Sache von Blacatz erschwert wurde. Gerade das paſst ja vorzüglich, denn Interlokutor ist der Alleswisser, Alleskenner Peire Vidal, und Blacatz mochte begierig sein zu sehen, wie sich der Prahler aus der Affaire ziehen würde. Auſserdem halte ich diese ganze Fragestellung für anzüglich (cf. oben, 1. Interlokutoren b) und finde darum, daſs der Hieb noch besser sitzen muſste, wenn, wie es geschieht, Peire Vidal als einzige Autorität und höchste Instanz in so delikaten Sachen angerufen wurde. — Uebrigens ist auch Appel (cf. Litteraturblatt 1887, p. 78) durch Selbach nicht überzeugt worden.

 

No. IV. Peire Vidal, pois far (Gr. 97, 7).

Schema: 10a 10b  10b 10a | 10c 10c  10d 10d

4 coblas unissonans.

Reime: a = -on, b = -al, c = -en, d = -atz.

Diese Strophenform ist ungemein beliebt und findet sich bei den verschiedensten Dichtern. Eine groſse, aber wenig gesichtete Sammlung von hierher gehörigen Gedichten hat Maus, no. 535 veranstaltet; de Lollis, p. 132 zu XXI hat dann die Säuberung derselben von Eindringlingen (die entweder Verse von anderer Silbenzahl enthalten [Joan Est. 6; Perdigo 14; 461, 236] oder weibliche Reime einmengen) vollzogen. Dabei hat er aber 461, 48; 461, 130; 461, 173 (wozu übrigens auch 461, 162 als 2. cobla gehört — cf. Arch. L 263); Peire d’Uis. 1; Sav. de Maul, 1; Guir. Riq. 34 u. 57; Bertr. Carb. 32, 75 u. 83 ; Uc de l’Esc. 1 zu Unrecht entfernt und in Peire Card. 3 einen Ersatz geschaffen, den man ablehnen muſs (a und b sind 8 silbig). — Keins von allen Gedichten stimmt in den Reimen mit dem unsrigen überein. (22)

 

No. V. Seign’ en Blacatz, pos per tot (Gr. 97, 10).

Schema: 11a- 11b-  11a- 11b- | 7c 7c 7c 7c

6 coblas unissonans, 2 tornadas (7c 7c 7c 7c).

Reime: a- = -ata, b- = -ano, c = -(i)er.

Die gleiche Form kehrt nirgends wieder; eine gewisse Aehnlichkeit zeigt no. II. — Die Stellen, an denen der seltene 11 silbige Vers sonst noch nachzuweisen ist, hat Bartsch, Zs. II 200 gesammelt.

 

No. VI. Seingn’ en Blacatz, talant ai (Gr. 97, 11).

Schema: 10a- 10a- 10a- 10a- 10a- 10a-

6 coblas unissonans.

Reim : a- = -eira.

Diese Reimordnung ist nicht eben selten; sie findet sich bei veränderter Verslänge in Gedichten Raimb.’s de Vaq., Folq.’s de Mars., des Mönchs von Mont. u.a. Gleichheit in Reimart und Silbenzahl begegnet freilich nur noch Guir. de Luc 1; gleichwohl glaube ich nicht, daſs man zu der Annahme formaler Abhängigkeit des einen Gedichts vom anderen gezwungen ist, zumal Guir. de Luc einen anderen durchgehenden Reim (-ona) hat.

 

No. VII. Seigner Blacatz, de dompna pro (Gr. 97, 9).

Schema: 8a 7b- 7b- 8c 8c | 8d 8e 8e 8d

4 coblas unissonans, 2 tornadas (8d 8e 8e 8d).

Reime : a = -o, b- = -aire, c = -or, d = -an, e = -e.

Unicum bez. des Strophenbaues. Nach Kolsen, p. 66 soll dies Gedicht formal mit Guir. de Born., Si ja d’amor in Beziehung stehen; doch hat sich Appel, Arch. XCVII 188 mit Recht dagegen ausgesprochen.

 

No. VIII. Tenzone mit Pistoleta (Gr. 97, 13).

Cf. unten die Anmerkung zum Text derselben.

No. IX
a
Lo belz douz tems me platz(Gr. 97, 6).
 
b
De·l sonet d’en Blacatz(Gr. 254, 1).
 
c
Ben fui mal conseillaz(Gr. 97, 1).
 
d
Trop respont en Blacatz(Gr. 254, 2).
  

Schema: 6a 6b 6b 6a 6a 6c- | 6c- 6d 6d 6e 6e 6c-

IXa: 5 coblas unissonans, 1 tornada (6c- 6d 6d 6e 6e 6c-).

IXb, c, d: 3 cobl. uniss.

Reime: a = -atz, b = -os, c- = -ia, d = -ai, e = -an.

Da es andere Gedichte dieser Form nicht giebt (Maistre 1 bei Maus, no. 476 ist zu streichen), so haben wir hier eine Schöpfung des Blacatz vor uns. —

b, c, d stehen in dieser Folge in Hss. Da und N unmittelbar hinter einander. Dieser Umstand hat schon Mussafia, Del codice estense p. 398 Anm. auf den Gedanken gebracht, es möchten hier drei Teile eines Ganzen, „proposta, risposta e replica“ vorliegen. O. Schultz, Zs. X 595 f. hat sich die Sache anders zurecht gelegt: aus v. 3 von d (e car di mal de nos) folgert er, dies Gedicht erwidere einen früheren Angriff des Blacatz, gemacht in einem nicht erhaltenen Sirventes, und ferner meint er, c habe b als Muster gedient. Nachdem nun aber der ganze Cyclus gedruckt vorliegt, wird O. Schultz gewiſs zugeben, daſs seine Hypothese nicht haltbar ist. — Als Vorbild für b bezeichnet übrigens bereits Witthoeft, Ausg. u. Abh. LXXXVIII 54 ganz richtig a.

 

No. X. En chantan voill (Gr. 97, 2).

2 coblas.

Schema: 7a 4a 5b-  8a 4a 5b- | 5b- 5b-  7c- 7c-  5b-  7c- 7c- 6b-

Reime: a = -atz, b- = -aire, c- = -enza. — Unicum.

 

No. XI. Segner Blacatz, ben mi platz (Gr. 97, 12).

Schema: 10a- 10b  10b 10a- | 8c 8c 8d 10d

6 coblas unissonans, 2 tornadas (8c 8c 8d 10d).

Reime: a- = -enza, b = -ir, c = -en, d = -an.

Diese Form findet sich anderswo nicht verwendet.

 

 

Noch ein paar Bemerkungen über Cäsur, Hiat etc.

Die elfsilbigen Verse von No. V lassen die Cäsur hinter die 7. Silbe fallen, wie denn bei dieser Versart überhaupt die Pause an der genannten Stelle einzutreten pflegt. Die Cäsur ist zumeist männlich, aber keineswegs in jedem Falle, wie Bartsch, Zs. II 200 behauptet; in vv. 25, 27, 35, 41, 43 ist sie weiblich. Bemerkenswert ist v. 11 mit seinem meines Wissens sonst nicht anzutreffenden Bau:

(Ben aia qui·us guirlanda sus de la pata).

Gewiſs thut man besser, für diesen Vers Cäsurlosigkeit anzunehmen. Der zehnsilbige Vers hat auch in unseren Texten die Cäsur in der Regel nach der 4. betonten Silbe. Andererseits findet sich aber auch lyrische Cäsur an einer Reihe von Stellen (III 4. 8, IV 15. 26. 27, VI 2. 9, XI 4. 12), und einmal (IV 30) begegnet epische Cäsur. Wollte man, was bequem zu machen wäre (qi·l für qi lo), diese letztere beseitigen, so würde der Vers zum cäsurfreien.

Beim Zusammentreffen zweier Vokale in verschiedenen Wörtern ist Elision die Regel, Hiat aber auch an anderen Stellen als da, wo Elision nicht möglich ist (z.B. I 42. 45, II 14 u. o.), zugelassen; II 4. 16, III 4 (destre | e), V 35 (corda | e). 54, IXa 15. In V 23 wird man etwa Verschleifung annehmen.

Schlieſslich sei noch erwähnt, daſs Blacatz sich in seiner einzigen Canzone eine Reimwiederholung (IXa 1 u. 17) hat zu Schulden kommen lassen. ()

 

 

5. Blacatz fälschlich attribuierte Gedichte.

 

Unter den Blacatz zugehörigen Gedichten steht bei Bartsch im Gr. als no. 5 eine „Tenzone”, beginnend mit den Worten: Gasquet, vai t’en en Proensa (gedr. M. G. 1130). Wirklich steht das Gedicht mit der Ueberschrift Gasquet et en Blacatz in der einzigen Hs. (E) mitten unter Tenzonen. Bei alledem ist es weder ein Streitgedicht noch Blacatz’ Eigentum. — Bei der Mangelhaftigkeit und Verderbnis der hs. Fassung hält es sehr schwer, dem Gedicht eine befriedigende Gestalt zu geben. In wieweit mir das gelungen, mag man selbst beurteilen.

 

I
1
Gasquet, vai t’en en Proensa
   
Dir a’n Blacatz et a’n Gui
   
Que, quar m’agr’ obs lur valensa,
   
Tramezeson sai per mi (23) ;
 
5
Qu’ieu lai venraiso t’afi,
   
Que fort me platz e m’agensa
    Tostems l’anar de Proensa.
     
II
 
Trop ama sa mantenensa
   
En Blacatz segon c’om di,
 
10
E se·l fai bela parvensa
   
Lo dans torna sobre mi ;
   
C’anc nuill tems pueis qu’ieu la vi
   
Vas midons no fis faillensa ;
    Cre nais m’en greu penedensa.
     
III
15
Vailla·m vostra mantenensa
   
Gai solatz plazent e fi !
   
E sai aver estenensa (24)
   
De·l dous dezir, que m’ausi ;
   
Qu’ie·m vueill mais estar aisi
 
20
E sufrir en entendensa
    Que·l tot perdre per faillensa.
     
IV
 
En Blacatz membre·us de mi ;
   
Entruesc’a·l iorn de la fi
   
Ieu e vos farem atendensa
 
25
S’amors no·i ve que la vensa.
 

4 sai] lai   5 venrai fehlt   8 matenensa   9 com me di   14 nais fehlt   lo (so? Tobler) Str. 3 beginnt mit v. 22   20 en bon e.   22 Fehlt hier, stand am Kopf von Str. 3   24 e] a. — Wie die überzählige Silbe dieses Verses zu beseitigen ist, sehe ich nicht.

 

Der Gedankengang ist folgender:

Str. 1. Ein ungenannter Dichter schickt (den Spielmann) Gasquet nach Provence mit dem Auftrage, die Herren Blacatz und Gui zu bitten, sie möchten ihn — den Dichter — zu sich holen lassen; er wäre gern bereit zu kommen, denn er freue sich allemal, wenn er die liebe Provence wiedersehen dürfe.

Str. 2 (oder soll man nicht lieber zwischen 1 und 2 eine Lücke annehmen?). Der Dichter erinnert sich, daſs Herr Blacatz „ihr“, seiner eigenen Dame, huldigt, und ihn überkommt Besorgnis, sie möchte dem Rivalen den Vorzug geben, ihn selbst aber, den allzeit Getreuen, in Kummer bringen.

Str. 3 (kann sich nicht gut unmittelbar an die 2. anschlieſsen; man muſs doch zuvor Aufschluſs erhalten, an wen sich der Dichter, plötzlich zur direkten Anrede übergehend, wendet. An die Dame selbst, wie es beinahe den Anschein hat? An Herrn Gui? Oder gar an seinen Nebenbuhler Blacatz?) Der Dichter bittet eine ungenannte Person, ihm fröhliche Lust zu verschaffen, und fügt hinzu, er könne auch, wenn’s denn einmal nicht anders sein solle, entsagen und möchte lieber in dem Zustande des Wartens und Duldens verharren, als durch eigenes Verfehlen alles einbüſsen.

Tornada. Der Dichter spricht Herrn Blacatz an und sagt ihm, sie beide würden bis ans Ende ihrer Tage der Dame huldigen, wenn ihr nicht Liebe das Herz bezwänge.

Man hat allerlei Vermutungen über die Personen, denen wir hier begegnen, geäuſsert. Gasquet sei höchst wahrscheinlich der von Fortunier über den Charakter des Herrn Aimeric belehrte Spielmann aus Gr. 158, 1 und möglichenfalls identisch mit dem Spielmann Gasc des Gausbert de Poicibot (Gr. 173,4); (25) Gui meine wohl Gui de Cavaillon. (25) Ueber den Verfasser selbst hat bisher nur Selbach, p. 55 eine Andeutung gemacht. Aber Gr. 460, 1, worauf er fragend verweist, kann ganz und gar nicht auf den Gedanken bringen, Uc de San Circ sei der Absender Gasquet’s. Schon deshalb nicht, weil der bei einem Herrn Arnaut weilende Uc, der in Gr. 460, 1 vom Vizgrafen von Torena in Bedrängnis gebracht werden soll, garnicht Uc de S. C. ist, denn zu dem letzteren spricht ja der Vizgraf im Augenblick. Ferner scheint Graf Gui (fragt sich sehr, ob Gui de Cavaillon) auf Seiten des Vizgrafen zu stehen, während der Dichter von Gr. 97, 5 von Herrn Gui gerade Unterstützung erwartet, und schlieſslich handelt es sich in 97, 5 überhaupt nicht um Krieg und Kriegsgefahr wie in 460, 1. Kurz, mit dieser Vermutung ist nichts anzufangen. Ich habe eine andere. Unser Gedicht hat die seltene Form 7a- 7b 7a- 7b 7b 7a- 7a-, die sich nur noch Peirol 12 und 461, 75 (26) findet. Aber auch das Schema von Peirol’s Gedicht ist nicht völlig identisch mit dem von 97, 5, sondern die Reime ändern sich mit der 3. und wiederum mit der 5. Strophe. Nun liebt aber gerade Peirol’s Technik, bereits verwandte Themen mit leichten Modifikationen wiederkehren zu lassen; man vergleiche seine Gedichte 2, 5, 8, 19, 21 und die Variationen 20, 28, 18, 26, 31. Das, glaub’ ich, darf man eher als einen Anhaltspunkt für die Ermittelung des Autors von Gr. 97, 7 gelten lassen, zumal wir uns andererseits leicht denken können, daſs Peirol und Blacatz sich gemeinsam etwa um die „Dame von Trets“ (cf. Ged. II) bemüht haben. —

Einige Lieder werden in gewissen Hss. unserem Dichter zugewiesen, in anderen ihm abgesprochen. Dahin gehört Gr. 30, 16. Die Autorschaft Arnaut’s de Maruelh steht auſser Frage; sie wird bezeugt durch die überwiegende Mehrzahl der Hss. (ACDEFMPSUVc), während nur f für Blacatz stimmt. Dazu kommt, daſs der in der Tornada erscheinende Versteckname Mon Bel-Esgart recht gut zu Arnaut’s senhal Mon Bel-Vezer (Gr. 30, 18) paſst, bei Blacatz aber keine Entsprechung hat. — Drei Gedichte macht Blacatz seinem Groſsneffen Blacasset streitig; es sind Gr. 96, 3. 10. 11. Klein hat sie allesamt dem Blacasset zugesprochen und infolgedessen in seiner Ausgabe dieses Dichters (27) abgedruckt. An ersterem hat er jedenfalls recht gethan. Mit Bezug auf 96, 11 wird man ihm unbedenklich beipflichten, wenn man sieht, daſs die Hss. BFIMUV dem Blacasset und nur Cf (28) dem Blacatz ihre Stimme geben. 96, 3 und 96, 10 stehen in PTV, und zwar in PV als Blacasset’s, in T (29) als Blacatz’ Eigentum. Weil nun die Lesarten P der Gruppe TV gegenüberstellen, so hat sich Klein zu Gunsten Blacasset’s entschieden. Aber dieses Argument ist doch nicht ganz unanfechtbar, da Hs. P mit seinen Attributionen gerade in Hinsicht auf Blacasset wenig Vertrauen verdient, indem es diesem Trobador eine Reihe ihm oflenbar nicht gehöriger Gedichte (Gr. 10, 33; 233, 1; 242, 55; 355, 16) zuerkennt. Dennoch zweifle ich nicht, daſs man in diesem Falle seinem Zeugnis Glauben schenken darf, denn in 96, 3 begegnen wir dem Gedanken des „Mannes ohne Herz“, der in 96, 9, Blacasset’s unbestrittenem Eigentum, wiederzufinden ist. Kann uns das genügen, um Blacasset als Verfasser von 96, 3 anzunehmen, so haben wir, mein’ ich, kaum noch Ursache, bez. 96, 10, bei dem die Verhältnisse äuſserlich genau so liegen, Schwierigkeiten zu machen. (30) ()

 

 

Texte. A. Die provenzalische Biographie. (31)

 

Hss. I 108, K 94. — Gedr. Mahn, Die Biogr. d. Troub. (2. Ausg. 1878), p. 43 I; Choix V 105; Parn. Occ. p. 119; M. W. II 135; Chabaneau, p. 296.

 

1
En Blacatz si fo de Proensa, gentils bars et autz e rics, larcs et
 
adreichs ; e plac li dons e domneis e guerra e messios e cortz e mazans
 
e bruda e chanz e solatz e tuich aquilh faich per qu’om bons a pretz e
 
valor. Et anc non fo hom a qui tant plagues prendre com a lui donar,
5
El fo aquel que mantenc los desmantengutz et amparet totz los desam-
 
paratz. Et on plus venc de temps, plus crec de larguessa e de cortesia
 
e de valor d’armas e de terra e de renda e d’onor, e plus l’ameren li
 
amic, e li enemic lo tensen plus, e crec sos sens e sos sabers e sos trobars
 
e sa gaillardia e sa drudaria.

 

1 bras K   2 doms I  cort  3 tuichs K aquels IK faichs K   5 los] lo IK desmantegutz K aparet IK   6 erec K   7 uolor K. ()

 

Fußnoten:

1) Entrevennes, dép. Bassses-Alpes, arr. de Digne. ()

2) Die röm. Ziffern bezeichnen die Nummern der folgenden Texte. ()

3) Stumpf, Acta imperii . . . im 3. Bande seiner „Reichskanzler“ (Innsbruck 1865—81), Urk. no. 375. ()

4) Danach sind die Angaben von R. Meyer, D. Leb. d. Trob. Gaue. Faid. (Heidelberg 1876), p. 46 und von O. Schultz, Zs. IX 129 zu berichtigen. ()

5) Offenbar dieselbe Urk. hat F. de Marin de Carranrais, L’abbaye de Montmajour (Marseille 1887), p. 55 im Sinn, wenn er sich zur Stütze seiner Angabe, Isn. d’Entr. u. seine Frau Doucel. de Pont, hätten sich dem Kloster Montmajour wohlthätig gezeigt, auf eine Urk. vom 22. Jan. 1213 beruft. ()

6) sc. Isnart. ()

7) Ich habe das Dok. eingehender analysiert, weil es inhaltlich jenem oben angezogenen vom Jan. 1213 sehr nahe steht. Dort war von einem Tausch zwischen der Kirche von Fréjus einerseits, Isn. und Doucel. andererseits die Rede, und das Tauschobjekt war Paracols. Hier nun wird konstatiert, daſs Fulco von P. mit Gerinus von Correns dasselbe Geschäft abgeschlossen hat — wann, wird nicht gesagt, und ich kann bez. dieser Frage nur darauf hinweisen, daſs ein Gerinus z. J. 1209 als Prior von Correns zu rekognoszieren ist (cf. Urk. b. Chantelou, p. 317). Man wird annehmen müssen, Dulcelina habe dem Isn. d’A. nur einen Teil der Besitzungen des Hauses Pontevès zu Paracols in die Ehe mitgebracht, den anderen habe sich ihr Vater zu eigener Verfügung vorbehalten und ihn dann an die Kirche abgetreten. ()

8) Bouche II 241 analysiert eine Urk., aus der hervorgeht, daſs Graf Raimund Berengar 1237 diese von den Pontevès der Kirche von Barjols verkauften Besitzungen an sich brachte. ()

9) Dies ist alles, was über den Trobador Isnart d’A. zu ermitteln war. Wo der Name sonst in Urk. auftaucht — und das geschieht recht häufig —, da handelt es sich teils um den ältesten Sohn des Trobadors, teils um die beiden schon von Springer namhaft gemachten Herren aus dem Hause der Vizgrafen von Marseille. Vielleicht ist auch noch mit einem Enkel des Dichters zu rechnen. Zweifelhaft kann man sein, wem man die Urk. von 1217 (Bouche II 171; Caes. Nostradamus, Hist. et chron. de Prov., p. 176), zuweisen solle, in der ein Isn. d’A. neben Blacatz testiert; vermutlich gehört sie dem Trobador. Der ist möglicherweise auch mit dem Ysnard d’Agoult gemeint, dem zusammen mit Raymond d’Agoult 1224 von Raimund Berengar ein bedeutsames Privileg bestätigt und von neuem gewährt worden ist (Caes. Nostradamus, p. 178; cf. Robert Meyer, a. a. O., p. 47). ()

10) Das ist nach Bartsch Albert de Sestaron. Aber dann würde dieser Trobador zum mindesten früher anzusetzen, als bisher geschehen ist (cf. Chabaneau, p. 328); und andererseits scheint es mir ausgemacht, daſs sich mehrere Dichter — es ist hier nicht der Ort zu untersuchen, wieviele — in die von Bartsch unter no. 16 seines Gr. vereinigten Gedichte zu teilen haben. ()

11) Wenn ich denn überhaupt hier mit meiner Auffassung im Rechte bin; cf. IXa 55 Anm. ()

12) So faſst Éméric-David, Histoire littéraire de la France XVIII 569 die Sache auf. ()

13) Cf. Gui d’Uisel, Gr. 194, 3. ()

14) Ein Mittelding von persönl. Tenzone und Partimen. ()

15) Zu ihnen hat vermutlich auch das Fragment VIII gehört. ()

16) Cf. dazu De Lollis, Giorn. stor. d. lett. it. XXX 179. — Blacatz’ Geständnis, er werde von der Geliebten wiedergeliebt, ist jedenfalls nicht diskreter. ()

17) Daſs dieser Graf persönlich Herrenabendunterhaltungen Geschmack abgewinnen konnte, mag man aus seiner eigenen Tenzone mit Arnaut (Gr. 184, 1) ersehen. ()

18) Man beachte, daſs in beiden Tenzonen der Angriff von Bonafe ausgeht! ()

19) Ged. VI 33 f. ()

20) Diez, L. u. W.2 125 schlieſst die Periode von Peire’s dichterischer Thätigkeit ein in die Grenzen 1175 und (ungefähr) 1215; ebenso Chabaneau, p. 373. Schopf, Beitr. z. Biogr. u. z. Chronol. d. Lied. d. Troub. P. V. (Breslau 1887), p. 38 setzt den Tod Peire’s um die Wende des 1. und 2. Dezenniums des 13. Jhdts. ()

21) Gr. 97, 10 spricht übrigens dafür, daſs Blacatz damals noch jung oder in den besten Jahren gewesen ist, weil er selbst sich über seines Gegners greisenhaftes Aussehen lustig macht (v. 10). De Lollis, p. 37 Anm. hat freilich aus V. 51—52 gerade das Gegenteil entnehmen wollen, hat aber zuviel herausgelesen. ()

22) Angemerkt sei noch, daſs von den Gedichten, die de Lollis von Maus übernommen hat, Bertr. de Par. nur z. T. nach obigem Schema gebaut ist, daſs Daude de Pr. 6 die Reime in den einzelnen Str. versetzt und Rayn. de Tres Sauz. 2 französisch ist. ()

23) Vielleicht ti. ()

24) Rayn. V 335 kennt nur dies eine Beispiel für estenensa, das er fälschlich für eine Nebenform von abstinensa hält (cf. P. Meyer, Romania XXI 221 über die gleiche Vermischung von abstener und estener bei Rayn.). Das Wort ist nicht selten; ich verweise nur auf M. G. 62, 545 und 711, Bartsch, Chrest. 317, 14 und Bernhardt, D. Werke d. Trob, N’At de Mons (Heilbronn 1887) II V. 936, 945, 955. ()

25) Cf. O. Schultz, Zs. IX, 129. ()

26) Nach Maus, no. 278. Das Ged. ist ungedruckt. ()

27) Jahresbericht d. Städt. Realschule zu Wiesbaden 1887. ()

28) die sich obendrein eben erst mit Bezug auf Gr. 36, 16 als unzuverlässig erwiesen haben. ()

29) Genau genommen, steht in T nur 96, 10 unter dem Namen Blacatz, 96, 3 ist anonym, schlieſst sich aber unmittelbar an 96, 10 an. ()

30) Millot, Éméric-David und Diez rechnen freilich Gr. 96, 10 u. 3 (in eins verschmolzen) noch zum Eigentum unseres Dichters und haben es Blacatz z. T. sehr verdacht, daſs er seine eigenen Vorzüge darin so herausstreicht, obwohl doch in Wirklichkeit dieser „lächerliche Galimatias“ ein ganz harmloser Scherz ist. ()

31) Die Orthographie folgt der jeweilen zu Grunde gelegten Hs., ohne nach Uniformierung zu streben. Nur u und v sind getrennt. () ()

 

 

 

 

 

 

 

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