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Appel, Carl. Der Trobador Cadenet. Halle a. S.: Verlag von Max Niemeyer, 1920.

106,019- Cadenet

V. 16. Daß der Liebende zugunsten seiner Liebe lügt, sagen uns die Trobadors öfters ohne jede Scheu, s. die Einleitung meines Bernart de Ventadorn S. LXXXVII. Girart de l’Olivier d’Arle nimmt die Liebesangelegenheiten ausdrücklich von der Verpflichtung rechtschaffenen Vorgehens aus, 53, 5 ff.: Om bos deu perdre la testa Ans que·s parta de drechura ; Car qui en far drech s’atura, No·l plai vil faitz d’avol gesta, Ans fug tota via torta, Si fag d’amor non o porta.
 
V. 17. Das zweite e führt nach dem Satz mit quan den Hauptsatz ein.
 
V. 20. Der Vers fehlt in der Hds.
 
V. 22. Jeanroy liest Que d’autra senhoria Non vueill. Aber die Form qued, quez vor vokalischem Anlaut ist bei unserem Trobador gewöhnlich.
 
V. 23. deman ist Korrektur Jeanroy’s für aurai.
 
V. 27. Imperativ und auffordernder Konjunktiv stehen unmittelbar nebeneinander.
 
V. 32. Der Schluß der Strophe ist schwer zu verstehen. Zunächst ist zu bemerken, daß v. 34, wie auch v. 36, eine Silbe zu wenig enthält. Jeanroy schiebt ein tan vor coralmen ein; er ändert im letzten Verse zu: L’amor part silh que tr. m. . . . und übersetzt nun das Ganze: „Et si quelqu’un vous faisait à mon sujet de faux rapports, je vous sais tellement sage que je n’en éprouverais nul dommage. Je sais bien qu’en disant cela je suis coupable, mais je vous aime, noble dame, si profondément que nul au monde ne pourrait s’imaginer mon amour, si ce n’est celle-lâ [même] qui s’y entend mieux que moi (c.-à-d. que vous même).“ Ich verstehe den Zusammenhang der Gedanken dabei nicht, und Jeanroy selbst versieht Korrektur und Übersetzung mit einem Fragezeichen.
Die Silbe, welche im 34. Verse fehlt, wird nicht in dessen zweiten Teil, sondern im ersten einzuschieben sein. Nur dadurch wird die Cäsur korrekt. Im letzten Verse könnte man wieder wie v. 22 qued ieu lesen, oder aber im Anfang (albirar) De l’amor. Aber da mir der ganze Abschluß der Strophe unklar bleibt, wage ich auch hier keine Änderung vorzunehmen.
Es fragt sich, in welchem Sagen des Dichters sein Verfehlen besteht, das eine Schuld (wie Jeanroy übersetzt), aber auch ein Irren sein kann. Läßt man das Sagen auf das Folgende gehen, so würde schwerlich das herzliche Lieben des Dichters als fehlerhaft bezeichnet werden sollen (qu’ieu [lies dafür qued ieu?] vos am, pros domna, coralmen), sondern es kann dann etwa nur die Bezeichnung dieses Liebens als coralmen fehlerhaft genannt werden. Also: „darin fehle ich, daß ich sage, daß ich Euch „von Herzen” liebe, denn niemand in der Welt kann über die Liebe so urteilen wie ich, der ich so Übermaßen viel davon verstehe [und so weiß ich, daß dieser Ausdruck coralmen das Wesen meiner Liebe längst nicht erschöpft]“.
Oder aber das fehlerhafte Sagen ist das Vorhergehende, und das Verfehlen des Dichters besteht dann in der Annahme, daß die Dame ihn nicht infolge der Verleumdungen, die sie hört, verlassen wird. Er nimmt dann diese Annahme zurück, und zwar weil (v. 35/86): „Niemand die Liebe über das allzugute Verständnis das ich von ihr besitze, hinaus beurteilen kann“, d. h.: „ich kenne die Liebe zu gut, um solches Vertrauen wirklich zu hegen, ich weiß wohl, daß die Liebe, die Ihr für mich hegen möget, den Verleumdungen gegenüber doch nicht standhalten wird“. Dann wird man in v. 34 die fehlende Silbe aber anders als oben, oder als es durch Jeanroy geschehen ist, ergänzen müssen, etwa: can qu’ieu vos am . . . „wie sehr ich Euch auch lieben mag“ (das wird Euch doch nicht hindern mich zu verlassen).
Von diesen beiden Auffassungen erscheint die zweite eher annehmbar, wenngleich sie dem Dichter überraschend moderne Denk- und Ausdrucksweise zumutet. Ich würde mich gern einem überzeugenderen Verständnis der Verse fügen, aber wir brauchen, glaube ich, bei Cadenet auch vor Gedanken nicht zurückschrecken, die bei seinen Genossen ungewöhnlich wären.
Übrigens ist das Gedicht uns vielleicht unvollkommen überliefert oder ist sogar vom Dichter nicht vollendet worden. Es enthält nur vier Strophen, und keine Tornada, und bleibt damit hinter dem üblichen Umfang der Lieder Cadenets zurück.

 

 

 

 

 

 

 

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