Notes - Anmerkungen - Notes - Notas - Notes - Note - Nòtas

Appel, Carl. Bernart von Ventadorn, seine Lieder, mit Einleitung und Glossar. Halle a. S.: Verlag von Max Niemeyer, 1915.

070,015- Bernart de Ventadorn

1. gaires ADIK. Im Reim findet sich bei Bernart nur gaire. Hiatustellung des Wortes, die für gaires geltend gemacht werden könnte, begegnet nicht. So bleibe ich bei der Form ohne s.
 
2, 3. In dal möchte Crescini (Atti del Istituto Veneto p. 330) einen Italianisimus der Schreiber sehen. In 42, 41 no·m volh mais d’a sos pes mover aber werden wir die Verbindung der beiden Präpositionen Bernart selbst zuschreiben. Auch v. 3 kann man allenfalls schreiben chans non pot d’al cor mover „von innen heraus“, und der freilich starke Pleonasmus mit dins in v. 2 ist gerade im Bereich der Präpositionen und Adverbien nicht anstößig.
 
10. si ja re no·n sabia aver =si sabia que ja re no·n degues aver.
 
12. Crescini übersetzt: „sempre vi avrò almeno il core propenso, ed assai più n’ho di godimento, perchè vi ho il core propenso ed ogni cura vi rivolgo“. Er versteht also bo cor als „Neigung’’. Aver bo cor wird aber analog sein dem aver malvais cor 24, 17, aver felo cor 29, 36. Bo cor ist die Vorstufe des „cor gentil“ des dolce stil nuovo. So sagt denn auch m’i aten in v. 14 vielleicht nicht, daß sein Streben auf amor gerichtet ist, sondern auf das aver bo cor.
 
15. Crescini liest blasm’en: „Amore ne biasima per grossezza folle gente“. P hat blasmon, a blasman; und so ist blasmen zu lesen, mit der Endung, die ja schon durch den Boethius als limousinisch bezeugt ist, fola gens ist Apposition zu dem in der Verbform liegenden Subjekt.
 
18. Raynouard übersetzt comunal mit „vulgaire, bas“, und das kann das Wort sicherlich bedeuten: „nur gemeine Liebe kann durch den Tadel der Toren zu Falle kommen“. Sollen wir aber hier in amor comunal nicht „gemeinsame Liebe“ d. h. „gegenseitige, erwiderte, belohnte Liebe“ sehen? „Die Liebe kann deshalb nicht schlechter werden, wenn sie keine erwiderte Liebe ist“. Schon die vorige Strophe hat gesagt, daß die Liebe an sich ein Gut sei, auch wenn sie nichts erreicht. Was der Dichter dort mit Bezug auf die eigene Person sagt, wird hier als allgemein giltig ausgesprochen. Und es liegt nicht etwa ein Widerspruch zu v. 29-32 vor, denn dort handelt es sich gerade um die Forderung, die sich aus dem Wesen der Liebe für den Liebenden ergibt, nämlich nichts anderes zu wollen als die Liebe will, d. h. sich in ihren Willen zu ergeben und zufrieden zu sein mit dem, was sie gibt. — V. 19 habe ich anders interpungiert als Crescini.
 
27. Ich sage in schändlicher Weise die Wahrheit, d. h. ich sage die Wahrheit, und es ist schändlich, daß sie so beschaffen ist.
 
35. e·lh lauza „ihr das lobt, das als richtig und verständig erklärt, = das von ihr verlangt“.
 
46. „Der Tag scheint mir Weihnachten“. Crescini übersetzt „solenne, festoso“. Mehr als die solennità wird man die Freude des Weihnachtsfestes hervorheben dürfen. Auf Weihnachten als Tag der Freude und besonders des Genusses hat Chabaneau, Deux Manuscrits zu II, 52 hingewiesen. Als die beste Erklärung der Stelle aber können die Worte Mistrals dienen, mit denen er die bekannte Schilderung des Weihnachtsfestes in seinem Vaterhause beginnt (Moun Espelido, 2. Kapitel, p. 60): Fidèu is us ancian, ah ! pèr éu la majo fèsto èro la vèio de Nouvè.
 
47. ab sos bels olhz espiritaus M’esgarda] Raynonard übersetzt espirital „qui a de l’esprit, qui montre de l’esprit“. Kennt aber das Mittelalter die Bedeutung von esprit, welche Raynouard hier anzunehmen scheint? Bei Bernart kommt esperital sonst nicht vor, esperit dreimal. An zwei Stellen bezeichnet es den Gegensatz des Geistigen zum Körperlichen; 40, 60 wünscht der Dichter mit der Geliebten faire cambi dels esperitz,und die Folge würde dann sein, daß beide eine Gesinnung, einen Willen hätten. Mehr als mit dem modernen esprit werden wir die olh espiritaus mit den spiriti des dolce stil nuovo in Verbindung bringen dürfen. Jede geistige und seelische Bewegung war für diese Poesie bekanntlich das Werk eines spirito. Und diese spiriti zeigen sich natürlich besonders im Auge (s. P. Ercolo, Guido Cavalcanti e le sue rime, Livorno 1885, p. 131: una via negli occhi per la quale passa uno spirito dolente, un amoroso sguardo spiritale; Vita nova ed. Scherillo, Anm. zu 14, 19). Und hier kann denn auch die merkwürdige Stelle Uc Brune(n)cs angezogen werden, Cortezamen mou en mon cor mesclansa, v. 5: enaissi·m sap ferir de sa lansa Amors, qui es us esperitz cortes Que noys laissa vezer mas per semblans, Que d’uelh en huelh salh e fai sos dous lans, E d’uelh en cor, e de coratge en pes (Toblerband S. 69). So sind denn die olhz espiritaus wohl weniger „geistvolle Augen“ als Augen, in welchen die Geister seelischer Erregungen, und vor allem der Geist der Liebe, spielen.
 
48. len] zu 3, 10. Sie tut das so lässig, so zögernd, so selten, daß durch das Warten auf einen solchen Blick mir ein Tag wie hundert Tage erscheint.
 
49. dias als nom. sg. im Breviari d’amor durch den Reim gesichert, s. Levy II, 230 b.
 
50. natural „seinem Wesen entsprechend, wie er sein muß, wohlbeschaffen“.
 
52. melher es qui·l (que·l) joi aten ADIK, oder m. me que·l j. a. CGP, oder m. m’es que·l j. a. a? Crescini wählt die Lesart von a, die die beiden anderen kombiniert. Ich würde gern die von A annehmen, denn hier wird die Person, welche der Dichter meint, zuerst als unbestimmt hingestellt; die zweite Tornada aber bringt die triumphierende Erklärung, wer derjenige ist, der die Freude erwartet. Zweifeln macht mich nur, daß DIK quel haben, das mit melher es schwerlich zusammengeht.
 
54. Crescini hält die Lesart von a für richtig: e il detto e il fatto ed il gaudio si attende, und damit würden wir gern zufrieden sein. Alle anderen Hdss. haben aber doch nun einmal die 3. Sgl. Praes. Und auch das läßt sich hören. Freilich ist die Anordnung der Verben nicht der zeitlichen Ordnung des Tuns entsprechend: „er macht und sagt und versteht ihn und erwartet davon die Freude“. Aber das ist doch eine gewöhnliche Erscheinung. Ich sehe keinen Grund von der so wohl überlieferten Fassung abzugehen, die übrigens auch Jeanroy (AdM. 16, 436) schon als korrekt empfohlen hat.
Für die beiden Tornaden vgl. Wilhelm IX Pus vezem de novel florir v. 37 ff.: Del vers vos dig que mais en vau Qui ben l’enten ni plus l’esgau, Quel mot son fag tug per engau Cominalmens, E·l sonetz, qu’ieu mezeis me·n lau, Bos e valens (ed. Jeanroy p. 18).

 

 

 

 

 

 

 

Institut d'Estudis Catalans. Carrer del Carme 47. 08001 Barcelona.
Telèfon +34 932 701 620. Fax +34 932 701 180. informacio@iec.cat - Informació legal

UAI