6. Als Reimwort dieses Verses zeigen die Hdss.:
apedit
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AIKMN
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apenˌdit
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D
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apeditz
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V
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aperit
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LOQa
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apit
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C
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pit
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R
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Wir haben uns also zwischen apedit und aperit zu entscheiden. Raynouard kennt weder das eine noch das andere Wort. Levy verweist im Supplwb. I, 68 b, 69 b auf Stichel. Dieser bringt unsere Stelle unter beiden Formen als „begehren“, bez. „anfangen“; bei apedir aber auch eine aus Giraut de Bornelh nach der Bartsch’schen Chrest. Es heißt dort (6. Aufl. 113, 33 ff.) nach einer Strophe, die besagt, daß man den nicht bessern kann (franher i podetz mil bastos), der gute Lehren nicht hören will:
Per sagra- men c’om me plevis,
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non creiria, qu’ans tem que i perc
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mos chastics que totz bes assis ;
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pos trop l’esfreda l’apedirs,
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ja coill’ ardit, desc’ aura mes
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s’entencion en sos affars,
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que mentre qu’es mancips e tos,
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l’eschai solatz e pretz e dos.
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Bartsch übersetzt „convoiter, begehren“, bez. (6. Aufl.) „convoitise“. Die Varianten sind bei Kolsen S. 425 zu finden. Wir sehen da, daß apedirs in ABDDcN stellt, aperdirs in IK, apendiç in Q, aperdis Sg, apertris in T. Auch hier zeigt das Schwanken der Hdss. die geringe Gebräuchlichkeit des Wortes.
Wie Bartsch verstanden hat, ist schwer zu sagen. Etwa: „Bei Eid den man mir schwören mag, ich würde nicht glauben (daß er sich bessern würde), denn ich fürchte vielmehr, daß ich meine Zurechtweisungen verliere ... ( 1) Wenn ihn Begehren sehr erschreckt, möge er Mut fassen, sobald er seinen Sinn auf seine Sachen gestellt hat, denn so lange er jung ist, ziemt ihm Unterhaltung, Preis und Freigebigkeit“. Ist aber nun die convoitise die eigene Begehrlichkeit, die eigene Habsucht? (vgl. v. 30 qui·s fai de l’autrui cortes, pos del seu sera sobr-avars, ges no m’es vis, aport razos c’a lui repaire·l guizerdos), oder ist es die Begehrlichkeit seiner Lehnsmannen, der Spielleute etc., die ihn erschreckt? Ich möchte lieber
die stärkere Interpunktion hinter apedirs setzen, apedir als das eigene „Begehren, Wollen, Streben“ verstehen: Alle gute Lehren bleiben vergeblich, wenn den zu belehrenden das Streben (nach dem Guten) erschreckt. Er fasse aber Mut, sobald er seinen Sinn auf das eigene Tun gerichtet hat; dann wird er einsehen, was ihm ziemt, und sich danach bemühen. ( 2)
Die Grundlage für die Deutung des Wortes als „begehren (auch Levy, Petit Dict.: demander, convoiter), streben“ ist natürlich die Annahme, daß wir es mit lat. appetere zu tun haben. Diese Annahme ist keineswegs unbedenklich, denn das Wort ist volkstümlich in den romanischen Sprachen kaum vorhanden. Als Lehnwort aber sollte es t haben, wie es in apeter, apetimen usw. in der Tat hat. Und auch die Bedeutung ist für unsere Stelle nicht eben überzeugend: „in dieser Singweise, die ich erstrebt habe“. Eine bessere und vor allem sicherere Erklärung des Wortes aber vermag ich auch nicht zu geben. Aperit würde gleichfalls ein, sonst unbelegter, Latinismus sein: „diese Singweise die ich (eröffnet) aufgedeckt habe“. Die Verwendung könnte sich dann vielleicht durch irgend eine lateinische, dem Dichter vorschwebende Stelle erklären.
Um endlich alle etwa auftauchende Möglichkeiten zu erwägen: pes ist, wie im Verse der Versfuß, so in der Musik der „Takt“ (bei Dante dann bekanntlich das vor der Strophenmitte wiederholte musikalische Sätzchen), so könnte also apedit hier etwa heißen: „die Singweise die ich in pedes gebracht habe“. Das würde aber bei Giraut gänzlich versagen.
16. Auch mentre, aus ADF, ist möglich. Es heißt dann „da“, s. Peire d’Alvernhe 15, 36.
26. Es wäre leicht, die Form leve zu umgehen, indem man entweder eine der anderen Lesarten aufnimmt oder etwa leu un tal crit liest (s. CQR leuon t. c.), wobei dann leu I t. c. die Grundlage für A etc. werden konnte; aber sie darf wohl bleiben.
31. Vire zeigt, daß torn und volv erste Personen sind. Oder ist vire selbst, wie 30, 1, dritte Person: „Freude dreht und wendet mich“? Im Sinne würde das eine ebenso gut passen wie das andere.
36. Nur eine, untergeordnete, Hds. hat can. So ist cum nicht leicht anzutasten.
Für revolver bestätigt unsere Stelle die Bedeutung „einwickeln, umhüllen“, welche Suchier aus „Sünders Reue“ v. 5 erschließt (Dkm. I, 214).
Es liegt nahe, diesen Vers mit dem Aufenthalt Bernarts in England in Verbindung zu bringen.
41. Die Wiederholung des Reimwortes ist sehr auffallend, aber durch die Hdss. gesichert. Bernart hat vielleicht in non es a dire eine genügend starke Abweichung der Bedeutung gesehen, um die Wiederkehr des Wortes zu rechtfertigen. Auch chauzit begegnet 35 und 53, dolha 16 und 34. Der Dichter scheint in diesem Liede besonders sorglos inbetreff der Wiederholung der Reimwörter verfahren zu sein.
45. dels bratz nur in V, das zwar gelegentlich besonders gute Überlieferung zeigt; hier aber doch in seiner Vereinzelung nicht hinreicht, die Lesart zu stützen. Der Plural wäre freilich zu erwarten, wenn man in Ovid, Amores II, 18, 9 : Implicuitque suos circum mea colla lacertos die Quelle für diesen Vers Bernarts sehen wollte.
54. Die Vorlage scheint eine Silbe zu wenig gehabt zu haben. Ebensowohl wie durch en (aus DIKV) kann der Vers natürlich auch auf andere Weise vervollständigt werden.
59. Auch sein Singen und sein Frohsinn gehören zu seinem Dienst. So schließt sich der Gedanke an das Vorhergehende und rechtfertigt, gegenüber A, die Stellung der Verse.
64. De Cor begegnet in 22, 64 als Versteckname. So liegt hier vielleicht ein Wortspiel vor.
66. asolver] die Liebe löst mir den Gesang, löst mir Herz und Zunge zum Gesang.
Fußnoten:
1) que totz bes assis? Glossar assis „établi“. Lies etwa: que totz ben assis „die ich alle wohl anbrachte“? Vgl. assire in unserem v. 5. (↑)
2) Ganz anders Kolsen, dessen Deutung aber sicher abzulehnen ist. (↑) |