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Ernst, Willy. Die Lieder des provenzalischen Trobadors Guiraut von Calanso. "Romanische Forschungen", 44, 2 (1930), pp. 255-406.

243,011- Guiraut de Calanson

1. benestan. Verstoß gegen die s-Regel; ebenso in v. 2 prezan.
 
12. si. Jeanroy faßt si tot in dem naheliegenden Sinn der Konzessivkonjunktion auf; doch entsteht dann eine Schwierigkeit in v. 15: der nachfolgende Hauptsatz kann doch wohl nicht mit e eingeleitet werden; das bleibt von J. (vgl. seine Übersetzung) unberücksichtigt! Ich verstehe si in der Bedeutung „und” (zur Einleitung eines koordinierten Satzes dienend); es könnte auch unübersetzt bleiben: die in n. 12, 15 u. 17 beginnenden Sätze sind koordinierte Hauptsätze; vgl. Levy SW; Appel, Chrest. s. v. – tot al cor = ganz im Herzen, im Innersten meines Herzens.
 
19.que·l. Jeanroy hat que·ls, was natürlich nicht möglich ist, da es sich um den nom. sg. des bestimmten Artikels handelt.
 
24. dan. Es ist auf die Nichtbeachtung der s-Regel aufmerksam zu machen.
 
30–33. Die Festlegung des Textes ist mit Schwierigkeiten verknüpft, zumal die Überlieferung von R in der ganzen Cobla heillos verderbt ist. Ich folge also (wie Jeanroy) in Ermangelung von klärenden Varianten der Lesart von C und nehme auch die von J. vorgeschlagene Emendation v. 30 lunh : lunhs auf, ohne mich aber J.s Auffassung dieser Stelle ganz anschließen zu können. Er interpretiert: „mais mon talent ne peut suffire à louer (convenablement) sa valeur ; et pourtant (je me dis que) celui-là conquiert . . .” In der Anmerkung dazu heißt es: „Le sens est douteux et la liaison des idées est si faible que le contexte ne nous éclaire pas. On pourrait comprendre aussi: ‘Le fait de la louer ne me rapporte rien ; il faudrait en ce cas ‘lauzars’, mais nous venons de constater une autre faute contre la déclinaison” (v. 24). Dieser letzteren Auslegung glaube ich nicht zustimmen zu sollen. Meine Auffassung von der Stelle ist folgende: „Ich habe nicht die Fähigkeiten, die mir helfen könnten, sie, die die Schönsten übertrifft an Vortrefflichkeit, zu preisen; darum bleibt mir eben nichts übrig, als sie um Gnade zu bitten (v. 25); denn die Achtung seines Herrn verdient sich ja doch nur der Lehnsmann, der imstande ist, ihn zu lieben und zu lobpreisen.” Damit ist also die Begründung für das „quier merces” gegeben, zugleich aber ein Dilemma angedeutet. – Für den Gebrauch von aver in übertragener Bedeutung = „geistiger Besitz” weiß ich keinen Beleg zu geben; daß der Annahme dieser Bedeutung aber nichts im Wege stehen dürfte, zeigt m. E. aver = apprendre (Levy, Petit Dict.); daß sie vorliegen muß, unterstreicht wohl auch Hs. R: nulha res no m’aonda . . . neys mos sabers.
 
31. aonda·l. Auch die Schreibung aond’ a·l wäre denkbar.
 
34. Jeanroy vermutet: „Il doit après 33 manquer une strophe, le sujet de ‘an’ devant être, non la dame, mais la chanson, mentionnée sans doute dans les vers manquants.” Die Interpretation lautet also: „S’il lui plaît ainsi (à ma dame) je veux que . . . elle (ma chanson) s’en aille.” Die Vermutung scheint sich durch folgende Tatsachen stärken zu lassen: 1. In R folgt nach v. 44 ein weißer Zwischenraum, der sehr wohl für den Nachtrag einer fehlenden Cobla nach einer anderen Vorlage gedacht sein mochte. 2. Die Abweichungen in R für v. 23–33 sind so bedeutend, daß man, falls man nicht ein Niederschreiben der Verse nach dem ungefähren Gedächtnis annimmt, an Kontamination zweier Coblen denken könnte, zumal sich auch Differenzen zeigen bezüglich der Reimworte, die doch im allgemeinen richtig überliefert zu werden pflegen (25 merces C: promes R; 27 gensors : folors; 30 avers : res bzw. sabers). 3. Alle anderen bekannten Gedichte Guirauts von Calanso haben mindestens fünf Coblen; es pflegt überhaupt die Strophenzahl der Kanzonen zwischen 5 und 7 (selten 8) zu wechseln (s. Diez, Poesie S. 77, 78); vgl. Leys d’amors (Appel, Chrest. S. 197): „Vers es us dictatz en romans que compren de ·v· coblas a ·x· amb una oz am doas tornadas”, und (a. a. O. S. 198): „Chansos es us dictatz que conte de ·v· a ·vii· coblas.
Ich möchte aber auch folgende Überlegung mitteilen: Wenn tatsächlich keine Strophe ausgefallen ist, wäre das Gedicht als Halbkanzone (mieia chanzo) aufzufassen. „Es scheint, als habe man durch diese halbvollendeten Minnelieder ein Übermaß des Schmerzes oder der Sehnsucht andeuten wollen, insofern dieses die Mittheilung der Gedanken plötzlich zu unterbrechen vermag.” (Diez, Poesie S. 96). Beispiele: Peire Bremon 15, Gaucelm Faidit 63, Clara d’Anduza 1. Dann könnte eine geringfügige Emendation Sinn in den Zusammenhang bringen. Man ändert sil plai der Hss. in sel plais (= diese Angelegenheit); ein Mißverständnis eines Abschreibers durch Verwechslung mit der häufigen Formel „si·l plai” wäre durchaus denkbar. Es würde noch erklärlicher, wenn man sel platz annehmen wollte; Levy SW 6, 332 belegt „platz” (1). – Es ergäbe sich demnach folgender Sinn dieser Stelle: in v. 30–33 ist, wie ich oben dargelegt habe, ein Dilemma ausgedrückt. Der Dichter wendet sich nun zur Beurteilung der Verhältnisse und um Rat an den König: „Ich will, daß diese Angelegenheit ohne jegliche Falschheit vor den guten König der Aragoneser gehe.” Da Peter II. (vgl. Anm. zu v. 36) ein bekannter Gönner der Trobadors ist und sich selbst in einem partimen in französischer Sprache mit einem unbekannten Ritter namens André dichterisch versucht hat (Jeanroy, Les troubadours en Espagne S. 147–48), da es außerdem bekannt ist, daß sich die Dichter zur Beurteilung ihrer „poetischen Diskussionen” bzw. ihrer Dichtungen überhaupt Gönner und Gönnerinnen aussuchten, denen sie sie widmeten (s. Anglade, Les troubadours S. 97), dürfte die dargelegte Auffassung unserer Stelle zu erwägen sein.
trestot. Tres ist von späterer Hand in C über der Zeile eingefügt; ob nach einer (uns nicht bekannten) Vorlage oder nur zur Schaffung der nötigen Silbenzahl muß dahingestellt bleiben.
 
36. rei dels Aragones ist Peter II. von Aragon (1196–1213), dem auch Nr. 4 unseres Dichters gewidmet ist. Vgl. Jeanroy, A. d. M. 17, 488 (Anm. zu IV, 36); Reeb, S. 47.
 
43. als sieus bleibt bei Jeanroy unübersetzt. Ich verstehe: sie können nur zu den Seinen gelangen, wenn sie sagen . . .; „zu den Seinen” soll heißen, seine Lehnsleute, seine Hofdichter, von ihm angestellt, bezahlt zu sein; oder mindestens ein Geschenk zu erhalten. Ich erblicke hierin eine Anspielung auf die largueza des Königs, auch mag darin eine Bitte des Dichters liegen, selber einer der sieus zu werden.
 
45–46. Jeanroy gibt an, daß diese beiden Verse in R fehlen; auch wieder Jongleurs, S. 49; ebenso Bergert, S. 16 (nach J.). Dem ist aber nicht so. Es folgt in R auf v. 44 ein weißer Zwischenraum, dann stehen v. 45–46 unmittelbar vor dem folgenden Gedicht. Wegen der möglichen Entstehung dieser Lücke vgl. Anm. zu v. 34.
 
45. Über Maria de Ventadorn vgl. Einleitung, Anm. 3.
 
 
Fußnoten:
 
1) Allerdings setzt er diese Form als obliqu. sg. an mit S. de Grave. Die mitgeteilte Stelle bei Bert. d’Alamanon 6, 28 zwingt m. E. nicht zur Annahme dieser Form, da es sich um den obliqu. plur. handeln könnte. Jedenfalls ist aber der nom. sg. platz damit gesichert. ()

 

 

 

 

 

 

 

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