Notes - Anmerkungen - Notes - Notas - Notes - Note - Nòtas

Ernst, Willy. Die Lieder des provenzalischen Trobadors Guiraut von Calanso. "Romanische Forschungen", 44, 2 (1930), pp. 255-406.

243,001- Guiraut de Calanson

1. Im allgemeinen bietet S die bessere Lesart. Da diese Handschrift das Descort aber nur bis v. 78 überliefert, folge ich in der Orthographie N, das vollständig ist.
 
3. per bon’ aventura ziehe ich zu meillura, nicht wie Jeanroy, Jongleurs S. 67, zum folgenden Vers. (Allerdings bezeichnet J. selbst seine Interpunktion S. VIII als „évidemment très provisoire”). Der Dichter ist froh, daß der Winter „glücklicherweise” endlich vorüber ist.
 
5. de joi e d’amor. Mit joi „bezeichnete man Lebensfreude, Festfreude, gesellige Freude, heitern Lebensgenuß; im besonderen auch das, was man als Hauptquelle der Lebenslust ansah, Liebesfreude” (Wechßler, Kulturprobl. S. 35). Zu den Aufgaben des Sängers gehörte es, joi zu verbreiten (a. a. O. S. 40). Da hier joi mit amor zusammensteht, wird es Lebensfreude im allgemeinen bedeuten, wie auch amor hier ganz umfassend abstrakt aufzufassen ist.
 
7. aura. Rayn. führt aurar auf Lex. Rom. III, 541: aorar, aurar, ahurar = heurer, rendre heureux, devenir heureux. Diese Bedeutung scheint mir aus den angeführten Beispielen nicht hervorzugehen. P. von Auvergne: Meilluratz . . . es cui jois aora wird zitiert nach Hs. E, während die richtige Form aura, die auch durch den Reim gesichert ist, sich in T (und V) findet. Die Bedeutung ist: „veredelt . . . ist, wem Freude verheißen wird” (Zenker, P. v. A. S. 164). Die Belege Raynouards für aurar, ahurar gehören vielmehr zu augurar, agurar = prédire, augurer (Lex. Rom. II, 143).
 
9. pejura. Mahn, Gedichte 284, schreibt pezura, was wohl verlesen ist.
 
9–10. Zitiert Raynouard, Lex. Rom. 11, 117 (nach S). Ich lese aber (mit N): s’ieu ai ardura, da ich nicht sehe, worauf sich n’ beziehen sollte. Rayn. übersetzt: „Donc si j’en ai la brûlure, je couvre ma douleur.” En könnte nur eine vorhergenannte Person, die Geliebte, meinen. Diese wird aber erst v. 13 eingeführt.
 
13. que·l fassa centura. Faire centura auch bei G. von Cabestaing (Gr. 213, 4): Que·m volcsetz far de vostres bras centura (Rayn. Lex. Rom. II, 376 attribuiert das Gedicht mit CR dem G. Figueira). – Sowohl die Lesart von N: que·l faz sentura, wie die von S: que·l fi centura ist nicht sinngemäß. Vielmehr scheint mir ein Wunsch auszusprechen zu sein: que·l fassa centura. Dann hat der Vers fünf Silben. Mit Rücksicht auf das in der Symmetrie entsprechende Schema von v. 1–11 ist demnach hinter v. 11 ein m. E. auch sinngemäß zu erwartender Viersilbner (Reim: -ura) einzuschieben, etwa des Inhalts: ich hege den Wunsch (s. auch Anm. zu v. 18).
 
18. v. 18–21 sind so, wie sie überliefert sind, mir unverständlich. Es muß v. 19 ausgefallen sein, der ein Objekt zu asegura und ein Prädikat zu mos cors enthielt. Die Symmetrie der Schemata v. 1–11 und v. 12–22 fordert einen Fünfsilbner mit dem Reim -ura.
 
22. qui = wenn jemand. Es liegt der bekannte Fall einer confusio duarum constructionum vor. Bei dem Gedanken: trop es grieu perlongar schwingt eine zweite Vorstellung mit: trop es grieu de tal qui perlonga (s. Schultz-Gora, Elem. B. § 198).
 
24. Asyndetische Zusammenstellung zweier Gerundien, „die Verwandtes oder auch Gegensätzliches bezeichnen”, ist recht häufig im Altprovenzalischen. Vgl. Schultz-Gora, Zs. f. rom. Ph. 16, 513; ders., Elem. B. § 187.
 
25. qu’ans. Ich schlage diese Konjektur vor, da mir das handschriftliche quant (nur in S) weder temporal noch kausal aufgefaßt rechten Sinn zu geben scheint. Der logische Zusammenhang der ganzen Stelle ist überhaupt etwas locker.
 
27. S. Anm. zu v. 24.
 
29–30. Ich verstehe: ich schätze aber den Schaden nicht; der Schaden besteht darin, daß sie non li es aizida. Blandir = „schätzen, sich etwas machen aus” belegt Levy SW 1, 148.
 
36. ten. Lesart S gibt keinen Sinn; ten ist zu entnehmen aus N, v. 35: queu naten.
 
40. tolla = tuella, tuelha von tolre < tollĕre (vgl. Grandgent § 37).
 
45. membres li. Der Konj. Imp. findet sich in Wunschsätzen, in denen die Erfüllung des Gewünschten als zweifelhaft oder unwahrscheinlich gedacht ist; vgl. Stimming, B. de Born, Anm. zu 10, 79, wo Beispiele aufgeführt werden.
 
46. benenansa fasse ich in objektivem Sinne auf: sie hätte daran denken sollen, mir zum Glück zu verhelfen; Text N: sol d’avenença hat zwei Silben zu wenig.
 
52. outramari. S hat autramari, N entremaris. (M. G. 284 eutramaris muß Druckfehler oder verlesen sein.) Es ist auffällig, daß beiden Abschreibern das Wort nicht bekannt scheint (obwohl allerdings Verlesen von o und a häufig ist), zumal es selbst bei schlechter Vorlage in Verbindung mit pelegrî auf der Hand liegen dürfte. Rayn. Lex. Rom. IV, 154 führt zwei Beispiele an; bei Crescini, Manuale, finde ich im Glossar: outramar) Levy, P. D., verzeichnet: oltramarin.. Das Wort mag nicht recht gebräuchlich gewesen sein.
 
53. Der eindrucksvolle Vergleich des hoffnungsvollen Liebhabers mit dem gläubigen Pilgrim ist wohl Eigentum unseres Dichters. Stössel verzeichnet nichts Ähnliches.
crezon. Hs. S. ist unverständlich, N hat crezen, was grammatisch möglich ist. Doch macht diese Lesart den Vergleich undeutlich: es wäre die Dame in diesem Falle das tertium comparationis; es sind aber doch offenbar die Parallelen: Dame : vertrauender Liebhaber und Christus (oder der Papst?) : gläubiger Pilger zu ziehen.
 
54–56. Der Sinn ist: Wenn Christus (oder der Papst?) dem Vertrauen der Pilger entspricht durch Erteilung der Absolution, so muß auch ich von meiner Dame Gnade erwarten dürfen, dann wird es nicht mein Unglück sein, sie gesehen zu haben.
 
54. se·ls. Beide Hss. sind ungenau; sie geben aber zusammen die richtige Lesart. Subjekt des Satzes ist: om de perdonansa.
 
55. mala = „malheureusement, . . . pour son malheur” (Levy, P. D.).
 
56. Mon Sen ist wohl am besten als senhal aufzufassen. Anc mala vi mon sen ni sa gai asemblansa wäre mir unverständlich; oder ist statt mon: son zu schreiben? Die Bedeutung von „Mon Sen” als senhal wäre: „mein Sinn, Verstand”, d. h. sein ganzer „Sinn” ist auf sie gerichtet. Wer damit bezeichnet sein möchte, ist nicht zu entscheiden. Bergert nennt keinen entsprechenden Verstecknamen.
 
61. Der Vers trägt den Charakter einer allgemeinen Lebensweisheit. Ähnlich bei Elias Cairel (Gr. 133, 6, Cobl. 5; Choix III, 433): Mas per servir bon senhor humilmen Ai vist paupre venir ric e manen. Vgl. auch Cnyrim, Sprichwörter Nr. 122–125.
 
67. crezia. Creire = willfahren belegt Levy SW 1, 405.
 
69. romaria. Diese Form hat N, während S romavia schreibt. Es finden sich beide Formen. Rayn. Lex. Rom. V, 108 zitiert diese Stelle nach S: faire romavia = faire pèlerinage. Ihm ist romaria nicht bekannt. Levy SW 1, 374 bringt Belege für romaria. Er zitiert unsere Stelle nach M. G. 284 = N; daneben läßt er auch romavia gelten. Sternbeck, Unrichtige Wortaufstellungen in Raynouard’s Lexique Roman, streicht romavia.
Das Primäre ist ohne Zweifel romaria, romeria (Ableitung von prov. romier, mit Suffixwechsel von rom(i)ęu < lat. romaeus „Pilger”; vgl Meyer-Lübke, Etym. Wörterb. 7368) in der ursprünglichen Bedeutung einer „Reise nach Rom”, dann mit Bedeutungserweiterung „Pilgerfahrt” allgemein. Dieser Form stehen zur Seite: span., kat. romeria, port. romaria. – Daneben werden aber im Provenzalischen Formen wie romavia, romavatge, romaviatge unter Einfluß von via, viatge sekundär entstanden sein, so daß Levy wohl zu Recht beide Formen ansetzt. Vgl. auch Philippson, Der Mönch von Montaudon S. 64, Anm. zu V, 47.
 
70. Über ähnliche Vergleiche, in denen der Dichter die Liebe höher stellt als sein Seelenheil, vgl. etwa Diez, Poesie S. 144.
 
76. ser. Das r ist gegen beide Hss. durch den Reim gesichert.
 
77. part son voler = er teilt seinen Willen, d. h. wohl, er ist wankelmütig, er weiß nicht was er will, er kommt nicht zur Ausführung seines Vorsatzes (?); s. G. Faidit (Gr. 167, 56): s’om pogues partir son voler, wo die genaue Bedeutung ebenfalls zweifelhaft ist.
Als Gegensätze sind zu betonen de ser und el dia: wer schon am Abend (= heute) nicht den Mut findet, sich zu erklären, der wird ihn auch am Tage (= morgen) nicht finden.
 
79. cobra schlage ich vor statt cobrar der nunmehr einzigen Handschrift N (diese Emendation sowohl wie alle folgenden muß sich natürlich, wie in allen Fällen, wenn nur eine Hs. vorliegt, auf bloße Vermutungen stützen). Das logische Objekt zu cobra ist voler.
 
87. fezes. Objekt hierzu ist wie zu ren (v. 86): doler.
si·us plazia. Die Hs. hat sieu, was nicht verständlich ist.
 
89. con. Die Fragekonjunktion scheint berechtigt infolge des mitschwingenden Gedankens: wie sollte ich zu eurer Wertschätzung kommen?
prezatz. Die Hs. hat prezar, was keinen Sinn gibt.
 
90. valer = avoir du mérite (Levy, P. D.), hier nämlich: „soviel Wert zu haben, daß ich eurer würdig bin”.
 
91. jorns gegen handschriftliches jorn.
 
92. vire. Die Hs. hat vaire, was unmöglich ist, da der erforderliche Reim auf -ire nicht vorhanden ist. Ich schlage das sinnentsprechende vire (1. sg. praes. ind. von virar) vor, als Reimwort belegt bei Erdmannsdörffer, Reimwörterbuch S. 190. Da die Hs. eine Silbe zu wenig hat, ist Ausfall von que anzunehmen, abhängig von castia.
 
95. Dem Vers fehlt eine Silbe. Ich ergänze es; auch er ist denkbar.
 
98. s’ieu consire. Ich verstehe: wenn ich darüber nachdenke, so komme ich zu dieser Erkenntnis.
consirar ist der Gegensatz zu remirar (v. 102). „Es bedeutet (intr.) nachsinnen, nachdenken; (trans.) in Gedanken betrachten” (Wechßler, Kulturproblem S. 223). Also die Phantasie des Dichters läßt ihn glauben, daß seine Dame ihn erhören werde, aber die gegensätzliche Wirklichkeit, „can remire vezen votre cors”, widerlegt diese Vorstellung, ist dann um so schmerzlicher und erhöht nur seine Qual.
 
99. attire. Altire der Hs. ist unverständlich.
 
100. mi dons. Die Hs. hat mi dan, was ich nicht verstehe.
 
104. deu·s gegen handschriftliches des macht keine Schwierigkeiten. Vostre cors, que deu·s conquerer = „euch, die ihr erobert werden müßt”; reflexive Konstruktion im Sinne der passivischen; vgl. Stimming, B. de Born S. 180, Anm. zu 16, 11.
 
105. Nach dem einwandfreien v. 107 ergänze ich auch v. 105 zum Sechssilbner: Camors der Hs. zu car amors; o bezieht sich auf conquerer: die Liebe garantiert mir, daß ich euch erobern werde.
 
107. seignoria ist einer der vielen aus dem Lehnswesen entnommenen Ausdrücke der Trobadors zur Bezeichnung des Verhältnisses zwischen Dame und Sänger. Vgl. hierüber die interessanten Ausführungen von Wechßler, Kulturproblem und Frauendienst und Vassallität.
 
108. Der Vers hat handschriftlich eine Silbe zu wenig. Meine Konjektur kann nur ein Vorschlag sein; aver ist durch den Reim gesichert. Der Sinn entspricht einem in der provenzalischen Lyrik häufig wiederkehrenden Bilde. Vgl. auch Anm. zu v. 61.
 
109. Der Vers hat eine Silbe zu wenig (s. Anm. zu v. 105). Ich ändere sinngemäß eus in en vos, was keine Schwierigkeiten macht.

 

 

 

 

 

 

 

Institut d'Estudis Catalans. Carrer del Carme 47. 08001 Barcelona.
Telèfon +34 932 701 620. Fax +34 932 701 180. informacio@iec.cat - Informació legal

UAI