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Deutsch
A. Stimming

I. Wann die Tage lang sind im Mai, gefällt mir süsser Vogelsang in der Ferne, und wann ich davon geschieden bin, so denke ich an eine Liebe in der Ferne: da gehe ich an Gemüth betrübt und gebeugt einher, so dass nicht Sang noch Weissdornblüthe mir mehr gefällt als der eisige Winter.
 
II. Nie werde ich mich über eine Liebe freuen, wenn ich mich nicht freue über diese Liebe in der Ferne; denn eine schönere und bessere weiss ich nicht an irgend einem Orte, weder nah noch fern; so wahrhaft und echt ist ihr Werth, dass ich dort im Reiche der Sarazenen um ihretwillen Gefangener genannt werden möchte.
 
III. Betrübt und freudig werde ich scheiden, wenn ich diese Liebe in der Ferne sehen werde; aber nicht weiss ich, wann ich sie sehen werde; denn zu sehr sind unsere Länder entfernt; genug Wege und Stege giebt’s da, und deswegen bin ich kein Seher (= kann ich’s nicht wissen); aber es sei ganz wie es Gott gefällt.
 
IV. Wohl wird es mir Freude scheinen, wenn ich von ihr um [der Liebe] Gottes Willen Herberge in der Ferne erbitten werde und, wenn es ihr gefällt, so werde ich nahe bei ihr wohnen, obwohl ich in der Ferne bin; dann wird die Unterhaltung fein erscheinen, wenn der ferne Liebhaber so nahe sein wird, dass er mit schönen Reden Kurzweil geniessen wird.
 
V. Wohl halte ich den Herrn für wahrhaft, durch den ich die Liebe in der Ferne erblicken werde; aber für ein Gut, das mir von ihr zu Theil wird, habe ich zwei Uebel von ihr, weil sie für mich so weit in der Ferne ist; ach! wäre ich doch dort ein Pilger, so dass mein Stab und mein Kittel von ihren schönen Augen gesehen würde!
 
VI. Gott, welcher Alles machte, was kommt und geht und der diese Liebe in der Ferne schuf, gebe mir Macht — denn den Wunsch habe ich dazu — dass ich in Kurzem die Liebe in der Ferne sehe, wahrhaft, am bequemen Ort, so dass das Zimmer und der Garten mir alle Zeit einem Palaste gliche.
 
VII. Wahr sagt, wer mich lecker nennt und nach einer Liebe in der Ferne lüstern; denn keine andre Freude gefällt mir so, wie der Genuss einer Liebe in der Ferne; aber das, was ich begehre, wird mir so sehr vorenthalten! denn so feite mich mein Pathe, dass ich liebte und nicht geliebt würde.
 
VIII. Aber das, was ich begehre, wird mir so sehr vorenthalten! ganz verflucht sei der Pathe, der mich feite, dass ich nicht geliebt würde!

 

 

 

 

 

 

 

 

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