I |
1 |
Von Euch, die ich (Euch) zur Herrin und Gebieterin habe, |
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Werte Herrin, möchte ich Gnade erflehen |
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Um einer Liebe willen, die mir von Euch her kommt, |
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Die mich derartig bedrängt, daß ich, wenn Ihr mir nicht binnen kurzem |
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5 |
Freundlich helft, nicht am Leben bleiben kann. |
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Und noch niemals wagte ich, es vor Euch sichtbar werden zu lassen, |
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Und wenngleich ich aus diesem Grunde hundertmal vor Euer Angesicht gekommen bin, |
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So wage ich doch dann, wenn ich Euch sehe, nicht, Euch meinen Wunsch zu sagen. |
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II |
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Bevor ich Euch noch sah, hegte ich so treue Liebe zu Euch, |
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Daß ich weder jemand anders noch mich (selbst) so sehr liebte; |
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Als ich Euch dann sah, verdoppelte sich die Liebe sogleich, |
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Und ich fand Euch vor meinen Augen sehr vie! hübscher, |
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Als ich (es) drinnen in meinem Herzen (je) wünschen konnte, |
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Sodaß sie (die neue Liebe) mir jede andere Liebe aus dem Herzen trieb; |
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15 |
Aber die Eurige trennt sich ganz und gar nicht von ihm, |
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Und dennoch gab es in ihm niemals eine so große (Liebe). |
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III |
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Zieht mir gegenüber nicht Eure Vornehmheit in Betracht! |
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Herablassung ziemt es sich dabei zu beobachten |
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Bei der Liebe Gottes! Und wenn anderes mir nichts nützt, |
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20 |
Möchte es mir nicht schaden, wenn ich Euch meine Klage vortrage; |
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Denn, Herrin, ich kann mich dessen gar nicht enthalten, |
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So sehr zwingt mich die Liebe, die mich in ihrer Gewalt hält; |
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Und des Herren Befehl muß man ausführen, |
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Weil man sich keineswegs von ihm trennen kann. |
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IV |
25 |
Bei Euch mögen mir die Späher nicht schaden |
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Und die Verleumder, denen Gott Unglück zu teil werden lassen möge! |
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Wenngleich sie mir bei ihr, die mich und sich betrog, |
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Schaden zufügten, so erhebe ich deswegen keine Klage; |
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Denn in nichts sahen wir sie in Folge davon (, daß sie mich betrog,) mehr gelten, |
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30 |
Und sie geriet seitdem nur in Verfall (tat nichts seitdem als in V. g.), |
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Weshalb ich sie allezeit zu meinem Schaden geliebt habe; |
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Euch ergebe ich mich (nun) aufrichtig und ohne Trug. |
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V |
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In der Welt gibt es nicht König noch Kaiser, |
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Der mehr an lautern Ruhm (bei sich) haben könnte |
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35 |
Als ich, Herrin, wenn Ihr mir wohl wollt |
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Und mich als Euren Diener zurückbehaltet; |
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In Euch können sich alle meine Wünsche erfüllen; |
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Aber ich nehme mir davon etwas, um das ich nicht zu flehen wage: |
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An jedem Tage fünfhundert Küsse in Gedanken, |
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40 |
Wobei ich weder den Eifersüchtigen noch den Verleumder fürchte. |
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VI |
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„Treffliche Gräfin, Ihr habt einen wahren Beinamen; |
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Denn Ihr seid auf edle Art freigebig und gebt Euer Vermögen aus, |
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Und bereitet (Euch) einen Schatz von edlem, wohlanstehendem Ruhme, |
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Daß keine andere Dame in der Welt ebenso viel gilt.“ |
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VII |
45 |
„Schöne Freundin, von Euch kann ich in Wahrheit sagen, |
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Daß Ihr an lauterm Wert, an Freunden und an Macht |
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Alle Tage reicher werdet und Euch vervollkommnet. |
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Niemand kann besser Wohlanständigkeit pflegen.“ |