I |
1 |
Niemand weiß, was großes Liebesglück ist, |
|
|
Wenn er nicht zuvor erfährt, was es mit dem Leid der Liebe auf sich hat; |
|
|
Doch deshalb, schöne, mächtige Herrin, |
|
|
Zögert nicht länger, mir Ehre zu erweisen, |
|
5 |
Wenn ich sie erlangen soll, und es Euch so beliebt; |
|
|
Doch wenn es Euch nicht gefällt, so ist höfisches Lügen viel wert, |
|
|
Und ich will lieber eine gefällige Lüge anhören |
|
|
Als solche Wahrheit, über die ich allezeit seufzen muß. |
|
|
|
II |
|
Doch wenn Euch mein Wohlergehen und meine Ehrung gefällt, |
|
10 |
So möge es Euch, da ich der Eure bin, auch gefallen, mich zu fördern. |
|
|
Denn reiche Ehre muß sich, je höher und je größer sie ist, |
|
|
Um so mehr hüten, daß sie Minderung erfahre; |
|
|
Denn Ruhm verfällt dort, wo Gnade fehlt; |
|
|
Und ich wollte, daß ein anderer dies sagte, |
|
15 |
Denn Ihr denkt deshalb, weil ich Euch begehre, |
|
|
Daß ich es Euch (nur) sage, um Euch um so besser zu bekehren. |
|
|
|
III |
|
So angenehm machtet Ihr mir Euren Empfang, |
|
|
Daß mir nunmehr scheint, daß es Trug sein würde, |
|
|
Wenn Euch mein Verderben und mein Schade gefiele; |
|
20 |
Denn nie mehr sah ich Euer Mißtrauen, |
|
|
Seitdem es Euch gefiel, mich als den Eurigen anzunehmen. |
|
|
Und ich tat nichts, wodurch ich es verdient hätte; |
|
|
Im Gegenteil, ich bin weit mehr der Eure, als ich zu sagen vermag, |
|
|
Nur weil Ihr mir gegeben habt, woran ich (immer) denke. |
|
|
|
IV |
25 |
Doch da ich Euch nicht sehe, hege ich Furcht und Zweifel, |
|
|
Daß Ihr, die Ihr gut, trefflich, |
|
|
Fröhlich (und) höfisch, hübsch (und) der Rede wohl mächtig seid, |
|
|
Es übel anrechnen möchtet, und ich bin deswegen in Zweifel, |
|
|
Denn wenn mir dadurch Schade entsteht, so ist das Unrecht das meinige, |
|
30 |
Denn ich habe mich so lange fern von Eurem Lande aufgehalten; |
|
|
Denn häufiger sollte man dahin kommen, |
|
|
Wo man zu leben und zu sterben hat. |