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242,013

Deutsch
Adolf Kolsen

Die Lilienblume.
 
I. Große Freude habe ich jetzt, da ich an die Liebe denke (1), die mein Herz in seiner Treue nicht wanken läßt (2). Jüngst kam ich nämlich in einen ganz und gar mit Blumen hübsch bedeckten Garten, in dem die Vöglein sangen (3), und dort in jenem schönen Garten (4) erschien mir die schöne Lilienblume. Sie ergriff meine Augen und erfaßte mein Herz, sodaß ich von nun an all mein Sinnen und Denken nur auf sie richtete, um die ich werben will.
 
II. Ihretwegen singe und weine ich; eine so echte, reine Neigung hat sie in mir erweckt! Meine Seufzer, Bitten und Huldigungen sende ich oft dahin, wo ich ihre Schönheit erglänzen sah. Die Blüte der Frauen, die ich verehre und preise, ist die, die mich so lieblich erobert hat, hold und gut, mild, von großem Geschlechte, edel in ihren Taten, voll aumutiger Unterhaltung und mir gegenüber freundlich vor allen Leuten.
 
III. Sehr glücklich wäre ich, wenn ich es wagen dürfte, ihr Lob zu singen, so da das Anhören (5) allen willkommen sein sollte; nur habe ich Grund zu fürchten, daß falsche, schurkische, widerwärtige und äußerst vermessene Verleumder mich hören könnten und — gibt es doch viele gehässige Menschen, denen das (6) nicht gefällt! — daß man nachspüre. Trotzdem werde ich, wenn ich irgend jemand von ihrer Familie sehe, ihn furchtbar küssen, bis der Mund mir (dabei) in Stücke geht; soviel Liebe hege ich für die schöne freudebringende Person.
 
IV. Um meinet- und der Minne willen braucht ihr, falsche, von Schlechtigkeit erfüllte Späher, es gewiß nicht zu unterlassen nachzuforschen (7), wem sie angehört, wie sie ist und wo, ob fern oder nah; denn das (8) habe ich euch wohl benommen! Lieber möchte ich tot sein, als daß ich mit einem diesbezüglichen Worte einen Fehler beginge, sodaß ich sicherlich keinem meiner Freunde darin die Wahrheit sagen würde (9); hat doch jeder wieder Verkehr mit irgend einem schwatzhaften Nachbarn, der ihn in häßlicher Weise ausfragt, weshalb man sich auf niemand (10) verlassen darf.
 
V. Die Spötter werden jetzt von mir sagen: “Ach der Kindische, wie albern er ausschaut und wie hochmütig und vornehm er sich abwendet! (*)” Denn wäre ich auch auf einer großen Messe, ich denke doch nur an sie, bei der mein Herz weilt, und ich richte die Augen nach der Gegend, wo sie wohnt, und spreche bei mir stets von ihr, der mein Herz treu ergeben ist (11); wer es nämlich nicht deutlich zeigt, der liebt auch nicht.
 
 
Fußnoten:

1) „Da es mir die Liebe in Erinnerung bringt“. ()

2) „Unerschütterlich in seiner Treue erhält“. ()

3) „Mit gemischtem Vogelgesang“. ()

4) „Als ich in jenem schönen Garten weilte“. ()

5) Sc. der Loblieder. ()

6) Nämlich das Glück andrer, das sie zu stören bestrebt sind. ()

7) ‚Unterlasset nicht und fraget’. ()

8) Das herauszubekommen. ()

9) ‚Sodaß ich keinen Freund habe, den ich in Bezug darauf nicht wohl täuschen würde’. ()

10) ‚Nicht auf den Sohn noch auf den Vater’. ()

* Der Stern bedeutet, daß das dem damit versehenen deutschen Ausdruck entsprechende provenzalische Wort in den Wörterbüchern noch fehlt. ()

11) „Auf die mein treues Herz seine Aufmerksamkeit richtet.” ()

 

 

 

 

 

 

 

 

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