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242,010

Deutsch
Adolf Kolsen

Die wahre und die falsche Liebe.
 
I. Bevor die neue zarte Frucht erscheint und die Überlast Sträucher zur Erde neigt, beuge ich mein Herz und sammle es für eine Liebe und bringe es zur Vernunft (1). Hatte ich es (bisher) durch viele Gegenden weithin ganz zerstreut, so will ich, daß es sich jetzt ändre und sich für andres Tun und andres Verhalten einrichte.
 
II. Und so neu ist die Zuneigung (?), daß ich, wenn es auch nur langsam und allmählich geht, trotz Gefahr* und Qual* nicht unterlasse meinen Sinn so zu ändern, daß von meinen Angelegenheiten das Meiste der Vernachlässigung anheimfallen dürfte! Richte ich doch die Kraft und den Geist dahin, wo ich die Augen und das Herz habe.
 
III. Und wenn du es gut mit mir meinst, brauchst du deshalb kein Mitleid zu empfinden,* und wer dir auch in dieser Hinsicht von Widerwärtigkeit spricht, so möge dir doch keinen Kummer bereiten, was du jetzt siehst und (weiterhin) sehen wirst: Die Minne nämlich quält und bedrängt mich. Und war ich bisher darin (2) spröde und zurückhaltend,* so werde ich jetzt, da ich mich ihr hier zuwende (3) und nach ihr strebe (?), ihrem Winke gemäss verfahren und die „andern“ verachten müssen.
 
IV. Da es zwei Arten Frauen gibt (?), kann man deshalb schwer umhin, sich mit der einen stets zugänglichen (?) (Art) (4) einzulassen? — Wenn (5) grosse Charakterstärke mich nicht dahin bringt, mir anderswo wertvolle Freunde zu erwerben. — Und wenn sie so ohne Falsch ist, entschuldige ich es, daß du etwa deine Wünsche zu erkennen gibst! — Damit halte ich nicht zurück, wenn sie es mir nur in der oder jener Weise gewährt (6).
 
V. Und wenn der böse Ofenhocker* (7) sich erkühnt, sich in Redensarten zu ergehen, so sei er für gemein oder nichtswürdig gehalten; denn (8) wer dabei nicht würdig und rücksichtsvoll verfährt, den beraubt ungestümer Frauendienst in hohem Grade seiner Kraft und Farbe. Wenn ich aber die Erfüllung meiner Bitten erlange, werde ich da nicht ungeheuer in meinem Werte steigen? (9)
 
VI. Trotz schlechter Behandlung und trotz Fasttage (10) zögere ich nicht fett zu werden, wenn ihr schlanker und feister Körper mir nahe ist, denn so gedeihe ich, obwohl mir von ihr zu sprechen schwer ankommt; auch die Mönche von Cadonh verlassen sich doch auf kein (bloßes) Anzeichen (11), sodaß ich mich darin als wahren Dummkopf zeige.
 
VII. Und wem das Lernen meines Gesangs beschwerlich erscheint, der möge, wenn ich ihm auch zu viel dichte (12), nicht davon abstehen. Wahrhaft verliebt, wie ich bin, putze ich ihn nämlich besonders heraus,* obgleich er mir „meinen Gebieter” nicht entflammt hat, wenn er glaubt, daß ich mit Salbe* arbeite (13), denn ich mache ihn so dunkel wie Ebenholz;* mit Wissen befruchte* ich mein Dichten!
 
VIII. Wenn die andern fortgehen, komme ich, so wahr Gott sie (14) mir schützen und segnen möge!
 

Fußnoten:

1) Ich kläre es über die Liebesangelegenheiten auf, mache es dazu geeignet. ()

2) In Liebessachen. ()

3) ‚Hierher wende‘. ()

4) ‚Der einen, die du jeden Abend (zur Verfügung) hast‘ (?). ()

5) Das kann doch bei mir nicht der Fall sein, solange ich noch eine wahre Freundin zu finden imstande bin. ()

6) ‚Wofern sie es mir nur verkauft oder verpfändet.‘ ()

7) Mit dem Ofenhocker oder Stubenhocker ist wohl der Eifersüchtige, der Ehemann gemeint. ()

8) Denn er sollte doch wissen, daß ich mir der Dame gegenüber nichts Unziemliches zu Schulden kommen lassen werde. ()

9) ‚Wird nicht, wer mich gut malt, mich (mein Bild) gut (zu einem hohen Preise) verkaufen?‘ ()

10) ‚Freitage.‘ ()

11) So ist es auch für mich nach dem bloßen Anzeichen noch keineswegs sicher, ob ich auf Gegenliebe rechnen darf. ()

12) ‚Wenn ich ihm im Dichten nicht karg bin.‘ ()

13) Daß ich ihn nur trübe und nicht völlig dunkel mache. ()

14) Die Geliebte. ()

 

 

 

 

 

 

 

 

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