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Deutsch
Adolf Kolsen

Amor, hilf!
 
I. Wenn die Minne mir nur verbürgte, mir gemäß meiner Treue die Wünsche zu erfüllen, sollte sie mich noch unentwegt auf ihrer Straße finden; aber sie möge das nur nicht so verstehen, daß sie, wenn sie mich wieder aufgenommen hat, mich einen Tag genießen und dann das ganze Jahr schmachten lasse, denn solch ein Spiel, daß man sein ganzes Leben für zwei bis drei Blicke hingebe, scheint mir nicht angebracht und klug! Wenn sie mir jedoch gemäß meinem Dienen vergälte, (für diesen Fall) habe ich eine schöne, hochgeehrte Dame ausersehen, der ich mein ganzes Leben lang ergeben wäre.
 
II. Aber wenn sie, der ich, falls die Minne einwilligt, demütig ergeben sein werde, es mir gestattete, würde ich sie inständigst bitten, daß sie mir nicht zu feindselig sei und es ihr ja nicht mißfalle, wenn ich ihr meine Gesinnung offenbarte. Denn kann man seine Gesinnung derjenigen gegenüber nicht äußern und zu erkennen geben, auf die man seinen Sinn gerichtet hat, so ist jeder sonstige Genuß, den man sich etwa in törichten Aufregungen verschafft, rein nichts; wohingegen ich ganz unumstößlich sicher weiß, daß, sobald ich ihr meine Gesinnung offenbart hätte, mir in kurzer Zeit mein gutes Geschick unfehlbar zu teil werden würde.
 
III. Wenn mich jemand fragt, wer mir das gesagt hat, antworte ich ihm: ‚Ihr schönes Antlitz.‘ „Und wieso? Ist es so lieblich?“ ‚Ja und noch mehr; so sehr, daßich nicht glauben würde, es könnte je eine (Dame) geben, die mir so gefiele wie sie.‘ Kann ich doch wirklich versichern: Wenn ich ihre schönen, liebevollen, lachenden Augen betrachte, bin ich so aufgeregt* und lüstern, daßich für mein Leben gern ihr Höriger und wohl gebildet sein möchte, alles, was ihr zukäme, zu tun; denn da sie von allen Trefflichkeiten erfüllt ist, so gehört es sich, daßsie über einen Diener verfüge.
 
IV. Und da sie mit ihrem süßen Lachen unsre Herzen vereinigt hat, werde ich, um ihre Befehle auszuführen — denn eine andre würde ich darin abweisen! — ihrer Fahne folgen. ‚Was hast du gesagt? Weisst du denn nicht, wer sie ist?‘ „Ja, es erfaßte mich so, daßich nahe daran war, zu viel zu wagen. Gott behüte mich vor Sünde! Verliere ich den Verstand (1), da ihre große Schönheit, ihre Klugheit, Trefflichkeit, Anmut und reizende Leutseligkeit mich so überwältigt? Gibt es doch nichts, was sie meinem Herzen entreißen könnte!“ ‚Sie erfüllt deinen Wunsch; sie ist von dir sehr eingenommen.‘ „Ach, wie sehr gefällt es mir, wenn sie mich nicht vergißt!“
 
V. Aber wenn es der Kaiserin, die mich so hübsch erobert hat, beliebte und sie geduldig wäre, meine Bitte anzuhören, würde ich es ihr noch sagen, daßsie, da ihr artiges Reden mich in ihren Dienst gebracht hat, meinen Dienst wohlgefällig annehmen müßte, denn ganz unbestritten bin ich ihr ein gehorsamer Knecht und ein treuer, aufrichtiger ergebener und dankbarer Liebhaber. Und was sie dazu sagt, möge euch andere Liebhaber nicht kümmern; so habe ich es verstanden, für mich (2) eine solche zu wählen, die niemals müde war Gutes zu tun!
 
VI. Aber wenn die hübsche, lustige, äußerst anmutige Person geduldig ist (3), so sage ich euch wohl besonnen: Wird es nicht fürwahr trotz tausend erduldeter Leiden eine Freude sein, die ich daraus schöpfen könnte, ungeachtet allen Geschreis (4) derjenigen Ehre und Dienst zu erweisen, durch welche die Ehre all ihren Glanz erhalten hat?
 
VII. Die Minne, die jetzt so fest schläft, bitte ich für den Fall, daßsie erwacht, mich gnädigst zu entschädigen. 
 
 
Fußnoten:

1) ‚Raubt es mir den Sinn.‘ ()

2) ‚Für mein Teil.‘ ()

3) Wenn sie meine Dienste annimmt. ()

4) ‚Wer auch immer Lärm vollführt.‘ ()

 

 

 

 

 

 

 

 

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