Ein Widerruf.
I. Minne, und wenn ich mich über euch beklage, wird das eine Ehre für euch sein? Nein, meiner Treu, denn, da ihr mich ja in eure Obhut nahmt, ziemt es sich nicht, daß ihr mich jetzt verlasset, vielmehr seid darauf bedacht, daß mich die liebe, die ich gern habe!
II. Wenn sie mir nicht Hilfe leistet, dann bin ich verloren; denn ein Kummer, der über mich kommt, läßt mich den Zügel zu ihr hinwenden, wenn es ihr auch nicht zusagt, daß ein Mann, der ihr gefällt, ihr Lehnsmann sei. Bekomme ich welche? (
1) Ja; wieviel (Hilfe) ich mir auch verschaffe, so verschaffe ich mir genug.
III. Dumm war mein Argwohn, daß sie viel bessere (Verehrer) hat. Sie duldet nicht, daß man von ihr Übles denke; also hege ich wohl törichte Erwartung? Zu schnell habe ich meinen Sinn (
2) geändert; saget also nicht, daß sie sich mir entziehe, denn ich entziehe sie mir.
IV. Manchmal bin ich nachdenklich, und Furcht erfaßt mich, sodaß ich den Atem verliere, wenn ich daran denke, daß sie mich im Stiche läßt, und es entsteht in mir eine Schwäche (?), die mir die Freude raubt. Ein großer Fehler wird es sein, daß ich Kummer empfinde, wenn ich deshalb betrübt bin.
V. Und kam je etwas Erfreuliches leicht und schnell zustande? Ebenso wie ich gegenwärtig (
3), seid ihr augenscheinlich beunruhigt, sodaß mir meine alberne Schmähung (hoffentlich) vergessen werden wird! Wird der Anfang damit gemacht werden, bevor der Zweig (?) Blätter trägt und sich belaubt? (
4).
VI. Jetzt, da ich in der Provence bin, gehe ich einher mit einem Gemisch von Kummer und Seelenfrieden, und wahrlich, von der Lust, die da sproßt, lebe ich auf.
Fußnoten:
1) Hilfe. (↑)
2) Betreffs ihrer. (↑)
3) ‚Wie es mir jetzt darin geschieht.’ (↑)
4) Vor dem April. (↑)