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Deutsch
Adolf Kolsen

Die ungetreue Schloßherrin.
 
I. Ein so einfaches Liedchen, daß mein Patenkind es verstände und jeder sich daran ergötzte, würde ich dichten, wenn ich es dichten könnte; aber ich kann damit nicht fertig werden, denn an andres muß ich denken, worauf ich mehr meine Aufmerksamkeit richte.
 
II. Allzu kühl mir gegenüber ist meine Freundin, nach der ich große Sehnsucht habe (1), und ich weiß nicht, wie ich an ein Zustandekommen unsres Liebesverhältnisses glauben könnte. Ein Fehler war’s, daß ich sie begehrte, sodaß ich werde sterben müssen, sobald sie mich etwa verläßt.
 
III. Wäre sie zu mir in der Liebe so entgegenkommend, wie ich bin, so glaube ich wohl, sie liebte mich. Ich wollte, sie änderte ihre Sinnesart mir gegenüber! Es wäre mir angenehm, wenn es ihr beliebte; indes läßt sie sich anderweit den Hof machen, sodaß sie mir den Rücken kehren zu wollen scheint, und die Freude schwindet!
 
IV. Es ist das keine Liebschaft zum Prahlen, da sie nicht will, daß ich mich ihrer rühmte; deshalb sagte sie mir, ich sollte so singen, daß man es nicht erkenne, und sobald sie kommt, weiß ich es zu verbergen, wenn ich mich darüber freue; sie soll doch keinen Ärger davon haben!
 
V. Hätte ich nicht längst weißes Haar, wenn ich mich nicht nach ihrer Liebe sehnte? Niemals (2), wenn ich ewig lebte! Und seltsam wäre es, wenn sie fürchtete, ich könnte mich von ihr trennen wollen; ich will gar nicht davon sprechen, daß sie sich auf unrechtem Wege befindet.
 
VI. Wenn eine auch keine Schloßherrin ist, so liebe ich sie doch mehr als solche (Schloßherrin), die mich im Stiche ließe, und doch soll man, obwohl etwas, wovon man es erwarten konnte, nicht schnell sichtbar werden sollte, lieber (nur) den Wunsch hegen, es sich zu nutze zu machen und es zu genießen, als daß man sich deshalb wegwirft!
 
VII. Beinahe schwatzt mein Mund, wenn das Herz sich nicht so sehr davor fürchtete, davon, woran ich immerfort denke, und gesetzt, es würde mir nichts Gutes zu teil, so bin ich doch durch ihre freundliche Lüge leicht zu betören; denn sie hat mich angelockt! (3)
 
VIII. Ich möchte jemand finden, der mir mein Lied dorthin, wo Wert blüht und sproßt, zu meinem Joi, brächte, nichts daran änderte und sagte, daß ich nicht gascognisch zu werden gedächte (4), sondern daß ich mich jetzt in die Gegend diesseits von Le Chablais begebe.
 
IX. Schöne, hier im Gebiete von Vienne will ich nimmermehr die Freude aufgeben, noch gascognisch (5) werden, weil ich mich davon (6) nähre.
 
 
Fußnoten:

1) ‚Nach der die Sehnsucht mir nahe ist’, in meinem Herzen wohnt. ()

2) Nie würde ich weißes Haar bekommen, da mich diese Liebessehnsucht dauernd jung erhält. ()

3) Da sie mich an sich gezogen hat, so darf sie mich jetzt auch nicht schnöde abweisen, sondern sie sollte mich wenigstens durch weitere Versprechungen erfreuen, wenn sie auch von vornherein nicht beabsichtigte, dieselben zu halten. ()

4) Daß ich jetzt nicht in die Gascogne komme. ()

5) Untreu. ()

6) Von der Freude. ()

 

 

 

 

 

 

 

 

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