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Deutsch
Adolf Kolsen

Liebesklage.
 
I. Aber, bei Gott, wie kommt es, daß ich jetzt, da ich zu singen gedenke, weine? Sollte das etwa um der Minne willen sein, die mich überwunden und besiegt hat? Und erwächst mir denn durch Liebe keine Freude? Doch! Also warum bin ich traurig und was läßt mich schmachten? Wie? Sollte ich es nicht sagen können?
 
II. Gar bald erging es mir so, daß ich nun mein Ansehen (1) einbüße und an Kurzweil keinen Gefallen mehr finde. Stieß jemals einem Geliebten Schlimmeres (2) zu? Bin ich ein Geliebter? Nein? Und lasse ich denn von ihr, die ich immer inniger und mehr liebe, wünsche und begehre? Nein! Bin ich ein Geliebter? — Wenn man mich dulden mag!
 
III. Ich halte mich nämlich jetzt, da ich nur Wünsche gehegt habe (?), für einen treuen Liebhaber; so wahr ich Gott verehre, ein treuer Liebhaber bin ich und nicht entferne ich das Herz oder lenke es ab von der Liebe zu der, um derentwillen ich fröhlich bin. Sehr wenig fürchte ich, einen Fehler zu begehen (3); also warum klage und seufze ich?
 
IV. Weil ich wohl eingesehen habe, daß die Minne mir nicht nützt und hilft. Sie nützt mir nicht? Und doch liebe ich die Trefflichste der Welt! Hat sie mir also nicht sehr genützt? Keineswegs! Vielmehr sage ich, daß sie mir schadete, als sie mir Mühsal und Verdruß bereitete und mich begehren ließ, was mir nicht zu teil werden kann.
 
V. Und wie? Habe ich nicht viel Gutes und Ehrenvolles empfangen aus den Händen „meines Gebieters”? Ja; mehr noch (des Guten) haben sie (4) zurückbehalten! Und was? Was mir durch ein Abkommen zugesagt war; denn dieses brach sie mir, sodaß sie mir den Kummer verursachte, und sie wird mich töten, wenn ich mich nicht ihr weihen darf.
 
VI. Widerruft sie, was ihr beliebte? Ich weiß es nicht. Wahrlich, ich verdiene Besseres; so leide ich darunter, wie ein Mann, der in der größten Bedrängnis nach mehr Heil verlangt! Herr Antic, und scheint euch das nicht eine Qual? Saget „ja”, denn, so wahr sie mich je küssen möge, ich kann wirklich versichern, daß sie imstande ist, mich zu töten oder zu heilen.
 
VII. Aber hier hat mir eine Klage mein Leid vermehrt, welche die von Urgel unter sich erheben, wodurch die meisten zum Tode betrübt und bestürzt sein werden; die Gräfin nämlich, von der Freude, Wissen und wahrer Wert ausgeht, hat sich vorgenommen, das Haus zu verlassen, wenn man es ihr gestatten wollte.
 
VIII. Ich werde sie in der Tat alle für schlecht halten, wenn man es zuläßt, daß sie fortgehe, und auch den König, wenn er es duldet.
 
 
Fußnoten:

1) Bei meiner Geliebten. ()

2) ‚Mehr’, größeres Ungemach. ()

3) Indem ich ihr huldige und um sie werbe. ()

4) Die Hände der „mein Gebieter” genannten Geliebten. ()

 

 

 

 

 

 

 

 

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