Besser Unrecht leiden als Unrecht tun.
I. Meine Freundin behandelt mich unziemlich. Ich weiß nicht, warum; denn ich habe ihr, so wahr Gott mir helfe, durchaus kein Unrecht getan! Also weshalb ist sie denn ärgerlich, da ich ihr doch gar keinen Verdruß bereite? Weil es ihr gefällt; weiß ich doch nichts anderes! Daher und weil ich mich nicht schuldig fühle, sage ich, daß sie übel daran tut.
II. Wenig beneidete ich den König; aber was widerfährt mir jetzt? Daß ich alles verliere, ohne ein Unrecht begangen zu haben; ich bemerke nämlich, daß sie mir das Wohlwollen, das sie mir bewiesen hat, entzieht! Deshalb bin ich betrübt und so von Kurzweil entfernt, daß ich gar keine (Kurzweil) mehr habe, sondern nur singe zum Gefallen und zum Vergnügen der Leute.
III. Je mehr ich mich nach ihr sehne, um so weniger finde ich sie gut gegen mich. Ob ich ihr gegenüber jedes Unrecht vermeide, erwägt sie gar nicht. Alles ist verloren, da sie nicht bedenkt, wie ich mich von ihr hatte in die Arme schließen lassen, woraus sie meine Willfährigkeit erkannte, und sie zeigt, daß sie mich als eine wahre Null betrachte.
IV. Gott, was soll daraus werden? Dir ergebe ich mich, wenn ich sie sogar wegen ihres eigenen Unrechts um Gnade bitte! Wird sie bei ihrer Gesinnung verharren (
1)? Könnte ich ihr doch nie so sehr zürnen, daß ich ihr nicht ohne weiteres schnell und bereitwilligst ihre Schuld erließe; sie aber tadelt mich ohne mein Verschulden!
V. Fürchtet sie indeß, daß ich außer Rand und Band gerate, so nehme sie mich doch am Zügel; vorkommendenfalls möge sie sich beim ersten Unrecht meinerseits einen andern Liebhaber suchen, und wenn irgend etwas, wozu etwa meine Torheit mich drängte, sie verdrießt, werde ich mich ihr mit einem Stricke um den Hals ausliefern und ich ziehe es vor, von ihr gehängt als lange gehaßt zu werden.
VI. Recht ist es, daß sie herrsche; denn so gehört es sich, wenn ich nach ihrer Ansicht im Unrecht bin (
2)! Hat sie mich doch, was ich ihr bezeugen könnte, stets sehr beherrscht, sodaß ich, wenn sie es genau betrachtet, nie und nimmer (
3) mit Bedacht ihr Gebot irgendwie (
4) verletzt habe.
VII. Ich glaube gar nicht, daß sie ohne Grund böse sei, da ich ihr vermutlich doch viel Unrecht getan habe. Wer hindert sie denn, mich zu töten, wenn sie Gefallen daran findet? Sehr angenehm wäre mir von ihr ein Schlag auf den Kopf mit einem Stück Holz, aber nur wenn sie gleichzeitig Frieden mit mir schlösse; entzieht sie sich jedoch der Versöhnung, wird es rücksichtslos scheinen! Rede ich unvernünftig? Ja, wenn sie der Meinung ist.
VIII. Joios, ein Geschenk biete ich dem König dar, der mir Freundlichkeit bewies.
IX. Und auch euch, Herr Unzufrieden!
Fußnoten:
1) ‚Wird sie verharren, ohne daß ihr das Herz sich ändere?‘ (↑)
2) ‚Wenn sie mich für schuldig erachten wird.‘ (↑)
3) ‚Niemals seit der Stunde, wo ich geboren ward.‘ (↑)
4) ‚Ungeschickt oder geschickt.‘ (↑)