I. Ah, süße duftige Blume, heller als die Lilienblüte, als Smaragd und als Rubin und als der leuchtende Karfunkelstein. Euch bin ich demutvoll in Liebe treu und wahrhaft ganz ergeben! Herrin, wohl wäre es, so möget Ihr wissen, jetzt an der Zeit, daß ich Euer froh würde.
II. Und wenn ich Euer in Freude genösse, dann möge, wer immer will Paris besitzen, oder Damaskus möge er erobert haben. Wer immer will, mag dann in Reichtum leben! Denn nicht Gold noch Silber, nicht Turm, Burg oder Schloß begehre ich so sehr wie einen Kuß, den ich von Euch, Herrin gewänne. Und keinen Tag entriß ich mich solchem Sehnen.
III. Euer Verwandter bin ich nicht, nicht Onkel, Bruder oder Vetter; doch treu ergeben bin ich Euch, demütig und gehorsam, Euer Gebot zu tun. Und nimmer habe ich dessen mich beklagt, noch hatte mich eine andere Euch genommen oder wird es tun, so lange ich am Leben bin. Schauet nunmehr, was Ihr mit mir beginnt!
IV. Wohl habe ich die Qualen der Liebe erfahren und ertragen, und mit meinen tausend Schmerzen habe ich noch nicht zwei Freuden gewonnen. Wolltet Ihr mir wohl, so würdet Ihr mir die schwere Last erleichtern, da ich doch davon nicht lasse, Euch zu lieben. Um so mehr würde ich Euch dann als meine Freundin halten, und Lieder und Leiche werden dann darob entstehen.
V. Schönen Mund, weiße Zähne, schönen Blick und ein anmutiges Antlitz, wohlgestalteten geraden Körper, der aller guter Arten voll ist, besitzt Ihr, kluge Herrin. Und mehr noch ist in Euch: Tüchtigkeit und wahrer echter Wert und Höfischkeit, und täglich entsteht und blüht sie in Euch auf.
VI. Gott verdamme die falschen argen Verleumder, die täglich bedacht sind, wie Freude, Wert und Höfischkeit zu Falle kommen. Über anderes als dieses habe ich kein Leid.