I. Hab ich, so wie es steht, wohl Anlaß daß ich singe? Ich sage nein. Nicht werde ich geliebt noch liebe ich, denn Minne hat mir wohl erlaubt zu lieben (wenn ich es will), und will ich’s nicht, steht frei mir, es zu lassen. Seht, das ist Alles was mich nunmehr freut: ich kann nach meinem Willen tun; sie drängt mich nicht und zwingt mich nicht.
II. So will ich nun zu lieben lassen, und von der Minne scheid ich mich. Mit meiner Dame bin ich schlecht zufrieden, das sag ich Euch, und möcht’ mich über sie beklagen. Nie tat sie irgend Liebesgunst mir an, für die zum Dank ich ihr verpflichtet wäre. Und doch war ich so froh durch sie! Wenn sie mir gab und dann entzog was sie gegeben hatte, so ist es recht, daß sie den Dank dafür verliere.
III. Freude und Kummer kehren also bei mir ein, daß mir oft lieb und leid zugleich ist, was Ihr mich sagen höret. Lieb ist es mir, da es nach meinem Willen ist, doch ebenso muß übel mir gefallen, daß ich das lasse, was ich am meisten wollen würde. So hält mich immer Leid und Lust in solcher Art gestimmt: zu fröhlich nicht und auch nicht zu betrübt.
IV. Gewisser wäre ich vor Leid als je ein Mensch, wenn sie die Gabe mir gegeben hätte, die eine Frau nicht wiedernehmen kann. — Nicht dacht’ ich jemals auch nur zu begehren, sie gab mir einen einzigen Kuß! — Und damit nur, daß sie mich ihren Dienstmann nennt, glaubt sie mich hinlänglich belohnt!
V. Wenn je mein Übermut mich, Herrin, Euch gegenüber fehlen ließ, so bitte ich Euch um Eurer Gnade willen mir zu verzeihen und daß Ihr nicht aufgebt mich zu lieben, den Ihr zu jedem Dienst in Eurer Macht habt. Herrin mit schönem, edlem, wahrem Wort, glaubt nicht den argen Spähern. Mein Herz habt Ihr gefangen und gefesselt, daß es vollziehe was Ihr wollt.
VI. Ihr Späher, mehr behagt Ihr mir als sie, um deren willen ich fröhlich bin; denn sie hat mich von sich entfernt; Ihr habt mich wohl verborgen und bewahrt.
