I. Minne, was wird mit mir geschehen? Ich bin zur Qual zurückgekehrt, von deren Zügel Du mich neulich gänzlich löstest, damit ich sähe ob ich auch ohne Dich gut und in Ehren leben könnte. Gut und in Ehren? nein; doch würd’ ich leben, gewißlich, sei es wie es sei, so wie ich sehe, daß Viele, reich und geruhsam, ohne Dich und ohne Deinen Beistand, der Schande nicht gedenkend, leben.
II. Jedweden andren Feindes, mein’ ich, kann man sich mit seinem Schwert erwehren, oder zwischen ihn und sich hält man den Schild sich vor, oder man geht ihm aus dem Wege und begibt sich zu verborgenem Ort; Gewalt hilft oder Mut, Wehr oder Wall, Schloß oder Turm, oder ein Freund, ein guter Beistand. Doch der, den Du bekriegst, kann um so weniger widerstehen, je mehr er sich bemüht.
III. Weh um mein Herz! was kehrt es jetzt nicht wieder von dort wo es verblieb? Minne, Dich frag ich, warum hält’s meine Herrin fest? Ich werde gehen und sehen, ob sie mir’s wiedergibt. Zu gehen bin ich schnell, doch wie wird’s mit der Rückkehr stehen? Leicht würd’ ich zwei aus einem Leide machen! Mehr schadet mir „Behüt Euch Gott“ als ein „Gott grüß Euch“ helfen kann. Wenn, Herrin, nicht der Abschied wäre, dann wäre die Ankunft freilich gut.
IV. Drei Laute aus dem ABC lernt, mehr verlang ich nicht: a, m und t; denn die besagen so viel wie am te „ich liebe Dich“. Und mit so viel des Wissens wär’s zwischen uns genug. — Doch mehr noch würde ich bisweilen wollen: ein o und c. Dann, wenn ich sagte: Sagt, Herrin, werdet Ihr mir helfen, so, mein ich, wär’t zu sagen Ihr geschickt: oc „ja“!
V. Herrin, gar spät geschieht es, daß ich meinen Sinn Euch sage, und wenig davon sag ich und in Furcht; doch deshalb weich ich nicht. Und weil Ihr nichts als Eifersüchtige um Euch habt, tät’, Herrin, bei so viel Lästigen (die mir und Euch zu fürchten sind) ein Freund Euch Not, da Beistand dort von Nutzen wäre; doch da Ihr nicht beginnt, ist, gute Herrin, er verloren.
VI. Herrin, zu Euch zu gehen, gefällt mir wohl der Hilfe wegen; doch bin ich heimgekehrt, find ich mein Leid vermehrt.
VII. Späher, es mag Euch wohl ergehen, denn gute Hilfe tut Ihr stets mir an: mit Eurem Lügen ehrt Ihr mich und Wahrheit bleibt dadurch verborgen.