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242,016

Deutsch
Adolf Kolsen

Nur Geduld!
 
I. Jetzt würde ich, wenn man mir Dank wüßte, ein feines, niedliches Liedchen in ungekünstelter Weise verfassen, daß kein Doktor der Welt es so fein und einfacher machen und vorzüglicher gestalten könnte; und sollte etwa jemand glauben, daß er ebenso singe, würde ich mein Lied ohne große Mühe feiner und schöner machen. Da sie indes nicht viel davon wissen, so fehle ich nach ihrer Meinung, weil ich es nicht so klar mache, daß selbst die Kinder es verstehen könnten.
 
II. Und ich hätte, so wahr Gott mir helfe, meine schöne Freundin schon völlig besiegt, aber sie wollte höher hinaus (?) (1), weshalb besserer Gesang von mir ausbleibt. Ist es doch nicht angemessen, daß man etwas gewähre, um es dann im Zorn zu ändern und zu verschlechtern. Wie? (2) Andern Sinnes wird sie, weil adlige, hochgeborene Lügner und Betrüger sich (bei ihr) einschmeicheln. Erzählt gefälligst nicht von Betrug solchen Damen gegenüber, die (selbst) betrügen wollen.
 
III. Da sie mich aber so davon zurückgehalten hat, mich einer andern zuzuwenden, so sorge sie dafür, daß mir Freude und Heil zuteil werde; so wird es sich ja zeigen, ob ich betreffs dessen, um was es sich für mich handelt, die Wahrheit sage, daß ich nämlich, wenn mir das erwartete Glück bald beschieden wäre, dann, sobald es nur anfinge, immer dankbar sein und dienen würde singend und das Jahr lobend, in dem ich zum ersten Male kein Leid mehr erduldete. So treu liebe ich, daß meine Liebe eher immer stärker wird.
 
IV. Jedoch hat es wohl für mich eine Zeit gegeben, wo ich soviel zu wünschen für unnütz gehalten hätte und das Schicksal mein Singen zu einem kraftlosen machte, bis etwa spätere Erhörung dafür Besserung brächte. Und wenn mir jemand zeigte, wie ich mich von ihr entfernen könnte, wäre ich gerettet und würde mein Heil in der Flucht suchen, (immer noch) Botschaft erhoffend in der Gegend von Beaucaire; denn ich kann mein törichtes Herz der Unruhe nicht entziehen und ich beschönige auch nicht den Verlust des Handschuhs.
 
V. So ist alles, was ich erlebt habe, meinem Gedächtnis entfallen (3), weil sie mich nur einen Tag ihren Freund nannte, und unpassend wird es sein, wenn sie mir, was sie mir versprach, entzieht; denn seit sie mich zu lieben schien (4), glaube ich mich ihr gegenüber niemals irgendwelcher Untreue schuldig gemacht zu haben. Sollte ich lügen? Dulden würde ich, wenn ich mit Leid daran dächte, wie sie mir Liebe erzeigen wollte; aber, beim Haupte meines Vaters, ich will nicht gern mit einer Liebe zu tun haben, die nur eine einseitige ist (5).
 
VI. Gefiel mir doch nie eine versteckte Liebe, die schnell vorübergeht (6), bei welcher der eine zutraulich und der andere verschlossen ist! Wenn sie mich aber wird haben wollen, werde ich sie und sie wird mich ganz besitzen. Bevor ich nicht alles verloren habe, sage ich nicht, daß ich nicht (noch) Hoffnung hätte; denn (nur) ein ungestümer Liebhaber erzürnt sich und klagt in seinem Dünkel, Leid androhend. Aber ein Geduldiger findet eher Aufnahme (7) als ein lüsterner Schurke, der schreiend droht, was für Schläge er mit seinem Schwerte austeilen würde.
 
VII. Töricht ist ein dem Frauendienst Ergebener, wenn er, mit Jammer und Geschrei huldigend, eine gute, treffliche Dame für sich gewinnen will.
 
 
Fußnoten:
 
1)  ‚Sie hob das Zünglein an der Waage (?) in die Höhe.‘ ()
 
2) Ist denn Zorn der Grund ihrer Handlungsweise? ()
 
3) Mein Gedächtnis hat schon darunter gelitten. ()
 
4)  ‚Seit wir angenommen hatten, daß sie mich liebe.‘ ()
 
5)  ‚Die mich etwa nur an dem einen Zipfel erfaßt.‘ ()
 
6)  ‚Mit verhängtem Zügel.‘ ()
 
7) ‚Eine Zufluchtstätte, Unterkunft.‘ ()
 

 

 

 

 

 

 

 

 

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