Gebrochenes Versprechen ist ein gesprochenes Verbrechen.
I. Wenn das frische Laub und das Gezweig wächst und der Schatten in den Gehegen dicht wird, gefällt mir die Luft, das Wetter und der Monat, der Scherz, das Lachen, die Lust, der Gesang und der liebliche Lärm, der beim Herannahen des Morgens zunimmt, wenn mein „Gebieter“ mir nicht Versprechungen widerruft, und eine Aufforderung wäre für mich ein Ansporn, einen Vers zu machen, der von denjenigen gesungen werden sollte, denen Tüchtigkeit, Lust und höfisches Wesen gefällt.
II.Und ich möchte nicht meinen, daß zwischen uns beiden Übel, Unheil und Unrecht Platz greifen könnte; wenn ich dir jedoch glaube und du mir nicht glaubst, wie kann ich dir da ein treuer Liebhaber sein? Der Schaden ist mein! Wäre ich doch gefügig, aufrichtig und treu, wenn du mir gewährtest, daß die Hoffnung und der schöne Schein für mich andauerten; indessen wird eine Freundschaft schwerlich wahr und echt sein, wenn die ganze eine Hälfte dabei fehlt.
III. Und denkt ihr, daß dies eine Klage sei und daß ich deshalb grolle? Durchaus nicht! Mein ganzer Groll ist: „Gnade“! Wenn ich mich auch manchmal zu heftigen Worten hinreißen lasse (
1), so beklage ich mich doch nicht über sie, aber ich wünschte wohl, sie sähe zu, daß sie darin keinen Fehler begehe; sie ist ja so wacker und trefflich! Wird doch das größere Stück ihres Wertes verloren gehen, wenn Wahrhaftigkeit ihn nicht stützt, und schwerlich wird ein Herz nach zwei Seiten hin treu sein.
IV. Das Band hat sie gar nicht berührt, während ich glaubte, daß es uns beide fesselte. Was mich betrifft, so merkt sie wohl, daß ich gefangen bin, denn ein treuer Freund ist stets deutlich erkennbar, sodaß ich eher glauben würde, daß irgend ein Lachen (
2) mir meine größten und drückendsten Leiden erleichterte, als wenn ich ein rauhes Benehmen sähe! Sobald ich aber sah, daß ihr Herz sich geändert hat, hätte ich auch das meinige ändern wollen, wenn es nicht so standhaft wäre.
V. Und da bei mir die Sucht nach dem Leid nicht schwindet und ich erkenne, wie groß das Glück sein würde, fehle ich da, wenn ich mich nicht von ihr trenne? — Nein! — Und wieso? — Nun, solch Verlangen, glücklich zu lieben, ohne zu dulden, würde als Selbsttäuschung erscheinen! — Und du versicherst gerade, daß das Leid dem Glück hundertfach zu gute komme? — Verschmähe nie, was du am meisten begehrst, und stelle dich nicht ärgerlich darüber; denn oft raubt der Streit das, was der Frieden herbeiführt.
VI. Ach, wie? War ihr Lockruf etwa klein? Wer hätte es auch nicht erkannt, als es ihr beliebte, mich freundlich bei sich aufzunehmen, als sie mir gestattete, daß ich ihr ergeben sei, und mir ihre Hände ohne Handschuhe gab, um mich zu beglücken, bis sie mich dann, als mir ihre Beschwerde klar wurde, derart marterte, daß selbst die Bertrans trotz ihrer Festigkeit und guten Bildung in solcher Lage ganz ratlos wären (
3).
VII. Und wozu brauchst du dann erst zu sagen, daß du mich liebst, wenn du, nachdem du mir großes Glück verheißen hast, mich im Stiche läßt und mir sagst, daß ich mich geirrt habe? Und wie? Du mißtraust mir nicht und machst dir dennoch nichts aus mir? Nimm es (
4) nicht zurück, denn kein wackerer Mensch sollte etwas versprechen, was er dann nicht hielte; das ziemt nur den gemeinen, falschen und treulosen Betrügern, sodaß ich, wenn ich mit euch davon spreche, wünsche, daß ihr mir glaubet: Weil ich dessen nicht fähig bin, unterbleibt es, wenn ich es nicht tue (
5)!
VIII. Und ich will nicht verdrießlich sein, weshalb ich oftmals damit prahle, worüber ein andrer ärgerlich wäre; denn Herr Sobre-Totz hat sich bei mir darüber beklagt (
6).
IX. Wegen eines Übereinkommens nämlich (
7), dessen Erfüllung für mich so sehr verzögert wurde, daß ich sogar und mein Folha darauf hätten verzichten wollen.
Fußnoten:
1) ‚Wenn auch die Rede die Maße überschreitet.‘ (↑)
3) ‚Daß von den Bertrans keiner so fest und so wohl unterrichtet ist, daß er in solcher Lage nicht ganz ratlos wäre.‘ (↑)
5) Wenn ich nicht die Treue breche. (↑)
6) Daß ich verdrießlich war. (↑)
7) Will ich nicht verdrießlich sein. (↑)