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Deutsch
Adolf Kolsen

Treuer Dienst heischt seinen Lohn.
 
I. Stets pflegte mir Lust am meisten im April zuzusagen, wenn die Witterung milder wird, wenn an den Zweigen die Blüten sprossen und das Laub hervorwächst und wenn die lieblichen Belustigungen der Vögel in den Hecken mich lehren, zur Förderung der Tüchtigkeit und des Jugendsinns einen höfischen Vers zu machen. Und geht mir das auch langsam von statten, so schadet es dann doch gar nichts, da ich alles, was einem treuen Liebhaber Freude gewährt und was dem Gesang Wert und Kraft verleiht, in meinem Herzen finde, wenn sich nur meine Hoffnung betreffs meines „schönen Gebieters“ erfüllt.
 
II. Denn wenn er (1) jetzt meine Unterhaltung freundlich (2) duldet und mein Gesang ihm lieb ist, wird alles, was für mich Übel und Leid war, mir zum Genuß und der Kummer zur Freude werden und, sobald er meinen Bitten Gehör geschenkt haben wird, darf ich, da ich mich vor Verfehlung wohl zu hüten und zu schützen weiß, von dem frohgesinnten, netten, artigen und lustigen Menschen einigermaßen erwarten, daß er mich von Qual und Unruhe fernhalte; denn ein guter Herr muß, wenn er die Seinigen erhebt und stärkt, das so lange fortsetzen, bis ihm dafür Ehre zu teil wird.
 
III. Und wollte er mich so festhalten, daß keine List mir schaden könnte, so dürfte, wenn sich das diesseitige Ende verfeinert, das andre sich nicht verschlechtern; werde ich doch ihm gegenüber so treu und aufrichtig sein, daß er bei meiner wahrhaften Liebe schwerlich Veranlassung finden wird, sich, solange ich lebe, wegen irgend eines Betruges über mich zu beklagen; denn die Freundschaft von Betrügern verfällt leicht und geht zu Trümmern und wegen eines geringen Verstoßes entweicht die Liebe des Freundes und die des Herrn.
 
IV. Aber nicht kümmert mich die Angst eines andern, noch beklage ich mich über seine Mißerfolge; denn ich besitze jetzt die großen Gnadenbeweise der Minne und habe mehr Freude als je; wenn sie (3) mir aber jemals etwas versagte oder entzog und mir die Fabel von Bretmar wahr scheinen ließ, so vergebe ich ihr ohne weiteres dies und die arge Qual wegen des Leids, das ich jetzt von dort erfahren werde. Wenn Gott mir meinen „Gebieter“ nur gesund erhält, ist mein Lohn so groß, wie er nur dem treusten Liebhaber zukommt.
 
V. Was mich von ihm (4) trennt, ist fürwahr zumeist der Umstand, daß ich von ihm keinen Gruß und keine Botschaft erhalte; soll es doch bei treuen Liebenden so sein, daß der eine Teil durch den andern fröhlich sei und daß der eine, wenn der andere zürnt, nicht daran denke, sich zu rächen; auch darf er seine eigne Schuld nicht verschweigen. Doppelt fehlt nämlich derjenige, welcher sein Unrecht verteidigt und sich nicht davon losmacht; deshalb werde ich mich möglichst hüten, durch Zorn und Torheit meinen guten Sinn zu verschlechtern, wodurch ich die Freude an meinem „Gebieter” einbüßen könnte.
 
VI. Denn mit einer feinen Schlinge kann sie — dessen rühme ich mich und damit prahle ich, was auch immer der eine der Bertrauds dazu sagen möge — mich festhalten, wenn sie sich nur nicht dreht und abwendet; die gute Hoffnung nährt mich ja und veranlaßt mich vieles zu übersehen, worüber ich mich sonst beklagte, und auf keinen eitlen, schnell vergänglichen Frauendienst richte ich meinen Sinn, sodaß ich nie aus irgend einem Grunde aufhören will, meinem „Gebieter” zu dienen, und womöglich niemals ein falsches, treuloses und betrügerisches Herz haben werde.
 
VII. Aber die Beste und Herrlichste nimmt mich trotz meiner Ausdauer nicht auf; diene ich ihr doch mit eifrigem Bestreben, damit nur kein Liebhaber, ob wacker oder schlecht, je dazu komme, sie zu umarmen oder zu küssen, und da ich meines Wissens keine ihres Gleichen finden könnte, hieße es etwas Törichtes suchen, das ich nicht suchen will, sondern ich werde wirklich ausharren. Wenn ich alle übertreffe, wird es da nicht geschehen, daß das große Glück mich vor allen eines guten Herrn gewiß und sicher sein läßt?
 
VIII. Und da mein Sobre-Totz sich einer Dame nähert, so hat er sie zum Gebieter, den er anbetet und verehrt, und werde ich Wert darauf legen, daß ich allein einen treuen  „Gebieter“ habe?
 
 
Fußnoten:
 
1) Die „schöner Gebieter“ genannte Geliebte. ()
 
2) ‚Ohne Mißvergnügen.‘ ()
 
3) Die Minne. ()
 
4) Dem  „schönen Gebieter“. ()

 

 

 

 

 

 

 

 

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