Amors Schuld.
I. Wohl soll man belehrend seinem Freunde, wenn er Ungebührliches tut, seinen guten Rat in gütiger Weise geradezu sagen, wenn es ihm auch nicht gefällt, daß man ihn sage; denn wer den Freund einen Fehler begehen sieht, läßt ihn durch sein Schweigen mutig werden; beide fehlen sie in gleicher Weise, der eine, indem er schweigt, der andre beim Unrechttun.
II. Deshalb werde ich euch betreffs dessen, wofür man euch tadelt, meine Meinung sagen müssen, obwohl ihr euch sehr darüber ärgert. Denn beim Lesen (
1) würde ich finden, Amor, man solle sich nicht enthalten, etwas, was dem geliebten Freunde zum Heile gereicht, auszusprechen, wenn es ihn auch kränken mag.
III. Und weil ich euer Diener bin, sage ich euch ganz unumwunden: Je treuer ihr einen Dulder findet, umsomehr Leid erduldet er durch Euch. Wohl glaube ich, daß ihr mit jenem zu tun habt, den man nicht nennen darf, (
2) und mit Würfeln, welche alle diejenigen schmachten lassen, die ihrem Tanze folgen, weshalb ich meine, daß ihr alle gleich seid.
IV. Lindert doch um Gottes willen meine Pein und meine Qual, denn meine Dame, für die ich treue Liebe hege, gibt mir nicht nach. Ich glaube zwar, daß sie es wollen würde, aber sie kann, denke ich mir, euer Gebot durchaus nicht übertreten; denn ihr habt sie mehr in eurer Gewalt, als der Vater seinen Sohn.
V. Wenn ich mich ihrer nicht erfreue, so sage ich euch ganz offen: Eure Ehre nimmt beständig ab, denn ihr habt eine falsche Art. Da man euch in vergeblichem Harren dient, sollte wohl jedermann es vermeiden, euch zu ehren und freundlich zu dienen; denn Dienst fördert nicht, wenn er nicht vergolten wird.
VI. Noch könnte ich Freude haben, wenn ihr, Amor, euch mir gegenüber für sie, die mich schmachten läßt, verbürgt, für sie, welche die Trefflichste ist, von guter Art.
VII. Ach, Freund (?), hat meine Hoffnung Wert? Sie beruht auf euch und meinem Verhalten!
Fußnoten:
1) Oder: ‚als etwas, das zu lesen steht.‘ (↑)