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Deutsch
Adolf Kolsen

Eine Drohung.
 
I. Sobald in den Gärten der Strauch Äste und Zweige bekommt und das Gras wächst, gefällt es mir am Morgen, wenn die kleine Nachtigall in den Hecken singt; denn ich erwache deshalb (1) ebenso früh wie sie und werde auch deswegen (1) wohlgemut und fröhlich, wie mir denn, wenn ich betrübt war, der Sommer stets viel mehr geholfen hat als die unfruchtbare* Jahreszeit.
 
II. Und wenn dieser ausgelassen singt und jener schreit, der eine richtig und der andere verkehrt, diese Jahreszeit gefällt mir; denn bei allen (2) kommt Freude zum Ausbruch, weshalb mancher sich verliebt, der im Winter niemals daran gedacht hätte (3). Fühlte ich doch selbst, der ich mich der Kurzweil entfremdet hatte, mich nie (4) so verliebt wie gerade jetzt.
 
III. Denn ebenso ruft die Minne mich und lockt mich an sich wie Bertalais seine Rinder (?) und sie gewährt mir sonst nichts, weshalb ich in meinem Innern betrübt bin (5). Und beliebt es ihr nicht mir zu helfen, so kann ich die Last nicht mehr ertragen; ein vermessener Wunsch macht sich nämlich in mir in verdoppeltem Maße geltend, sodaß ich jetzt, ob ich will oder nicht (6), eine Dame liebe, deren Vertrauter ich schwerlich je sein werde.
 
IV. Nichts jedoch macht mich so hungrig und nichts wiederum nährt mich so wie die Liebe zu ihr; denn bei dem Leiden, das mich außer Fassung bringt, werde ich mager und dann wieder fett. Und wüßte ich, wie und wann ich dazu Gelegenheit haben werde, mich auf’s Bitten zu legen, würde ich das Leid ruhig erdulden und würde mich dabei wahrlich mit Geringerem begnügen als ihr etwa glaubt.
 
V. Denn ein Freund, der in rechter Weise liebt, muß das Geringere nehmen und zum Höheren streben und er wird töricht erscheinen, wenn er betrübt ist, während er wirbt und seine Sache führt; kommt es doch zuweilen vor, daß der Kummer schwindet, und dann wird die Freude kommen, und er wird bald dafür, daß er sich notgedrungen geduldete (7), in seinen Armen halten, wonach er am meisten begierig war.
 
VI. Glaubt ihr nicht, daß, wenn einer sich sehr beklagt, seine Freude davon noch mehr abnehme, und meint ihr, daß, wer großes Unrecht nicht verzeiht, treu und aufrichtig sei? Ach Gott, wer sollte dann treu sein, wenn ich es nicht gewesen wäre, als ich ohne jeden Grund diejenige verlor, der ich mich ergeben hatte? Und mein gutes Geschick hat sich so für mich geändert, daß ich später nie mehr recht geliebt wurde.
 
VII. Wenn diejenige, zu der mein Herz mich hinzog, als ich nach Askalon fuhr, mich in der Flamme läßt, wird meine Unruhe jetzt sehr wachsen, und Weisen, Vogelgesang und Lais werden mir gar nichts (8) mehr wert sein; vielmehr bin ich ganz einig mit mir, daß ich schnell zum Gelehrtenberufe zurückkehre und daß dann ans Singen nicht mehr gedacht werden soll!
 
VIII. Solltet ihr jedoch, Herrin, meine Huldigungen dulden, gern haben und annehmen, so werde ich bald wieder andern Sinnes sein!
 
IX. Und wissen sollt ihr, Zauderer (9), daß, wenn ihr feindselig seid, ich meinerseits verliebt bin!
 
 
Fußnoten:
 
1) Wegen des Beginns der schönen Jahreszeit. ()
 
2) ‚Unter den Wackeren und Schlechten.‘ ()
 
3) ‚Der im Winter nie darunter gelitten hatte.‘ ()
 
4) ‚Seit meiner Geburt nicht.‘ ()
 
5) ‚Weshalb mich Kummer im Herzen trifft.‘ ()
 
6) ‚Ob es mir lästig ist oder gefällt.‘ ()
 
7) ‚Für die Fristen, die er gewährt hat.‘ ()
 
8) ‚Nicht eine Maulbeere.‘ ()
 
9) ‚Spät hat er sich daran gemacht.‘ ()

 

 

 

 

 

 

 

 

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