I. Wenn ich das Laub von den Bäumen fallen sehe, wem es auch Leid und Schmerz sei, mir muß es gefallen. Glaubt nicht, daß ich Blüte und Blatt sehen will, denn das, was ich am liebsten mag, ist hochfahrend gegen mich. Wohl habe ich den Willen, mich von ihr zu wenden, aber ich vermag es nicht, denn immer meine ich, daß sie mich freundlich aufnehme, wenn ich am tiefsten in Verzweiflung bin.
II. Schlimme Kunde könnt Ihr von mir hören, denn wenn ich die Schöne sehe, die mich freundlich zu empfangen pflegte: jetzt ruft sie mich nicht und läßt mich nicht zu sich kommen. Das Herz unter der Achsel will mir darob vor Leid zerspringen. Gott, der die Welt leitet, möge mich, wenn es ihm gefällt, ihrer genießen lassen, denn wenn sie mir so widerspenstig ist, gibt es nur eines für mich zu tun: zu sterben.
III. Auf Vorzeichen und Los habe ich fürder kein Vertrauen, denn gute Erwartung hat mich vernichtet und getötet; denn, wenn ich die Schöne, die ich so sehr liebe, um ihre Liebe bitte, wirft sie mich so weit von sich, als ob ich großes Unrecht gegen sie hätte. So großes Leid habe ich darüber, daß ich ganz davon verzweifle; doch merken lasse ich’s mir nicht, denn ich singe alleweil und treibe Kurzweil.
IV. Nichts anderes kann ich sagen als: gar große Torheit begehe ich, daß ich die Schönste der Welt liebe und begehre. Wohl sollte ich denjenigen töten, der je einen Spiegel machte! Wenn ich es mir wohl bedenke, habe ich keinen schlimmeren Feind. Nimmer werde ich an dem Tage, da sie sich spiegelt und ihres Wertes gedenkt, ihrer noch ihrer Liebe genießen.
V. Möge sie mich nicht in Buhlschaft lieben (denn das ist [bei dem hohen Werte, den sie besitzt] nicht angemessen), aber wenn ihr gefiele mir irgend etwas Gutes anzutun, würde ich ihr bei ihr selbst und bei meiner Treue schwören, daß das Gute, das sie mir täte, durch mich nicht kund würde. In ihrem Belieben stehe es, denn ich bin ihrer Gnade überlassen. Wenn es ihr gefällt, möge sie mich töten, denn ich beklage mich dessen in keiner Weise.
VI. Wohl ist es Recht, daß ich klage, wenn ich durch meine Überhebung die gute Geselligkeit und die Lust verliere, die ich zu haben pflegte. Wenig hilft mir der Wagemut, den ich hege, denn die, welche ich am meisten Liebe und begehre, wird mir feind. Überhebung, Gott möge Dich demütigen, denn nun weinen meine Augen über Dich. Mit Recht schwindet mir alle Freude, denn ich selbst nehme sie mir.
VII. Dem Schaden und dem Leid gegenüber, das ich erfahre, habe ich meinen guten Brauch: daß ich immer dorthin denke. Anmaßung, Torheit und Schlechtigkeit begeht, wer mein Herz davon abwendet und es mir mit Anderem beschäftigt, denn einen besseren Boten habe ich nicht in der ganzen Welt, und ich sende es ihr zum Pfande, bis ich von hier zurückkehre.
VIII. Fraue, mein Herz, den besten Freund den ich habe, sende ich Euch zum Pfande, bis ich von hier zurückkehre.