Für die Ordnung der Strophen folgt unser Text der Gruppe ADIKN, die im allgemeinen als die zuverlässigste gelten darf. Fraglich aber ist die Stellung der vierten Strophe. Diese scheint von vornherein an zweifelhafte Stelle geraten zu sein. In QRV fehlt sie überhaupt; in CLMa ist sie nachgetragen, oder steht sie (s. S. 156) wenigstens am Ende des Liedes. Vers 28-31 scheinen sich eng an 17, 18 anzuschließen, so daß IV unmittelbar auf II folgen sollte: und III könnte dann ebenso gut hinter IV wie jetzt hinter II stehen. Aber es ist zuzugeben, daß Str. V besser an v. 34-36 schließt als an die jetzt III. Strophe, und doch kann man II nicht erst hinter IV und die zusammengehörigen V und VI stellen.
In diesem Zweifel, ob die Folge I, II, III, IV. . . oder I, II, IV, III ... richtig ist, lasse ich die Ordnung der gewählten Handschriften bestehen.
I. Lange Zeit ist’s, daß ich nicht mehr sang und mich nicht recht zu halten wußte. Jetzt fürchte ich nicht Regen noch Wind, so hin ich in Überlegung eingetreten, wie ich zu dieser Singweise, die ich . . . . . . . . habe, gute Worte setzen kann. Obwohl ich nicht Blüte noch Blatt sehe, geht es mir besser als in der Blütenzeit, denn diejenige, die ich am meisten haben will, will mich.
II. Ich kenne mich nicht, so gut ergeht es mir. Und wenn man wüßte, wem ich huldige, und wenn ich es wagte, meine Freude erscheinen zu lassen! Der Besten in der Welt genieße ich, und wenn ich je ein guter Dulder war, jetzt halte ich mich dessen für geheilt, denn kein Übel fühle ich, das mich schmerze. So hat Freude mich ergriffen, ich weiß nicht, ob ich derselbe bin wie sonst.
III. Ich habe keinen so guten Freund in der Welt, einen Bruder oder Vetter oder Verwandten, daß, wenn er mich nach meiner Freude ausfragt, ich ihn nicht in meinem Herzen dafür hasse. Und wenn ich die Aussage darüber verweigere, halte er sich nicht für verraten. Ich will nicht, daß ein Nachredner mir ihre Liebe raube noch mir ein solches Geschrei erhebe, daß ich vor Leid vergehe.
IV. Denn schon vom freundlichen Blick, den sie mir erweist, wenn sie kann und die Gelegenheit es ihr gestattet, habe ich so viel Freude, daß ich meiner Sinne nicht mächtig bin, so drehe ich mich und wende mich (im Freudentaumel). Und wohl weiß ich, wenn ich sie anschaue, daß nie ein Mensch eine Schönere sah. Und Minne kann mir nichts antun, was mich schmerze, wenn ich die Auslese habe von Allem, was das Meer umschließt und umwogt.
V. Sie hat einen frischen, schlanken und fröhlichen Körper, und nimmer sah ich eine so Anmutige wie sie. Wert und Schönheit, Tüchtigkeit und Verstand hat sie mehr als ich Euch sagen kann. Nichts an Gutem fehlt an ihr, wofern sie nur so viel Kühnheit hat, daß sie mich eines Nachts dorthin bringt, wo sie sich entkleidet, an einen geeigneten Ort, und mir aus ihrem Arm eine Schlinge um den Hals legt.
VI. Wenn sie mich nicht dort unterbringt, wo sie liegt, so daß ich ihren schönen Körper sehe, warum hat sie mich dann aus dem Nichts gemacht? Ach, wie ich vor Sehnsucht vergehe! Will mich denn meine Fraue töten, weil ich sie liebe? oder worin habe ich gegen sie gefehlt? Meine Herrin mag nun darin nach ihrem Belieben handeln, denn ich beklage mich nicht, wenngleich es mich schmerzt.
VII. So sehr liebe ich sie, daß ich ihr nichts zu sagen vermag. Aber sie möge mit Bedacht handeln, denn ich habe keinen anderen Gedanken als den, wie ich ihr ein guter Diener sei. Und wenn ich singen und lachen kann, so ist mir Alles durch sie zu teil geworden. Ich bitte meine Fraue, daß sie mich annehme; und da sie mich so reich gemacht hat, möge nicht wer gibt, der sein, welcher nimmt.
VIII. Von Herzen hat sie mich, wann sie will. Sehet mich zum Sang gerüstet, da ihre gute Liebe ihn mir gewährt.