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070,029

Deutsch
Carl Appel

I. Die Nachtigall ergötzt sich neben dem Blütenschmuck im Gezweig, und so großer Neid erfaßt mich darob, daß ich nicht anders kann als singen; aber ich weiß nicht wovon und von wem, da ich nicht mich noch jemand anders liebe, und kaum vermag ich einen guten Vers zu dichten, da ich nicht voller Liebe bin.
 
II. Mehr hat von der Minne, wer einer Frau mit Überhebung und Trug dient, als der der stets um Gnade fleht und ganz voll Demut ist, denn Minne will kaum den, der offen und treu ist, wie ich bin. Das hat mir Alles verdorben, daß ich nimmer falsch und trügerisch war;
 
III. Denn wie der Zweig sich dahin beugt, wohin der Wind ihn führt, so war ich ihr gegenüber, die mir feindlich ist, geneigt, ihrem Befehle zu gehorchen. Aus diesem Grunde fügt sie mir Leid und schweren Schaden zu (wodurch sie sich in ein übles Geschlecht herabsetzt), denn beide Augen möge sie mir ausreißen, wenn sie mir ein anderes Unrecht nachsagen kann.
 
IV. Oft schilt sie mich und streitet mit mir und sucht nach Vorwürfen gegen mich; und wenn sie in irgend etwas übel handelt, dann lenkt sie den ganzen Schaden auf mich ab. Artig spielt sie mit mir und ergötzt sich, denn ihres eigenen Unrechts erklärt sie mich schuldig. Aber wohl ist es wahr, daß der Dieb glaubt, Alle seien seinesgleichen!
 
V. Kein Mensch sieht sie, der ihren schönen Augen und ihrem Aussehen nicht Glauben schenke, und er denkt (daher) nicht, daß sie ein arges Herz und einen üblen Sinn habe. Aber das Wasser, welches sacht daher strömt, ist schlimmer als das, welches rauscht. Trug übt, wer von guter Art scheint und es nicht ist.
 
VI. Von jedem Ort, wo sie etwa weilt, fliehe ich und entferne mich; und damit ich sie nicht sehe, gehe ich geschlossenen Auges bei ihr vorbei. Dem folgt die Liebe, der sich ihr entzieht, und der verfolgt sie, welchen sie flieht. Ich habe im Sinn mich (ihr) zu entziehen, bis sie zu meiner Frau zurückkehre.
 
VII. Nimmer wird geschehen, so schwer es mir auch ist, daß ich ihr nicht Friede und Vertrag entbiete, denn ich kann meinen Sinn nicht ändern und so lange Mühsal verlieren. Für sich möge sie mich behalten und bewahren; und wenn wir beide nicht Freunde sind, will mir nicht scheinen, daß je von anderer Liebe mein Herz hell werde.
 
VIII. Wäre doch mein Auvergner ebenso ergriffen wie ich es bin, und wir wären zwei (von solcher Art), so daß er sich nicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .entziehen könnte.
 
IX. Tristan, wenn es Euch auch nicht scheint, ich liebe Euch (noch) mehr als ich zu tun pflegte.

 

 

 

 

 

 

 

 

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