I. Die schöne Osterzeit mit ihrem frischen Grün führt uns Laub und Blüten von mancherlei Farbe herbei, woher denn alle Liebenden fröhlich und voll Sanges sind, außer mir, der ich klage und weine, denn keine Freude ist mir Lust.
II. Bei Allen, Ihr Herren, klage ich meine Fraue und die Minne an, denn diese beiden Verräter lassen mich, weil ich ihnen vertraute, in Schmerzen leben, um des Guten und der Ehre willen, die ich der Schönsten erwies, welche mir nicht beisteht und mir nicht zu Hilfe eilt.
III. Schmerz und Leid und Schaden habe ich daher gehabt, und habe sie noch in hohem Grade, da ich es so lange ertragen habe. Das rechne ich mir nicht als Kummer an, denn nimmer saht Ihr einen Liebenden, der mit weniger Trug gedient hätte, denn ich suche nicht den Wechsel, so wie es die Frauen tun.
IV. Seit wir beide Kinder waren, liebe ich sie stets und huldige ihr, und an jedem Tage des Jahres verdoppelt sich meine Liebe. Und wenn sie mir nicht eher Liebe und Freundlichkeit erweist, bitte ich sie, daß sie mir, wenn sie alt sein wird, geneigt sei.
V. Ach! was hilft mir zu leben, wenn ich nicht immer meine gute wahrhafte Freude im Bett sehe (unter dem Fenster ein Körper ganz ebenso weiß wie der Schnee zur Weihnacht!), so daß wir beide gleich lang nebeneinander sind (?)!
VI. Nimmer sahet Ihr einen treuen Liebenden, der seine Mühe übler verloren hätte, denn ich liebe sie mit herzlicher Liebe, sie sagt mir: „mich kümmert’s nicht“; vielmehr sagt sie, daß sie aus keinem anderen Grunde tötlichen Haß gegen mich hege. Und wenn sie mir um dessen willen übel will, begeht sie sträfliche Sünde.
VII. Wohl wäre es jetzt an der Zeit, schöne und treffliche Frau, daß mir heimlich, küssend, Lohn gewährt würde, wenn schon nicht aus anderem Grunde, doch deshalb, weil ich voller Begierde bin; denn ein Gut ist deren zwei wert, wenn das Geschenk wider Willen gemacht wird.
VIII. Wenn ich Eure Züge und die schönen liebevollen Augen sehe, nimmt es mich von Euch Wunder, wie Ihr so unfreundlich im Reden seid. Und es erscheint mir als Verrat, wenn ein Mensch liebenswürdig und gut erscheint und dann, wo er Macht (dazu) hat, hochfahrend ist.
IX. Schönes Schauen, wenn ich meine Förderung nicht ganz und gar von Euch erwartete, dann hätte ich um der Argen willen vom Sang gelassen.