I. Es ist nicht Wunders, wenn ich besser singe als irgend ein anderer Sänger, denn das Herz zieht mich mehr zur Liebe hin und besser bin ich zu ihrem Befehl geschaffen. Herz und Körper und Wissen und Verstand und Kraft und Können habe ich daran gesetzt. So zieht mich der Zügel zur Liebe bin, daß sich mein Sinn nach keiner anderen Seite richtet.
II. Wohl ist der tot, der von der Liebe nicht irgend süßen Geschmack im Herzen empfindet. Und was gilt Leben ohne Wert? nur Verdruß erregt es bei den Leuten. Nimmer möge Gott mich also hassen, daß ich Tag noch Monat lebe, sobald ich des Verdrusses schuldig bin und nach der Liebe keine Lust mehr habe.
III. In guter Treue und ohne Trug lieb ich die schönste und beste Frau. Aus dem Herzen seufze ich und aus den Augen weine ich, denn so sehr lieb ich sie, daß mir Leid daraus erwächst. Was vermag ich dabei, wenn Minne mich ergreift und das Gefängnis, in das sie mich geworfen hat, kein Schlüssel öffnen kann als Gnade und ich von Gnade da nichts finde?
IV. Diese Minne trifft mich so schön ins Herz mit süßer Lust: hundertmal am Tage sterbe ich vor Schmerz und hundertmal lebe ich vor Freude wieder auf. Wohl ist mein Leid von schöner Art, denn mehr gilt mein Leid als eines Andern Freude; und da mein Leid mir so gut erscheint, wird nach dem Kummer das Gute (wahrlich) gut sein.
V. Ach Gott, wären doch die echten Liebenden unter den falschen kenntlich, und trügen doch die Lügner und Täuscher Hörner vorne auf der Stirn! Alles Gold auf der Welt und alles Silber wollte ich da geben (sofern ich es hätte), wenn meine Fraue erkennen wollte, wie echt ich sie liebe.
VI. Wenn ich sie erblicke, ist es wohl sichtbar an meinen Augen, am Gesicht, an der Farbe, denn so zittere ich vor Furcht wie das Blatt vor dem Winde. Ich habe nicht so viel Verstand wie ein Kind haben würde, so unterliege ich der Wirkung der Liebe; und an einem Manne, der so besiegt ist, mag eine Frau wohl große Barmherzigkeit üben.
VII. Gute Fraue, um nichts bitte ich Euch, als daß Ihr mich zum Diener nehmt, denn als einem guten Herrn will ich Euch dienen, wie es mir auch mit dem Lohn ergehe. Sehet mich hier zu Eurem Befehl, edles, mildes, fröhliches und artiges Wesen! Ihr seid doch kein Bär oder Löwe, daß Ihr mich tötet, wenn ich mich Euch ergebe!
VIII. Meinem Artigen sende ich den Vers dahin wo sie ist, und es möge sie nicht verdrießen, daß ich so lange fern von ihr geblieben bin.