I. Wann der Hain erblüht ist und ich sehe, wie die Zeit sich wieder verjüngt und ein jeder Vogel seine Gefährtin sucht und die Nachtigall singt und ruft, dann erwächst mir aus einer großen Freude solch Vergessen, daß ich mich zu nichts anderem wenden kann. Tag und Nacht läßt sie mich seufzen, so bindet sie mir die Wurzel des Herzens.
II. Um meiner Herrin willen bin ich ohne Freude froh, weshalb es mir schwer ist meine Pein zu tragen, denn um sie zu gewinnen werde ich mich verlieren, und das wird für sie eine gar ungehörige Missetat sein. Ach, was soll ich tun? Wie bin ich verraten, wenn sie mir ihre Liebe nicht gewähren will! Denn ohne zu lieben kann ich nicht, leben, denn von der Liebe bin ich erzeugt (?).
III. Jetzt bin ich gar zu klug in dem, was sie betrifft! Zunge, wie kannst Du so viel reden? Denn schon für weniger pflegt sie mich so zu beschuldigen, daß ich mich auf den Mund geschlagen habe. Was ist mir denn so arg, wenn ich vernichtet bin? Ihr gegenüber bin ich ohne Schutz; aber mit dem süßen Fühlen eines Kusses würde ich alsbald von diesem Leid wieder belebt sein.
IV. In großer Qual (Beunruhigung) werde ich kraftlos um ihretwillen, welche die Schönheit selbst bilden wollte, denn ihr Körper ist, wie Natur es erlesen konnte, aus dem Besten hergestellt: die Hüfte schlank und geschmeidig, ihr Antlitz erscheint frisch wie die Rose; weshalb sie mich, wenn ich tot bin, leicht wieder beleben kann. Soll ich sagen wie? so verwegen bin ich nicht.
V. Von solcher Süße bin ich erfüllt, wann ich sie aus der Nähe schauen kann, daß ich mich für alle Tage in Überfluß sehe, so bereichert bin ich von ihrer Liebe. Und wann ich sie sich von mir entfernen sehe, ist die Kälte derart, daß ich darüber in Schrecken bin, da das Feuer, welches mich von ihr zu wärmen pflegt, flieht; und ich bleibe farblos zurück.
VI. Das Gute und das Übel sei ihr gedankt, weil sie von mir auch nur das Bitten entgegennimmt. — Nun bin ich töricht im Prahlen, und es ist recht, wenn ich Lügen gestraft würde. Fraue, es sei Euch nicht leid, wenn die Zunge sagt was mein Herz nie denken konnte. Schweig, Mund! gar zu sehr kannst Du schwatzen, und großes Leid ist Dir daher bestimmt.
VII. Hoch ist der Lohn, der gewährt ist, da sie mich nur zu grüßen geneigt war. Vielen Dank! Gott schütze sie dafür! — Von dieser Lust her ist mir noch schwerer. Jedes andere Gut ist mir so erstarrt, daß mir nicht helfen würde, darob um Gnade zu rufen. Es ruft das Herz, weil es es nicht lassen kann, und hernach versagt mir das Wort.
VIII. Fraue, wenn ich von Euch in so köstlicher Weise gehört würde, wie ich es zeigen will (?
s. Anmkg.), würden wir im Anbeginn unserer Liebe unsere Seelen anstauschen! Dann wäre mir gar guter Sinn zu teil geworden, denn dann würde ich wissen wie es mit Euch, und Ihr wie es mit mir steht, gleich zu gleich, und wir wären so beschaffen, daß wir zwei geeinte Herzen hätten!
IX. Ach, wie im Unheil bin ich, in übler Weise verspottet (wie übel beschieden?), denn ich kann die Qual nicht ertragen, solchem Schmerze läßt sie mich erliegen, da sie mir in diesem Grade ihre Liebe versagt. Mit schönem Schein bin ich betrogen. Was hilft’s mir? Nichts kann mich belehren. Der Tod möge dem ankommen, der es mir tadeln will, daß ich noch tot und begraben sie liebe.
X. Da ich gezwungen und in Trübsal von ihr scheide, tötet sie mich mit Leichtigkeit, denn mit Mühe ward ich genährt, solch Kummer fühle ich mir im Herzen schneiden. Ich sterbe und meine zu vergehen, da ich ohne sie nicht genesen kann.