I. Wenn ich durch das Gebüsch hin die Blüte, das grüne Kraut und das Laub sehe und den Sang der Vögel höre, verdoppelt sich meine Freude mit der anderen Freude, die ich in meinem Herzen habe (steigt mit der anderen Freude ..... mein Sang empor), und entsteht und wächst und knospt; und es scheint mir nicht, daß irgend taugt, wer jetzt nicht Freude und Liebe haben will, da Alles was ist, fröhlich ist und sich ergötzt.
II. Glaubet ja nicht, daß ich um des Schadens willen, den ich da zu haben pflege, von der Freude abstehe oder von der Liebe lasse, denn ich habe nicht in der Macht mich ihnen zu entziehen, denn Liebe fällt mich an und überwältigt mich und läßt mich lieben und begehren, wen immer es ihr gefällt; und wenn ich liebe was mir nicht zukommen soll, Liebesgewalt läßt mich dort ritterliche Tat leisten.
III. Denn in der Liebe hat man keine Herrschaft, und wer sie da begehrt, übt seinen Frauendienst schlecht, denn Liebe will nichts was nicht von Rechtswegen ist. Arme und Reiche macht sie beide gleich. Wenn ein Liebender den anderen gering halten will, kann die Liebe mit der Überhebung nicht lange zusammen weilen, denn Hochmut fällt und echte Liebe bleibt hoch stehen.
IV. Ich folge der, die gegen mich am hochfahrendsten ist, und die fliehe ich, die mir gütig war, denn nimmer sah sie mehr mich noch meine Botschaft (weshalb es nicht wohlgetan ist, daß mich je eine Dame annehme). Aber ich selbst helfe ihr dafür zum Recht, denn als Narren lasse ich mich erscheinen, da ich um deren willen die mich für nichts hält, so lange fern von ihr weile, sodaß sie mich nicht sieht.
V. Aber so ist’s ja immer Brauch, daß der Tor töricht handelt, und nimmer wird geschehen, daß er nicht selbst die Rute breche, die ihn trifft und schlägt, woher mir mit Recht leid ist, daß mich je nach anderer Liebe Lust ergriff. Aber bei der Treue, die ich ihr und meinem Schönen-Schauen schulde, wenn sie mir noch einmal Hoffnung auf ihre Liebe gibt, werde ich nie wieder Niedrigkeit gegen sie begehen.
VI. Sie möge mir kein arg und abwendig Herz haben und keinem üblen Rate gegen mich glauben, denn ihr Dienstmann bin ich, wo immer ich sei, sodaß ich ihr vom Haupte oben mein Pfand gebe. Mit gefalteten Händen komme ich zu ihrem Dienst, und nimmer will ich von ihren Füßen weichen, bis sie aus Gnade mich dahin bringe wo sie sich entkleidet.
VII. Das Wasser, das vom Herzen her mir beide Augen netzt, ist mir wohl Zeuge, daß ich meine Torheit bereue; und ich weiß wohl, daß es meiner Herrin Schaden ist, wenn sie so weit geht, daß sie mir nicht verzeihen will. Da ich nicht mein Eigen bin und sie mich in der Gewalt hält, verliert sie mehr als ich in meinem Hingang. Deshalb wird es gut für sie sein, wenn sie sich mit ihrem Dienstmann einigt.
VIII. Meinen Boten sende ich an mein Schönes-Schauen, denn die, welche mir Sinn und Verstand raubte, nimmt mir meine Herrin und sie, sodaß ich sie nicht sehe.
(IX. Freund Tristan, da ich Euch nicht sehen kann, übergebe ich Euch Gott, wo immer ich weile.)