I. So habe ich mein Herz von Freude voll, sie will mein Wesen ganz verrücken. Weißes, rotes, gelbes Blühen scheint mir die Kälte, denn mit dem Wind und mit dem Regen wächst mir das Glück, so daß mein Wert steigt und gedeiht und mein Sang gewinnt. So viel hab ich im Herzen von Liebe, von Freude und von Süßigkeit, daß der Frost mir wie Blüte scheint und der Schnee wie Grün.
II. Ohne Kleidung kann ich gehen, nackt in meinem Hemde, denn echte Liebe schützt mich vor dem kalten Nord. Doch ein Narr ist, wer nicht Maß hat und sich nicht hält wie’s ziemt; und so habe ich auf mich Acht gehabt, seit ich um der Schönsten Liebe warb, von der ich soviel Ehre erwarte, daß ich, anstelle des Reichtums der mir von ihr kommen wird, nicht Pisa haben will.
III. Mag sie mich immer von (der Hoffnung) ihrer Liebe abschneiden; ich hab doch gutes Vertrauen, denn ich habe wenigstens den schönen Anschein davon gewonnen; und wie ich es wünsche, ergeht es mir so wohl, daß ich am Tage da ich sie sehe, kein Leid haben werde. Mein Herz ist der Minne nahe, denn meine Seele läuft dort hin, aber der Leib ist an anderem Orte, hier, fern von ihr (der Geliebten, oder: von ihm, dem Herzen), in Frankreich.
IV. Ich habe von ihr das schöne Hoffen! Doch wenig nützt es mir, denn ebenso hält sie mich in Schwanken wie das Schiff auf den Wogen (schwankt). Vor dem leidvollen Denken das mich kränkt, weiß ich nicht wie ich mich verberge. Die ganze Nacht hindurch wendet es mich und wirft mich auf dem Bette hin und her: mehr Liebesnot erdulde ich als Tristan der Liebende, der gar viel Schmerz um die blonde Iseut erlitt.
V. Ach Gott, warum bin ich keine Schwalbe, so daß ich durch die Luft flöge und in tiefer Nacht dort in ihre Kammer käme?! Gute, freudvolle Fraue, Euer Liebender stirbt dahin! Wenn’s nur ein Weilchen mir noch so ergeht, fürcht ich, daß das Herz mir schmilzt! Fraue, nach Eurer Liebe falte ich die Hände und bete! Schöner Leib mit frischer Farbe, großes Übel laßt Ihr mich dulden;
VI. Denn nichts gibt es in der Welt, warum ich also sorge, daß, wenn ich von ihr irgend etwas reden höre, ich mein Herz nicht dahin wende und mein Antlitz darob erhelle, so daß, was Ihr mich auch darauf sagen höret, es Euch immer scheinen wird als habe ich Lust zu lachen. So lieb ich sie aus guter Liebe, daß ich oftmals darüber weine, deshalb, weil mir die Seufzer schöner erscheinen (oder: denn über sie zu seufzen hat mir süßen Geschmack).
VII. Bote, geh, lauf, und sage mir der Schönsten die Not und den Schmerz und die Qual, die ich um sie erdulde.