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Deutsch
Erich Niestroy

I. Edle Herrin, einen Rat, bitte ich Euch, möget Ihr mir geben, denn sehr bedarf ich seiner; denn einer Dame habe ich an meine Neigung zugewandt, und nichts ersehne und erstrebe ich so sehr (als sie); und sagt mir, ob Ihr für gut findet, dass ich sie um ihre Liebe ersuche, oder ob ich mich noch weiter gedulden soll; denn das Sprichwort sagt untrüglich: Wer sich übereilt, verliert, und ans Ziel kommt, wer wartet.
 
II. Herr, wohl sage ich, nach meinem Gutdünken, dass der’s recht macht, der eine edle Dame um Liebesgunst bittet, und der versteht wenig, der Furcht vor ihr hat; denn noch nie schlug eine Dame einen Ritter; sondern, wenn es ihr nicht gefällt, dass er ihr sein Liebesgeständnis vortrage, ist weiter kein Schaden dabei in irgend einer Weise, denn eine gebildete Dame hat so viel Anstand, dass sie mit freundlichen Worten sich höflich zurückzieht.
 
III. Herrin, ich fürchte, dass, wenn ich sie um ihre Liebe bitte, dass sie mir antworte, was mir missfallen wird, und dass sie sich auf ihren Ruhm und ihre Trefflichkeit besinne, und dass sie sage, dass sie nie mich lieben werde. Besser wird es für mich sein, glaube ich, ihr zu dienen und zu warten, bis es ihr gefällt, mir dafür den Lohn zu geben; und sagt mir nach Eurem Gewissen, ob ich recht tun werde, oder ob ich Torheit spreche.
 
IV. Herr, allezeit eilt der Tor der Torheit zu, aber der ist ein Tor, der die Torheit tut; und wenn ein Mann da dient, wo er nichts gilt, so gereut es ihn dann, da er keinen Gewinn hat; vielmehr muss er wissen, bevor er irgend etwas aufwendet, ob er dafür Lohn und Entschädigung haben kann; und wenn er weiss, dass sie wirkliche Neigung zu ihm hat, diene er seiner Dame still und recht.
 
V. Edle Herrin, da Ihr mir’s so gutheisst, werde ich sie sogleich bitten, auf jeden Fall, und ich halte den Rat für gut, den Ihr mir gebt, und niemals will ich ihn vertauschen und aufgeben; denn wohl wirst Ihr von der Dame unfehlbar, ob sie lieben will und ob sie Neigung (dazu) hat, und Ihr könnt mir darin wirklich helfen, wofern nur es Euch gefällt und das Herz es Euch gestattet.
 
VI. Herr, ich bitte Euch, dass Ihr mir die Dame nennt, bei der ich Euch helfen und dienen könnte, und ich sage wohl, und ich will, dass Ihr mir’s glaubt, dass ich Euch davon die Wahrheit werde zu entdecken wissen, und ich werde Euch dazu (s. Anm. zu 45) so manches Mal Gelegenheit und Zustimmung verschaffen, wenn ich an ihr keinen Fehl finde; und nennt sie sogleich auf der Stelle und zagt nicht und habt keine Furcht.
 
VII. Edle Herrin, so gut seid Ihr und so trefflich, dass Ihr wohl wisst, ob ich Euch liebe und Euch wohlgesinnt bin; denn solche Freude habe ich, wenn ich mit Euch sprechen kann, dass ich mich auf nichts andres besinne noch erinnere; und also könnt Ihr an meinem Gebahren wissen und erkennen: Meine Rede geht auf Euch; Ihr seid diejenige, nach welcher mein Herz sich sehnt! Gnade, Herrin, dass ich soviel Kühnheit spreche.

 

 

 

 

 

 

 

 

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