Von den unwürdigen Erben, den verdrießlichen Reichen und der trefflichen Geliebten
I. Die Instrumente, mit denen ich zu singen pflegte, und den guten Willen, den ich einst hatte, besitze ich noch immer, da ich jedoch keinen Partner finde, so zerstreue und belustige ich mich nicht und bin nicht glücklich. Ach Gott, welches Leid und welcher Schaden folgt daraus, daß Hofleben und guter Brauch unablässig (
1) abnehmen und schwinden! Da aber mein Herr wünscht, daß man lustig sei, singe und sich unterhalte, so erheitere ich mich mit seinen Freunden, bin jedoch, wenn ich sie verlassen habe, mit den Betrübten traurig.
II. Aber bekümmert mache ich mich von ihnen (
2) los, weil ich bei mir erwäge: Ob sie wohl jemals froh sein werden? Der nämlich wird der Freude teilhaftig (
3), der die Vergnügungen nicht fernhält, sodaß mir Gesang, schöner Lärm, Hoffest und Ritterlichkeit stets gefällt, obwohl (
4) in den hohen Geschlechtern der treffliche Vater nicht mehr zum Vorbild dient (
5); ohne Anspornung vervollkommnet sich doch Ritterlichkeit überhaupt nicht, und wenn der Vater wacker (
6) war, der Sohn dagegen schlecht wird, so erscheint es mir als Unrecht und Sünde, daß dieser die Erbschaft bekomme.
III. Welches Recht läßt es denn zu, daß der Sohn ebensoviel Einkommen habe und doch die Würdigkeit verachte, und welche Gründe bringt es (
7) dafür bei, daß es (
8) nicht vielmehr einem andern zukomme? Denn in der guten alten Zeit (
9), glaube ich, verschafften (nur) Tüchtigkeit, Mut, Kosten und Mühen Besitz und Herrschaft, und ist also der Sohn, wenn er das Beste vernachlässigt, nicht aus der Art geschlagen? Warum zeigt Ihr, Weiser, jetzt nicht, was Ihr meint, wie, wenn das Geschenk doch den Wackeren gegeben ward, das sich betreffs der Verächtlichen verhalten soll?
IV. Aber unrecht wird es sein, wenn ich der Leute wegen, die nichts damit zu tun haben wollen, von Kurzweil und Gesang ablasse! Für töricht ist nämlich zu halten, wer wegen einer Anzahl Menschen, denen Freude etwas Albernes zu sein scheint, sich selbst zu Grunde richtet und unglücklich wird; gibt es doch überhaupt kein Wissen und keinen Adel, die, wenn ihnen Fröhlichkeit abgeht, nicht ihren Wert verlieren und bald verderben, und was wird euch Reichtum nützen, wenn ihr gar nicht fröhlich seid? Denn ohne Lust ist (selbst) die Herrschaft eines Kaisers und die eines Königs beklagenswert.
V. Aber die frohsinnige Person, die ich liebe, begehre und mir wieder geneigt machen will, hat mich von Kummer und Leid befreit, und wenn Lust sie mir leitet, werden sicherlich nur zwei die Verabredungszeichen und Botschaften verstehen; denn sehr verdrießlich ist es und eine Folge ungeheurer Dummheit, wenn gute Freundschaft wegen einfältiger, gemeiner und schlechtgearteter Boten sich auflöst (
10) und vergeht. Ich aber habe mich wohl vorgesehen, sodaß ich niemals solcher Schuld geziehen wurde; gibt es doch überhaupt keinen Menschen, durch den ich hierin überführt werden könnte!
VI. Und nimmt sie mich auf, worum ich sie singend bitten werde, so soll das Instrument zu ihrer Verfügung bleiben; denn wenn die frohsinnige, treffliche Person, ihre schöne Miene und ihr liebliches Gesicht sich nicht abwendet und entfernt, führt es (
11) mit hübschen Belustigungen zu einem artigen Verhältnis, das von den Augen zum Herzen überspringt, weshalb ich, wer auch immer streitet und sich gekränkt fühlt, ganz zufrieden bin, wenn ich das Herz, das Gesicht und die schicklichen Worte in rechtem Einklang miteinander finde.
VII. Und da ich mich nicht eher gesund und wohl befinde, so duldet, „schöner Gebieter“ daß ich singe! Falls Ihr es gestattet, bringt die Erlaubnis ganz gewiß mehr als tausendfachen Dank ein.
VIII. Ihr, die Ihr mein Lied überbringt, sagt Herrn Sobre-Totz, es habe sich hier so verzögert, daß es infolgedessen töricht erscheinen wird.
Fußnoten:
(1) ‚Sodaß es keinen Einhalt dafür gibt.‘ (↑)
(2) Den Betrübten. (↑)
(3) ‚Entgeht der Freude nicht.‘ (↑)
(4) Obwohl es mich schmerzt, daß ... (↑)
(5) ‚Sein Vorbild (Beispiel) verliert.‘ (↑)
(6) ‚Zu loben.‘ (↑)
(7) Jenes Recht. (↑)
(8) Das Einkommen. (↑)
(9) ‚Vor mehr als tausend Jahren.‘ (↑)
(10) ‚Sich von der Fessel befreit.‘ (↑)
(11) Das Instrument. (↑)